Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2015, Az. I ZR 26/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9503

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I
[X.]
Verkündet am:

18. Juni 2015

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Zuweisung von Verschreibungen
ZPO § 308 Abs. 1; [X.] §§ 3, 4 Nr. 11; [X.] § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3; [X.] § 39 Abs. 1 Satz 4 bis 6
a)
Eine Verurteilung zur Unterlassung ist von Amts wegen aufzuheben, wenn ein im Unterlassungsantrag enthaltenes Merkmal der zu [X.] im [X.] fehlt und das vom Gericht ausgesprochene [X.] daher weiter reicht als der Unterlassungsantrag.
b)
Die Bestimmung des §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] ist grundsätzlich auch bei Arzneimitteln zu beachten, die in der Arztpraxis am Patienten angewen-det werden sollen (sogenannten Applikationsarzneimitteln) und daher zum Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Behandlung in der Arztpraxis vor-handen sein müssen, sowie speziell bei Medikamenten, die für die Erstein-stellung und Ersteinweisung
von [X.] benötigt werden.
[X.], Urteil vom 18. Juni 2015 -
I [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18.
Juni 2015 durch [X.] Dr.
Büscher, die Richter Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Prof. Dr.
[X.] und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.]
Zivilsenavom 27.
Dezember 2013 im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger und der Beklagte sind Apotheker;
sie betreiben in [X.]

jeweils eine Apotheke.
Der Beklagte gab am 25.
Oktober und am 22.
November 2012 jeweils die drei verschreibungspflichtigen Medikamente "Incivo 375
mg Filmtabletten", "[X.] 200
mg Filmtabletten/Ribarin 200
mg Filmtabletten" und "Pegasys 180
IG
Fertogüem 4
Stück Fertigspritzen" für in der Arztpraxis Dres.
W.

und B.

in [X.]

behandelte [X.] ab. In beiden
Fällen wurde das in der Arztpraxis ausgestellte Rezept nicht den Patienten ausgehändigt, sondern wurden Rezept und Medikamente direkt zwischen der Arztpraxis und der Apotheke des [X.] ausgetauscht. Die Patienten, die 1
2
-
3
-
mit dieser Vorgehensweise des [X.] und der Arztpraxis einverstanden waren, wurden zu keinem Zeitpunkt in der Apotheke des [X.] vorstellig.
Die in der Arztpraxis Dres.
W.

und B.

durchgeführte Be-
handlung der an Hepatitis
C erkrankten Patienten lief
regelmäßig so ab, dass die Patienten in einem ersten Termin untersucht und nach der Diagnose einer [X.] zu einem weiteren Termin einbestellt wurden.
In diesem zweiten Termin klärte
der behandelnde Arzt über die durchzuführende [X.] und die zu verabreichenden Medikamente sowie deren Nebenwirkungen auf. In einem dritten Termin wurden die Patienten durch eine Arzthelferin in der Arztpraxis in die Anwendung der vom [X.] zu diesem Zeitpunkt dort be-reitgestellten Medikamente und in die Selbstverabreichung der [X.] eingewiesen.
Der Kläger sieht in der beschriebenen Vorgehensweise einen wettbe-werbsrechtlich relevanten Verstoß des [X.] gegen das apothekenrechtli-che Verbot von Absprachen über die Zuweisung von (Patienten mit) Verschrei-bungen durch einen Arzt an eine Apotheke. Er hat beantragt, den [X.] unter Androhung von
Ordnungsmitteln
zu verurteilen, es zu unterlassen,
rezeptpflichtige Arzneimittel unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl sowie unter direkter Entgegennahme ärztlicher Rezepte an deren Aussteller abzugeben oder abgeben zu lassen.
Darüber hinaus hat der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht des [X.] und seine Verurteilung zur Erteilung von Auskünften über ent-sprechende Handlungen begehrt.
Der Beklagte
ist der Klage entgegengetreten.
Er hat geltend gemacht, es müsse gewährleistet sein, dass die betreffenden Medikamente für die Erstein-stellung der [X.] in der Arztpraxis vollständig und in der richti-gen Verabreichungsform vorhanden seien. Es sei daher unabdingbar, dass der 3
4
5
6
-
4
-
Beklagte die Medikamente jeweils zeitgerecht zu den Einstellungsterminen in die Arztpraxis liefere.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben.
Im zweiten Rechtszug hat der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und der Kläger die Zurückweisung der Berufung beantragt. [X.] der Unterlassung hat der Kläger hilfsweise beantragt, den [X.] unter Androhung von
Ordnungsmitteln
zu verurteilen, es zu unterlassen,
rezeptpflichtige Arzneimittel nach ärztlicher Verordnung des Herrn Dr.
med. J.

