Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. 4 StR 393/05

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 5535

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[X.]URTEIL 4 StR 393/05 vom 19. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung - 2 - [X.]er 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19. Januar 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Maatz, [X.], [X.], [X.]in am [X.] Sost-Scheible als beisitzende [X.], Staatsanwalt

als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des [X.] [X.] vom 6. April 2005 mit den [X.] aufgehoben. 2. [X.]ie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: [X.]as [X.] hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet. [X.]as Rechtsmittel hat Erfolg. 1 I. 1. [X.]er Verurteilte wurde am 15. Februar 2001 vom [X.] [X.] wegen Vergewaltigung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Aus beiden Einzelstrafen bildete das [X.] eine Gesamtfrei-heitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Nach den Feststellungen jenes Urteils traf der Verurteilte an einem Abend im April 2000 die Geschädigte [X.] in einer Gaststätte und ging mit ihr, um gemeinsam einen "Joint" zu rauchen, nach draußen, wo es auch zum Austausch von Zärtlichkeiten kam. Als sie sich in einer nahegelegenen Unterführung zum Urinieren hinhockte, fühlte 2 - 4 - sich der deutlich alkoholisierte Verurteilte durch das distanzlose Verhalten der Frau —animiertfi. Er zwang sie daraufhin unter Ausnutzung ihrer schutzlosen [X.], u.a. den Oralverkehr des Verurteilten an ihr zu dulden und an ihm auszufüh-ren. In dem weiteren Fall lernte der Verurteilte am [X.] im Mai 2000 die Geschädigte [X.] auf dem Bahnhofsvorplatz in [X.] kennen, von wo aus sie die Wohnung eines Bekannten aufsuchten. [X.]ort und später auch auf dem Weg in die [X.]er Innenstadt kam es zum einvernehmlichen Austausch von Zärtlichkeiten. Als die Geschädigte sich plötzlich weiteren Küssen des wie-derum alkoholisierten Verurteilten widersetzte, akzeptierte dieser den Sinnes-wandel nicht. Vielmehr schubste er sie zu Boden, legte sich auf sie und faßte ihr, um ihre Hilferufe zu unterbinden, fest an den Hals, ließ dann aber auf ihre Bitte, sie nicht zu vergewaltigen, mit der Bemerkung von ihr ab: —Ich werde [X.]ir nicht wehtunfi. 2. Vor Begehung dieser Taten war der vielfach vorbestrafte Verurteilte bereits dreimal wegen sexueller Gewaltdelikte in Erscheinung getreten. Er [X.] deshalb im November 1986 wegen einer im März jenes Jahres begangenen Vergewaltigung (der leicht alkoholisierte Verurteilte hatte eine Frau, die er zuvor in einer [X.]iscothek kennengelernt hatte, zu sich zum Frühstück eingeladen. Auf dem Weg zu seiner Wohnung führte er sie über einen Friedhof, wo er sie auf den Boden drückte und u.a. den Oralverkehr erzwang) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nur knapp vier Monate nach vollständiger Verbüßung überfiel der nicht ausschließbar [X.] erheblich vermindert steue-rungsfähige Verurteilte Ende Juli 1990 auf offener Straße eine Frau, um mit ihr geschlechtlich zu verkehren, und zerrte sie in ein Gebüsch; sie konnte ihm aber entkommen. Er wurde deshalb im Februar 1991 wegen versuchter [X.] zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Noch bevor [X.] Strafe vollstreckt wurde, kam es Ende Juli 1991 zu einer neuerlichen sexuel-3 - 5 - len Gewalttat. [X.]er wiederum nicht ausschließbar [X.] erheblich ver-mindert steuerungsfähige Verurteilte hatte sich mit einer Gruppe mehrerer sämtlich alkoholisierter Männer und Frauen, darunter auch die später [X.], getroffen. Er veranlaßte sie, sich mit ihm von der Gruppe zu entfernen, wobei sie sich von ihm auch küssen ließ. Als sie aber weitere sexuelle [X.] ablehnte, brachte der Verurteilte sie zu Fall und erzwang durch Schläge ins Gesicht und unter der [X.]rohung, ihr mit [X.] auf den Kopf zu [X.], dass der Verurteilte den Oralverkehr an ihr ausüben und mit den Fingern in ihre Scheide eindringen konnte. Er wurde deshalb im Juni 1992 wegen sexu-eller Nötigung in Tateinheit mit Vergewaltigung zu drei Jahren und sechs Mona-ten Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis Juni 1995 verbüßte. 