Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2012, Az. 4 AZR 15/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 9785

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. August 2009 - 12 Sa 585/09 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des [X.] in die [X.] Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der [X.] ([X.]/[X.]).

2

Die Beklagte ist Mitglied in der [X.] ([X.]) und betreibt ua. die Medizinische Klinik III (Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin) in B.

3

Der Kläger ist Arzt und Mitglied des [X.]. Er ist seit dem 1. Januar 1998 bei der [X.] und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt in der Medizinischen Klinik III. Er nimmt ua. regelmäßig am oberärztlichen Hintergrunddienst teil, nicht dagegen am Bereitschaftsdienst der Assistenzärzte. Auch wird er nicht im Stationsdienst eingesetzt.

4

Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 teilte ihm die Beklagte mit, dass die Geschäftsführung der [X.] seiner „Ernennung zum Funktionsoberarzt der Medizinischen Klinik III, Abteilung für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin mit Wirkung ab 01.01.2006“ zugestimmt habe.

5

Die Vergütung des [X.] richtete sich bis zum 31. Dezember 2006 nach der Anlage 1a zum Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag ([X.]). Der Kläger wurde von der [X.] nach der dortigen Vergütungsgruppe [X.] vergütet. Am 14. Juni 2007 wurden die Arbeitsbedingungen der Ärzte bei der [X.] rückwirkend zum 1. Januar 2007 tariflich neu geregelt. Zwischen neun namentlich genannten Kliniken auf Arbeitgeberseite - sämtlich Mitglied der [X.] - und dem [X.] auf Arbeitnehmerseite wurden am 14. Juni 2007 der [X.]/[X.] und der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der [X.] ([X.]/[X.]) vereinbart.

6

Ferner wurde am 14. Juni 2007 von einerseits der [X.] selbst und andererseits dem [X.] ein „Tarifvertrag der [X.] mit dem [X.] zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Ärzte“ unterzeichnet, der als Zwischenüberschrift den Begriff „Niederschriftserklärungen“ aufweist (im Folgenden: Niederschriftserklärung). In dieser Vereinbarung werden nähere Bestimmungen für die Vorgehensweise bei der „Überleitung von Oberärzten und Funktionsoberärzten“ getroffen.

7

Im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. September 2007 vergütete die Beklagte den Kläger nach der [X.] Ä 2 Stufe 2 [X.]/[X.]. Seit dem 1. Oktober 2007 zahlt die Beklagte dem Kläger Vergütung nach der [X.] Ä 3 Stufe 1 [X.]/[X.].

8

Mit der am 3. November 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Vergütungsverpflichtung der [X.] hinsichtlich der [X.] Ä 3 [X.]/[X.] begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, ihm sei die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung von der [X.] übertragen worden. Dies ergebe sich schon aus der Ernennung zum „Funktionsoberarzt“. Nach Maßgabe der Niederschriftserklärung iVm. § 4 [X.]/[X.] sei er daher schon ab dem 1. Januar 2007 als Oberarzt nach [X.] Ä 3 [X.]/[X.] zu vergüten.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Januar 2007 Vergütung nach der [X.] Ä 3 Stufe 1 des TV-Ärzte/[X.] zu zahlen.

Die Beklagte beruft sich für ihren Klageabweisungsantrag darauf, dass sich die Eingruppierung des [X.] nach § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] richte. Dort sei geregelt, dass die Ärzte, die bisher nach der [X.]. [X.] [X.] vergütet worden seien, nunmehr in die [X.] Ä 2 [X.]/[X.] überzuleiten seien. Die dort in Satz 3 geregelten Ausnahmen kämen vorliegend nicht in Betracht, da sie nur für die bisher in der [X.]. Ia eingruppierten Ärzte maßgebend seien. Auf die Niederschriftserklärung könne sich der Kläger gleichfalls nicht berufen, weil diese nur eine erläuternde Funktion zu den Regelungen des [X.]/[X.] habe, jedoch keine entgegenstehenden oder darüber hinausgehenden Ansprüche begründen könne.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Anliegen der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Mit der vom [X.] gewählten Begründung konnte der Klage nicht stattgegeben werden. Ob sie aus anderen Gründen begründet ist, kann der [X.] mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.]s nicht entscheiden.