B.

, H.

-Straße

, [X.]

, in dessen
Praxis zu bringen, bringen oder aushändigen zu lassen, ohne dass die in der Verordnung namentlich bezeichnete Person nach Aushändigung der [X.] selbst oder durch von ihr bevollmächtigte Dritte die Belieferung oder Aus-händigung derselben ausdrücklich anordnet,
ausgenommen hiervon,
solche Verordnungen, welche [X.] enthalten, oder aber Arzneimittel, die von den Gesundheitsbehörden des [X.] oder der Länder oder von diesen benannten Stellen im Falle einer bedrohli-chen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übli-che Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimit-teln erforderlich macht, nach §
47
Abs.
1 Satz
1 Nr.
3c des Arzneimittelgesetzes bevorratet oder nach §
21 Abs.
2 Nr.
1c des Arzneimittelgesetzes hergestellt wurden,
und weiter hilfsweise, es zu unterlassen,
in Absprache mit dem in [X.] tätigen Arzt
Dr.
med.
J.

B.

eine nicht genehmigte [X.] in
dessen Arztpraxis bzw. Gemeinschaftspraxis zu unterhalten.
Das Berufungsgericht hat den [X.] unter Androhung von
Ord-nungsmitteln
verurteilt, es zu unterlassen,
rezeptpflichtige Arzneimittel
unter direkter Entgegennahme ärztlicher Rezepte an deren Aussteller abzugeben oder abgeben zu lassen mit Ausnahme anwen-dungsfertiger [X.], die im Rahmen des üblichen [X.] hergestellt worden sind, und/oder
von Arzneimitteln, die von den Gesundheitsbehörden des [X.] oder der Länder oder von diesen benannten Stellen im Falle einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, nach §
47 Abs.
1 Satz
1 Nr.
3c des Arzneimittelgesetzes bevorratet oder nach §
21 Abs.
2 Nr.
1c des Arzneimittelgesetzes hergestellt wurden.
7
8
9
-
5
-
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den [X.] bezogen auf die vorstehend bezeichneten Handlungen zur Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzpflicht festgestellt. Die weitergehende Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-weisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abwei-sung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat den vom Kläger im ersten Rechtszug gestell-ten Unterlassungsantrag (im Weiteren: Unterlassungshauptantrag) als zulässig
und mit Einschränkungen
als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Der Unterlassungshauptantrag sei bestimmt genug.
Mit ihm solle dem [X.] verboten werden, unter direkter Entgegennahme des Rezepts re-zeptpflichtige
Arzneimittel an den Aussteller eines ärztlichen Rezepts
abzuge-ben oder abgeben zu lassen. Der Antrag
reiche zwar
zu weit, da er den in §
11 Abs.
2 bis 4 [X.] vorgesehenen Ausnahmen keine
Rechnung trage. Er
sei aber ansonsten
aus §§
8, 3, 4 Nr.
11 [X.] in Verbindung mit §
11 Abs.
1 [X.] begründet. Die Bestimmung des §
11 Abs.
1 [X.] sei eine Marktverhaltensre-gelung im Sinne von
§
4 Nr.
11 [X.].
Sie schütze das Vertrauen der Verbrau-cher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Apothekers. Die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken stehe
der Anwendung des §
4 Nr.
11 [X.] in Verbindung mit §
11 [X.]
nicht entgegen, weil sie nach ihrem Artikel
3 Abs.
3 und ihrem Erwägungsgrund
9 die nationalen Vorschriften in [X.] auf [X.] Sicherheitsaspekte unberührt lasse. Die zwischen der Arztpraxis Dres.
W.

und B.

