Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 166/07

Xa- Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9242

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Xa ZR 166/07Verkündet am: 18. Februar 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. Februar 2010 durch den [X.] Prof. Dr. Meier-Beck, die Richte-rin Mühlens und die [X.] Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das am 7. November 2007 [X.] Urteil der 7. Zivilkammer des [X.]. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. Mai 2007 verkündete Urteil des [X.] abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200,-- Euro zuzüglich [X.] in Höhe von 76,90 Euro zu zahlen, jeweils nebst Zin-sen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2006. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin verlangt von der beklagten Charterfluggesellschaft [X.] nach Art. 7 der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] - 3 - schen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen ([X.]. [X.] L 46 S. 1; im Folgenden: Verordnung). Die Klägerin und ihr Ehemann, der seine Ansprüche an sie abgetreten hat, buchten bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach [X.]. Der Flug von [X.] nach [X.] und zurück wurde von der [X.] durchgeführt. Der für den 3. Februar 2006 gebuchte Rückflug erfolgte erst am nächsten Tag. Die Klägerin und ihr Ehemann kamen etwa 20 Stunden später als geplant in [X.] an. Die Klägerin verlangt deshalb eine Ausgleichszah-lung in Höhe von 600,-- Euro pro Person. 2 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. 3 Der [X.] hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. Oktober 2008 im Einverständnis mit den Parteien bis zur Entscheidung des [X.]s der Europäischen Gemeinschaften in der [X.] ausgesetzt. In diesem Vorlageverfahren hat der [X.] mit Urteil vom 19. November 2009 ([X.]/07, [X.], 282 = NJW 2010, 43) wie folgt entschieden: 4 1. Art. 2 Buchst. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der Verspätung nicht als annulliert ange-- 4 - sehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird. 2. Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt wer-den können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen [X.] geltend machen können, wenn sie wegen eines [X.] einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luft-fahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine sol-che Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurück-geht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutba-ren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. 3. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullie-rung oder Verspätung eines Fluges führt, nicht unter den Begriff "außerge-wöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ur-sache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen [X.] sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur antragsgemäßen Verurteilung der [X.]. 5 - 5 - [X.] Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für die begehrten Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung seien nicht erfüllt, hält der Nachprüfung nicht stand. 6 1. Eine Annullierung des Flugs im Sinne von Art. 5 der Verordnung hat allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht [X.]. Nach dem Urteil des [X.]s kann ein verspäteter Flug unabhän-gig von der - auch erheblichen - Dauer der Verspätung nicht als annulliert an-gesehen werden, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird (aaO [X.]. 39). So verhält es sich im Streitfall. Der Flug von [X.] nach [X.] ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen trotz der eingetretenen Verzögerung entsprechend der ur-sprünglichen Flugplanung durchgeführt worden. Ob die Verfahrensrügen, die die Revision hiergegen richtet, zulässig sind, kann dahinstehen. 7 2. Hierauf kommt es nicht an, da wegen des wesentlich verspäteten [X.] gleichwohl ein Anspruch auf die in Art. 7 der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung in Betracht kommt. 8 a) Der Flug hat einen Tag später als geplant begonnen; die Vorausset-zungen des Art. 6 Abs. 1 der Verordnung für die Annahme einer von der [X.] erfassten (großen) Verspätung lagen daher ohne weiteres vor. 9 b) In einem solchen Fall steht dem Fluggast, sofern auch die weiteren Voraussetzungen für eine Ausgleichsleistung erfüllt sind, der in Art. 7 der [X.] vorgesehene Ausgleichsanspruch zu, wenn er wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplan-ten Ankunftszeit erreicht ([X.] aaO [X.]. 61). Auch diese Voraussetzung ist ohne weiteres erfüllt, denn das Endziel der Reisenden wurde etwa 20 Stunden später als geplant erreicht. Damit liegen im Streitfall die vom [X.] - stellten Anforderungen für einen Ausgleichsanspruch wegen einer wie eine [X.] zu behandelnden großen Verspätung vor. I[X.] Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Der [X.] kann in der [X.] selbst entscheiden, da der Rechtsstreit auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist. 11 1. Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 der [X.] ausgeschlossen. Außergewöhnliche Umstände, die der Entstehung eines Ausgleichsanspruchs entgegenstehen könnten, sind nicht vorgetragen. 12 Entgegen der von der [X.] in der mündlichen Verhandlung vertrete-nen Auffassung besteht auch keine Veranlassung, den Rechtsstreit an das Be-rufungsgericht zurückzuverweisen, um der [X.] Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung vorzutragen. Die [X.] haben in den Tatsacheninstanzen darüber gestritten, ob die Beklagte im Streitfall zu einer Ausgleichszahlung wegen Annullierung des Flugs verpflichtet ist. Die Beklagte war demgemäß gehalten, auch zu den Voraussetzungen vor-zutragen, unter denen die Verpflichtung zu einer solchen Ausgleichszahlung ausgeschlossen ist, wenn sie sich damit verteidigen wollte. Für den [X.] wegen großer Verspätung gelten keine anderen Voraussetzungen. 13 2. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, eine Ausgleichszahlung in der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmten Höhe von 600,-- Euro pro Person zu erbringen. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 und § 288 Abs. 1 BGB, der Anspruch auf Ersatz nach Verzugseintritt entstan-dener vorgerichtlicher Anwaltskosten, deren Höhe unstreitig ist, beruht auf § 280 und § 286 BGB. 14 - 7 - 3. Zu der von der [X.] angeregten Vorlage der Sache an den Ge-richtshof der [X.] sieht der [X.] keine Veranlassung. 15 Der [X.] hat dem [X.] die [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei gehalten hat, dass den Fluggästen eines wesentlich verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der Verordnung kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist da-durch beseitigt worden, dass der [X.] in seinem Urteil vom 19. [X.] die Verordnung dahin ausgelegt hat, dass auch in einem solchen Fall Ausgleichsleistungen zu erbringen sind. Das Urteil selbst wirft jedenfalls keine für den Streitfall relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die der [X.] nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte. 16 Soweit sich das Urteil nicht ausdrücklich mit der Frage befasst, ob das vom [X.] gefundene Auslegungsergebnis mit dem [X.] Überein-kommen vereinbar ist, hat der [X.] diese Frage bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 2009 ([X.]) bejaht; daran hält er fest. Der [X.] hat dies offenbar ebenso gesehen; dass er Art. 29 [X.] übersehen hätte, kann nicht angenommen werden. 17 Der [X.] hat auch keine Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung. Der [X.] hat die Gültigkeit - anders als die Generalanwältin - bejaht (aaO [X.]. 47). Für den von der [X.] angenommenen Verstoß gegen den Ver-hältnismäßigkeitsgrundsatz ist nichts [X.] geltend gemacht. 18 - 8 - 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. 19 Meier-Beck Mühlens [X.]
Grabinski [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.05.2007 - 3 C 598/06 (31) - [X.], Entscheidung vom 07.11.2007 - 7 S 89/07 -

Meta

Xa ZR 166/07

18.02.2010

Bundesgerichtshof Xa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 166/07 (REWIS RS 2010, 9242)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9242

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