Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.08.2017, Az. 7 ABR 42/15

7. Senat | REWIS RS 2017, 7046

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Gegenstand

Betriebsrat - Wahlanfechtung - Wählerliste - Einspruch


Leitsatz

Ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nach § 4 Abs. 1 WO (juris: BetrVGDV1WO) ist nicht Voraussetzung dafür, in einem späteren Wahlanfechtungsverfahren die Aufnahme nicht Wahlberechtigter in die Wählerliste rügen zu können.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 16. Juli 2015 - 18 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer [X.].

2

Die zu 6. beteiligte Arbeitgeberin betreibt eine Klinik zur Akutversorgung und anschließenden medizinischen und beruflichen Rehabilitation von Patienten in den Fachrichtungen Orthopädie und Neurologie. Sie arbeitet eng mit der Universitätsklinik U zusammen. Die [X.]hefärzte der Abteilungen Neurologie und Orthopädie werden von der Arbeitgeberin und der Universitätsklinik beschäftigt. Sie teilen bei der Universitätsklinik angestellte Ärzte teilweise auch in Dienstpläne bei der Arbeitgeberin ein.

3

Am 26./27. März 2014 fand in dem Betrieb der Arbeitgeberin eine [X.] statt, aus der der zu 5. beteiligte Betriebsrat hervorging. Zur Vorbereitung der Wahl hatte der Wahlvorstand am 28. Januar 2014 ein Wahlausschreiben erlassen. Dieses lautet auszugsweise:

        

„1.     

Mit diesem Wahlausschreiben und den dazugehörigen Wählerlisten sowie der Wahlordnung ([X.]) zum [X.] ([X.]) ist die [X.] eingeleitet. Die Wählerlisten und die Wahlordnung hängen für jedermann zugänglich in bzw. an den Schaukästen an der Zentralumkleide ([X.], [X.]), im Vorraum zur Verwaltung (Bauteil [X.], [X.]) sowie im Gang zum Wirtschaftshof ([X.], 1. UG), zur Einsichtnahme aus. Wahlausschreiben, Wählerlisten und Wahlordnung können außerdem im Intranet eingesehen werden.

        

…       

        
        

4.    

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer/-innen, die am letzten Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 [X.]) und in die Wählerliste eingetragen sind (§ 2 Abs. 3 [X.]).

        

...“   

        

4

Die am 28. Januar 2014 mit dem Wahlausschreiben ausgehängte sowie im Intranet veröffentlichte Wählerliste enthielt mit fortlaufender Nummerierung die Namen der wahlberechtigten Mitarbeiter. Neben den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin waren in der Wählerliste unter der Rubrik „Mitarbeiter … - Universitätsklinik“ 14 Ärzte als Wahlberechtigte genannt, die keinen Arbeitsvertrag mit der Arbeitgeberin, sondern mit der Universitätsklinik U hatten. Weitere Mitarbeiter der Universitätsklinik U (ärztliches und nichtärztliches Personal), die ebenfalls im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt wurden, waren nicht in der Wählerliste vermerkt.

5

Die Liste der weiblichen Beschäftigten endete mit der Ordnungsnummer 585. Aufgelistet waren ab der Ordnungsnummer 577 folgende Namen:

        

Mitarbeiter weiblich - Universitätsklinik

        

577 A 

[X.]       

581 H 

T       

        

578 F 

M       

582 H 

B       

        

579 H 

N       

583 R 

M       

        

580 H 

A       

584 S 

I       

                                            
        

Mitarbeiter weiblich - Sonstige (z.B. Gastärzte)

        

585 M 

N“    

                 

6

Nach dem 28. Januar 2014 nahm der Wahlvorstand Ergänzungen in der Wählerliste vor, ohne die im Intranet veröffentlichte Fassung entsprechend zu ändern. Jedenfalls eine der ausgehängten Wählerlisten hatte am Wahltag folgenden Inhalt:

        

„…    

        
        

590 A 

[X.]       

