Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2016, Az. I R 30/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 2023

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Gegenstand

Verlustabzugsverbot bei schädlichem Beteiligungserwerb (Erwerbergruppe)


Leitsatz

1. Auch bei einer sog. Nullfestsetzung liegt für eine Anfechtungsklage gegen einen Festsetzungsbescheid eine Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) vor, soweit in diesem Bescheid über eine Besteuerungsgrundlage entschieden wird und insoweit über § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltliche Bindung für ein Verlustfeststellungsverfahren ausgelöst wird.

2. Eine Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG) im Hinblick auf einen schädlichen Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG liegt nur dann vor, wenn mehrere Erwerber bei dem (auch mittelbaren) Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und sie auf der Grundlage einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absprache im Anschluss an den Erwerb einen beherrschenden Einfluss in dieser Gesellschaft ausüben können. Die Möglichkeit des Beherrschens genügt nicht. Die Feststellungs- und Beweislast trägt die Finanzbehörde.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2015  6 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

A.

1

Streitig ist, ob im Zuge von [X.] im Streitjahr (2010) ein Verlustabzugshindernis gemäß § 8c Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) eingetreten ist.

2

An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer beteiligungsverwaltenden GmbH, war u.a. die [X.] (zu 53 %) beteiligt. Andere Gesellschafter waren u.a. (teilweise vermittelt durch [X.]eteiligungsgesellschaften) vier Firmengruppen/[X.] ([X.], [X.], [X.], [X.]) mit einer [X.]eteiligung von jeweils 10,38 % (bzw. betreffend [X.] in zwei Teilbeteiligungen zu 6,67 % und 3,71 %). [X.]ie Klägerin erzielte im Streitjahr einen Verlust; zum 31. [X.]ezember 2009 war für sie ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer bzw. ein vortragsfähiger [X.] festgestellt worden.

3

Im Streitjahr (notarielle Verträge vom 1. Juli 2010 und vom 30. August 2010) veräußerten die Gesellschafter der [X.] ihre Anteile zu jeweils 33,33 % an [X.], [X.], und [X.], so dass diese Käufer mittelbar zugleich jeweils 17,67 % der Anteile an der Klägerin erwarben.

4

[X.]er [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) war der Auffassung, bei den drei [X.]rwerbern handele es sich um eine Gruppe von [X.]rwerbern mit gleichgerichteten Interessen i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 3 [X.] mit der Folge, dass die bis August 2010 nicht genutzten Verluste gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 [X.] vollständig nicht mehr abziehbar seien. [X.]ementsprechend seien im Streitjahr zeitanteilig 8/12 der laufenden Verluste und der auf den 31. [X.]ezember 2009 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie der vortragsfähige [X.] nicht mehr abziehbar. [X.]ie Klage gegen die auf jeweils 0 € lautenden Festsetzungen zur Körperschaftsteuer und zum [X.] für 2010 bzw. gegen die Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des vortragsfähigen [X.]es --jeweils zum 31. [X.]ezember 2010-- (sämtliche Änderungsbescheide vom 17. Oktober 2012) war erfolgreich ([X.] Finanzgericht --FG--, Urteil vom 26. Februar 2015  6 K 424/13, abgedruckt in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.]FG-- 2015, 1297).

5

[X.]as [X.] rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

[X.]ie Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

[X.].

7

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass bei der [X.]inkommensermittlung des Streitjahres der Verlustabzug (bezogen auf den zeitanteiligen laufenden und den vorgetragenen zum 31. Dezember 2009 festgestellten Verlust) nicht nach § 8c [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 [X.] beschränkt ist; dies betrifft entsprechend die [X.]rmittlung des Gewerbeertrags (§ 10a Satz 10 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung --[X.]--) und bezieht sich auch auf den Umfang des zum 31. Dezember 2009 festgestellten (Gewerbe-)Verlustes.

8

I. Das angefochtene Urteil enthält keine Rechtsfehler, soweit das [X.] die Klage sowohl mit [X.]lick auf die Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzungen (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag), die auf jeweils "Null" lauten, als auch auf die gesonderten Feststellungen (verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer, vortragsfähiger Gewerbeverlust) als zulässig erachtet hat. [X.]s liegt jeweils eine [X.]eschwer [X.] des § 40 [X.]bs. 2 [X.]O vor.