I. Das [X.] hat die Klage für begründet erachtet. Der Kläger sei seit dem 1. Januar 2007 als Oberarzt nach [X.] Ä 3 [X.]/[X.] zu vergüten. Es spreche bereits „viel dafür“, dass die Tätigkeit des [X.] tariflich nach der [X.] Ä 3 § 12 [X.]/[X.] zu bewerten sei. Die Beklagte habe ihn zum „Funktionsoberarzt“ ernannt. Zudem vergüte sie ihn seit dem 1. Oktober 2007 als Oberarzt nach der [X.] Ä 3 [X.]/[X.], ohne dass sich sein Aufgabenbereich geändert habe. Dies könne aber letztlich dahinstehen, weil sich bereits aus den §§ 3, 4 [X.]/[X.] iVm. Nr. 1 der Niederschriftserklärung ergebe, dass der Kläger in die von ihm begehrte [X.] überzuleiten sei. Dabei komme es auf die bisherige Eingruppierung in der Vergütungsordnung zum [X.] nicht an.

II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist begründet. Ob die mit der gebotenen Auslegung dahingehend, dass sich die Feststellung auf den Streitzeitraum vom 1. Januar 2007 bis 30. September 2007 beschränken soll, als Eingruppierungsfeststellungsklage nach der [X.]srechtsprechung ohne weiteres zulässige Klage (vgl. dazu nur 31. Juli 2002 - 4 [X.] - [X.] 1975 §§ 22, 23 Nr. 293) begründet ist, kann der [X.] nicht entscheiden. Mit der vom [X.] angeführten Begründung konnte ihr nicht stattgegeben werden.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der [X.]/[X.] sowie der [X.]/[X.] kraft Tarifbindung Anwendung.

a) Diese Tarifverträge sind auf Arbeitnehmerseite vom [X.] geschlossen worden, dem der Kläger angehört. Die Arbeitgeberseite ist in den beiden Tarifverträgen wie folgt bezeichnet:

        

„Zwischen

        

den in der [X.] ([X.]) zusammengeschlossenen Institutionen

        

1.    

[X.] Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH,

        

2.    

[X.],

        

3.    

[X.] Verein für Heilbehandlung [X.],

        

4.    

Verein für berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung [X.] e. V.,

        

5.    

Verein für berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung [X.] e. V.,

        

6.    

[X.] Verein für Heilbehandlung Murnau e. V.,

        

7.    

Verein für berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung Bremen e. V.,

        

8.    

Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften Berlin e. V.,

        

9.    

Trägerverein für die Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten Falkenstein e. V.

        

und     

        

dem [X.] …“

Die Tarifverträge sind jeweils von allen neun Tarifvertragspartnern auf Arbeitgeberseite gesondert unterzeichnet worden. Damit ist die Beklagte selbst Tarifvertragspartei und gem. § 4 Abs. 1 [X.] iVm. § 3 Abs. 1 [X.] an die Tarifverträge gebunden.

b) Nach § 12 [X.]/[X.] sind Ärzte entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

        

„[X.]

Bezeichnung

        

Ä 1     

Arzt mit entsprechender Tätigkeit

        

Ä 2     

Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

        

Ä 3     

Oberarzt

                 

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

                 

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.

        

Ä 4     

Facharzt, dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber durch schriftliche Ernennung übertragen worden ist.“

c) Der [X.]/[X.] enthält tarifliche Regelungen zur Überleitung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des [X.]/[X.] am 1. Januar 2007 beschäftigten Ärztinnen und Ärzte in das neue Vergütungssystem. Die für den Rechtsstreit bedeutsamen Vorschriften lauten wie folgt:

        

§ 3   

        

Überleitung in den TV-Ärzte [X.]

