Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2017, Az. 3 StR 233/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6191

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:240817U3STR233.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
3 StR
233/17
vom
24.
August 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 24.
August 2017, an
der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Becker,

[X.] am [X.]
Gericke,
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
Hoch

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 23.
Januar 2017 wird verwor-fen.
2.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sieben Fällen des schwe-ren sexuellen Missbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu
Ungunsten des Angeklagten eingeleg-ten
und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das vom [X.] vertretene
Rechtsmittel ist unbegründet.
I.
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen:
a)
Die am 28.
November 2003 geborene Nebenklägerin, die Nichte der Ehefrau des Angeklagten, unterhielt zu diesem eine sehr vertrauensvolle Be-1
2
3
-
4
-
ziehung.
Sie hielt sich häufig im Haushalt seiner Familie auf
und übernachtete mehrfach dort. Im Zeitraum von Sommer
2015 bis zum 15.
Juli 2016 nahm der Angeklagte während solcher Übernachtungsbesuche im Wohnzimmer oder im getrennten Schlafzimmer der Ehefrau siebenmal sexuelle Handlungen an der
-
damals elf-
bzw. zwölfjährigen
-
Nebenklägerin
vor:
In sämtlichen Fällen streichelte er die schlafende Nebenklägerin unter dem
Schlafanzug an der Brust sowie im Genitalbereich und drang mit dem [X.] in ihre Vagina ein. In drei der Fälle zog er -
zusätzlich
-
im [X.] daran ihre Schlafanzughose ein Stück herunter und leckte an ihrer Scheide. Im zeitlich letzten Fall vollzog er mit ihr -
nach dem Einführen des
Fingers
-
den [X.] vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Die [X.] wurde stets vor Beendigung der sexuellen Handlungen wach, stellte sich jedoch,
vom Angeklagten unbemerkt,
weiter schlafend.
b)
Nach Bekanntwerden der Taten noch am 15.
Juli 2016 wurde der An-geklagte für 48
Tage
in Untersuchungshaft genommen; mit
der Außervollzug-setzung des Haftbefehls am 1.
September 2016 wurde er angewiesen, keine Verbindung zu der Nebenklägerin aufzunehmen. Deren Vater, der selbst die Verbindung zur Familie des Angeklagten abbrach, untersagte
auch der Neben-klägerin jeglichen
Kontakt.
Mit Schreiben vom 13.
September 2016 wandte sich der Angeklagte über seinen Verteidiger an den Vater der Nebenklägerin und führte aus, er bereue das Geschehene und ihm sei bewusst, dass seine
Taten unentschuldbar seien und einen groben Missbrauch des Vertrauens innerhalb der Familie und gegen-über der Nebenklägerin darstellten. Zugleich bot er eine
Entschädigungszah-lung von 5.000

Verteidigerschreiben vom 12.
Januar 2017 bekundete der Angeklagte nochmals, dass ihm die
Taten leidtäten, und machte ein Ange-4
5
6
-
5
-
bot über ein weiteres
Schmerzensgeld von 5.000

ge-zahlt. Im [X.] am 23.
Januar 2017 schlossen der Ange-klagte
und die von ihren Eltern vertretene Nebenklägerin einen Vergleich, in
dem er sich verpflichtete, ihr über die bereits geleisteten 10.000

