Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2013, Az. 2 StR 287/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2939

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 287/13
vom
11. September 2013
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11.
Septem-ber 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Appl

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

Bundesanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
Bundesanwältin
beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,
Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ge-gen das Urteil des [X.] vom 4.
März 2013 werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders
schwerem Raub, schwerer Körperverletzung und ge-fährlicher Körperverletzung verurteilt ist.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Kosten
des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hier-durch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fal-len der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.], schwerer Körperverletzung und gefährlicher Kör-perverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen [X.] eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der [X.]; beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
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I.
Nach den Feststellungen leidet der zur Tatzeit 46-jährige Angeklagte seit 1991 unter Spielsucht, weshalb er in der Vergangenheit mehrere stationäre und ambulante Therapien
ohne nachhaltigen Erfolg absolviert hat. Infolge exzessi-ven Spielens verlor er mehrfach seinen Arbeitsplatz und häufte Schulden in Höhe von ca. 50.000

von seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern.
Am 22.
Mai 2012 hatte sich der Angeklagte unter einem Vorwand von seinem damaligen Arbeitgeber einen Vorschuss von 500

im Verlaufe des Abends und der Nacht in seiner [X.] "

" vollständig verspielte. Einzige Spielhallenaufsicht in dieser Nacht war die 47-jährige Nebenklägerin, die ihren Dienst in einem durch Glasscheiben umge-benen [X.] versah. Gegen 5
Uhr morgens kurz vor Schließen der Spielhalle entschloss sich der Angeklagte als letzter Gast,
die Nebenklägerin zu überfallen, um mit der
erhofften Beute
in einer anderen Spielhalle weiter spielen zu können. Im Bereich der Herrentoilette spiegelte er Kreislaufprobleme vor und lockte so die Nebenklägerin aus dem [X.]. Diese stützte den
Ange-klagten, half ihm, sich auf den Boden zu setzen und holte ihm ein Glas Wasser. Diese Situation nutzte der Angeklagte zum Überfall aus, indem er aufsprang, die Geschädigte würgte und in einen von der optischen Überwachungsanlage nicht erfassten Bereich
der Spielhalle zerrte. Dort schlug er -
den Tod der [X.] billigend in Kauf nehmend -
diese mit zwei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden, ergriff ihren Kopf und schlug diesen mehrfach gegen die Wand und auf den Boden. Anschließend trat er ihr noch zweimal mit dem be-schuhten Fuß gegen den Kopf, drehte sein bewusstloses Opfer auf den Bauch und fesselte es für den unerwarteten Fall der Wiedererlangung des [X.]. Die aus den Kopfverletzungen und dem Ohr blutende Geschädigte erlitt 2
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infolge der Schläge und Tritte u.a. eine Mittelgesichts-
und Nasenbeinfraktur. Durch das Aufschlagen des Kopfes gegen Wand und Boden entstand ein schwerstes [X.], weshalb akute Todesgefahr bestand. Dem Angeklagten, der die Schwere der Verletzungen erkannte, war bewusst, dass die Geschädigte ohne medizinische Hilfe alsbald versterben würde. Gleichwohl setzte er den Überfall fort, indem er aus dem offenstehenden [X.] Münzgeld im Wert von 290

s-weispapieren, Handy und Portemonnaie an sich nahm, bevor er wegen des [X.] einer weiteren,
zum Schichtwechsel eintreffenden Spielhallenaufsicht fluchtartig das "