        

Die von § 1 Absatz 1 und 2 erfassten Ärzte werden am 01.01.2007 gemäß den nachfolgenden Regelungen in den TV-Ärzte [X.] übergeleitet.

        

§ 4     

        

Eingruppierung

        

(1)     

Die Ärzte werden derjenigen [X.] und Stufe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die [X.] für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden [X.] gegolten hätte. Dabei werden Ärzte der Vergütungsgruppe I[X.] der Anlage 1a zum [X.] in die [X.] Ä 1 und Fachärzte der Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] in die [X.] Ä 2 eingruppiert. Ärzte der Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] werden in die [X.] Ä 3 eingruppiert, es sei denn, sie sind überwiegend in Assistenzarzt-/ Stationsarztfunktion tätig; als Assistenzarzt/Stationsarzt gelten Ärzte nicht, die mehrmals monatlich im fachärztlichen Hintergrunddienst Aufsicht führend eingesetzt oder mit der fachlichen Beaufsichtigung anderer Ärzte beauftragt sind. Ärzte der Vergütungsgruppe I der Anlage 1a zum [X.] werden in die [X.] Ä 4 eingruppiert.

        

(2)     

Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Zeiten ärztlicher Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern und Zeiten als Arzt im Praktikum sind bei der Stufenfindung nach § 16 Absatz 2 TV-Ärzte [X.] zu berücksichtigen.“

2. Das [X.] ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kläger sich für die begehrte Eingruppierung auf § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] stützen kann. Die Eingruppierung des [X.] in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] ergibt sich hieraus nicht.

a) § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] enthält Überleitungsregelungen für bereits beschäftigte Ärzte (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die männliche Form gewählt). Diese Regelungen enthalten - anders als § 12 [X.]/[X.] - keine Tätigkeitsanforderungen, sondern knüpfen die jeweilige Rechtsfolge der Zuordnung zu einer der neuen tariflichen [X.]n allein an die unterschiedliche bisher nach dem [X.] gewährte Vergütung an. Danach werden alle Ärzte, die bisher nach der [X.]. I[X.] [X.] vergütet worden sind, nunmehr in der [X.] Ä 1 [X.]/[X.] eingruppiert. [X.], denen bisher Entgelt nach der [X.]. [X.] [X.] zustand, sollen Entgelt nach der [X.] Ä 2 [X.]/[X.] erhalten. Die weiteren Überleitungsnormen befassen sich mit den Ärzten, die bisher nach [X.]. [X.] und I [X.] vergütet worden sind.

b) Der Kläger hat bis zum 31. Dezember 2006 Vergütung nach der [X.]. [X.] [X.] erhalten. Demnach führen die Überleitungsregelungen im [X.]/[X.] nicht zu der von ihm begehrten Eingruppierung in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.].

c) Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die vom [X.] herangezogenen Vereinbarungen in der Niederschriftserklärung.

aa) Die Niederschriftserklärung kann entgegen der Auffassung des [X.]s bereits deshalb nicht als Erläuterung zu § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] herangezogen werden, weil sie von anderen Parteien vereinbart worden ist als der [X.]/[X.] selbst. Für die Arbeitgeberseite ist die Niederschriftserklärung von der [X.] vereinbart und unterzeichnet worden. Tarifvertragspartei des [X.]/[X.] dagegen ist ua. die Beklagte selbst.

bb) Die Niederschriftserklärung ist ferner vom Wortlaut her nicht als Erläuterung der Tarifvertragsparteien zu § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] zu verstehen, wie das [X.] meint. Sie stellt vielmehr eigenständige Überleitungsregelungen für die Eingruppierung „von Oberärzten und Funktionsoberärzten“ auf, die auf der Tatbestandsseite weder an Tätigkeitsmerkmale, wie § 12 [X.]/[X.], noch an die bisherige Vergütungsgruppe, wie § 4 [X.]/[X.], anknüpfen, sondern an - einerseits - eine ausdrückliche „Ernennung“ zum Oberarzt in einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch ein Bestellungsschreiben oder an - andererseits - die Tätigkeit oder Eigenschaft eines „Funktionsoberarztes“. In der Niederschriftserklärung wird hieran je nach Vorliegen der dort genannten Tatbestandsmerkmale die Überleitung in eine bestimmte [X.] des § 12 [X.]/[X.] gebunden.