t-liche zukünftigen tatbedingten materiellen oder immateriellen Schäden zu er-setzen
und
ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Kosten des [X.] zu übernehmen.
2.
Das [X.] hat auf Grund folgender Wertungen die Vorausset-zungen eines [X.] gemäß §
46a Nr.
1 StGB bejaht:
Der Angeklagte, der sich in der Hauptverhandlung geständig eingelassen und reuig gezeigt habe, habe Verantwortung für seine Taten übernommen
und die "Opfersituation" der Nebenklägerin anerkannt. Im Abschluss des Vergleichs einschließlich der geleisteten Zahlungen sei
"eine Maßnahme von [X.] Wirkung" zu sehen. Einem nachhaltigen Streben nach [X.] stehe nicht entgegen, dass es einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin, etwa im Sinne einer Aussprache oder ihr persönlich gegenüber erklärten Entschuldigung, nicht gegeben habe. Eine direkte Kontaktaufnahme sei dem Angeklagten schon auf Grund des in dieser Sache ergangenen Haftverschonungsbeschlusses untersagt und darüber hin-aus auch vom Vater der Nebenklägerin "nicht
gewünscht"
gewesen. Die [X.] des Angeklagten seien daher von vornherein auf "einen indirekten
Kontakt"
über seinen Verteidiger und "ein Handeln finanzieller Art" beschränkt gewesen.
In dem Geschehen sei ein "kommunikativer Prozess" zu erblicken.
Infolgedessen hat das [X.] die Einzelstrafen
dem nach §
46a Nr.
1, §
49 Abs.
1 StGB gemilderten Strafrahmen des §
176a Abs.
2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) ent-7
8
9
-
6
-
nommen. Zwar hat es nach einer Gesamtschau
aller strafzumessungsrelevan-ten Umstände
-
erst
-
unter Heranziehung des vertypten [X.] des §
46a Nr.
1 StGB minder schwere Fälle
nach §
176a Abs.
4 Alternati-ve
2 StGB angenommen, indes nach einer Gesamtabwägung den dort normier-ten
Strafrahmen (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) nicht an-gewandt. Denn die jeweilige Einzelstrafe sei eher
am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens auszurichten; insoweit sei die [X.] nach §
49 Abs.
1 StGB für den Angeklagten günstiger.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (vgl. §
301 StPO) des Angeklagten
ergeben.
Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Annahme eines [X.] gemäß §
46a Nr.
1 StGB und die -
hierauf beruhende
-
Straf-rahmenverschiebung nach §
49 Abs.
1 StGB:
1.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
46a Nr.
1 StGB
werden durch die Feststellungen hinreichend belegt.
a)
Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt:
Ob das Tatgericht die Voraussetzungen des §
46a StGB annimmt, hat es in wertender Betrachtung zu entscheiden
(vgl. nur [X.], Urteil vom 6.
Februar 2008 -
2
StR
561/07, [X.], 452).
Die -
vorrangig den Ausgleich immateri-eller [X.] betreffende
-
Alternative des §
46a Nr.
1 StGB macht die Milde-rungsmöglichkeit davon abhängig, dass der Täter in dem Bemühen, einen Aus-gleich mit dem Tatopfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden 10
11
12
13
-
7
-
Teil wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Das erfordert -
in beiden Varianten
-
grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des [X.] Aus-druck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein ([X.], Urteil vom 9.
Mai 2017 -
1
StR
576/16, [X.], 198, 199; Beschluss vom 28.
Januar 2016 -
3
StR 354/15, [X.], 401, 402, jew.
mwN). [X.] einseitige Bemühungen des
[X.]
ohne den [X.] einer Einbindung des Opfers sind dagegen nicht
ausreichend
(vgl. [X.], Urteile
vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR
405/02, [X.]St
48, 134, 142
f.
mwN; vom 28.
Mai 2015 -
3
StR 89/15, juris Rn.
11).
Demnach
ist ein kommunikativer Prozess
grundsätzlich auch
erforder-lich, soweit es §
46a Nr.
1 StGB genügen
lässt, dass der Täter die Wieder-gutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt. Auch für diese
Variante des [X.] kommt es darauf an, inwieweit der Täter das Opfer an diesem beteiligt und es sich auf freiwilliger Grundlage hierzu