9

1. Zwar fehlt es für die [X.]nfechtung eines auf Null lautenden Steuerbescheides ([X.]ntsprechendes gilt für einen Messbescheid) regelmäßig an der für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen [X.]eschwer (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [X.]eschluss des [X.] --[X.]FH-- vom 16. Dezember 2014 [X.]113/14, [X.], 510, m.w.N.); dies gilt aber nicht, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 23. [X.]pril 2008 [X.], [X.], 102, [X.], 7), etwa weil der zugrunde gelegte Gewinn eine verbindliche [X.]ntscheidungsgrundlage für andere [X.]escheide bildet (z.[X.]. Senatsurteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, [X.], 101, [X.], 421; vom 21. September 2011 I R 7/11, [X.], 273, [X.], 616; s.a. [X.]FH-Urteil vom 9. September 2010 IV R 38/08, [X.], 423). Diese Voraussetzungen hat das [X.] zutreffend als erfüllt angesehen, da sowohl der Körperschaftsteuerbescheid als auch der Gewerbesteuermessbescheid [X.]esteuerungsgrundlagen aufweisen, die auf der Grundlage einer inhaltlichen [X.]indung für die (Verlust-)Feststellungsbescheide wirken.

Nach § 10d [X.]bs. 4 Satz 4 des [X.]inkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]StG) --i.V.m. § 8 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]-- sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums die [X.]esteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; § 171 [X.]bs. 10, § 175 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) sowie § 42 [X.]O gelten entsprechend. Diese Regelung gilt nach § 52 [X.]bs. 25 Satz 5 [X.]StG (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010, [X.], 1768, [X.], 1394) erstmals für einen Verlust, für den nach dem 13. Dezember 2010 eine Feststellungserklärung abgegeben wird (s. z.[X.]. Senatsurteil vom 11. November 2014 I R 51/13, [X.], 305; zur Rechtmäßigkeit dieser zeitlichen [X.]nwendungsregelung s. [X.]FH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 6/14, [X.], 812), und damit auch im Streitfall. Die Rechengröße des negativen Gesamtbetrags der [X.]inkünfte (§ 10d [X.]bs. 4 Satz 2 [X.]StG - als [X.]esteuerungsgrundlage der Körperschaftsteuerfestsetzung) ist daher für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den Schluss des [X.] (hier: auf den 31. Dezember 2010) im Sinne einer "inhaltlichen [X.]indung" maßgebend (z.[X.]. [X.]FH-Urteile in [X.], 812; vom 12. Juli 2016 IX R 31/15, [X.], 1). Da auf dieser Grundlage eine eigenständige Prüfung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht mehr stattfindet, folgt daraus eine sachliche [X.]eschwer, die den Steuerpflichtigen auch bei Vorliegen eines Nullbescheides zur [X.]nfechtung berechtigt (z.[X.]. [X.] in [X.], [X.]StG, § 10d Rz D 93; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 10d [X.]StG Rz 43, 127 f.; [X.]/Schlenker, § 10d [X.]StG Rz 227; [X.]/ [X.], [X.]StG, 35. [X.]ufl., § 10d Rz 36 f.; [X.] in Tipke/ [X.], [X.]bgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 [X.]O Rz 55; [X.]/[X.]all, [X.] --DStR-- 2011, 345, 346; s.a. Oberfinanzdirektion [X.], Verfügung vom 22. [X.]ugust 2016, Der [X.]etrieb 2016, 2447). [X.]ntsprechendes gilt gemäß § 35b [X.]bs. 2 Satz 2 und 3 [X.] im Hinblick auf die [X.]nfechtung des Gewerbesteuermessbescheides 2010.

Diesem [X.]rgebnis steht § 10d [X.]bs. 4 Satz 5 [X.]StG nicht entgegen. Nach dieser Regelung dürfen die [X.]esteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die [X.]ufhebung, Änderung oder [X.]erichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels [X.]uswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. [X.]in solcher Fall ist hier nicht gegeben.

2. Die Klägerin ist auch durch die Verlustfeststellungsbescheide beschwert.

In welchem Verfahren eine [X.]ntscheidung zur [X.]nwendung des § 8c [X.] im Jahr des schädlichen [X.]s zu treffen ist, ist bisher nicht abschließend geklärt. In der Literatur wird bislang danach unterschieden, ob im Festsetzungsbescheid (Steuerbescheid) nach ("gekürztem") Verlustabzug eine Steuerlast verbleibt: Ist dies der Fall (es liegt ein ausreichend hoher --den Verlustabzug übersteigender-- Gesamtbetrag der [X.]inkünfte vor), wird die [X.]ntscheidung für den "laufenden Verlust" (bis zum evtl. unterjährigen Zeitpunkt des schädlichen [X.]s) und für einen Verlustabzug ([X.] § 10d [X.]StG) im Körperschaftsteuerbescheid (mit Folgewirkung für den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember dieses Jahres) getroffen, ansonsten im Verlustfeststellungsbescheid (s. z.[X.]. [X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], [X.], § 8c Rz 63; [X.]/[X.], [X.], 3. [X.]ufl., § 8c Rz 102; [X.]/[X.], § 8c [X.] Rz 31).

