Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2010, Az. IX ZR 8/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7350

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 8/07 Verkündet am: 22. April 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2010 durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 18. Dezember 2006 teil-weise geändert. Die [X.] wird verurteilt, an den Kläger weitere 51.358,22 • zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2003 zu zahlen. Die [X.] der [X.] wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz ha-ben der Kläger 25% und die [X.] 75% zu tragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der [X.] zur Last. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 22. April 2003 am 1. Juli 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.], die eine Geflügelmast betrieb (fortan Schuldnerin). Die Schuldnerin [X.] mit der [X.] eine Vereinbarung geschlossen, nach der diese dem 1 - 3 - Mastbetrieb die Küken zur Aufzucht lieferte, bei [X.] wieder abnahm und den jeweiligen [X.] nach Abzug bestimmter Kosten an die Schuldnerin abführte. Von dem Erlös abgezogen werden sollten unter anderem die Zins- und Tilgungsleistungen für zwei Darlehen, welche die Schuldnerin für den Aufbau ihres Betriebs bei zwei Hausbanken der [X.] (der [X.] und der [X.]

) aufgenommen hatte. Für diese Darlehen hatten sich neben anderen ein Schwesterunternehmen der [X.] und diese selbst - jeweils für eines der Darlehen - verbürgt. In Höhe der jeweiligen Zins- und Tilgungsraten war der Anspruch auf den [X.] an die [X.] abgetreten. Der Kläger führte als vorläufiger Insolvenzverwalter den Mastbetrieb [X.] weiter. Die Schuldnerin belieferte die [X.] über die [X.] hinaus mit schlachtreifen Puten. Soweit jetzt noch von Interesse, erteilte die [X.] dem Kläger am 18. Juli 2003 eine Abrechnung über Putenlieferun-gen der Schuldnerin aus dem Zeitraum vom 3. bis 10. Juli 2003, in der sie für Zins- und Tilgungsleistungen an die [X.] 51.358,22 • absetzte. Aus einer weiteren Abrechnung vom 8. August 2003 für die Lieferung von Puten im Zeit-raum vom 14. bis 21. Juli 2003 behielt die [X.] insgesamt 75.285,27 • ein, die sie in Höhe von 8.368,97 • (7.895,22 • Hauptforderung zuzüglich 473,75 • Zinsen) auf ein Ende 2003 fällig gewordenes Darlehen verrechnete, das sie der Schuldnerin vor Verfahrenseröffnung gegeben hatte, und in Höhe von 66.916,30 • auf Zahlungen, die sie nach Verfahrenseröffnung an die [X.]

