Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.12.2015, Az. 2 StR 469/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 581

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Gefährlichkeitsprognose auf der Grundlage eines standardisierten Prognoseinstruments


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2015 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Schuldspruch und der Strafausspruch sind rechtlich nicht zu beanstanden. [X.] ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB den Hang hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und dass er wegen einer rechtswidrigen Tat zu verurteilen ist, die er im Rausch begangen hat. Die Gefahr, dass er infolge seines Hanges künftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, hat das [X.] allerdings allein anhand einer Auswertung „des [X.]“ durch die gerichtliche Sachverständige festgestellt. Eine nur auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Prognoseentscheidung reicht aber als Grundlage für die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung nicht aus (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2004– 2 BvR 834, 1588/02, [X.]E 109, 190, 242). Herkunft und Bedeutung von Angaben aufgrund eines statistischen Prognoseinstruments sind unklar und erlauben für sich genommen eine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Gefahrenprognose nicht. Stützt der Tatrichter seine Prognose auf ein von einem Sachverständigen verwendetes standardisiertes Prognoseinstrument, hat er darauf zu achten, dass es im Einzelfall tauglich ist. Selbst dann bedarf es zur individuellen Prognose über die Anwendung derartiger Instrumente hinaus einer differenzierten Einzelfallanalyse ([X.], Beschluss vom 22. Juli 2010 – 3 [X.], [X.]R StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 8). Daran fehlt es hier.

3

Das [X.] hat es im Übrigen versäumt, die voraussichtliche Therapiedauer und den Umfang eines [X.] der Strafe vor der Maßregel festzulegen.

4

Ein Grund zur Erstreckung der [X.] auf den Mitangeklagten, der keine Revision eingelegt hat, gemäß § 357 StPO besteht nicht. Für ihn hat das [X.] immerhin darauf hingewiesen, dass „in der klinischen Gesamtschau“ von einer ungünstigen Prognose auszugehen sei. Insoweit liegt nicht dieselbe Rechtsverletzung vor.

Fischer                     Appl                        Eschelbach

                 Ott                        Zeng

Meta

2 StR 469/15

16.12.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stralsund, 30. Juni 2015, Az: 21 Ks 4/15

§ 64 StGB, § 227 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.12.2015, Az. 2 StR 469/15 (REWIS RS 2015, 581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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