Wenn auf der Grundlage von § 10d [X.]bs. 4 Satz 4 [X.]StG eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle einer "Nullfestsetzung" vorliegen kann (s. zu 1.), könnte zugleich aus § 10d [X.]bs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 [X.]StG gefolgert werden, dass wegen der entsprechenden Geltung von § 351 [X.]bs. 2 [X.] und § 42 [X.]O eine Änderung der nach § 10d [X.]bs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 [X.]StG bindenden [X.]esteuerungsgrundlagen nicht durch [X.]nfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erreicht werden kann (so z.[X.]. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10d Rz D 93). [X.]llerdings ist durch die [X.]nfechtung des [X.] des Steuerpflichtigen nicht in jeder Hinsicht sichergestellt (so im [X.]rgebnis auch [X.], [X.], 1593, 1596 f.; s.a. [X.], [X.][X.] 2016, 1534 f.; [X.], [X.] --GmbHR-- 2016, 1106, 1107 f.). Jedenfalls bezieht sich die Regelungswirkung des § 8c [X.] auch auf den zum vorherigen Stichtag festgestellten verbleibenden Verlustvortrag, der dann, wenn im Jahr des schädlichen [X.]s ein negativer Gesamtbetrag der [X.]inkünfte erzielt wird, nicht Gegenstand der [X.]rmittlung des zu versteuernden [X.]inkommens im Rahmen der Steuerfestsetzung ist. Insoweit wird eine verbindliche [X.]ntscheidung über die Kürzung des zum 31. Dezember des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags bei der [X.]rmittlung des zum 31. Dezember dieses Jahres festzustellenden Verlustvortrags erst im Feststellungsbescheid getroffen.

II. [X.]in schädlicher [X.] [X.] 8c [X.]bs. 1 Satz 2 und 3 [X.] liegt nicht vor. Daher ist sowohl der im laufenden Wirtschaftsjahr bis zum [X.] durch [X.], [X.] und [X.] erzielte laufende Verlust der Klägerin als auch der zum 31. Dezember 2009 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer im Streitjahr bei der [X.]inkommensermittlung zu berücksichtigen.

1. Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, [X.]eteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen [X.]rwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher [X.]), sind insoweit die bis zum schädlichen [X.] nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen [X.]inkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8c [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen [X.] nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, [X.]eteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen [X.]rwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (§ 8c [X.]bs. 1 Satz 2 [X.]). [X.]ls ein [X.]rwerber im Sinne des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von [X.]rwerbern mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c [X.]bs. 1 Satz 3 [X.]).

2. Der mittelbare [X.]rwerb des 53 %-igen Geschäftsanteils an der Klägerin --hier: [X.]rwerb der [X.]eteiligung an der [X.] durch [X.], [X.] und [X.] im Streitjahr (notarielle Verträge vom 1. Juli 2010 und vom 30. [X.]ugust 2010) ist kein schädlicher [X.] [X.] von § 8c [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 [X.]. Denn die Voraussetzungen einer sog. [X.]rwerbergruppe (§ 8c [X.]bs. 1 Satz 3 [X.]), die eine Zusammenrechnung der [X.]nteilserwerbe durch [X.], [X.] und [X.] ("gilt als ein [X.]rwerber") ermöglichen würden, sind nicht erfüllt.

a) [X.]in schädlicher [X.] [X.] 8c [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] liegt nicht vor. Von den drei [X.]rwerbern kann nicht eine Person tatbestandlich als "[X.]rwerber" und die zwei anderen [X.]rwerber als (dieser Person) nahe stehende Personen angesehen werden. Dies ist auch nicht im Streit.

b) [X.], [X.] und [X.] bilden aber auch nicht eine sog. [X.]rwerbergruppe [X.] 8c [X.]bs. 1 Satz 3 [X.], da es an "gleichgerichteten Interessen" fehlt.

aa) Nach dem Wortlaut des § 8c [X.]bs. 1 Satz 3 [X.] müssen die einzelnen [X.]rwerber "eine Gruppe ... mit gleichgerichteten Interessen" darstellen. [X.]uf welchen Umstand sich das jeweilige Interesse erstrecken muss, lässt der Wortlaut offen.

