Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2023, Az. VIa ZR 1533/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7930

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Ersatz des Finanzierungsschadens im Rahmen des Schadensersatzes in Dieselabgasfällen


Leitsatz

Neben dem aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV folgenden und der Höhe nach auf 15% des gezahlten Kaufpreises begrenzten Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens hat der Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller keinen Anspruch auf Ersatz eines darüber hinausgehenden Finanzierungsschadens.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 18a. Zivilsenats des [X.] vom 4. Oktober 2022 - mit der Maßgabe, dass dieses Urteil im Tatbestand dahingehend berichtigt wird, dass der Berufungsantrag zu 2 nur in Höhe von 1.066,99 € nebst Zinsen gestellt wurde - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht betreffend eine deliktische Schädigung des [X.] hinsichtlich der [X.] zu 1 und zu 2 zu dessen Nachteil erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte (in erster Instanz: Beklagte zu 2) wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte im Juli 2016 unter Inanspruchnahme eines Darlehens von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten und mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgerüsteten Gebrauchtwagen [X.] 3.0 [X.] (Schadstoffklasse Euro 6). Das Fahrzeug, das der Kläger mittlerweile verkaufte, war von einem Rückruf des [X.] ([X.]) betroffen.

3

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, ihn so zu stellen, als habe er das Fahrzeug nicht erworben. Das [X.] hat seine Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die zuletzt auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Veräußerungserlöses und einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen (Berufungsantrag zu 1), auf Erstattung von Finanzierungskosten nebst Zinsen (Berufungsantrag zu 2) und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) gerichtete Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Kläger die zuletzt gestellten Berufungsanträge zu 1 und zu 2 in Bezug auf eine deliktische Schädigung weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

4

Die wirksam auf die [X.] zu 1 und zu 2 sowie - wie die Auslegung der Revisionsbegründung ergibt - auf deliktische Schadensersatzansprüche beschränkte Revision (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 1031/22, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 10. Juli 2023 - [X.] 1620/22, juris Rn. 5 ff.) hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht zu, weil er greifbare Anhaltspunkte für ein [X.] Verhalten der Beklagten weder in Bezug auf ein - von der Revision allein noch in den Blick genommenes - [X.] noch auf andere vom Kläger angeführte Abschalteinrichtungen aufgezeigt habe. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV könne der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht herleiten, weil das Interesse eines Autokäufers, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Regelungsbereich dieser Vorschriften liege, hinsichtlich eines [X.]s viel für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum der Beklagten spreche und sich jedenfalls nicht der geltend gemachte große Schadensersatz ergebe.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand. Soweit das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des [X.] aus §§ 826, 31 BGB mangels greifbarer Anhaltspunkte für ein [X.] Verhalten der Beklagten verneint, sind zwar Rechtsfehler nicht ersichtlich (vgl. § 559 Abs. 2 ZPO) und erhebt auch die Revision keine Einwände. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann aber ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV nicht verneint werden.

8

Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 17).

9

Das Berufungsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es tragfähige Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben, weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen getroffen, die eine deliktische Haftung der Beklagten wegen eines zumindest fahrlässigen Verhaltens ausschlössen. Der [X.] kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, sondern verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die aus dem Tenor ersichtliche Berichtigung (§ 319 Abs. 1 ZPO) beruht darauf, dass der Kläger den Berufungsantrag zu 2 ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts am 28. Juli 2022 ([X.]) in Höhe von 1.066,99 € gestellt hat (und nicht, wie es in dem Berufungsurteil offenbar unrichtig heißt, in Höhe von 2.011,02 €).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen möglichen [X.] darzulegen und seine Klageanträge entsprechend anzupassen. Das Berufungsgericht wird nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.] 335/21, NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und gegebenenfalls dem Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben. Es wird im weiteren Verfahren zunächst zu beachten haben, dass - wie die Revision zu Recht rügt - für die Prüfung, ob die Beklagte schuldhaft gehandelt hat, andere Grundsätze gelten als im Berufungsurteil hinsichtlich eines [X.]s in Erwägung gezogen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 58 bis 70). Außerdem wird es zu bedenken haben, dass die Weiterveräußerung des Fahrzeugs der Geltendmachung des [X.]s entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht entgegensteht ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 75). Schließlich wird das Berufungsgericht in Rechnung zu stellen haben, dass ein [X.] nur bis zur Höhe von 15 % des gezahlten Kaufpreises zu ersetzen ist und darüber hinaus auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV der Ersatz eines weiteren Finanzierungsschadens nicht verlangt werden kann. Dem Berufungsantrag zu 2 wird das Berufungsgericht mithin nur entsprechen können, wenn es nach der Zurückverweisung andere Tatsachen feststellen sollte, aufgrund derer eine Haftung der Beklagten auch nach §§ 826, 31 BGB in Betracht käme (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 1031/22, juris Rn. 28).

[X.]     

      

Krüger     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Wille     

      

Meta

VIa ZR 1533/22

11.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 4. Oktober 2022, Az: 18a U 1829/21

§ 823 Abs 2 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2023, Az. VIa ZR 1533/22 (REWIS RS 2023, 7930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7930

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIa ZR 14/22 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers in einem sog. Dieselfall: Umfang des Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens


VIa ZR 1/23 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatzanspruch des Käufers eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Neufahrzeugs: Voraussetzungen einer Entlastung des Kraftfahrzeugherstellers bei …


VIa ZR 580/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 632/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 190/22 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.