aufgrund der von ihr übernommenen Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin leisten musste. 2 Ursprünglich hat der Kläger die [X.] auf Zahlung von insgesamt 170.358,96 • wegen der vorstehend wiedergegebenen Verrechnungen und wei-3 - 4 - terer Einbehalte in zwei vor Verfahrenseröffnung erteilten Abrechnungen in [X.] genommen. Das [X.] hat die [X.] verurteilt, 110.206,92 • zu zahlen, wobei es die Klage hinsichtlich des aus der Abrechnung vom 18. Juli 2003 der Masse nicht ausgezahlten Betrages abgewiesen hat. Auf das Rechtsmittel der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage wegen der vor Verfahrenseröffnung nicht gezahlten Beträge, die der Kläger in der [X.] nicht mehr weiter verfolgt, abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Betrages aus der Abrechnung vom 18. Juli 2003 weiter. Die [X.] möchte mit ihrer [X.] die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet; die [X.] nicht. 4 [X.] Das Berufungsgericht meint, die [X.] sei zur Abführung der Zins- und Tilgungsleistungen aus der Abrechnung vom 18. Juli 2003 an die [X.] berechtigt gewesen, weil ein Telefax des Betriebsleiters [X.]der [X.] vom 16. Mai 2003 an den Kläger so auszulegen sei, dass dieser weiter mit dem Abzug der Zins- und Tilgungsleistungen einverstanden gewesen sei. Die Schuldnerin habe die Geschäftsbeziehung mit der [X.] fortgesetzt, nach-dem [X.]in dem Schreiben erklärt gehabt habe, dass die [X.] von den künftigen [X.]en die zum jeweiligen Durchgang gehörenden [X.] - 5 - ten einbehalten werde. Entsprechend könne auch ein Schreiben des [X.] vom 16. Mai 2003 verstanden werden, in dem er verlangt habe, dass die [X.] bei den anstehenden Ablieferungen keine Verrechnung mit Altforderun-gen vornehmen dürfe. Dagegen seien die von der Abrechnung vom 8. August 2003 vorgenom-menen Einbehalte, die die [X.] endgültig erst zum Jahresende 2003 erstellt habe, nicht gerechtfertigt gewesen. Einen erst Ende 2003 fällig gewordenen Darlehensrückzahlungsanspruch einschließlich Zinsen habe die [X.] nicht absetzen dürfen. Auch ihr Vortrag, den Betrag von 66.916,30 • absetzen zu können, weil sie in dieser Höhe von der finanzierenden Bank in Anspruch ge-nommen worden sei, rechtfertige den Einbehalt nicht. Sofern sie auf einen von der Schuldnerin an die Bank abgetretenen Betrag gezahlt haben sollte, sei der Kläger nach § 166 Abs. 2 [X.] zur Einziehung berechtigt gewesen. Falls sie aus der von ihr übernommenen Bürgschaft in Anspruch genommen worden sei, könne sie nach Sinn und Zweck der Vereinbarung vom 16. Mai 2003 diese [X.] nicht von der Rechnung absetzen. 6 I[X.] Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Diese macht geltend, das Berufungsgericht habe außer [X.] gelassen, dass der [X.] vom 18. Juli 2003 ausschließlich Putenlieferungen zugrunde gelegen hätten, die erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt seien. Aus der "Abstimmung" mit dem Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter habe die [X.] keine Be-rechtigung zur Weiterleitung von Teilen des Erlöses für nach [X.] erbrachte Leistungen an einen Dritten mehr ableiten können. [X.] 7 - 6 - Verrechnungsvereinbarungen seien mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens er-loschen. Außerdem habe der Kläger die Vereinbarung vom 16. Mai 2003 wirk-sam angefochten. Er habe sowohl vor als auch nach Verfahrenseröffnung dar-auf hingewiesen, dass er mit einer Abführung von Zins- und Tilgungsleistungen nicht einverstanden sei. Diese Einwendungen erweisen sich im Ergebnis als zutreffend. [X.] derjenigen Forderungen der Schuldnerin, die nach Eröffnung des [X.] entstanden sind, war die Abtretung an die [X.] gemäß § 91 Abs. 1 [X.] unwirksam. Die Schuldnerin hat ihren Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB behalten. 8 1. Nach § 91 Abs. 1 [X.] können nach der Eröffnung des Insolvenzver-fahrens Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam er-worben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit [X.] des [X.] beendet. Der [X.] erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung ([X.], 367, 369; 88, 205, 206 f; 167, 363, 365 f Rn. 6; [X.], Urt. v. 30. Januar 1997 - [X.] ZR 89/96, [X.], 513, 514). Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des [X.], kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 [X.] kein Forderungs-recht zu Lasten der Masse mehr erwerben ([X.]Z 135, 140, 145 zu § 15 KO; 162, 187, 190; 167, 363, 365 f Rn. 6; 181, 361 Rn. 10, 11 [X.], Urt. v. 5. Ja-nuar 1955 - IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; v. 20. März 2003 - [X.] ZR 166/02, [X.], 808, 809; v. 14. Januar 2010 - [X.] ZR 78/09, [X.], 335, 337 Rn. 18; MünchKomm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23; [X.]/ [X.], [X.]. § 15 Rn. 44; [X.], [X.] 13. Aufl. § 91 Rn. 17). Nur 9 - 7 - wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine ge-sicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung [X.]. 2. Die Schuldnerin hat das schlachtreife Geflügel an die [X.] ver-kauft. Als Kaufpreis war ein Teil der [X.]e vereinbart. Der darauf ge-richtete Anspruch entstand erst mit der jeweiligen Lieferung der gemästeten Puten an die [X.]. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte bestimmt werden, wie hoch der jeweilige [X.] war. Damit konnte auch erst zu diesem Zeit-punkt der Anspruch der [X.] auf Abführung der Zins- und Tilgungsleis-tungen entstehen. Sämtliche Lieferungen erfolgten nach dem in den [X.] unbestrittenen Vorbringen des [X.] erst nach [X.]. Zu dieser Zeit konnte die [X.] aber im Hinblick auf § 91 Abs. 1 [X.] keine Ansprüche auf Teile der [X.]e mehr erwerben. Die [X.] durfte deshalb ihre Auszahlungen nicht um an die [X.] erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen kürzen. Ob sie diese tatsächlich erbracht hat, ist unerheblich. 10 II[X.] Die [X.] bleibt ohne Erfolg. 11 1. Ins Leere geht die Rüge, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage befasst, wer der richtige Anfechtungsgegner sei, der Kläger könne sich allenfalls an die [X.]