bb) Zur [X.]usfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist auf den Regelungszweck zurückzugreifen (s. allgemein bereits Senatsurteil vom 30. November 2011 I R 14/11, [X.]FH[X.] 236, 82, [X.], 360): Der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c [X.] liegt nach der [X.]egründung des Gesetzentwurfs ([X.]TDrucks 16/4841, S. 76) der Gedanke zugrunde, dass sich ungeachtet des Trennungsprinzips [X.] der Kapitalgesellschaft einerseits, des [X.] andererseits) "die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche [X.]ngagement eines anderen [X.]" ändert. Die zuvor erwirtschafteten Verluste sollen für das "neue wirtschaftliche [X.]ngagement" des [X.]rwerbers (wenn eine bestimmte [X.]rwerbsquote überschritten ist) teilweise oder vollständig unberücksichtigt bleiben. Dabei zielt Satz 3 mit der [X.]bsicht einer Missbrauchsverhinderung auf das "typische [X.]rwerberquartett" ab, bei dem ein [X.]rwerb durch vier zu je 25 % beteiligte [X.] erfolgt, um hierdurch einem schädlichen [X.] [X.] von § 8c [X.] zu entgehen ([X.]TDrucks 16/5491, S. 22, bzw. 16/5377, S. 28).

cc) Das [X.] hat auf dieser Grundlage den [X.]egriff dahin verstanden, dass mehrere [X.]rwerber bei und im Hinblick auf den [X.]rwerb von [X.]nteilen an der [X.] zusammenwirken und diese Personen im [X.] an den [X.]rwerb (durch [X.], [X.] oder andere verbindliche [X.]breden) einen beherrschenden einheitlichen [X.]influss bei der [X.] ausüben können. Maßgeblicher Zeitpunkt soll dabei --wegen der [X.]nknüpfung des Tatbestandes an den [X.]nteilserwerb-- der [X.]rwerbszeitpunkt sein; spätestens zu diesem Zeitpunkt müssten die [X.]rwerber [X.]breden im Hinblick auf das spätere gemeinsame [X.]eherrschen der Gesellschaft getroffen haben. Demgegenüber befürwortet das [X.]undesministerium der Finanzen ([X.]MF) eine weiter gehende [X.]uslegung (Schreiben vom 4. Juli 2008, [X.]St[X.]l I 2008, 736, Rz 27): Von einer solchen [X.]rwerbergruppe sei regelmäßig auszugehen, wenn eine [X.]bstimmung zwischen den [X.]rwerbern stattgefunden habe, wobei kein Vertrag vorliegen müsse. Die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks [X.] 705 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs reiche aus, sei aber nicht Voraussetzung; die gleichgerichteten Interessen müssten sich nicht auf den [X.]rhalt des Verlustvortrags der Körperschaft richten. Gleichgerichtete Interessen lägen z.[X.]. vor, wenn mehrere [X.]rwerber einer Körperschaft zur einheitlichen Willensbildung zusammenwirken würden; Indiz gleichgerichteter Interessen sei auch die gemeinsame [X.]eherrschung der Körperschaft ([X.]ezugnahme auf Hinweis 36 der [X.] 2006 "[X.]eherrschender Gesellschafter – gleichgerichtete Interessen").

dd) Der [X.]uslegung durch das [X.] --die sich offensichtlich auf die auch im Streitfall maßgebliche Situation des § 8c [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]rwerb über 50 %) bezieht-- ist beizupflichten. Um die gesetzliche Fiktion in § 8c [X.]bs. 1 Satz 3 [X.], es liege "ein [X.]rwerber" vor, so dass trotz des Handelns mehrerer Personen von einem schädlichen [X.] gesprochen werden kann, zu rechtfertigen, muss dieser Tatbestand den Regelungszweck von § 8c [X.]bs. 1 Satz 1, 2 [X.] --verbunden mit dem dortigen strengen Stichtagsbezug (s. insbesondere Senatsurteil in [X.]FH[X.] 236, 82, [X.], 360)-- in sich aufnehmen. Insoweit reichen [X.]bsprachen, die sich auf den [X.]nteilserwerb "als solchen" beziehen und allenfalls einen zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang (z.[X.]. mit [X.]lick auf die Preisfindung, auf das [X.]ewahren eines bisher vorliegenden Verhältnisses im [X.]) der verschiedenen [X.]rwerbsakte begründen, nicht aus. Denn von einem "neuen wirtschaftlichen [X.]ngagement" kann nur gesprochen werden, wenn die [X.]rwerber nicht nur in der Situation des [X.]rwerbs (als "erwerbsbezogene Zweckgemeinschaft" – so [X.], [X.]etriebs-[X.]erater --[X.][X.]-- 2015, 1448), sondern auch im zukünftigen Wirtschaften als "Gruppe" aufzutreten willens und in der Lage sind. Dazu reicht die bloße Möglichkeit eines [X.]eherrschens --abweichend von der [X.] nicht aus (im [X.]rgebnis ebenso [X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], a.a.[X.], § 8c Rz 158; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 8c Rz 148 f.; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 8c Rz 74; [X.] in [X.]/Young, [X.], § 8c Rz 85; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 8c [X.] Rz 39; [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 8c [X.] Rz 87c ff.; [X.]/Leibner in [X.]/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8c Rz 291; Streck/[X.], [X.], 8. [X.]ufl., § 8c Rz 17; [X.]/[X.], § 8c [X.] Rz 52; s.a. [X.], [X.][X.] 2015, 1448; [X.], [X.], 1593, 1595 f.; [X.]/[X.], GmbHR 2015, 16, 21 f.).

