Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.11.2022, Az. 8 B 11/22

8. Senat | REWIS RS 2022, 9066

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Gegenstand

Anspruch auf Erlass geeigneter Anordnungen zur Unterbindung von Lärmimmissionen und Belästigungen eines formell illegalen Gaststättenbetriebes


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 23. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Kläger bewohnen ein Hausgrundstück im Außenbereich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite betreibt die [X.]eigeladene einen "Swinger- bzw. [X.]". Aufgrund einer Gaststättenerlaubnis vom 3. Mai 2002 darf in dessen Räumen eine "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere [X.]etriebseigentümlichkeit" betrieben werden. Am 14. Februar 2019 beantragten die Kläger bei der [X.]eklagten den Erlass geeigneter Anordnungen gegenüber der [X.]eigeladenen zur Unterbindung unzumutbarer Lärmimmissionen und [X.]elästigungen auf dem von ihnen bewohnten Grundstück. Die [X.]eklagte lehnte den Antrag ab. Den Widerspruch der Kläger wies sie zurück. Das Verwaltungsgericht hat die [X.]eklagte verpflichtet, geeignete gaststättenrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor von dem Gaststättenbetrieb der [X.]eigeladenen ausgehenden Immissionen zu ergreifen. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der [X.]etrieb des "Swinger- bzw. [X.]s" sei zwar nicht von der erteilten [X.] Erlaubnis gedeckt. Hieraus folge aber noch kein Anspruch der Kläger auf gaststättenbehördliches Tätigwerden. Vielmehr bedürfe es eines Verstoßes gegen nachbarschützende Normen, der hier nicht vorliege. Die dokumentierten tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigten kein Einschreiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 oder § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] i. V. m. §§ 17 ff. [X.]. Dementsprechend könnten die Kläger auch kein Einschreiten auf der Grundlage des Immissionsschutzrechts verlangen. Die Revision hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.

2

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

3

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 28. Januar 2019 - 8 [X.] 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die [X.]eschwerde nicht.

4

a) Die Frage,

ob die formelle Illegalität eines Gaststättenbetriebs (ausnahmsweise) bei groben Missständen zwischen Genehmigung und tatsächlichem [X.] entfaltet,

würde sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen. Sie war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Die Frage zielt ausweislich der in der [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde in [X.]ezug genommenen Entscheidungen des [X.] vom 22. August 2008 - [X.] - und des [X.] vom 22. Juli 1988 - 1 [X.] 89.88 - auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Ein Anspruch der Kläger auf Schließung der von der [X.]eigeladenen betriebenen Gaststätte war jedoch nicht Gegenstand des [X.]erufungsurteils. Einen "groben Missstand" zwischen Gaststättenerlaubnis und tatsächlichem [X.]etrieb hat es zudem nicht angenommen.

5

Die aufgeworfene Frage ist überdies nicht klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass eine Ermessensvorschrift nur dann Drittschutz entfalten kann, wenn die zuständige [X.]ehörde bei der Ausübung ihres [X.] nicht nur das öffentliche Interesse und das Interesse des Adressaten ihres [X.]escheides, sondern auch die Interessen der jeweiligen Nachbarn des Adressaten zu beachten hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 10. November 1992 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 179 [X.]auG[X.] Nr. 1 S. 1 f.; Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 8.84 - NVwZ 1987, 409). Danach kommt es allein auf die Schutzrichtung der Norm und nicht auf die Intensität ihrer möglichen Verletzung an. Erneuten Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde insoweit nicht auf.

6

b) Die sinngemäß aufgeworfene weitere Frage,

ob aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] folgt, dass bei grobem Missverhältnis zwischen der gaststättenrechtlich genehmigten [X.]etriebsart und dem tatsächlichen Gaststättenbetrieb auch eine formell illegale Genehmigung vom Nachbarn angegriffen werden kann,

kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Auch diese Frage ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich war. Ein Anspruch auf Aufhebung der der [X.]eigeladenen erteilten Gaststättenerlaubnis war nicht Gegenstand des Verfahrens.

7

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 20. April 2017 - 8 [X.] 56.16 - juris Rn. 5).

8

Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des [X.] vom 22. Juli 1988 - 1 [X.] 89.88 - (NVwZ-RR 1989, 14) stellt den behaupteten Rechtssatz, der jeweilige [X.]etriebstyp könne nicht grenzenlos missachtet werden, ohne dass hieraus die Möglichkeit eines drittschützenden Charakters erwachse, nicht auf. In der genannten Entscheidung wird ausgehend von dem in der Rechtsprechung herausgebildeten Maßstab für die [X.]estimmung der [X.]etriebsart einer Gaststätte im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.] lediglich ausgeführt, dass eine grundsätzliche Antwort auf die Frage nach der [X.]etriebsart einer Gaststätte, in der auch getanzt wird, nicht möglich sei, weil es hierfür auf die Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles ankomme ([X.], a. a. O., S. 14 f.). Zudem billigt die Entscheidung die Rechtsansicht der Vorinstanz, wonach jedenfalls nicht mehr als zwölf öffentliche Tanzveranstaltungen jährlich durch eine Gaststättenerlaubnis für eine Gaststätte ohne besondere [X.]etriebseigentümlichkeit gedeckt seien. Ihr kann jedoch weder entnommen werden, dass eine Tanzveranstaltung in einer Gaststätte ohne besondere [X.]etriebseigentümlichkeit eine Missachtung des [X.] darstellte noch, dass mit steigendem Umfang einer solchen Missachtung Abwehransprüche für betroffene Nachbarn entstünden.

9

3. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den rechtlichen Gehalt von § 5 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verkannt, führt auf keinen der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO. Sie zeigt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 [X.] auf, sondern beschränkt sich darauf, eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht zu beanstanden.

Die Rüge führt auch nicht auf einen Verfahrensfehler. Sollte den Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] der Vorwurf aktenwidriger Tatsachenfeststellungen zu entnehmen sein, wird dieser nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise substantiiert.

Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe einen Anspruch auf Sperrzeitverlängerung zu Unrecht verneint, kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das Oberverwaltungsgericht diesen Anspruch am Maßstab des § 19 [X.] geprüft hat, der nicht zum revisiblen Recht gehört.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

8 B 11/22

10.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 23. November 2021, Az: 6 A 10687/21.OVG, Urteil

§ 4 Abs 1 S 1 Nr 3 GastG, § 5 Abs 1 Nr 3 GastG, § 15 Abs 2 S 1 GewO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.11.2022, Az. 8 B 11/22 (REWIS RS 2022, 9066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9066

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