Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2019, Az. 4 StR 194/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4947

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Gegenstand

Strafzumessung bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Kindern: Strafschärfung bei ungewissen Tatfolgen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2019 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Aufklärungsrügen sind nicht ordnungsgemäß ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der [X.] hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4

3. Der gesamte Strafausspruch hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

Das [X.] hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung bei allen Taten zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt: „Der durch die oben zitierten [X.] bezweckte Schutz der ungestörten Entfaltung der Sexualität wurde durch das Verhalten des Angeklagten in empfindlicher Weise gestört (...). [X.] war zudem einzubeziehen, dass verschuldete Auswirkungen der Taten als nicht ausgeschlossen erscheinen und dass die Kindeseltern unter der Vorstellung leiden, dass die Kinder durch die Taten zusätzlich belastet sind und Unsicherheit besteht, ob und inwiefern dieser Umstand Auswirkungen in der Zukunft haben wird“. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das [X.] dem Angeklagten unzulässigerweise (§ 46 Abs. 3 StGB) den Strafzweck des § 176 StGB, der in dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes liegt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Juli 1998 – 4 StR 300/98, [X.], 656; vom 13. Juni 2000 – 4 StR 179/00, [X.], 74, 75; vom 20. August 2003 – 2 [X.], [X.], 41; vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 379/13, juris Rn. 8; vom 26. August 2018 – 4 [X.], juris Rn. 5), strafschärfend angelastet hat. Im Übrigen lassen diese Ausführungen auch besorgen, dass die [X.] verkannt hat, dass der [X.] uneingeschränkt auch für die Strafzumessung gilt (vgl. [X.], Urteile vom 28. Juli 1983 – 4 [X.], [X.] 1983, 456; vom 15. Mai 1985 – 2 StR 149/85, [X.] 1986, 5; Beschluss vom 26. August 2018 – 4 [X.], aaO). Kann das Gericht keine sicheren Feststellungen über Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken. Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen hinsichtlich möglicherweise auftretender Spätfolgen der Tat gestützte Strafzumessung ist unzulässig (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Januar 1997 – 4 [X.], [X.], 336, 337; vom 7. Juli 1998 und vom 20. August 2003, jeweils aaO). Das [X.] hat entgegen der Auffassung des [X.] nicht nur berücksichtigt, dass die Eltern der geschädigten Kinder bereits gegenwärtig unter der Unsicherheit leiden, sondern ausdrücklich daneben auch lediglich mögliche Spätfolgen zu Lasten auch des Angeklagten gewertet.

6

4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe von den aufgezeigten [X.] beeinflusst sind.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Bender

      

Quentin     

      

Bartel     

      

Meta

4 StR 194/19

30.07.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 9. Januar 2019, Az: 26 KLs 45/18

§ 46 Abs 1 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 174 StGB, § 176 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.07.2019, Az. 4 StR 194/19 (REWIS RS 2019, 4947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4947

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