und dem [X.] getroffene
Vereinbarung, nach der dieser rezeptpflichtige Medikamente nach Vorlage der 10
11
12
13
-
6
-
Rezepte durch die Arztpraxis direkt an den Arzt
liefere, stelle eine nach §
11 Abs.
1 [X.] verbotene Zuweisung von Verschreibungen dar. Es handele sich bei den streitgegenständlichen Medikamenten weder um Zytostatikazubereitun-gen noch um Medikamente, die dem §
11 Abs.
4 [X.] unterfielen. Eine weitere Einschränkung des Verbots
sehe das Gesetz nicht vor und sei auch im Streitfall nicht ausnahmsweise gerechtfertigt, weil hier auf andere Weise gewährleistet werden könnte, dass die von jeder Apotheke innerhalb eines halben Tages zu beschaffenden Medikamente bei der Ersteinweisung
zur Verfügung stünden, die frühestens eine Woche nach dem zweiten Arzttermin stattfinde. Da der [X.] zumindest fahrlässig gehandelt habe, seien die Anträge auf Feststellung seiner Schadensersatzpflicht und
auf Auskunftserteilung ebenfalls begründet.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] ist [X.] und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.
1. Das vom Berufungsgericht gegen den [X.] ausgesprochene Un-terlassungsgebot hat schon deshalb keinen Bestand, weil die im [X.] und im Tenor des landgerichtlichen Urteils enthaltene [X.] "unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl" im Tenor des Berufungsurteils fehlt und
das Berufungsgericht dem Kläger damit mehr
zugesprochen hat, als
dieser beantragt hat (§
308 Abs.
1 ZPO; vgl. hierzu [X.], [X.], 169, 171; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 12.
Aufl., §
308 Rn.
13).
Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Unterlas-sungsgebot reicht insofern weiter als der vom Kläger gestellte Unterlassungs-hauptantrag, als das Verbot anders als der Klagenantrag
Fälle erfasst, in denen der Patient nicht vom direkten Kontakt zur Apotheke ausgeschlossen wird
(vgl. zur Frage, ob das Merkmal der Zuweisung erfüllt ist, wenn der Patient sein Ein-verständnis mit der direkten Zuleitung seines Rezepts an eine bestimmte [X.] erklärt hat, [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 14
15
-
7
-
2015, §
11 Rn.
8
f.).
Der vorliegende
Verstoß gegen §
308 Abs.
1 ZPO ist von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2006
I
ZR
235/03, [X.]Z 168, 179 Rn.
13
Anschriftenliste, mwN)
und erfordert die
Aufhebung des Berufungsurteils.
2. Nach dem vorstehend Ausgeführten hat auch die Verurteilung des [X.]n nach den auf den Unterlassungshauptantrag bezogenen Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht keinen Bestand.
3. Der
Rechtsstreit
ist beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens weder im Sinne der Stattgabe der Klage mit einem der vom Kläger gestellten Unter-lassungsanträge und den
darauf jeweils bezogenen Folgeanträgen
auf Feststel-lung der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung (dazu unter
II
3
a) noch im Sinne der Abweisung der Klage gemäß §
563 Abs.
3 ZPO zur Endentschei-dung reif (dazu unter
II
3
b). Die Sache ist daher nach
§
563 Abs.
1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
a) Die Klage kann
mit den vom Kläger bislang gestellten Anträgen
schon deshalb keinen Erfolg
haben, weil der Beklagte nach den getroffenen [X.], in denen
der Kläger einen
Verstoß gegen das in §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] geregelte Verbot der Zuweisung von (Kunden mit) Verschreibungen durch einen Arzt an eine Apotheke erblickt, allein im Zu-sammenhang mit
der medikamentösen Ersteinstellung und Ersteinweisung von [X.] gezeigt und sich zur
Rechtfertigung seines Verhaltens auf die bei einer solchen Ersteinstellung bestehenden besonderen Gegebenheiten berufen
hat. Damit
kann nur in diesem Umfang von einer Begehungsgefahr ausgegangen werden.
Die in den Klageanträgen vorgenommene Verallgemei-nerung geht demgegenüber zu weit, weil dort nicht mehr das Charakteristische der nach Ansicht des [X.] vom [X.] begangenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweise zum Ausdruck kommt
(vgl. [X.], Urteil vom 23.
Februar 2006 -
I
ZR
27/03, [X.]Z 166, 233 Rn.
36 -
Parfümtestkäufe; Urteil vom 5.
Oktober 16
17
18
-
8
-
2010 -
I
ZR
46/09, [X.], 433 Rn.
26 =
[X.], 576 -
Verbotsantrag bei Telefonwerbung; Urteil vom 20.
Juni 2013 -
I
ZR
55/12, [X.], 1235 Rn.
18 =
[X.], 75 -
Restwertbörse
II).
b) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein wettbe-werbswidriges Verhalten des [X.] nicht verneint werden.
aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagte bei der Lieferung der Medikamente auf der Grundlage einer Absprache tätig geworden ist, die die Zuweisung von (Kunden mit) Verschreibungen durch ei-nen Arzt an eine Apotheke im Sinne von §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] zum Gegenstand hatte. Die Regelung soll sicherstellen, dass der Erlaubnisinhaber einer Apotheke sich bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen wie insbesondere zu Ärzten, die Einfluss auf sein Entscheidungsverhalten haben,
nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen Erwägungen leiten lässt. Sie soll damit Verhaltensweisen der Apotheker entgegenwirken, die die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln beeinträchti-gen
können.
Die Vorschrift stellt damit eine Marktverhaltensregelung im Sinne von §
4 Nr.
11 [X.] dar
(vgl. [X.], Urteil vom 13.
März 2014
I
ZR
120/13, [X.], 1009 Rn.
13 = [X.], 1056
[X.]; Urteil vom 12.
März 2015
I
ZR
84/14, [X.], 1025 Rn.
15 = [X.], 1085

