Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2009, Az. II ZR 147/08

II. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3181

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 8. Juni 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja GmbHG § 64 Satz 1 und 2 Die Zahlung von [X.] zur Sozialversicherung durch den [X.] ist nach der Insolvenzreife der [X.] mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar und führt zur Erstattungspflicht nach § 64 Satz 1 und 2 GmbHG. [X.], Urteil vom 8. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.] LG [X.] - 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 8. Juni 2009 durch [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2008 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] er-kannt worden ist. Auf die Anschlussberufung des [X.] wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 14. September 2007 wie folgt teilweise abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 6.937,09 • nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2006 zu bezahlen. Hinsichtlich dieses Anspruchs wird dem [X.] vorbehalten, seine Rechte nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Im Umfang der weitergehenden Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und der Revision, an den 23. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Der Kläger ist Insolvenzverwalter der [X.] (im Folgenden: Schuldnerin), über deren Vermögen am 30. November 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte war alleiniger [X.]er und Geschäftsführer der Schuldnerin, die seit Ende 2003 durchgehend [X.] war. Zwischen Juni und August 2005 veräußerte der Beklagte [X.] aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Schuldnerin für insge-samt 34.872,96 •. Aus den Ver[X.] zahlte er 27.935,87 • an verschie-dene Gläubiger, davon 16.819,82 • an Sozialversicherungsträger. Der Kläger hat behauptet, auch mit dem restlichen Verkaufserlös von 6.937,09 • habe der Beklagte Gläubiger der Schuldnerin befriedigt. Mit der Klage hat der Kläger u.a. Erstattung der Zahlungen in Höhe von 34.782,96 • verlangt. Das [X.] hat ihm davon 27.935,87 • zugespro-chen. Das [X.] hat den Beklagten unter Zurückweisung der An-schlussberufung des [X.] insoweit noch zur Zahlung von 11.116,05 • verur-teilt. Gegen die Teilabweisung richtet sich die vom erkennenden [X.]at zuge-lassene Revision des [X.], mit der er den abgewiesenen Anspruch (23.756,91 •) weiterverfolgt. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des [X.] entschieden ist. Der Beklagte ist zur Zahlung von weiteren 6.937,09 • zu verurteilen; hinsichtlich weiterer 16.819,82 • ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 3 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zahlung von [X.] (16.819,82 •) sei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-schäftsmanns vereinbar, jedenfalls bestehe dafür eine tatsächliche Vermutung. Hinsichtlich der weiter verlangten 6.937,09 • sei dem Klagevorbringen nicht zu entnehmen, auf welche vom Beklagten veranlassten Zahlungen der Anspruch gestützt sein solle. 4 I[X.] Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 5 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung, auch der Arbeitgeberbeiträge, nach Insolvenzreife sei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, ist von Rechtsirrtum geprägt. Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 64 Abs. 2 Satz 1 und 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 und 2 GmbHG n.F.) zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife der [X.] geleistet wer-den, wenn die Zahlungen nicht auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Die Zahlung der [X.] nach Insolvenzreife ist im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-schäftsmanns nicht vereinbar. § 266 a Abs. 1 StGB stellt nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, nicht auch der Arbeitgeber-beiträge unter Strafe. Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversiche-rung sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, weil einem Geschäftsführer mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht ange-sonnen werden kann, fällige Leistungen an die Sozialkasse nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr liefe, strafrechtlich verfolgt zu werden ([X.].Urt. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265 [X.]. 12; v. 5. Mai 2008 - [X.], [X.], 1229 [X.]. 13; v. 2. Juni 2008 - [X.], [X.], 1275 [X.]. 6; v. 29. September 2008 - [X.], [X.], 2220 [X.]. 10). 6 - 5 - [X.] ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, für die Verein-barkeit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns spreche eine tatsächliche Vermutung. Schon weil nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 2 GmbHG n.F.) vermutet wird, dass der Geschäftsführer Zahlungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geleistet hat ([X.].Urt. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265 [X.]. 15; [X.].Beschl. v. 5. Februar 2007 - [X.], [X.], 1501 [X.]. 4; [X.].Urt. v. 5. Mai 2008 - [X.], [X.], 1229 [X.]. 8), ist kein Raum für eine [X.] tatsächliche Vermutung. Auch für eine Vermutung, dass Zahlungen an Sozialversicherungsträger auf Arbeitnehmerbeiträge geleistet werden, besteht keine Grundlage. § 4 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterlei-tung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages - Beitragsverfahrensverordnung (BVV) - trifft eine Bestimmung über die [X.] der Tilgung bei Teilzahlungen des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Arbeitnehmeranteile werden nur dann vorrangig getilgt, wenn der Arbeitgeber eine Tilgungsbestimmung trifft. Eine konkludente Tilgungsbestimmung setzt voraus, dass sie greifbar in Erscheinung getreten ist ([X.], Urt. v. 26. Juni 2001 - [X.], [X.], 1474), und kann nicht vermutet werden. 7 2. Von [X.] beeinflusst ist auch die Abweisung der Klage in Höhe von 6.937,09 •. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die [X.] des Vortrags des [X.] überspannt, weil es Angaben verlangt hat, auf welche konkreten Zahlungen der Anspruch in Höhe von 6.937,09 • ge-stützt sein soll. Der Insolvenzverwalter muss nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.) nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein Ge-schäftsführer Zahlungen nach Insolvenzreife veranlasst hat ([X.].Urt. v. 16. März 2009 - [X.], [X.], 956 [X.]. 14). Diese Anforderungen hat der Kläger erfüllt. Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagte nach Feststel-lung der Überschuldung als Geschäftsführer der Schuldnerin aus den [X.] - 6 - [X.] für das Anlage- und Umlaufvermögen 6.937,09 • an Gläubiger gezahlt hat. Da der Beklagte nicht bestritten hat, dass er mit diesem Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Anlage- und Umlaufvermögens Zahlungen an Gläubiger geleistet hat, musste der Kläger weder nähere Einzelheiten vortragen noch einzelne Zahlungen nachweisen. 9 II[X.] Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 563 Abs. 1 ZPO). 1. Soweit Zahlungen an Sozialversicherungsträger betroffen sind (16.819,82 •), ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen [X.]at des Berufungsgerichts zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif. Der Beklagte hat behauptet, sämtliche Zahlungen an den Sozialversicherungsträger seien [X.] auf die Arbeitnehmerbeiträge gewesen. Das Berufungsgericht hat dazu - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getrof-fen. 10 2. Dagegen kann der [X.]at hinsichtlich des Anspruchs in Höhe von 6.937,09 • in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentschei-dung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). 11 Der Beklagte leistete die Zahlungen an Gläubiger nach Insolvenzreife. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt des Verkaufs des Anlage- und Umlaufvermögens, mit dessen Erlös der [X.] die Zahlungen geleistet hat, bereits seit langem überschuldet war, ist in der Revisionsinstanz nicht mehr angegriffen und der Entscheidung zugrunde zu legen. 12 Den Beklagten trifft ein Verschulden. Es entlastet ihn nicht, dass er mit dem Verkaufserlös laufende Verbindlichkeiten der [X.] getilgt hat. Nach 13 - 7 - Insolvenzreife ist dem Geschäftsführer die Tilgung fälliger Verbindlichkeiten grundsätzlich verboten (§ 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. = § 64 Satz 1 GmbHG), um [X.] im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu [X.]. Nur ausnahmsweise ist eine die Masse schmälernde Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. = § 64 Satz 2 GmbHG n.F.). Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Ausnahme ist der Geschäftsführer ([X.].Urt. v. 14. Mai 2007 - [X.], [X.], 1265 [X.]. 15; [X.].Beschl. v. 5. Februar 2007 - [X.], [X.], 1501 [X.]. 4; [X.].Urt. v. 5. Mai 2008 - [X.], [X.], 1229 [X.]. 8). Dass die Zahlungen der Abwendung von größeren Nachteilen für die Masse dienten oder der Beklagte strafbewehrte bzw. steuerli-che Verbindlichkeiten tilgte, ist nicht behauptet. [X.][X.]

[X.] Reichart Drescher Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 14.09.2007 - 6 O 18080/06 - [X.], Entscheidung vom 30.04.2008 - 7 U 5132/07 -

Meta

II ZR 147/08

08.06.2009

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2009, Az. II ZR 147/08 (REWIS RS 2009, 3181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3181

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