        

591 B 

S       

        

592 F 

M       

        

593 H 

N       

        

594 H 

A       

        

595 H 

T       

                          
        

Mitarbeiter weiblich - Sonstige (z.B. Gastärzte)

        

602 M 

N“    

7

Zur Wahl wurden zwei Vorschlagslisten zugelassen. Von den abgegebenen Stimmen entfielen 228 Stimmen auf die [X.] (Freie Liste ver.di) und 220 Stimmen auf die [X.]I (konstruktive Liste). Das Wahlergebnis wurde am 28. März 2014 bekannt gegeben. Nach Abschluss der Wahl wurden die ausgehängten Abdrucke der Wählerliste vom Wahlvorstand vernichtet.

8

Die zu 1. bis 4. beteiligten Antragstellerinnen haben die [X.] vom 26./27. März 2014 mit der am 11. April 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift angefochten. Während des Wahlverfahrens hatten sie keinen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste beim Wahlvorstand eingelegt.

9

Innerhalb der Anfechtungsfrist haben die Antragstellerinnen geltend gemacht, der Wahlvorstand habe in die Wählerliste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Universitätsklinik aufgenommen, die nicht wahlberechtigt seien. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist haben die Antragstellerinnen weitere [X.] gerügt. Sie haben ua. die Auffassung vertreten, die Unwirksamkeit der Wahl folge daraus, dass die im Intranet veröffentlichte Wählerliste am 26./27. März 2014 nicht mit dem in einem Schaukasten ausgehängten Abdruck der Wählerliste übereingestimmt habe. In der Liste der weiblichen Beschäftigten im Intranet seien 585 Beschäftigte, im Aushang zuletzt 602 Beschäftigte aufgeführt gewesen.

Die Antragstellerinnen haben zuletzt beantragt,

        

die [X.] vom 26. und 27. März 2014 im Betrieb der Arbeitgeberin für unwirksam zu erklären.

Die Arbeitgeberin hat sich den Ausführungen der Antragstellerinnen angeschlossen. Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Antragstellerinnen hätten die Wahl nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form angefochten. Innerhalb der Anfechtungsfrist seien nur Fehler der Wählerliste gerügt worden. Dies hätte jedoch einen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste während des Wahlverfahrens erfordert, der - unstreitig - unterblieben sei. Die spätere Geltendmachung anderer Verstöße gegen [X.] sei daher ausgeschlossen. Im Übrigen sei nicht gegen wesentliche [X.] verstoßen worden. Der Wahlvorstand habe zwar die Wählerliste nach dem 28. Januar 2014 um 17 Personen ergänzt, ohne die im Intranet veröffentlichte Liste entsprechend zu ändern. Die Abweichung könne sich aber nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben, da vier der 17 Arbeitnehmerinnen an der Wahl teilgenommen hätten, sieben Arbeitnehmerinnen unabhängig von dem Inhalt der im Intranet veröffentlichten Wählerliste Kenntnis von ihrem Wahlrecht gehabt hätten und zwei Arbeitnehmerinnen die Liste im Intranet nicht eingesehen hätten. Nur bei vier Beschäftigten sei eine Klärung des Sachverhaltes nicht möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats wurde vom [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags. Die Antragstellerinnen und die Arbeitgeberin beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem [X.] zu Recht stattgegeben. Die am 26./27. März 2014 durchgeführte [X.] ist nach § 19 Abs. 1 [X.] unwirksam.

I. Nach § 19 Abs. 1 [X.] kann die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene [X.] oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

II. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

1. Die formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung liegen vor.

a) Die Antragstellerinnen sind wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen des Betriebs und damit nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Wahlanfechtung berechtigt. Sie haben die Wahl fristgerecht angefochten. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis am 28. März 2014 bekannt gegeben. Der [X.] ist am 11. April 2014 und damit innerhalb der Anfechtungsfrist von zwei Wochen beim Arbeitsgericht eingegangen.

b) Der [X.] vom 11. April 2014 entspricht den gesetzlichen Anforderungen.

aa) Die [X.] müssen innerhalb der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Unwirksamkeit der [X.] geltend machen und einen Sachverhalt darlegen, der Anlass zu der Annahme geben kann, es sei bei der Wahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden (vgl. zuletzt [X.] 21. März 2017 - 7 [X.] - Rn. 20). Es muss ein betriebsverfassungsrechtlich erheblicher Grund vorgetragen werden, der möglicherweise die Anfechtung rechtfertigt. Ist innerhalb der Anfechtungsfrist ein solcher Sachverhalt vorgetragen worden, sind auch alle später nachgeschobenen Gründe zu prüfen, die die Anfechtbarkeit der Wahl begründen können.