" verließ. Anschließend fuhr er zu einer anderen Spielhalle, wo er mit
dem erbeuteten Geld
das Glücksspiel an
Automaten fort-setzte. Im Verlaufe des Morgens
veränderte er sein Aussehen, indem er neue Kleidung erwarb und sich eine Glatze rasieren sowie [X.] abnehmen ließ. Am darauffolgenden Tag nahm der Angeklagte auf Betreiben seiner Familie von der bereits vorbereiteten Flucht in die [X.] Abstand und stellte sich den [X.].
Die Geschädigte befindet sich seit dem Überfall im [X.] und ist vollständig auf Pflege angewiesen. Eine Besserung ihres Zustandes ist nicht zu erwarten.
II.
1.
Die Revision des auch zur subjektiven Seite umfassend geständigen Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
Der Schuldspruch ist frei von [X.] und bedarf nur insoweit der Klarstellung, dass der Angeklagte wegen eines tateinheitlich begangenen [X.] schweren Raubes verurteilt ist. Auch der Strafausspruch ist nicht zu beanstanden. Die [X.] hat im Grundsatz zutreffend berücksichtigt, 4
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6
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dass der Angeklagte vier Straftatbestände in jeweils mehreren Varianten ver-wirklicht
hat, so den versuchten Mord mit dem Merkmal der Habgier, der Heim-tücke und in [X.], den besonders schweren Raub in den
Alternativen des §
250 Abs.
2 Nr.
3
a und b StGB, die schwere Körperverlet-zung gemäß §
226 Abs.
1 Nr.
3 StGB in den
Tatbestandsalternativen
Siechtum, Lähmung und geistige Behinderung sowie die gefährliche Körperverletzung gemäß
§
224 Abs.
1 Nr.
2, 3 und 5 StGB.
Soweit das [X.] verkannt hat, dass §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB von §
250 Abs.
2 Nr.
3 b StGB verdrängt wird ([X.], 449), schließt der Senat aus, dass die [X.] bei zutreffender
rechtlicher Einordnung auf eine niedrigere
Freiheitsstrafe erkannt hätte.
2.
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der [X.] (vgl. BGHR StPO §
344 Abs.
1 Antrag
3) ist ebenfalls unbegrün-det.
Dass die [X.] hier eine Strafrahmenverschiebung gemäß §
23 Abs.
2, §
49 Abs.
1 StGB vorgenommen und eine zeitige Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verhängt hat, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu bean-standen.
Dem [X.] ist darin zuzustimmen, dass die rechtsfehlerfreie Anwendung des §
23
Abs.
2 StGB eine Gesamtschau verlangt, die neben der Persönlichkeit des [X.] die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei ins-besondere auch die versuchsbezogenen Gesichtspunkte wie Nähe zur [X.], Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie einbe-zieht. Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den [X.] sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über 7
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die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt ([X.], 620).
Diesen Anforderungen genügt die vom [X.] vorgenommene Ge-samtabwägung im Ergebnis [noch]. Die Revision
beanstandet, die [X.] habe bei der Abwägung, ob eine Strafrahmenmilderung vorzunehmen ist, als für den Angeklagten sprechenden
Umstand gewertet,
dass "die Tat im Hinblick auf den Tatbestand des Mordes unvollendet blieb". Eine solche Erwägung
lässt
für sich genommen
befürchten, die [X.] habe verkannt, dass die Nicht-vollendung der Tat Grundvoraussetzung für die Eröffnung des Ermessensspiel-raums des Tatrichters ist
und
keinen
ermessensbestimmenden
Faktor innerhalb der vorzunehmenden Gesamtwürdigung darstellt.
Ob dieser Formulierung tat-sächlich ein solch rechtsfehlerhaftes Verständnis seitens des [X.]s zu-grundeliegt, kann hier jedoch dahinstehen. Jedenfalls
schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf dieser Erwägung aus. Das [X.] hat [X.] in seine Abwägung einbezogen, dass "das Erfolgsunrecht der Tat sehr nah an dasjenige des vollendeten Mordes heranreicht."
Gleichzeitig hat es jedoch auch
eine Vielzahl gravierender, zu Gunsten des Angeklagten sprechender Umstände festgestellt. So ist der Angeklagte nicht vorbestraft und hat ein sozial integriertes Leben geführt. Es handelte sich um eine Spontantat mit geringer Beute, bei der der Angeklagte infolge seiner Spielsucht zwar nicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt, wohl aber enthemmt war. Nach der Tat hat er sich der Polizei gestellt und
ein
von Reue und Einsicht getragenes
umfassendes Geständnis auch zur subjektiven Seite abgelegt. Schließlich hat er sich in der Hauptverhandlung entschuldigt und zur Wiedergutmachung die Zahlung eines nicht unerheblichen Geldbetrages angeboten.
Auch soweit die [X.] bei der Strafzumessung im engeren Sinne nochmals -
mit gemindertem Gewicht
-
zu Gunsten des Angeklagten gewertet 11
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8
-
hat, dass die Tat unvollendet blieb, führt dies nicht zur Aufhebung des Straf-ausspruchs.
Zwar kann innerhalb eines Strafrahmens, der wegen Versuchs gemildert worden ist, allein der Umstand, dass ein Versuch vorliegt, keine Be-deutung für die Findung der angemessenen Strafe entfalten ([X.], 30). Allerdings schließt der Senat im Hinblick auf die bereits geschilderten, auch hier zu Gunsten des Angeklagten sprechenden gravierenden Milderungsgründe aus, dass die [X.] innerhalb des bis zu 15
Jahren
Freiheitsstrafe
rei-chenden Strafrahmens eine
höhere Freiheitsstrafe als 14
Jahre verhängt hätte.
Appl
Schmitt
[X.]

Eschelbach
[X.]

Meta

2 StR 287/13

11.09.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2013, Az. 2 StR 287/13 (REWIS RS 2013, 2939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2939

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