d) Die Niederschriftserklärung kommt für den Kläger bisher aber auch als eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Überleitung in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] nicht in Betracht, weil die Fähigkeit der [X.] zum wirksamen Abschluss von Tarifverträgen nicht feststeht.

aa) Zwar ist die Niederschriftserklärung vom Wortlaut und von ihrer Auslegung her geeignet, den Anspruch des [X.] auf Eingruppierung in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] zu begründen. Die Niederschriftserklärung befasst sich mit „Oberärzten und Funktionsoberärzten“ und regelt deren Überleitung in die [X.]n des [X.]/[X.] unabhängig von den allein an die bisherigen Vergütungsgruppen anknüpfenden Regelungen für alle Ärzte in § 4 [X.]/[X.]. Danach sollen durch Regelung im Arbeitsvertrag oder Bestellungsschreiben zum Oberarzt „ernannte“ Oberärzte der bisherigen Vergütungsgruppen [X.] und [X.] in jedem Fall in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] übergeleitet werden. Bei „Funktionsoberärzten“ unterscheidet die Niederschriftserklärung zwischen solchen, die mit aufsichtsführendem Hintergrunddienst oder fachlicher Beaufsichtigung anderer Ärzte beschäftigt waren - sie werden in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] übergeleitet -, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war und die überwiegend in Assistenz- oder Stationsarztfunktion tätig waren - diese sollen künftig nach [X.] Ä 2 [X.]/[X.] vergütet werden. Damit kommt es bei den „Funktionsoberärzten“ in dieser Regelung auf die bisherige Vergütungsgruppe nicht mehr an. Da der Kläger ausweislich seines Arbeitsvertrages als „Funktionsoberarzt“ tätig war und nach den Feststellungen des [X.]s nicht überwiegend als Assistenz- oder Stationsarzt gearbeitet hat, kommt nach der Niederschriftserklärung eine Überleitung in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] in Betracht.

bb) Die Annahme der Niederschriftserklärung als eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Überleitung des [X.] in die [X.] Ä 3 [X.]/[X.] scheitert jedoch derzeit daran, dass nicht festgestellt ist, dass die Niederschriftserklärung von zwei tariffähigen Koalitionen geschlossen worden ist. Sie ist zwar mit „Tarifvertrag“ überschrieben. Für die tarifliche Wirksamkeit der darin vereinbarten Regelungen mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen zur Tariffähigkeit der [X.].

(1) Die Tariffähigkeit einer Koalition setzt voraus, dass der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben zählt (arg. § 2 Abs. 3 [X.], vgl. nur [X.]/Oetker [X.] 7. Aufl. § 2 Rn. 366 ff. mwN).

(2) Danach bestehen erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der [X.].

(a) Die [X.] ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der die Träger [X.] Kliniken und Behandlungsstellen zusammengeschlossen sind. Sie verfügt über keine Satzung, sondern lediglich über eine „Geschäftsordnung“. In dieser ist ua. geregelt:

        

§ 2   

        

(1)     

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kliniken und Behandlungsstellen verpflichten sich die Mitglieder zu einer engen, verbindlichen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer bestmöglichen Aufgabenerfüllung, insbesondere

                 

a)    

Förderung der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, medizinischem und organisatorischem Gebiet.

                 

b)    

Koordinierung der Strukturen und Angebote der Kliniken untereinander und mit den berufsgenossenschaftlichen Auftraggebern nach Maßgabe der definierten Arbeitsbereiche (Anlage).