3. Obwohl nach den Feststellungen des [X.] sowohl die [X.] Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB als auch [X.] worauf das [X.] allein abgestellt hat [X.] die des Absatzes 3 der Vorschrift vorlagen, sah das [X.] seinerzeit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung ab, da der Gefährlichkeit des Verurteilten aus aktueller Sicht erfolgreich dadurch [X.] werden könne, dass er in der Entziehungsanstalt nach § 64 StGB untergebracht werde ([X.]). Im Vollzug dieser durch das [X.] ange-ordneten Maßregel verweigerte der Verurteilte jedoch eine therapeutische Zu-sammenarbeit zunehmend, worauf die Strafvollstreckungskammer mit Be-schluss vom 12. August 2002 gemäß § 67 d Abs. 5 StGB bestimmte, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei. Nach Abbruch des [X.] lehnte der Verurteilte sämtliche Behandlungs-angebote der Justizvollzugsanstalt, auch in Bezug auf seine Sexual- und Ge-waltproblematik, als für sich —völlig unangemessenfi ([X.]) ab. [X.]er Verurteilte verbüßte die verhängte Strafe vollständig bis zum 2. September 2004, verblieb aber weiterhin in Haft, nachdem das [X.] am 1. September 2004 gemäß 4 - 6 - § 275 a Abs. 5 StPO seine einstweilige Unterbringung in der nachträglichen Si-cherungsverwahrung angeordnet hatte. Zum Verhalten des Verurteilten im Vollzug hat das [X.] im [X.] Urteil im Übrigen folgende Feststellungen getroffen: 5 Ende Mai 2001 wurde der Verurteilte zur Vollstreckung der nach § 64 StGB angeordneten Maßregel in die Klinik ver-legt. [X.]ort suchte er alsbald den Kontakt und die Nähe zu [X.], die erst seit kurzer Zeit als jüngste Pflegekraft auf seiner Station beschäftigt war. [X.]er Verur-teilte kam häufig zu ihr ins [X.]ienstzimmer, machte ihr Komplimente und kochte sogar für sie, wenn sie Nachtdienst hatte. [X.]a sie noch jung und unerfahren im Umgang mit Patienten war, den Verurteilten sympathisch und attraktiv fand und sich von seinen Komplimenten geschmeichelt fühlte ([X.]), unterhielt sie sich viel mit ihm und erzählte dabei auch von sehr persönlichen Umständen und durchaus auch sexualbetonten Gefühlen, so dass [X.] auch wenn sie dabei keine Hintergedanken hegte [X.] möglicherweise eine "knisternde [X.] oder —erotische Spannungfi entstand ([X.]). 6 Spätestens Ende April 2002 beendete [X.] diese "flirtive Situation" ([X.]) und ging auf [X.]istanz zu dem Verurteilten. [X.]ieser konnte mit ihrem Rückzug jedoch nicht umgehen. Seine bisherige Zuneigung schlug jetzt in Hass und Aggression um ([X.]). [X.]ies zeigte sich in [X.]rohungen und massiven Be-leidigungen. So äußerte er noch Ende April 2002 zu dem Stationspsychologen, "wenn er enttäuscht werde, überlege er nur, wie er dem anderen schaden kön-ne; er habe sich für jeden aus dem Team eine Strafe überlegt". Als der Verur-teilte wegen wiederholter Beleidigungen in den [X.] verlegt wurde, fand man bei ihm ein Teppichmesser, welches er sich eigenmächtig be-7 - 7 - schafft hatte und das er dazu benutzen wollte, sich selbst oder gegebenenfalls andere Personen zu verletzen ([X.]). Zudem fanden sich bei seiner persönli-chen Habe die Adresse und Telefonnummer von [X.] sowie "Briefe und Postkarten, in denen ein einseitiges, sehnsüchtiges Verliebtsein in [X.] zum Ausdruck kam" ([X.]). Während eines Freigangs Anfang Juni 2002 traf er auf seinen früheren Bezugspfleger, dem gegenüber er äußerte, er werde "das Team von der Station 7 [X.] in zwei Jahren, wenn er rauskomme, 'niedermetzeln'; ganz besonders – [X.] und – Frau N. werde er übel mitspielen" ([X.]). II. [X.]as angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. [X.] hat das [X.] zutreffend die formellen Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 StGB bejaht. Jedoch sind die materiellen Vor-aussetzungen des § 66 b Abs. 1 StGB nicht ausreichend dargetan. 8 1. [X.]as [X.] hat zur Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten die ärztliche [X.]irektorin am

