Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.06.2013, Az. VI R 1/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 5045

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Gegenstand

Arbeitslohnqualität einer Sonderzahlung des Arbeitgebers zur Verbesserung der Kapitalausstattung einer Zusatzversorgungskasse


Leitsatz

NV: Im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung an eine Versorgungseinrichtung erbrachte Sonderzuwendungen des Arbeitgebers sind kein Arbeitslohn, wenn sie zur Verbesserung der Kapitalausstattung der Versorgungseinrichtung geleistet werden und wirtschaftlich nicht an die Stelle regulärer Umlagen treten.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine vom Arbeitgeber an eine Versorgungseinrichtung erbrachte Sonderzahlung Arbeitslohn ist.

2

Die bei der Klägerin und [X.] (Klägerin) beschäftigten Arbeitnehmer erhalten aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarung eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Deshalb sind sie bei einer Zusatzversorgungskasse versichert. An diese Zusatzversorgungskasse erbrachte die Klägerin für die Arbeitnehmer monatlich Umlagen nach dem Abschnittsdeckungsverfahren. Zur Verbesserung ihrer Kapitalausstattung erhob die Zusatzversorgungskasse von der Klägerin im [X.] 1998 eine Sonderzahlung.

3

In ihrer Lohnsteuer-Anmeldung für [X.] 1998 unterwarf die Klägerin die Sonderzahlung zunächst der pauschalen Lohnsteuer nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Später stellte sie bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) den Antrag, die Lohnsteuer-Anmeldung für [X.] 1998 insoweit zu ändern. Denn ihrer Auffassung nach sei die Sonderzahlung kein Arbeitslohn. Diesen Antrag lehnte das [X.] ab.

4

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2011, 912 veröffentlichten Gründen statt.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Es beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9

Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Sonderzahlung kein Arbeitslohn ist.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.

a) Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern --Zukunftssicherung-- (etwa [X.]surteil vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, [X.], 70, [X.], 385). Erlangt der Arbeitnehmer durch die Beitragsleistungen seines Arbeitgebers einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung, fließt ihm mit der Beitragsleistung Arbeitslohn zu ([X.]surteil vom 7. Mai 2009 VI R 8/07, [X.], 68, [X.], 194).

aa) Demgemäß liegt Arbeitslohn vor, wenn Versorgungsleistungen durch abschnittsbezogene Umlagen der beteiligten Arbeitgeber finanziert werden ([X.]surteile vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, [X.], 445, [X.], 528; vom 30. Mai 2001 VI R 178/99, [X.] 2001, 1258). Denn bereits durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungsverfahren erwirbt der aktive Arbeitnehmer [X.] auf künftige Versorgung, was für die Zuwendung eines Lohnbestandteils ausreicht ([X.]surteile in [X.], 445, [X.], 528; vom 14. September 2005 VI R 32/04, [X.], 447, [X.], 500).

bb) Überdies können [X.], die der Arbeitgeber zur Abdeckung von Fehlbeträgen beim Deckungskapital eines Versicherers bzw. einer Versorgungseinrichtung erbringt, Arbeitslohn sein.

So hat der erkennende [X.] entschieden, dass Pauschalzuweisungen eines Arbeitgebers an eine betriebliche Pensionskasse zur Abdeckung von Fehlbeträgen des [X.] Arbeitslohn der aktiven Arbeitnehmer oder der Pensionäre sind, wenn die Beiträge zur Pensionskasse allein vom Arbeitgeber getragen werden und die Höhe der laufenden Beiträge versicherungsmathematisch nicht exakt kalkuliert wurde ([X.]surteil vom 7. Juli 1972 VI R 116/69, [X.], 11, [X.] 1972, 890). Entscheidend war dabei, dass die Pauschalzuweisung wirtschaftlich an die Stelle eines eigenen Beitrags des Arbeitnehmers trat, da sie dazu diente, Fehlbeträge auszugleichen, die aufgrund der fehlenden versicherungsmathematischen Kalkulation der Beiträge von vornherein billigend in Kauf genommen wurden ([X.]surteil vom 12. September 2001 VI R 154/99, [X.], 539, [X.] 2002, 22).

Ist dagegen der Barwert der Versorgungsanwartschaften versicherungsmathematisch in dem Sinne richtig berechnet worden, dass die für den jeweiligen Deckungsabschnitt zu entrichtenden Umlagen zur Deckung der für diesen Zeitraum anfallenden Ausgaben ausgereicht hätten, haben [X.] des Arbeitgebers an den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung keinen Arbeitslohncharakter (vgl. [X.]surteile in [X.], 445, [X.], 528; in [X.], 447, [X.], 500; in [X.] 2001, 1258). Denn treten solche [X.] wirtschaftlich nicht an die Stelle eines eigenen Beitrags der Arbeitnehmer, erlangen diese hierdurch auch keinen Vorteil (vgl. [X.]surteile in [X.], 445, [X.], 528; vom 15. Februar 2006 VI R 64/05, [X.] 2006, 1272, jeweils zur Gegenwertzahlung beim Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der [X.] und der Länder; in [X.], 447, [X.], 500, zu [X.] an eine Zusatzversorgungskasse wegen der Schließung des Umlagesystems; in [X.], 539, [X.] 2002, 22, zur Bildung einer gesetzlich vorgeschriebenen Solvabilitätsspanne).

b) Erst [X.] des Arbeitgebers, die Sonderzahlungen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 2 bis 4 EStG i.d.[X.] ([X.]) 2007 sind und nach dem 23. August 2006 geleistet wurden (§ 52 Abs. 35 EStG i.d.F. des [X.] 2007), zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

2. Nach diesen Grundsätzen ist die streitbefangene Sonderzahlung kein Arbeitslohn.

Denn die Arbeitnehmer der Klägerin haben durch die Sonderzahlung keinen Vorteil erlangt. Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] waren die durch die Klägerin monatlich entrichteten Umlagen zur Deckung der Ausgaben im laufenden Deckungsabschnitt versicherungsmathematisch zutreffend kalkuliert, so dass die Sonderzahlung wirtschaftlich nicht an die Stelle eines eigenen Beitrags des Arbeitnehmers trat. Die Klägerin wandte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern mithin nichts zu, was über den Erwerb der Versorgungsanwartschaften durch die regulären [X.] hinausgeht. Überdies haben sich nach den tatsächlichen und den [X.] auch im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) die bereits laufenden Versorgungsbezüge ebenfalls nicht erhöht.

Meta

VI R 1/11

13.06.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 2. Dezember 2010, Az: 11 K 202/07, Urteil

§ 40b EStG 1997, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 1997, § 19 Abs 1 S 1 Nr 3 S 2 EStG 2002 vom 13.12.2006, § 19 Abs 1 S 1 Nr 3 S 3 EStG 2002 vom 13.12.2006, § 19 Abs 1 S 1 Nr 3 S 4 EStG 2002 vom 13.12.2006, § 52 Abs 35 EStG 2002 vom 13.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.06.2013, Az. VI R 1/11 (REWIS RS 2013, 5045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5045

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