halten, weil dieser der Einbe-halt aus der Abrechnung vom 8. August 2003 zugute gekommen sei. Das [X.] hat die Verurteilung der [X.] nicht auf eine [X.] - 8 - tung gestützt. Es ist von deren fehlender Berechtigung ausgegangen, gegen die Forderung der Klägerin mit einer eigenen, nach Verfahrenseröffnung entstan-denen Forderung aufzurechnen und dem Anspruch der Masse eigene Ansprü-che entgegen zu halten, die aus der Befriedigung der [X.]

als [X.] resultieren. Für den Fall der Abführung der Einbehalte an die [X.] aufgrund der vermeintli-chen Abtretung ist es von einer Verletzung des § 166 Abs. 2 [X.] ausgegan-gen. 2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten - jedenfalls im [X.] rechtlicher Überprüfung stand. Der Kläger hat auch im Hinblick auf die Abrechnung vom 8. August 2003 seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung behal-ten. 13 [X.] ist unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Masse schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Die Forderung des [X.] aus der Abrechnung vom 8. August 2003 stammt aus Lieferungen schlachtreifer Puten im Zeitraum 14. bis 21. Juli 2003. Sie ist damit erst nach Verfahrenseröffnung entstanden. Eine Aufrechnung mit einem zum Jahresende 2003 fällig gewordenen Darlehenrück-zahlungsanspruch ist ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Aufrechnung mit einem Anspruch aus § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB, den die [X.] aufgrund ihrer Inanspruchnahme durch die [X.] nach Verfahrens-eröffnung erworben haben könnte. Soweit das Berufungsgericht erwogen hat, der Verrechnung der [X.] könne § 166 Abs. 2 [X.] entgegenstehen, falls die [X.] den einbehaltenen Betrag aufgrund der Vorausabtretung an die [X.] abgeführt haben sollte, würde dies schon an § 91 Abs. 1 [X.] scheitern. Die [X.] hätte auch hier keinen Anspruch 14 - 9 - auf Abführung der Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Erlös gehabt, weil sie nach Verfahrenseröffnung keine Rechte mehr an Gegenständen der [X.] erwerben konnte. IV. Das angefochtene Urteil kann damit teilweise nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit das Berufungsgericht die Klage auf Zahlung des einbehaltenen Verwertungserlöses aus der Abrechnung vom 18. Juli 2003 abgewiesen hat. Da die Aufhebung nur wegen einer [X.] auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endent- 15 - 10 - scheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die [X.] in voller Höhe verurteilt. [X.]Raebel [X.] Pape [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.06.2006 - 15 [X.] - [X.], Entscheidung vom 18.12.2006 - 13 U 35/06 -

Meta

IX ZR 8/07

22.04.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2010, Az. IX ZR 8/07 (REWIS RS 2010, 7350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7350

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