                 

c)    

Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer, koordinierter Vorgehensweise.

                 

d)    

Förderung und Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der [X.] und der medizinischen Rehabilitation.

        

…“    

In der „Anlage zu § 2 Abs. 1 b) der Geschäftsordnung“ sind die folgenden neun Arbeitsbereiche aufgeführt: Qualität, Standards und Prozesse, Steuerung bgl. Heilverfahren (Arbeitsbereich I), Reporting (Arbeitsbereich II), [X.], [X.] (Arbeitsbereich III), Leistungsangebote und Forschung (Arbeitsbereich IV), Personalwesen (Arbeitsbereich V), [X.] (Arbeitsbereich VI), Wirtschaftlichkeit (Arbeitsbereich VII), Öffentlichkeitsarbeit (Arbeitsbereich VIII) und Informations- und Kommunikationstechnik (Arbeitsbereich IX). Den einzelnen Arbeitsbereichen sind dabei „Kernaufgaben, Teilbereiche, Ziele“ zugeordnet. Zum Arbeitsbereich V (Personalwesen) heißt es insoweit: „Weiterentwicklung Tarifrecht; Muster-/Chefarztverträge; Arbeitsrecht und -verträge; Personalentwicklung“.

(b) Aus diesen Bestimmungen der Geschäftsordnung ist der Wille der [X.], die Wahrnehmung der genannten Aufgaben zumindest auch im Wege des Abschlusses von Tarifverträgen vorzunehmen, weder wörtlich noch sinngemäß zu entnehmen. Allein die Erwähnung der „Weiterentwicklung Tarifrecht“ lässt nicht auf den Willen schließen, als eigenständige Tarifvertragspartei bei der tariflichen Normsetzung für die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder aufzutreten. Dem entspricht das Ergebnis einer vom [X.] bei der [X.] kurzfristig eingeholten Auskunft, wonach die [X.] grundsätzlich keine Tarifverträge in eigenem Namen abschließt. Soweit sie an [X.] beteiligt ist, werden die hieraus hervorgehenden Tarifverträge stets von den dort ausdrücklich als Tarifvertragsparteien genannten einzelnen Arbeitgebern geschlossen und auch von diesen unterzeichnet, wie dies sowohl beim [X.]/[X.] als auch beim [X.]/[X.] der Fall ist.

cc) Einer Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung bedarf es nicht.

(1) Eine solche ist nur dann geboten, wenn sich in einem Rechtsstreit die Frage der Tariffähigkeit einer Vereinigung als entscheidungserhebliche Vorfrage stellt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung ausschließlich von der Tariffähigkeit der Vereinigung abhängt ([X.] 29. Juni 2006 - 1 AZR 143/03 - AP [X.] § 1 Nr. 36 = EzA [X.] § 1 Nr. 46). Die Frage der Tariffähigkeit muss ferner zwischen den Parteien streitig sein.

(2) Diese beiden Voraussetzungen liegen jedenfalls noch nicht vor.

(a) Die Frage der fehlenden Tariffähigkeit der [X.] ist erst unmittelbar vor der [X.] aufgeworfen worden. Den Parteien ist hierzu ausreichend rechtliches Gehör zu gewähren und die Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern und ggf. eigenen Sachvortrag zu erbringen, was in der Revisionsinstanz nicht möglich ist. Es erscheint nach der Gesamtheit des bisherigen Vortrages und den Erklärungen der Parteien in der [X.] auch nicht ausgeschlossen, dass die Parteien über diese Frage nicht streiten.

(b) Selbst wenn die Parteien hinsichtlich der Tariffähigkeit der [X.] unterschiedlicher Auffassung sein sollten, steht die [X.]keit dieser Frage nicht fest. Von einer fehlenden Tariffähigkeit der [X.] wäre lediglich eine mögliche normative Wirkung der Niederschriftserklärung betroffen; hierauf allein könnte der Kläger seinen [X.] dann nicht stützen. [X.] ist diese Frage jedoch nur dann, wenn sich die Begründetheit der Klage nicht aus einem anderen Grunde ergeben kann. Dies ist aber - zumindest noch - nicht der Fall, da das [X.] nicht abschließend geprüft hat, ob dem Kläger die begehrte Eingruppierung nicht bereits wegen der Erfüllung der Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales der [X.] Ä 3 [X.]/[X.] zusteht.