[X.] ( ) in , [X.]r. med. [X.], sowie den ärztlichen [X.]irektor der

Klinik in [X.]

und Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psycho-therapeutische Medizin, Prof. [X.]r. T.

, als Sachverständige gehört. Beide Sachverständigen sind in ihren Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Verurteilten liege eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor, die aufgrund ihrer typischen Merkmale maßgeblich für das Bestehen eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB spreche. Beide Sachverständigen sind ferner über-einstimmend zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe nicht nur eine bestimmte, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte wieder sexuelle Gewalttaten begehen werde. Für ein solches hohes Risiko künftiger [X.] - 8 - likte spreche auch, dass der Verurteilte zur Sexualisierung von Alltagssituatio-nen und -beziehungen neige, erotische Signale nicht relativieren könne und Si-tuationen sexuell übersteigert interpretiere ([X.]). [X.]ies habe sich [X.] in dem Verhalten des Verurteilten in der Klinik in Bezug auf [X.] gezeigt. [X.]adurch sei auch die auf das seinerzeit erstattete Gutachten des Sachverständigen Prof. [X.]r. [X.]r. Sch. gestützte Einschätzung des Land-gerichts [X.] in seinem Urteil vom 15. Februar 2001 widerlegt, wonach die Straftaten des Verurteilten "maßgeblich" auf seinen jahrelangen Missbrauch von Alkohol und den jeweils aktuell genossenen Alkohol zurückzuführen seien. Vielmehr sei nunmehr deutlich geworden, dass der Verurteilte auch unabhängig von einer tatzeitbezogenen Alkoholintoxikation zu gleichen Verhaltensweisen wie bei seinen Sexualstraftaten neige und er somit unabhängig von einer [X.] Alkoholisierung allein aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur gefährlich sei ([X.]). [X.]avon ausgehend, hat das [X.] die für die Anordnung der nach-träglichen Sicherungsverwahrung erforderlichen —neuen Tatsachenfi in dem —Verhalten des Verurteilten in der Klinik in

in Bezug auf die Zeugin [X.] gesehen; —denn dadurch (habe) sich gezeigt, dass er unabhängig von dem konstellativen Faktor einer tatzeitbezogenen Alkoholintoxikation ge-fährlich istfi ([X.]). [X.]ies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 10 2. Allerdings ergeben sich vorliegend aus dem Vollzugsverhalten des Verurteilten in der Unterbringung nach § 64 StGB gegenüber dem Ausgangsur-teil —neue Tatsachen" (vgl. zu diesem Begriff [X.], Urteile vom 1. Juli 2005 - 2 StR 9/05 -, NJW 2005, 3078, und vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 -, zum Abdruck in [X.]St bestimmt; Senatsbeschlüsse vom 9. November 2005 11 - 9 - [X.] 4 StR 483/05 [X.] und vom 12. Januar 2006 [X.] 4 [X.]), die im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen nach § 66 b Abs. 1 StGB Bedeutung erlangen können. [X.]och kommt den hierzu festgestellten Umständen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit das Gewicht erheblicher neuer Tatsachen zu, das erst den Weg zu der in § 66 b StGB geforderten Gesamtwürdigung des [X.] (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 9. November 2005 [X.] 4 StR 483/05). [X.]as [X.] hat nicht ausreichend dargetan, dass das Verhalten des Verurteilten in der Klinik