bereitfindet (vgl. [X.], Ur-teile vom 7.
Dezember 2005 -
1
StR
287/05, [X.], 275, 276; vom 28.
Mai 2015 -
3
StR 89/15, aaO,
Rn.
13; Beschluss vom 8.
Juli 2014 -
1
StR
266/14, NStZ-RR 2014, 304, 305). Lässt sich der Verletzte
auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so hat dies der Täter
-
trotz der herabgesetzten Anforderun-gen an einen erfolgreichen Ausgleich
-
prinzipiell hinzunehmen; denn ohne Zu-stimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für seine Bemühungen.
Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung des Verfahrens für die Durchführung eines [X.] -
zumindest im Grundsatz
-
nicht angenommen werden. Allein auf die Sicht "eines vernünftigen [X.]" kommt es nicht
an (vgl. [X.], Urteile
vom 19.
Dezember 2002
-
1
StR
405/02, aaO,
14
-
8
-
S.
142
f.; vom 26.
August 2003 -
1
StR
174/03, [X.], 363; vom 7.
De-zember 2005 -
1
StR
287/05, aaO; vom 28.
Mai 2015 -
3
StR
89/15, aaO, Rn.
13; einschränkend, indes
nicht
tragend [X.], Urteil vom 31.
Mai 2002
-
2
StR
73/02, NJW 2002, 3264, 3265).
Deshalb
hat das Tatgericht regelmäßig
insbesondere Feststellungen da-zu zu treffen, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des [X.] gestellt hat (vgl. [X.], Urteile vom 9.
September 2004 -
4
StR
199/04, juris Rn.
9; vom 28.
Mai 2015 -
3
StR
89/15, aaO,
Rn.
11).
Im Hinblick auf Erfolg oder Misserfolg des [X.] sind dabei insbesondere ein Wille des Verletzten zur Versöhnung und eine für ihn erzielte Genugtuung zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR
405/02, aaO,
S.
140 mwN). So können
eine geständige Einlassung des [X.] und seine Entschuldigung in der Hauptverhandlung, deren Annahme durch das Opfer
sowie die Übergabe eines vergleichsweise geringen Geldbetrages für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich ausreichend sein (so [X.], Urteil vom 9.
Mai 2017 -
1
StR
576/16, aaO), wohingegen
ein reumütiges Geständnis des [X.] und die bloße An-nahme dessen Schmerzensgeldangebots durch den Verletzten -
für sich gese-hen
-
noch kein ausreichendes Indiz für einen kommunikativen Prozess sein müssen, das sachlichrechtlich zur Erörterung der Voraussetzungen des §
46a Nr.
1 StGB
in den Urteilsgründen zwingt (so
[X.], Urteil vom 3.
November 2011 -
3
StR
267/11, [X.], 43
f.).
b)
Nach alledem war für einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des §
46a
Nr.
1 StGB die persönliche Beteiligung der Nebenklägerin erforderlich.
Sie war auch nicht deswegen -
ausnahmsweise
-
entbehrlich, weil bei
den Vergleichs-verhandlungen und dem Vergleichsschluss die
Eltern in ihrem
Namen handel-ten und sie
über die gegenständlichen Missbrauchstaten nicht sprechen wollte:
15
16
-
9
-
aa)
Dass die Eltern als gesetzliche Vertreter an dem
Zustandekommen der Einigung
mitwirkten, kann eine Einbeziehung der Nebenklägerin in den [X.] nicht ersetzen.
Zwar setzt
der kommunikative Prozess keine persönliche Begegnung des [X.] mit seinem Opfer
voraus. Eine Verständigung über vermittelnde Drit-te, etwa -
wie hier
-
den Verteidiger und die gesetzlichen Vertreter, genügt (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Dezember 2005 -
1
StR
287/05, aaO; Beschluss vom 8.
Juli 2014 -
1
StR
266/14, aaO; MüKoStGB/[X.], 3.
Aufl., §
46a Rn.
29) und wird bei schwerwiegenden Sexualdelikten, wie vorliegend abgeurteilt, vielfach als opferschonendes Vorgehen ratsam sein (vgl. [X.], Urteil vom 31.
Mai 2002
-
2
StR
73/02, aaO). Jedoch ist ein solcher vermittelter kommunikativer Prozess nicht gegeben, wenn die Erklärungen des [X.] das Opfer erst gar nicht errei-chen.
Allein der Umstand, dass es sich bei der Nebenklägerin um eine [X.] handelt, die im Rechtsverkehr von ihren Eltern gesetzlich vertreten wird, lässt keine abweichende Wertung zu. Die Vorschrift des §