ee) Hiernach führt im Streitfall die [X.] den Verkaufsumständen ableitbare und offensichtlich unstreitige-- [X.]bsprache der [X.]rwerber beim [X.] (Zeitpunkt, [X.]rwerbsquote, Preis) nicht dazu, im [X.]rwerbszeitpunkt "gleichgerichtete Interessen" zu begründen. [X.]uch wenn es naheliegend sein könnte, dass gerade bei einem mittelbaren [X.]nteilserwerb [X.]bsprachen über die [X.]usübung der Stimmrechte (hier: bei der [X.]) getroffen werden, hat das [X.] ausdrücklich festgestellt, dass "es an Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der [X.]([X.][X.]) GmbH und der Klägerin (fehlt), die eine einheitliche Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsbindungen zum Gegenstand haben" (so Rz 113 des [X.] in juris).

Insoweit kann das F[X.] auch nicht mit [X.]rfolg darauf verweisen, eine gemeinsame [X.]eherrschung (nach dem [X.]rwerb) sei Indiz gleichgerichteter Interessen im [X.]rwerbszeitpunkt (s. [X.]MF-Schreiben in [X.]St[X.]l I 2008, 736, Rz 27). Wenn der sachliche Zusammenhang zur früheren wirtschaftlichen Tätigkeit durch das mit einem schädlichen [X.] verbundene "neue wirtschaftliche [X.]ngagement" des [X.]rwerbers gelöst wird, kann allein der Umstand einer rechnerischen [X.]eherrschungsmöglichkeit durch verschiedene [X.]rwerber nicht hinreichend ein "gemeinsames neues wirtschaftliches [X.]ngagement" der ([X.]rwerber-)Gruppe belegen. Vielmehr liegt [X.] das [X.] auch berücksichtigt [X.] die Darlegungs- und [X.]eweislast für das Vorliegen einer [X.]rwerbergruppe kraft gleichgerichteter Interessen grundsätzlich bei der Finanzverwaltung (z.[X.]. [X.], [X.] und [X.], ebenda; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 8c Rz 77). [X.]n einem solchen Nachweis fehlt es aber.

3. Da damit die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c [X.]bs. 1 [X.] die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer des [X.] bzw. die Höhe des vortragsfähigen Verlustes zum 31. Dezember 2009 nicht berührt, liegt ein Grund für eine [X.]ussetzung des Verfahrens (§ 74 [X.]O) bis zum [X.]bschluss des zu § 8c [X.] anhängigen Normenkontrollverfahrens beim [X.]undesverfassungsgericht (dortiges [X.]ktenzeichen: 2 [X.]vL 6/11) nicht vor.

4. Nach dem Vorstehenden ist auch der Gewerbeertrag bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust der Streitjahre (s. § 10a Satz 10 [X.]) ohne die [X.]inschränkung des § 8c [X.] zu ermitteln.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

I R 30/15

22.11.2016

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. Februar 2015, Az: 6 K 424/13, Urteil

§ 8c Abs 1 S 2 KStG 2002, § 8c Abs 1 S 3 KStG 2002, § 10d Abs 4 S 1 EStG 2009, § 10d Abs 4 S 4 EStG 2009, § 10a S 6 GewStG 2002, § 10a S 10 GewStG 2002, § 35b Abs 2 S 2 GewStG 2002, § 40 Abs 2 FGO, KStG VZ 2010, EStG VZ 2010, GewStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2016, Az. I R 30/15 (REWIS RS 2016, 2023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2023

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(Aussetzung der Vollziehung von auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG gestützten Bescheiden)


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