bb) Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift vom 11. April 2014. Mit ihr haben die Antragstellerinnen geltend gemacht, bei der Wahl sei gegen Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden, weil in die Wählerliste nicht nur bei der Arbeitgeberin, sondern auch bei der Universitätsklinik angestellte Personen sowie ein ausgeschiedener „Gastarzt“ und eine Praktikantin aufgenommen worden seien. Diese seien nicht wahlberechtigt. Damit haben die Antragstellerinnen eine Verletzung des § 7 [X.] gerügt. Sie haben daher einen betriebsverfassungsrechtlich erheblichen Grund vorgetragen, der möglicherweise die Anfechtung rechtfertigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerinnen während des Wahlverfahrens keinen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste gemäß § 4 der [X.] zur Durchführung des [X.] vom 11. Dezember 2001 ([X.]) beim Wahlvorstand erhoben hatten. Nach § 4 Abs. 1 [X.] können zwar Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste nur vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand schriftlich eingelegt werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Wahlvorstand über einen Einspruch unverzüglich zu entscheiden. Ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste während des Wahlverfahrens ist jedoch nicht Voraussetzung dafür, in einem späteren [X.] die Aufnahme nicht Wahlberechtigter in die Wählerliste rügen zu können (vgl. etwa [X.]/ [X.] 15. Aufl. § 19 Rn. 6; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 19 [X.] Rn. 3; [X.] GK-[X.] 10. Aufl. § 19 Rn. 59 f.; HWGNRH/[X.] 9. Aufl. § 19 Rn. 23; Wlotzke in Wlotzke/Preis/[X.] [X.] 4. Aufl. § 19 Rn. 5; aA Fitting 28. Aufl. § 19 Rn. 14 und § 4 [X.] Rn. 5 jeweils mwN; [X.] in [X.] [X.] 15. Aufl. § 19 Rn. 9 f. mwN; offengelassen von [X.] 21. März 2017 - 7 [X.] - Rn. 16; 14. November 2001 - 7 [X.] [X.] der Gründe; 27. Januar 1993 - 7 [X.] - zu [X.] 5 b der Gründe, [X.]E 72, 161 zu § 4 [X.] 1953).

(1) § 19 [X.] sieht seinem Wortlaut nach insoweit keine Einschränkung des [X.] vor. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 [X.]. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht darin, eine möglichst zeitnahe und abschließende Klärung von Beanstandungen der Wählerliste noch während des Wahlverfahrens zu erreichen. Die Regelung soll damit zwar eine ansonsten nur mögliche Anfechtung der Wahl vermeiden. Weder das [X.] noch die [X.] sehen aber vor, dass eine Entscheidung des Wahlvorstands über die Richtigkeit der Wählerliste verbindliche Wirkung hat oder ein nicht rechtzeitig durch einen Einspruch gerügter Verstoß gegen Vorschriften über das Wahlrecht geheilt wird. Erst in einem späteren Anfechtungsverfahren kann verbindlich geklärt werden, ob eine Entscheidung des Wahlvorstands, eine Person in die Wählerliste aufzunehmen oder von dieser zu streichen, zu Recht erfolgt ist. Soweit die Anfechtbarkeit der [X.] wegen möglicher Verstöße gegen [X.] ausnahmsweise aufgrund vorheriger Klärungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden soll, ist dies im [X.] ausdrücklich bestimmt. So ordnet etwa § 18a Abs. 5 Satz 2 [X.] an, dass eine Wahlanfechtung wegen einer fehlerhaften Zuordnung der leitenden Angestellten nach Durchführung eines Zuordnungsverfahrens ausgeschlossen ist. Eine solche Einschränkung des [X.] ist für den unterbliebenen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nicht vorgesehen.