46a StGB will einen Anreiz für Bemühungen um einen friedensstiftenden Ausgleich seitens des [X.] mit dem Ziel schaffen, dem durch die Straftat Geschädigten Genug-tuung zu gewähren (vgl. [X.], Urteile vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR
405/02, aaO, S.
137
f.; vom 7.
Dezember 2005 -
1
StR
287/05, aaO). Adressat dieser Bemühungen -
gleichviel, ob durch Vermittlung eines [X.] oder unvermittelt
-
kann daher grundsätzlich nur das Tatopfer selbst sein. Dabei kann es nicht auf die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ankommen; dies folgt
nicht nur aus dem Zweck des §
46a StGB, sondern auch aus den Regelungen der §
10 Abs.
1 Satz
3 Nr.
7, §
45 Abs.
2 Satz
2 JGG, die den Täter-Opfer-Ausgleich im [X.] für Jugendliche vorsehen und an denen sich der Gesetzgeber 17
18
19
-
10
-
bei dessen erstmaliger Normierung im Erwachsenenstrafrecht orientiert hat (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S.
21; [X.], Urteil vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR 405/02, aaO, S.
137, 139). Hiervon unberührt bleibt, dass es -
umgekehrt
-
re-gelmäßig nicht angezeigt sein wird, die Kommunikation gleichsam über die Köpfe der gesetzlichen Vertreter hinweg zu führen.
Inwieweit anderes zu gelten hat, wenn das Opfer nicht über die notwen-dige [X.] für einen Täter-Opfer-Ausgleich verfügt, kann hier dahin-stehen. Dass die zur Zeit der Hauptverhandlung 13-jährige Nebenklägerin keine genügende Vorstellung von dem seitens des
Angeklagten beabsichtigten Aus-gleich
hatte und nicht imstande war, einen gegenüber den Bemühungen des Angeklagten befürwortenden oder ablehnenden Willen zu bilden, ist gerade nicht
festgestellt.
bb)
Dass
die Nebenklägerin Gesprächen
über die gegenständlichen Missbrauchstaten ablehnend gegenüberstand, führt nicht dazu, dass von ihrer Einbindung in den kommunikativen Prozess gänzlich abgesehen werden durfte.
Die [X.] hat in
der Hauptverhandlung
die Überzeugung gewonnen, dass die Nebenklägerin über
die Taten
"nicht reden will und sie dies augen-scheinlich sehr belastet" (UA S.
17). So haben ihre Eltern etwa
ausgesagt, auch sie hätten mit ihr weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart darüber gesprochen (UA S.
10).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte eine Strafrahmenmilde-rung gemäß §
46a Nr.
1 StGB nicht ausgeschlossen sein, wenn "die [X.] eine für einen Ausgleich erforderliche Mitwirkung verweigern" (BT-Drucks. 12/6853, S.
21; s.
[X.], Urteil vom 31.
Mai 2002 -
2
StR
73/02, aaO), soweit
-
auch in diesen Fällen
-
unter "Anleitung eines [X.] ... eine Lösung des der Tat zugrundeliegenden [X.]" erstrebt wird (BT-Drucks. 20
21
22
-
11
-
12/6853, S.
22). In der Literatur wird zu einer vom Tatopfer abgelehnten Mitwir-kung
vertreten, dessen Einbeziehung sei nicht zwingend erforderlich, wenn sich seine
Weigerung nicht mehr als Wahrnehmung rechtlich schützenswerter Inte-ressen darstelle
(vgl. [X.], StGB, 65.
Aufl., §
46a Rn.
10d; [X.], NStZ 2005, 366, 368
f.) oder bei objektiver Wertung als nicht billigenswert erscheine
[X.], [X.], 436, 440; kritisch ["zu weitgehend bzw. zu pauschal"] MüKoStGB/[X.] aaO, Rn.
28).
Inwieweit derartige
Einschränkungen anzuerkennen sind, braucht der Senat freilich für den vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Insbesondere kommt
es auch nicht darauf an, ob die Regelung des §
155a
Satz
3 StPO, wo-nach gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten die Eignung eines Ver-fahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich nicht angenommen werden "darf", aus-nahmslos
auf das materielle Strafrecht übertragbar
ist
(in diesem Sinne
aller-dings [X.], Urteile vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR
405/02,
aaO, S.
142; vom 26.
August 2003 -
1
StR
174/03, aaO). Im Hinblick auf die Schwere der im Schuldspruch rechtskräftig abgeurteilten Taten sowie
der
durch diese hervorge-rufenen, anhaltenden erheblichen psychischen Belastungen für die [X.] liegt eine solche
ausnahmebegründende Fallkonstellation hier völlig fern.
