Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. V ZB 61/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2831

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 61/11

vom

29. September 2011

in der Abschiebungshaftsache

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2011 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richterin [X.], [X.] Czub und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 23. Februar 2011 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 25. Juli 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.
Der Antrag des
Betroffenen auf Bewilligung von [X.] wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

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Gründe:

I.
Der Betroffene, der [X.] Staatsangehöriger sein soll, reiste im Jahr 2000 in die [X.] ein und bediente sich in der Folgezeit diverser Alias-Personalien. Nach Ablehnung eines Asylantrags war er seit dem 3. März 2001 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Nach mehrfacher Inhaftierung teils in Straf-, teils in Abschiebungshaft wurde er nach [X.] abgeschoben, von dort jedoch in das [X.] rücküberstellt, nachdem die algerischen Behörden zu dem Ergebnis gelangten, dass er kein algerischer Staatsangehöriger sei. Am 24. Juli 2010 wurde er in [X.] festgenommen und inhaftiert.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht die Haft zur Si-cherung der Abschiebung für drei Monate angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen, die nach seiner Abschiebung am 21. Oktober 2010 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung gerichtet worden ist, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er sei-nen Antrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht nimmt den Haftgrund der unerlaubten Einreise nach §
62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit der Begründung an, der Betroffene sei unerlaubt eingereist und damit vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Er sei weder im Besitz eines Passes noch eines Aufenthaltstitels gewesen. Außerdem hätten die Haftgründe gemäß § 62 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 und Nr. 5 [X.] vor-gelegen.

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III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beschwerdeentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand, weil der Haftanordnung kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag.
1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist [X.] und aus diesem Grund in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. In ihm müssen gemäß §
417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 FamFG unter anderem die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung dargelegt wer-den. Demzufolge muss er Ausführungen dazu enthalten, ob das nach § 72 Abs.
4 Satz 1 [X.]
erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft
vorliegt, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Ohne das Einvernehmen darf [X.] nicht angeordnet werden; dass das Einvernehmen später hergestellt werden könnte, ist unerheblich. Das Fehlen entsprechender Ausführungen führt zur Unzulässigkeit des Antrags (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 148 Rn. 8 ff.).
2. Danach war der Haftantrag unzulässig. Angaben zu dem Einverneh-men der Staatsanwaltschaft fehlten. Sie waren erforderlich, weil sich aus dem Antrag zwingende Hinweise darauf ergaben, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen den Betroffenen geführt wurden. In dem dort in Bezug genommenen polizeilichen Protokoll über die vorläufige Festnahme heißt es unter Hinweis auf die Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.], der Betroffene sei wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts und zur Feststellung seiner Identität gemäß §
163 b Abs. 1 oder 2 StPO vorläufig festgenommen worden. 4
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Damit diente die Festnahme (auch) Strafverfolgungszwecken. Wegen der feh-lenden Ausführungen zu dem Einvernehmen kann dahinstehen, ob
der Haftan-trag im Hinblick auf die Ausreisepflicht des Betroffenen und die Durchführbar-keit der Abschiebung im Übrigen die gemäß §
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG
erforderliche Begründung enthielt (vgl. dazu [X.]/[X.], NVwZ 2011, 527, 529 unter IV.1.).
3. Der Mangel ist in dem Beschwerdeverfahren nicht geheilt worden.
a) Eine rückwirkende Heilung kommt ohnehin nicht in Betracht. Liegt al-lerdings
das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vor, kann das dazu führen, dass der Haftantrag zulässig wird. Voraussetzung ist, dass die Behörde die An-tragsbegründung um die Darlegung zu dem vorliegenden Einvernehmen er-gänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 -
V [X.]/10
Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 359, 360; Beschluss vom 3. Mai 2011 -V
ZA 10/11, juris Rn. 11).
b) Daran fehlt es.
Zwar hat die Beteiligte zu 2 dem Beschwerdegericht vor der Abschiebung mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2010 mitgeteilt, das [X.] der die Ermittlungen führenden Staatsanwaltschaft mit der Ab-schiebung liege vor. Dies ist aber in der Anhörung des Betroffenen vor dem Beschwerdegericht am 6. Oktober 2010 ausweislich des Protokolls nicht [X.] worden. Seinem Verfahrensbevollmächtigten, der an der Anhörung im [X.] auf die ausstehende Entscheidung über das [X.] nicht teilgenommen hat, ist der Schriftsatz vom 1. Oktober 2010 erst mit dem Protokoll der Anhörung zugeleitet worden.
4. Die Sache ist damit zur Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 1
FamFG).
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, §
430 FamFG; unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, die [X.] als diejenige Körperschaft, der die Beteiligte zu 2 angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der [X.] zu verpflichten. Die Festsetzung des Beschwerdewerts
folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
V.
Da der Betroffene seine Bedürftigkeit nach Ende der Haft nicht [X.] hat (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 -
V [X.], NVwZ-RR 2011, 87 Rn. 4 ff.), ist sein Antrag auf Bewilligung von Verfahrens-kostenhilfe zurückzuweisen, §
76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz
1, §
117 Abs. 2 Satz 1 FamFG.
Krüger

Stresemann

Czub

[X.]

Weinland
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 25.07.2010 -
10 [X.] 33/10.B -

LG [X.], Entscheidung vom 23.02.2011 -
8 [X.] -

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Meta

V ZB 61/11

29.09.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. V ZB 61/11 (REWIS RS 2011, 2831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2831

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