(2) Eine Einschränkung des [X.] durch § 4 Abs. 1 [X.] wäre auch nicht durch die Ermächtigung zum Erlass von [X.] in § 126 [X.] legitimiert. Während die Vorgängerregelung in § 87 Buchst. g [X.] 1952 ([X.] I S. 694) vorsah, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des [X.] zur Regelung der Wahlen des Betriebsrats Regelungen über die Anfechtung der Wahl erlässt, ist das [X.] dazu durch § 126 Nr. 1 - 7 [X.] nicht mehr befugt. Diese Verordnungsermächtigung erstreckt sich nur auf Ordnungs- oder Verfahrensbestimmungen zur Durchführung der Wahl, zur Ermittlung des Wahlergebnisses und zur Aufbewahrung der [X.]. Regelungen zur Überprüfung von [X.]en im Rahmen einer Anfechtung und zum Anfechtungsrecht sind in § 126 [X.] nicht genannt. Ohne gesetzliche Verordnungsermächtigung können die Bestimmungen der [X.] als niederrangige Rechtsnormen gegenüber dem Gesetz weder zusätzliche materielle Voraussetzungen aufstellen noch von den gesetzlichen Anforderungen Ausnahmen zulassen. Sie können somit das gesetzliche Anfechtungsrecht nicht einschränken ([X.] GK-[X.] 10. Aufl. § 19 Rn. 60; vgl. zur Normhierarchie auch [X.] 21. März 2017 - 7 [X.] - Rn. 28; 29. März 1974 - 1 ABR 27/73 - zu [X.] b der Gründe, [X.]E 26, 107; 25. Juni 1974 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe; vgl. zur gesetzeskonformen Auslegung SchwbV[X.] [X.] 23. Juli 2014 - 7 [X.] - Rn. 27).

2. Die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 [X.] liegen ebenfalls vor. Bei der Wahl wurde gegen wesentliche [X.] verstoßen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis hierauf beruht.

a) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Wahlvorstand gegen § 2 Abs. 4 [X.] verstoßen hat, indem er die Wählerliste nachträglich um 17 Personen ergänzt hat, ohne die im Intranet veröffentlichte Fassung der Liste entsprechend zu ändern.

aa) Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist ein Abdruck der Wählerliste vom [X.] bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen. Ergänzend kann der Abdruck der Wählerliste nach § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden. Die ordnungsgemäße Anfertigung und Bekanntmachung der Wählerliste bis zum Abschluss der Stimmabgabe sind wesentliche Voraussetzungen für die Durchführung der [X.]. Dies ergibt sich daraus, dass die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts nach § 2 Abs. 3 [X.] von der Eintragung in die Wählerliste abhängt.

bb) Der Wahlvorstand ist wegen der Bedeutung der Aufnahme wahlberechtigter Arbeitnehmer in die Wählerliste dazu verpflichtet, die Richtigkeit der Wählerliste laufend zu überprüfen. Er hat nicht nur nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] unverzüglich über Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste zu entscheiden, die gemäß § 4 Abs. 1 [X.] binnen zwei Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens erhoben werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] soll der Wahlvorstand die Wählerliste vielmehr auch nach Ablauf der Einspruchsfrist auf ihre Vollständigkeit hin überprüfen (vgl. zu § 4 Abs. 3 [X.] 1953 [X.] 27. Januar 1993 - 7 [X.] - zu [X.]I 2 b der Gründe, [X.]E 72, 161). Werden Änderungen vorgenommen, sind diese in gleicher Weise bekannt zu machen wie die ursprüngliche Wählerliste. Der Wahlvorstand ist zwar nicht dazu verpflichtet, die Wählerliste auch in elektronischer Form zu veröffentlichen. Macht er aber von der durch § 2 Abs. 4 Satz 3 [X.] eröffneten Möglichkeit einer ergänzenden Bekanntmachung der Wählerliste mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik Gebrauch, muss er auch im Verlauf des Wahlverfahrens vorgenommene Änderungen der Wählerliste auf entsprechendem Wege bekannt machen (vgl. [X.]/[X.] 10. Aufl. § 4 [X.] Rn. 9; Forst in [X.] [X.] 15. Aufl. § 2 [X.] Rn. 16). Arbeitnehmer, die sich über ihre Wahlberechtigung informieren wollen, müssen nicht mit Abweichungen zwischen den im Betrieb ausgelegten und den im Intranet veröffentlichten Wählerlisten rechnen. Eröffnet der Wahlvorstand mehrere Informationsquellen, hat er dafür Sorge zu tragen, dass diese durchgehend übereinstimmen.