[X.]; [X.], [X.] 2013, 470, 471; [X.], [X.] 2014, 270, 271; [X.] in [X.]/Bornkamm, [X.], 33.
Aufl.,
§
4 Rn.
11.77; MünchKomm.[X.]/Schaffert, 2.
Aufl., §
4 Nr.
11 Rn.
147; v.
[X.] in Harte/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
4 Nr.
11 Rn.
45; [X.].[X.]/Metzger, 2.
Aufl., §
4 Nr.
11 Rn.
84; [X.] in Spickhoff, Medizin-recht, 2.
Aufl., §
11 [X.] Rn.
2;
[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
2 und 168
f.).
Die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Artikel
4 in ihrem Anwendungsbereich (Art.
3) zu einer vollstän-digen Harmonisierung des [X.] geführt hat, kennt zwar keinen der 19
20
-
9
-
Bestimmung des §
4 Nr.
11 [X.] entsprechenden [X.]. Dieser Umstand steht der Anwendung der genannten Vorschrift aber nicht ent-gegen, weil die Rechtsvorschriften der [X.] und der Mitglied-staaten in Bezug auf Gesundheits-
und Sicherheitsaspekte von Produkten, zu denen
die Bestimmung des §
11 [X.] zählt, von der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken unberührt bleiben (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Januar 2015

I
ZR
123/13, [X.], 916 Rn.
15 = [X.], 1095
Abgabe ohne [X.]; [X.], [X.], 470, 471
f.).
Wegen des mit der Be-stimmung des §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] bezweckten
Schutzes
der Ge-sundheit der Verbraucher sind Verstöße gegen sie regelmäßig geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. [X.], [X.],
1025 Rn.
15
[X.]).
bb) Das vom Kläger als Verstoß gegen §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] beanstandete Verhalten des [X.] stellt kein nach einer der in §
11 Abs.
1 Satz
2, Abs.
2 bis 4 [X.] enthaltenen Regelungen,
die die Verbotstatbestände
des §
11 Abs.
1 Satz
1 [X.] einschränken, zulässiges Verhalten dar.
Dies gilt auch im Blick auf die Bestimmung des §
11 Abs.
2 [X.], wo-nach der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb
einer öffentlichen Apotheke [X.] einer Absprache anwendungsfertige [X.], die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt worden sind, unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben darf.
Dabei kann
im vorliegenden Zusam-menhang dahinstehen, ob diese Regelung analogiefähig ist (so [X.], Apothekenbetriebsordnung, 5.
Aufl., Stand September 2012, §
35 Rn.
10; aA
[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014,
§
11 Rn.
41). Die Regelung des §
11 Abs.
2 [X.] trägt dem Umstand Rechnung, dass angesichts der an die Her-stellung [X.] Zytostatika in personeller, räumlicher und appara-tiver Hinsicht gestellten hohen Anforderungen erfahrungsgemäß nur einzelne Apotheken Verschreibungen von [X.] ordnungsgemäß 21
22
-
10
-
ausführen können und die Zubereitungen
zudem aus Sicherheitsgründen nicht den Patienten ausgehändigt werden sollten ([X.] in [X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
41 mit Hinweis auf die Begründung des Entwurfs des [X.]rats eines Ge-setzes zur Änderung des Apothekengesetzes, [X.]. 14/756, S.
5).
Bei Arzneimitteln, die in der Arztpraxis an dem Patienten angewendet werden sollen (sogenannten Applikationsarzneimittel)
und daher zum Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Behandlung in der Arztpraxis vorhanden sein müssen, zu denen die hier in Rede stehenden
Medikamente
für die [X.] und Ersteinweisung von [X.] rechnen, besteht [X.] keine entsprechende oder immerhin
nur annähernd vergleichbare Notwen-digkeit oder Vorteilhaftigkeit einer
solchen Verkürzung des [X.] unter Ausschluss des Patienten. Es gibt regelmäßig Möglichkeiten, ohne Um-gehung des Patienten