c)
Die Annahme des [X.]s, es habe der für den [X.] erforderliche "kommunikative Prozess" zwischen Angeklagtem und [X.] stattgefunden (UA S.
15)
und der Vergleich habe friedensstiftende Wirkung gehabt (UA S.
14), hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
Aus dem Verhalten des Angeklagten während des Verfahrens, insbesondere der frühzeitigen geständigen Einlassung
und dem Verzicht auf die Einvernahme der Nebenklägerin, den beiden Entschuldigungsschreiben, den nicht unbeträcht-lichen Schmerzensgeldzahlungen sowie dem Zustandekommen des -
umfas-23
24
-
12
-
senden
-
Vergleichs über künftigen materiellen und weiteren immateriellen Schadensersatz durfte die [X.] auf einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des §
46a Nr.
1 StGB einschließlich des durch Übernahme von Verant-wortung geprägten kommunikativen Prozesses und einer gewissen Akzeptanz auf Seiten der Nebenklägerin
schließen.
aa)
Es begründet keinen Rechtsfehler, dass die [X.] nicht expli-zit
festgestellt hat,
der
Inhalt der Entschuldigungsschreiben, die Schmerzens-geldzahlungen und
das
Vergleichsangebot
seien der Nebenklägerin zur [X.] gelangt.
Die [X.] ist generalisierend von einem "indirekten Kontakt" ausgegangen (UA S.
15). Eine Kenntnisnahme liegt auch auf der Hand. Aus dem Umstand, dass die Nebenklägerin wegen der damit einhergehenden [X.] Belastungen -
nachvollziehbar
-
keine Gespräche über die Miss-brauchstaten führen wollte, lässt sich nicht schließen, dass, was lebensfremd wäre, die
Eltern ihr sämtliche hiermit in irgendeinem Zusammenhang stehenden
Geschehnisse verschwiegen und sie über ihr Geldvermögen betreffende [X.] im Unklaren gelassen hätten. Zu derartigen -
gegebenenfalls knapp ge-fassten
-
Mitteilungen bedurfte es keines Gedankenaustauschs über die Taten selbst.
bb)
Ebenso wenig
begegnet es hier durchgreifenden rechtlichen Beden-ken, dass das [X.] davon abgesehen hat, ausdrückliche Feststellungen zu
den Vorstellungen
der Nebenklägerin in Bezug auf die Wiedergutmachungs-bemühungen des Angeklagten zu treffen.
Die [X.] hat
zunächst ohne weiteres davon ausgehen
dürfen, dass,
anders als der [X.] meint, die Eltern aus freien Stücken die Zahlungen akzeptierten und den Vergleich schlossen. Für eine durch
Zwang und Druck geprägte
Motivlage besteht kein Anhalt. Weder war zu befürchten, 25
26
27
-
13
-
dass ohne die Einigung in finanzieller Hinsicht eine Vernehmung der [X.] in der Hauptverhandlung erforderlich werden würde, noch dass vom [X.] ansonsten keine oder nur unzureichende Ersatzleistungen zu erwar-ten gewesen wären
(s. hierzu [X.], Urteil vom 6.
Februar 2008 -
2
StR
561/07, aaO, S.
453; ferner [X.], Urteile vom 31.
Mai 2002 -
2
StR
73/02, aaO; vom 19.
Dezember 2002 -
1
StR
405/02, aaO, S.
146
f.). Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren ein umfassendes Ge-ständnis abgelegt (UA S.
14). Die Zahlungen wurden ebenfalls bereits vor der Hauptverhandlung geleistet; die Initiative hierzu ging vom Angeklagten aus. Erst auf dieser Grundlage wurde der Vergleich geschlossen.
Bei dieser Art des Zustandekommens des Vergleichs
war das [X.] darüber hinaus
von Rechts wegen nicht gehindert, auf eine [X.] Wirkung, mithin eine
Anerkennung der Verantwortungsübernahme und eine
partiell erzielte
Genugtuung
nicht nur auf Seiten der Eltern, sondern auch der Nebenklägerin zu schließen.
Findet Kommunikation
statt, äußert sich das Opfer indes
nicht zu einem vereinbarten Ausgleich oder Bemühungen des [X.], so kann daraus nicht in jedem Fall, insbesondere nicht im Rahmen von persön-lichen Beziehungen,
auf eine Zurückweisung durch das Opfer mit der [X.] eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Schweigen
des Verletzten als eine solche inhalt-liche Ablehnung zu beurteilen ist
(s. auch [X.], Urteil vom 19.
Dezember 2002
-
1
StR 405/02, aaO, S.
144
f.; [X.], aaO, S.
368).
Das [X.] hat dies rechtsfehlerfrei verneint