b) Der Verstoß gegen § 2 Abs. 4 [X.] konnte das Wahlergebnis beeinflussen.

aa) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. [X.] berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche [X.] nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche [X.] unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte [X.] muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der [X.] kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 39, [X.]E 145, 225; 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 30 mwN).

bb) Das [X.] hat zu Recht angenommen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 2 Abs. 4 [X.] anders ausgefallen wäre. Es ist denkbar, dass wahlberechtigte Arbeitnehmer nur über das Intranet Einblick in die Wählerliste genommen und von einer Wahlbeteiligung Abstand genommen haben, weil sie - fehlerhaft - in der im Intranet veröffentlichten Liste bis zuletzt nicht aufgeführt waren. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dies bei zumindest 13 der nachträglich in die Wählerliste aufgenommenen Beschäftigten der Fall sein kann. Da das Wahlergebnis eine Stimmendifferenz von nur acht Stimmen zwischen den beiden Vorschlagslisten ausweist, könnte sich der festgestellte Fehler im Wahlverfahren auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben.

(1) Das [X.] hat den Vortrag des Betriebsrats, von den 17 nachträglich in die Wählerliste aufgenommenen Personen hätten vier gewählt, sieben weitere hätten von ihrem Wahlrecht Kenntnis gehabt, zwei weitere hätten keinen Einblick in die Wählerliste genommen und hinsichtlich vier weiterer Personen habe eine Klärung nicht erfolgen können, als zutreffend unterstellt und angenommen, die dargestellten Umstände seien nicht geeignet, eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch die unterbliebene Veröffentlichung der geänderten Wählerliste im Intranet auszuschließen. Von den 17 nachträglich in die Wählerliste aufgenommenen Personen hätten nur vier gewählt. Bei den 13 weiteren Personen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie durch die Nichtaufnahme in die im Intranet veröffentlichte Wählerliste von der Wahrnehmung ihres Wahlrechts abgehalten wurden.

(2) Diese Würdigung ist im Ergebnis rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Die Rüge des Betriebsrats, das [X.] habe den Sachverhalt unter Verletzung von § 90 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 1 ArbGG nur unzureichend aufgeklärt, greift nicht durch. Der Vortrag des Betriebsrats, Recherchen hätten ergeben, dass sieben der 17 nachträglich in die Wählerliste aufgenommenen Beschäftigten Kenntnis von ihrem Wahlrecht gehabt hätten und zwei weitere Arbeitnehmer keine Einsicht in die im Intranet veröffentlichte Wählerliste genommen hätten, ist unbeachtlich, weil er einer Aufklärung durch das [X.] nicht zugänglich ist. Nachträgliche Recherchen über das Wahlverhalten einzelner Wahlberechtigter verletzen den durch § 14 Abs. 1 [X.] gewährleisteten Grundsatz der geheimen Wahl und sind deshalb unzulässig. Daher hat das [X.] im Ergebnis auch zu Recht davon abgesehen zu ermitteln, ob und ggf. aus welchem Grund vier weitere Arbeitnehmer, bei denen die Recherchen des Betriebsrats erfolglos waren, von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht haben.