etwa durch eine telefonische Nachfrage

sicherzustel-len, dass die für die Ersteinstellung und Ersteinweisung eines [X.] benötigten Medikamente, die nach den Feststellungen des [X.] von jeder Apotheke innerhalb eines halben Tages beschafft wer-den können, bei dem vereinbarten Termin in der Arztpraxis vollständig und in der richtigen Verabreichungsform zur Verfügung stehen.
Abweichendes gilt
nur, wenn ein hinreichender medizinischer Grund vorliegt wie etwa dann, wenn in-folge Hilfsbedürftigkeit oder Unzuverlässigkeit des Patienten die rechtzeitige oder die qualitätswahrende Beschaffung eines [X.] nicht gewährleistet und deshalb die ärztliche
Therapie gefährdet ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
39 bis 42, 104 und 115; aA [X.] aaO §
17 Rn.
353
bis 358). In einem solchen Fall beruht die Zuweisung der Verschreibung nicht auf einer nach §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.] verbotenen Absprache, sondern auf medizinischer Notwendigkeit ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
104).
Am Merkmal der Zuweisung fehlt
es möglicherweise auch dann, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines [X.] hierzu neutral verschiedene [X.]
-
11
-
ten an die Hand gibt,
etwa in Form der Aushändigung des Rezepts an den Pati-enten
oder in Form der Beauftragung des Arztes mit der Einlösung in einer vom Patienten bestimmten Apotheke oder in einer vom Arzt selbst
ausgewählten
Apotheke, und der Patient sich dann für die zuletzt genannte Möglichkeit ent-scheidet (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
9). Dass die behandelnden Ärzte den Patienten vorliegend die Möglichkeit eröffnet haben, zwischen diesen
Beschaffungsarten auszuwählen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
cc) Der Streitfall lässt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht mit dem Fall vergleichen, der der Senatsentscheidung "[X.]" ([X.], [X.], 1009) zugrunde gelegen hat. Bei dem dort in Rede stehen-den Entlassmanagement gemäß §
39 Abs.
1 Satz
4 bis 6 SGB
V obliegt es den im Auftrag der Krankenkassen handelnden Krankenhäusern, den Übergang in den nächsten Versorgungsbereich zu planen und zu organisieren und in diesem Zusammenhang die weitere Versorgung mit Heil-
und Hilfsmitteln sowie mit Medikamenten zu koordinieren
([X.], [X.], 1009 Rn.
16 -
Koopera-tionsapotheke). Die Koordinierung der weiteren Versorgung mit Medikamenten umfasst die Pflicht der mit
der Durchführung des [X.] befass-ten oder beauftragten Person, den ersten Kontakt mit der vom Versicherten gewünschten Apotheke oder -
wenn kein entsprechender Wunsch geäußert worden ist
-
mit einer nach den Umständen als geeignet erscheinenden [X.] herstellen ([X.], [X.], 1009 Rn.
17 -
[X.]). [X.] entsprechende oder auch nur vergleichbare Sach-
und Interessenlage liegt bei in der Praxis eines niedergelassenen Arztes zu verabreichenden [X.] grundsätzlich nicht vor.
dd) Angesichts der strengen und im Grundsatz als abschließend anzu-sehenden Regelung des §
11 [X.] ist entgegen der Ansicht der Revision kein Raum für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze, die der Senat zur 24
25
-
12
-
Frage der Zulässigkeit eines verkürzten [X.] bei [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Juni 2000 -
I
ZR
59/98, [X.], 1080, 1081 bis 1083 =
[X.], 1121 -
Verkürzter Versorgungsweg; Urteil vom 15.
November 2001 -
I
ZR
275/99, [X.], 271, 272
f.
= [X.], 211 -
Hörgeräte-versorgung
I; Urteil vom 13.
Januar 2011
I
ZR
111/08, [X.], 345 Rn.
36 bis 48 und 67
=
WRP
2011, 451
Hörgeräteversorgung
II; Urteil vom 24.
Juli 2014
I
ZR
68/13, [X.], 283 Rn.
25
ff. =
[X.], 344

