Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2015, Az. 2 StR 400/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14571

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 400/14
vom
4. März 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 4. März 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des
Angeklagten,

Rechtsanwalt

als Vertreter des
[X.]

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklä-gers wird das Urteil des [X.] vom 2.
Juni 2014
mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der [X.] freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwen-digen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zu-ständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den
Angeklagten
wegen Erwerbs jugendpornogra-phischer Schriften in drei Fällen und wegen Verstoßes gegen Weisungen wäh-rend der Führungsaufsicht in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt
und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Von dem Vorwurf der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Nötigung (Fall [X.] der Urteils-gründe [Fall 1 der Anklage]) hat ihn das [X.] aus rechtlichen Gründen und von einem weiteren Anklagevorwurf aus tatsächlichen Gründen freigespro-chen. Gegen den aus rechtlichen Gründen vorgenommenen Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.], die jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Nebenkläger rügt zudem die [X.] formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben
mit der Sachrüge Erfolg.
1
-
4
-
I.
1. Nach den zu Fall II.
2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hielt sich der zum Tatzeitpunkt 15-jährige Nebenkläger in der Wohnung des Angeklagten auf. Er begab sich in das Badezimmer, zog dort seine Hose und Unterhose herunter und urinierte in die Toilettenschüssel. Der Angeklagte stand plötzlich unmittelbar hinter dem Nebenkläger, umfasste
mit seiner linken Hand den
entblößten Penis und "drückte einmal kurz zu, um sich hierdurch sexuelle Erregung zu verschaffen". Durch das [X.] empfand der Nebenkläger "für einen kurzen Augenblick leichte Schmerzen". Sodann "zog der Angeklagte [X.] am
Glied des [X.], dass sich dieser -
wie vom Angeklagten beab-sichtigt
-
mit seinem Körper nach links umdrehen
musste". Der Angeklagte ließ nunmehr den Penis los, hockte sich vor den
Nebenkläger und führte kurzzeitig den Oralverkehr aus. Der Nebenkläger drehte sich weg und beendete damit den Oralverkehr.
2. Das [X.] hat den Angeklagten im Fall II.
2. der Urteilsgründe aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Da die Feststellungen keine [X.] Lage belegten, sei der Tatbestand gemäß §
177 Abs.
1 Nr.
3 StGB nicht er-füllt. Eine Verurteilung gemäß §
182 Abs.
1 Nr.
1 StGB scheide aus, weil eine Zwangslage des [X.] nicht festgestellt werden könne. Auch eine [X.] wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§
223 Abs.
1 StGB) komme nicht in Betracht, weil der Angeklagte "die Schwelle zu einer üblichen [gemeint: üblen] unangemessenen Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt werden muss, nicht überschritten"
habe. Bei dem von dem Nebenkläger geschilderten "leichten Schmerz"
habe es sich um eine -
nicht tatbestandsmäßige
-
geringfügige und folgenlose Beeinträchti-gung des Wohlbefindens gehandelt.
Zudem seien keine Verletzungsfolgen fest-zustellen gewesen.
2
3
-
5
-
II.
Die auf den Freispruch im Fall II.
2. der Urteilsgründe wirksam
be-schränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1.
Die Staatsanwaltschaft hat zwar eingangs ihrer [X.] keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils im Schuld-
und Strafausspruch und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten [X.] und Entscheidung beantragt. Mit diesem umfassenden Revisionsan-trag steht jedoch der übrige Inhalt der [X.] nicht in [X.]. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil ausschließlich im Fall II.
2. der Urteilsgründe für fehlerhaft hält. Somit widersprechen sich Re-visionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. Unter Berücksichtigung von Nr.
156
Abs.
2 RiStBV (vgl. auch Senat, Urteil vom 11.
Juni 2014 -
2
StR 90/14, [X.], 285 mwN) versteht der Senat daher das gesamte Revisions-vorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht angreifen will, soweit der Angeklagte verurteilt und aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden ist.
2. Der Freispruch des [X.] lässt besorgen, dass der Tatrichter einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat.
a) Nach den Feststellungen
verursachte
der Griff des Angeklagten an den entblößten Penis des Geschädigten einen "leichten Schmerz". In diesem Fall war
aber das körperliche Wohlbefinden des Geschädigten nicht nur
ganz
unerheblich beeinträchtigt. Dies würde für eine Verurteilung wegen Körperver-letzung ausreichen auch
wenn Verletzungsfolgen nicht festgestellt werden konnten
(vgl. auch Senat, Urteil vom 22.
November 1991 -
2 [X.], inso-weit in [X.], 106
nicht abgedruckt; [X.], Beschluss vom 22.
Oktober 2013 4
5
6
7
-
6
-
-
3 [X.], [X.], 11; [X.], StGB, 62.
Aufl., §
223 Rn.
4, 6 mwN).
Die recht unklaren Feststellungen des [X.] lassen aber weder erkennen, ob der Begriff "Schmerz" hier zutreffend verwendet ist und ob er
vom Geschädigten selbst verwendet oder diesem -
etwa als Vorhalt
-
vorgegeben wurde, noch verhalten sie sich zu dem erforderlichen Vorsatz des Angeklagten.
b) Auch ob die Tat als sexuelle Nötigung (vgl. Senat, Urteil vom 22.
November 1991 -
2
[X.], insoweit in [X.], 106
nicht abgedruckt; [X.], aaO, §
177 Rn.
104) zu bewerten ist, wird der neue Tatrichter zu [X.] haben. Selbst wenn der Nebenkläger aufgrund des vom Angeklagten sexuell motivierten Ziehens an seinem
Penis mit einer Linksdrehung seines Körpers nachgeben musste, wäre
damit der Tatbestand gemäß §
177 Abs.
1 Nr.
1 StGB
nicht ohne Weiteres erfüllt.
Denn für die Annahme einer sexuellen Nötigung "mit Gewalt" ist erforderlich, dass der Täter [X.] entfaltet, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu
überwinden (vgl. auch Senat, Beschluss vom 31.
Juli 2013 -
2 [X.], [X.]R StGB §
177 Abs.
1 Gewalt
17). Dass der Angeklagte eine solche Zwangswirkung erzielen wollte,
ist bisher
nicht be-legt.
c) Das Urteil ist im Fall II.
2. der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufzuheben (vgl. dazu [X.]/[X.], [X.], 57.
Aufl., §
353 Rn.
15a mwN).

8
9
-
7
-
III.
Die -
nach Auslegung
-
ebenfalls allein auf den Freispruch im Fall II.
2. der Urteilsgründe zulässig beschränkte Revision des [X.] hat mit der Sachrüge aus den unter [X.] ausgeführten Gründen Erfolg; auf die ([X.]) Verfahrensrüge kommt es nicht an.
[X.]
Ri[X.] Dr. [X.] ist an [X.]

der Unterschrift gehindert.

[X.]

Eschelbach [X.]
10

Meta

2 StR 400/14

04.03.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2015, Az. 2 StR 400/14 (REWIS RS 2015, 14571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14571

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2 StR 400/14

3 StR 323/13

2 StR 318/13

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