auf eine Bereitschaft des Verurteilten hinweist, schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu begehen, wie sie die Annahme erheblicher neuer Tatsachen im Sinne des § 66 b StGB voraus-setzt ([X.], Urteil vom 25. November 2005 [X.] 2 StR 272/05). Insbesondere [X.] die auf die Gutachten der beiden gehörten Sachverständigen gestützte Wertung des [X.], das Verhalten des Verurteilten gegenüber [X.] sei eine "Reinszenierung" seiner bisherigen, recht stereotyp verlaufenden [X.] ([X.]), durchgreifenden Bedenken. Zwar war das Verhalten des Verurteilten von Hass und Aggression geprägt, nachdem [X.] Ende April 2002 zu ihm auf [X.]istanz gegangen war. Auch können die von dem Verurteilten angedeuteten oder ausdrücklich ausgesprochenen [X.]rohungen unter Einbezie-hung des bei ihm vorgefundenen Teppichmessers —neue Tatsachenfi von Ge-wicht im Sinne des § 66 b StGB sein. [X.]enn nach dem Willen des [X.] sollen auch "wiederholte verbal-aggressive Angriffe" ebenso "wie die [X.]ro-hung des Verurteilten, nach der Entlassung weitere Straftaten zu begehen", als Anknüpfungspunkt für eine weitere Prüfung in Betracht kommen (BT[X.]rucks. 15/2887 S. 12). [X.]och ist bei der Frage der Erheblichkeit immer in Rechnung zu stellen, ob und inwieweit diese Umstände ihre Ursache nicht nur in der Voll-zugssituation haben (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006 [X.] 4 [X.]). 12 - 10 - Insoweit hätte das [X.] hier berücksichtigen müssen, dass das Verhal-ten des Verurteilten eine nicht völlig unverständliche Reaktion auf die Zurück-weisung durch [X.] darstellte, nachdem sie die "notwendige professionelle [X.]istanz" außer acht gelassen und durch diese "beruflichen Fehler" ([X.]) maßgeblich die "erotische Spannung" und die "Wunschfantasien" des [X.] ([X.]) mit verursacht hatte. Gegen die Wertung des Verhaltens des Verur-teilten als —[X.] seiner früheren Sexualstraftaten spricht schließlich, dass diesen nach den dazu im Urteil mitgeteilten Sachverhalten jeweils ein spontaner Entschluss des Verurteilten zur alsbaldigen Befriedigung seiner se-xuellen Bedürfnisse zugrunde lag. [X.]avon unterscheidet sich das monatelange —werbendefi, von gegenseitiger Sympathie getragene Verhalten des Verurteilten gegenüber [X.] grundlegend. Zudem hat das [X.] nicht ausreichend dargetan, dass die [X.]ro-hungen auch naheliegend Ausdruck der konkreten Gefahr sind, der Verurteilte werde seine im Vollzug geäußerten [X.]rohungen auch in die Tat umsetzen (zur Bedeutung des Vollzugsverhaltens einschließlich des [X.] verbotener Gegenstände (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 2005 [X.] 2 StR 272/05). Auch vor dem Hintergrund der [X.] ergeben die Feststellungen im angefoch-tenen Urteil nicht, dass der Verurteilte etwa nur wegen der Situation im Vollzug an gewalttätigen Übergriffen gegenüber [X.] oder anderen Personen gehin-dert gewesen wäre. [X.]ie Feststellungen legen vielmehr nahe, schließen es [X.] aber nicht aus, dass der Verurteilte sehr wohl des öfteren insbesondere auch mit [X.] allein war, ohne dass jeweils andere Personen zu ihrem Schutz unmittelbar hätten eingreifen können. [X.]ie Annahme des [X.], zu einer tatsächlichen Anwendung von Gewalt durch den Verurteilten [X.] wie bei seinen früheren Straftaten [X.] sei es nur deshalb nicht gekommen, weil sich das Geschehen diesmal im Maßregelvollzug und damit in einem —geschützten 13 - 11 - Raumfi abspielte ([X.]), stellt deshalb eine bloße Vermutung zu Lasten des Verurteilten dar. [X.]ie Sache bedarf schon deshalb insgesamt neuer Prüfung und Ent-scheidung. [X.] Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin: 15 1. Soweit das [X.] mit den beiden gehörten Sachverständigen die Gefährlichkeit des Verurteilten als "allein aufgrund seiner Persönlichkeitsstruk-tur" und "unabhängig von einer akuten Alkoholisierung" bestehend angesehen hat ([X.]), liegt in diesen Umständen hier für sich noch keine für die Prüfung der Voraussetzungen des § 66 b StGB erforderliche —neue [X.] Zwar weicht die jetzige Beurteilung der Sachverständigen, der sich das [X.] im angefochtenen Urteil angeschlossen hat, von derjenigen im [X.] insoweit ab, als danach das den Sexualdelikten des Verurteilten zu Grunde liegende Verhaltensmuster "primär" auf seiner dissozialen Persönlich-keitsstörung beruhe, während eine akute Alkoholintoxikation nur ein zusätzlich enthemmender, nicht aber per se der tatauslösende Faktor sei ([X.]). [X.]ie Abweichung betrifft aber lediglich die Bewertung prognoserelevanter Ursachen der Sexualdelinquenz des Verurteilten, ohne dass damit neue Ursachen selbst zu Tage getreten wären (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 [X.] 4 StR 483/05). [X.]ie vom psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen zu verant-wortende [X.]iagnose einer Persönlichkeitsstörung als solche stellt auch dann, wenn sie von einem der international gebräuchlichen Klassifikationen (IC[X.] oder [X.]SM) erfasst wird, keine Tatsache dar; "nova" können sich immer nur auf die 16 - 12 - eine solche [X.]iagnose begründenden Anknüpfungstatsachen beziehen (vgl. Se-natsbeschluss vom 12. Januar 2006 [X.] 4 [X.]). Zudem weist das ange-fochtene Urteil selbst aus, dass auch die jetzige psychiatrisch-psychologische Beurteilung des Verurteilten nicht "neu" ist. [X.]enn bereits der psychiatrische Gutachter im Ausgangsverfahren hatte bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer psychischen und Verhaltensstö-rung durch psychotrope Substanzen diagnostiziert ([X.]). Auch hatte der [X.] Sachverständige [X.]in dem Strafverfahren beim [X.] Arnsberg schon 1992 die Sexualdelinquenz des Verurteilten "maßgeblich" auf seine "dissozialen Interaktionsmuster" ([X.]) zurückgeführt, was der jetzigen Beurteilung der Sachverständigen entspricht. 2. Eine berücksichtigungsfähige —neue [X.] kann hier allerdings die Therapieverweigerung des Verurteilten sein, wenn das [X.] zum Zeitpunkt seiner Verurteilung davon ausgehen konnte, der Verurteilte werde sich im Vollzug einer Erfolg versprechenden Therapie unterziehen (Senatsbe-schluss vom 9. November 2005 aaO). Im Rahmen der dadurch eröffneten Ge-samtwürdigung (vgl. dazu zuletzt [X.], Beschluss vom 8. [X.]ezember 2005 [X.] 1 [X.]) darf der Tatrichter jedoch nicht allein auf eine derartige Verwei-gerungshaltung abstellen ([X.] 109, 190 = NJW 2004, 750, 758; [X.] 17 - 13 - NJW 2005, 2022). Vielmehr hat er dazu die Persönlichkeit des Verurteilten, sei-ne bisherigen Straftaten und seine Entwicklung bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung in den Blick zu nehmen. Tepperwien Maatz [X.] Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 393/05

19.01.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. 4 StR 393/05 (REWIS RS 2006, 5535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5535

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