und ist letztlich von einer jedenfalls annähernd
ge-lungenen Konfliktlösung ausgegangen. Hierbei hat es berücksichtigen dürfen, dass eine direkte Kontaktaufnahme des Angeklagten zur Nebenklägerin von
28
-
14
-
ihrem Vater nachdrücklich abgelehnt wurde und ihm
vom
Haftgericht untersagt war.
Auch ein Erörterungsmangel liegt nicht vor. Da -
wie oben dargelegt
-
ausgeschlossen werden kann, dass die Nebenklägerin im Hinblick auf die Be-mühungen des Angeklagten uninformiert geblieben ist, war die [X.]
sachlichrechtlich nicht gehalten, weitere Feststellungen zu den Vorstellungen der Nebenklägerin zu treffen.
Entgegen
der Auffassung des
Generalbundesan-walts
stellt es keinen auf die Sachrüge zu beachtenden Rechtsfehler dar, dass das [X.] nicht über die Eltern der Nebenklägerin -
gegebenenfalls auch unter Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe
-
deren
Willen
erforscht hat. Ihr
ableh-nender Wille liegt weder auf der Hand, noch finden sich hierfür zureichende [X.]. Eine Aufklärungsrüge mit dem Ziel, festzustellen, der Ausgleich
habe für die Nebenklägerin
keine friedensstiftende Wirkung gehabt, ist nicht erhoben
(s. auch [X.], Beschlüsse
vom 2.
August 2012 -
3
StR
276/12, [X.]R StGB §
46a Wiedergutmachung
10; vom 28.
Januar 2016 -
3
StR
354/15, aaO).
2.
Die [X.] hat weiterhin ermessensfehlerfrei von der durch §
46a StGB eröffneten Möglichkeit der Strafrahmenmilderung nach §
49 Abs.
1 StGB Gebrauch gemacht.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, die [X.] habe rechts-fehlerhaft von der Anwendung des [X.]
176a Abs.
4 Al-ternative
2 StGB für minder schwere Fälle
abgesehen und ohne Gesamtabwä-gung bereits
deshalb eine -
den Angeklagten besser stellende
-
Strafrahmen-verschiebung (§
49 Abs.
1 StGB) vorgenommen, weil die jeweilige Einzelstrafe am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens auszurichten sei.
29
30
31
-
15
-
a)
Das Vorgehen
der [X.] entspricht gefestigter
Rechtspre-chung:
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdi-gung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte [X.] -
zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich
-
einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn das
Tat-gericht
die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berück-sichtigung des vertypten [X.] nicht für gerechtfertigt hält, darf es
seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses [X.] herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11.
Februar 2015 -
1
StR
629/14, [X.], 696; vom 3.
März 2015 -
3
StR 612/14, juris Rn.
7; vom 4.
April 2017 -
3
StR 516/16, [X.], 524 mwN). Ist der nach §
49 Abs.
1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günsti-ger als derjenige des minder schweren Falls, ist dies
in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11.
August 1987 -
3
StR
341/87, [X.]R StGB vor §
1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl
4; vom 17.
Juni 2010 -
5
StR
206/10, [X.], 305; [X.], StGB, 65.
Aufl., §
50 Rn.
5).
b)
Zu Unrecht beanstandet die Revision, die [X.] habe keine Gesamtabwägung vorgenommen.
In den Urteilsgründen sind die einerseits für eine
Anwendung
des Son-derstrafrahmens und die andererseits für eine Strafrahmenverschiebung spre-chenden Umstände im Einzelnen dargestellt. Die [X.] hat sie sämtlich
in ihre Gesamtwürdigung eingestellt (UA S.
15
f.), wobei sie es für ausschlag-gebend erachtet hat, dass der nach §
49 Abs.
1 StGB gemilderte Strafrahmen 32
33
34
35
-
16
-
des §
176a Abs.
2 StGB für den Angeklagten günstiger ist als derjenige des §
176a Abs.
4 Alternative
2 StGB
(UA S.
16). Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Becker
Gericke
[X.]

[X.]
Hoch

Meta

3 StR 233/17

24.08.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2017, Az. 3 StR 233/17 (REWIS RS 2017, 6191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6191

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