(a) Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem [X.] Druck zu schützen. Der Grundsatz der geheimen Wahl gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern auch für die Wahlvorbereitung sowie nach Beendigung der Wahl gegenüber Auskunftsverlangen über die Stimmabgabe. Einschränkungen des Grundsatzes der geheimen Wahl sind nur zulässig, wenn diese zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl erforderlich sind ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 20 mwN, [X.]E 145, 225). Das durch § 14 Abs. 1 [X.] auch für die [X.] gewährleistete Wahlgeheimnis ist lediglich durch die Stimmabgabevermerke nach § 12 Abs. 3 [X.] sowie durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in die [X.] nach § 19 [X.] durchbrochen ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 19, aaO). § 19 [X.] normiert die Pflicht des Betriebsrats, die [X.] mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren. Die Aufbewahrungspflicht soll es ermöglichen, auch nach Abschluss der [X.] vom Inhalt der [X.] Kenntnis zu nehmen, um die Ordnungsmäßigkeit der [X.] überprüfen zu können ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 23 mwN, aaO). Daraus ergibt sich ein Recht zur Einsichtnahme in die mit den [X.] versehene Wählerliste ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 22, aaO). Weitergehende Recherchen dazu, ob bestimmte Wähler an der Wahl teilgenommen haben oder nicht, sind nicht zulässig. Die Stimmabgabe der Wähler kann nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt oder bewiesen werden ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 19, aaO). Das durch § 14 Abs. 1 [X.] geschützte Wahlgeheimnis verbietet jede weitergehende Recherche und Befragung der Wahlberechtigten dazu, ob und aus welchen Gründen sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Sowohl die Vorlage von Fragebögen als auch die Vernehmung von Arbeitnehmern über die Teilnahme an der Wahl stellen einen unzulässigen Eingriff in den Grundsatz der geheimen Wahl nach § 14 Abs. 1 [X.] dar. Es darf auch niemand durch eine „freiwillige Befragung“ zur Auskunft angehalten werden, ob er an der Wahl teilgenommen hat. Ein derart wesentlicher Eingriff in das Wahlgeheimnis bedürfte jedenfalls eines formal ausgestalteten und rechtssicher handhabbaren Verfahrens insbesondere dazu, wer auf welcher Grundlage Beweis erheben kann, welche Beweismittel zulässig sein sollen und wie bei einem „non liquet“ zu entscheiden ist. Ein solches Verfahren sieht die Wahlordnung aber nicht vor ([X.] 12. Juni 2013 - 7 [X.] - Rn. 26, aaO). Ausgeschlossen ist damit auch eine nachträgliche Aufklärung dazu, ob ein wahlberechtigter Arbeitnehmer in Kenntnis oder Unkenntnis seines Wahlrechts nicht an der Wahl teilgenommen hat. Dies lässt sich nicht anhand der aufzubewahrenden Wahlunterlagen feststellen, sondern würde eine unzulässige Befragung des Wahlberechtigten zu seiner Motivation für oder gegen die Teilnahme an der Wahl voraussetzen.

(b) Danach verbieten sich Recherchen dazu, ob sieben der nach dem Vortrag des Betriebsrats auf der im Intranet veröffentlichten Wählerliste nicht geführten Arbeitnehmerinnen trotz Kenntnis von ihrem Wahlrecht nicht an der Wahl teilgenommen haben, oder ob sie ihre Wahlberechtigung zwar kannten, aber aufgrund der fehlerhaft unterbliebenen Aufnahme in die Wählerliste davon ausgingen, nicht wählen zu dürfen. Auch Ermittlungen dazu, weshalb vier weitere Arbeitnehmerinnen nicht an der Wahl teilgenommen haben, was der Betriebsrat nach seinem Vorbringen nicht klären konnte, sind nicht zulässig. Gleiches gilt für Ermittlungen dazu, ob zwei weitere Arbeitnehmerinnen die im Intranet veröffentlichte Wählerliste nicht eingesehen haben und deshalb aus anderen Gründen als einer vermeintlich fehlenden Wahlberechtigung nicht gewählt haben. Es kann daher nicht aufgeklärt werden, ob diese insgesamt 13 Beschäftigten nicht an der Wahl teilgenommen haben, weil sie nicht in der im Intranet veröffentlichten Wählerliste genannt waren oder ob sie aus anderen Gründen von der Ausübung ihres Wahlrechts abgesehen haben. Bei einer Abweichung von acht Stimmen zwischen den beiden Vorschlagslisten ist daher nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis auf dem [X.] beruht.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    [X.]    

        

        

        

    Busch    

        

    Strippelmann    

                 

Meta

7 ABR 42/15

02.08.2017

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Ulm, 27. Januar 2015, Az: 5 BV 2/14, Beschluss

§ 4 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 19 Abs 1 BetrVG, § 7 BetrVG, § 2 Abs 4 S 1 BetrVGDV1WO, § 2 Abs 4 S 3 BetrVGDV1WO, § 14 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.08.2017, Az. 7 ABR 42/15 (REWIS RS 2017, 7046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7046

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