Hörgeräteversorgung
III) und
bei Brillen (vgl. [X.], Urteil vom 9.
Juli 2009

I
ZR
13/07, [X.], 977 Rn.
14
und 31
=
WRP 2009, 1076
Brillen-versorgung
I; Urteil vom 24.
Juni 2010
I
ZR
182/08, [X.], 850 Rn.
20
ff. =
[X.], 1139
Brillenversorgung
II) entwickelt hat. Nach den für diese
Entscheidungen maßgeblichen Bestimmungen ist die Verkürzung des [X.] schon dann zulässig, wenn dafür ein
hinreichender
Grund
vorliegt
(vgl. §
34 Abs.
5 der Musterberufsordnung für die in [X.] täti-gen Ärzte und Ärztinnen in der bis zum [X.] geltenden Fassung [abge-druckt bei [X.] in [X.]/[X.], Kommentar zur Musterberufsordnung der [X.] Ärzte ([X.]), 5.
Aufl., S.
464] und §
31 Abs.
2 der Musterberufsord-nung für die [X.] Ärztinnen und Ärzte in der seither geltenden Fassung [abgedruckt bei [X.]
in [X.]/[X.], Kommentar zur Musterberufsordnung der [X.] Ärzte, 6.
Aufl., S.
465]; [X.], [X.], 1080, 1082
[X.]; [X.], 977 Rn.
20 bis 25 und 33
Brillenver-sorgung
I; [X.], 850 Rn.
21, 24 und 28
f.
Brillenversorgung
II; [X.], 345 Rn.
36
ff.
Hörgeräteversorgung
II; [X.], 283 Rn.
35
ff.

Hörgeräteversorgung
III; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
11 Rn.
29 bis 33 mwN). Dagegen gelten die in §
11 Abs.
1 Satz
1 [X.] geregelten Ko-operationsverbote

wie das Verbot der Zuweisung von (Kunden mit) Verschrei-bungen gemäß §
11 Abs.
1 Satz
1 Fall
3 [X.]

nur in den in §
11 Abs.
1 Satz
2, Abs.
2 bis 4 [X.] geregelten
Fällen und allenfalls noch in damit ver--
13
-
gleichbaren Fällen nicht, in denen jeweils triftige Gründe gegen die Geltung der Kooperationsverbote sprechen.
II[X.] In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit eines vom Kläger neu formulierten Unterlassungsantrags
zu beachten haben, dass mögliche Einschränkungen aufgrund von gesetzlichen Ausnahmetatbeständen in den Unterlassungsausspruch
aufgenommen werden müssen, damit danach erlaubte Verhaltensweisen von dem Verbot ausgenommen sind. Wegen des [X.] gemäß §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO müssen dabei die Um-stände, aus denen sich
die Erfüllung des jeweiligen [X.] ergibt, so genau umschrieben sein, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen vom Verbot ausgenommen sind. Es genügt daher grundsätzlich
nicht, auf die insoweit einschlägigen gesetzlichen Regelun-gen zu verweisen, wenn deren Tatbestandsmerkmale nicht eindeutig oder durch eine gefestigte Auslegung geklärt sind. Abweichendes gilt nur, wenn eine weitergehende Konkretisierung nicht möglich und die gewählte Antragsformulie-rung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (vgl. zum [X.] [X.], Urteil vom 29.
April 2010
I
ZR
202/07, [X.], 749 Rn.
25 bis 27 = [X.], 1030
Erinnerungswerbung im [X.]; Urteil vom 4.
November 2010
I
ZR
118/09, [X.], 539 Rn.
15 bis 17 = [X.], 742
Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker).
26
-
14
-
Entgegen der Ansicht der Revision braucht im Unterlassungsantrag nicht danach differenziert zu werden, ob der Arzt die Rezepte für einen Patienten oder für den Eigenbedarf ausgestellt hat.
Ein Verbot, Rezepte für den eigenen Bedarf auszustellen, steht im Streitfall von vornherein nicht in Rede.

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.06.2013 -
2 [X.] 224/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom [X.] -
3 U 1394/13 -

27

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I ZR 26/14

18.06.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2015, Az. I ZR 26/14 (REWIS RS 2015, 9503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9503

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