Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.12.2014, Az. I B 43/14

1. Senat | REWIS RS 2014, 627

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Gegenstand

Auswechslung des Klagegegenstands - Berichtigungsbescheid


Leitsatz

NV: Die für den Fall eines Berichtigungsbescheids in § 68 Satz 4 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 FGO angeordnete Änderung des Klagegegenstands tritt unabhängig davon ein, ob die vom FA reklamierten Voraussetzungen des § 129 AO für den Erlass eines solchen Bescheids vorliegen; maßgeblich ist allein, dass der Bescheid sich auf diese Norm stützt .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) hat die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) mit Nachforderungsbescheid vom 3. Juli 2008 in Anspruch genommen; der Bescheid ist darauf gestützt, dass die Klägerin die aus dem Einlagekonto erbrachten Leistungen (Ausschüttungen) an ihre Gesellschafter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 ([X.] 2002) überhöht bescheinigt habe. Ihr Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung hat das [X.] u.a. erläutert, dass der vorgenannte Bescheid versehentlich als Nachforderungsbescheid bezeichnet worden sei; tatsächlich sei die Klägerin als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 Satz 4 [X.] 2002 i.d.[X.] über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 ([X.], 2782, [X.], 4) lägen im Streitfall vor. Während des Klageverfahrens hat das [X.] --in betragsmäßig unveränderter Höhe-- einen so bezeichneten Haftungsbescheid (vom 19. August 2013) erlassen und diesen damit begründet, dass er den Bescheid vom 3. Juli 2008 nach § 129 der Abgabenordnung ([X.]) berichtige. Nachdem die Klägerin beantragt hatte, den Haftungsbescheid aufzuheben, ist das Verfahren vom Finanzgericht ([X.]) insoweit abgetrennt und an das [X.] zur Durchführung des Vorverfahrens ([X.]) zurückverwiesen worden. Der Klage gegen den Nachforderungsbescheid (vom 3. Juli 2008) hat das [X.] stattgegeben. Es ist hierbei u.a. davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Auswechslung des [X.] nach § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht erfüllt seien, da Haftungs- und Nachforderungsbescheide nicht den nämlichen Regelungsgegenstand beträfen. Die Revision wurde vom [X.] nicht zugelassen ([X.] München, [X.], Urteil vom 8. April 2014  6 K 3605/12).

Entscheidungsgründe

2

II. Die hiergegen erhobene Beschwerde, mit dem das [X.] sich u.a. auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) beruft, hat Erfolg. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

3

1. Das [X.] rügt zu Recht, dass der während des vorinstanzlichen Verfahrens ergangene Haftungsbescheid vom 19. August 2013 nach § 68 [X.]O zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Das [X.] hat bei seiner hiervon abweichenden Auffassung offensichtlich übersehen, dass es insoweit keiner Entscheidung darüber bedarf, ob dieser Bescheid den zunächst ergangenen Nachforderungsbescheid i.S. von § 68 Satz 1 [X.]O geändert oder ersetzt hat. Hierauf ist deshalb nicht einzugehen, weil in den Erläuterungen des Bescheids auf die Berichtigungsvorschrift des § 129 AO (betreffend die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten) Bezug genommen wird und für einen solchen Fall § 68 Satz 4 Nr. 1 [X.]O die entsprechende Geltung von Satz 1 der Vorschrift anordnet. Die hierdurch ausgelöste Änderung des [X.] tritt unabhängig davon ein, ob die vom [X.] reklamierten Voraussetzungen für den Erlass eines Berichtigungsbescheids nach § 129 AO vorliegen; maßgeblich ist allein, dass der Bescheid sich auf diese Norm stützt (Urteil des [X.] --BFH-- vom 25. Februar 2010 IV R 49/08, [X.], 486, [X.], 726; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 68 Rz 70; [X.] in [X.], [X.]O § 68 Rz 51). Nur diese Auffassung entspricht dem Sinn und Zweck des § 68 [X.]O, der verhindern will, dass der Kläger durch einen einseitigen Akt des [X.] aus dem gerichtlichen Verfahren gedrängt und in das Verwaltungsstreitverfahren zurückversetzt wird ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 68 [X.]O Rz 7, m.w.N.).

4

2. Die hiervon abweichende Handhabung des [X.] verstößt gegen die Grundordnung des Verfahrens (vgl. [X.] vom 23. Dezember 2004 XI B 60/03, [X.] 2005, 1311; allgemein Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 118 Rz 69); das vorinstanzliche Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache nach § 116 Abs. 6 [X.]O an das [X.] zurückzuverweisen. Demgemäß wird das [X.] --nach vorheriger Aufhebung seines [X.] (s. dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 73 [X.]O Rz 45) und unter Berücksichtigung der angepassten Anträge der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 18. September 2013)-- über die Rechtmäßigkeit des nach § 129 AO ergangenen Haftungsbescheids zu entscheiden haben (Gräber/von Groll, a.a.[X.], § 68 Rz 70).

5

3. [X.] wird in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 2 [X.]O dem [X.] übertragen.

Meta

I B 43/14

09.12.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 8. April 2014, Az: 6 K 3605/12, Urteil

§ 129 AO, § 68 S 1 FGO, § 68 S 4 Nr 1 FGO, § 27 Abs 2 S 1 KStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.12.2014, Az. I B 43/14 (REWIS RS 2014, 627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 627

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6 K 97/15

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