3. Der [X.] kann die Frage, ob der Kläger die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales der [X.] Ä 3 [X.]/[X.] unmittelbar erfüllt, nicht abschließend entscheiden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.]s kann nicht beurteilt werden, ob es sich bei der für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeit des [X.] um die Wahrnehmung der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik oder Abteilung im [X.] handelt. Das [X.] hat zwar ausgeführt, es spreche „viel dafür, dass der Kläger der [X.] Ä 3 zugeordnet worden wäre“. Es hat darüber aber nicht abschließend entschieden und die für eine solche abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachen auch nicht festgestellt. Den Parteien ist entsprechend Gelegenheit zur Präzisierung ihres Vortrages zu geben. Dies gebietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, insbesondere im Hinblick auf neue tarifliche Tätigkeitsmerkmale, die gemessen an der komplexen Wirklichkeit einen außerordentlich hohen Abstraktionsgrad aufweisen und dementsprechend einer intensiven Auslegung unterzogen werden müssen. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass weder dem Kläger noch dem [X.] die [X.]sentscheidungen vom 9. Dezember 2009 (vgl. zB - 4 [X.] - [X.]E 132, 365; - 4 AZR 568/08 - AP [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9) zur Auslegung der Anforderungen an die Erfüllung der vergleichbaren Tätigkeitsmerkmale der neuen Arzttarifverträge der [X.] oder der [X.] mit dem [X.] bekannt waren.

a) Das [X.] hat zur konkreten Tätigkeit des [X.] keine subsumtionsfähigen Tatsachen festgestellt. Der Klägervortrag zu der von ihm ausgeübten konkreten Tätigkeit ist nicht ergiebig.

Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Klage unter diesem Gesichtspunkt bereits jetzt abzuweisen wäre, zumal das [X.] als letzte Tatsacheninstanz davon ausgegangen ist, es spreche „viel dafür“, dass der Kläger die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der [X.] Ä 3 nach § 12 [X.]/[X.] erfülle. Dem Kläger muss nach Maßgabe der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden, nach der Erteilung der notwendigen Hinweise, die die seit dem 9. Dezember 2009 ergangene [X.]srechtsprechung berücksichtigen, seinen bisherigen Vortrag zu substantiieren.

b) Gleiches gilt für die organisatorisch-medizinische Struktur der Klinik. Es ist unklar, inwieweit hier organisatorische Abgrenzungen mit der Schaffung einheitlicher Organisationseinheiten mit eigener personeller, sachlicher und räumlicher Ausstattung geschaffen worden sind und welche konkreten Funktionen der Kläger jeweils innehat. Für eine Subsumtion, die mit dem Ergebnis der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales eines Oberarztes nach § 12 [X.]/[X.] endet, reicht dies auch bei Unterstellung der erforderlichen Zeitanteile nicht aus.

4. Die Sache war deshalb zur weiteren Verhandlung und Entscheidung nach Erteilung der erforderlichen rechtlichen Hinweise an das [X.] zurückzuverweisen.

Dabei wird das [X.] für den Fall, dass es zum Ergebnis kommt, dem Kläger stehe grundsätzlich Vergütung nach der [X.] Ä 3 [X.]/[X.] zu, zu beachten haben, ob der Kläger bei der Geltendmachung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten hat.

a) § 32 Abs. 1 [X.]/[X.] sieht vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, wobei für denselben Sachverhalt eine einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen ausreicht.

b) Die Einhaltung einer geltenden tariflichen Verfallfrist ist im Arbeitsgerichtsprozess grundsätzlich als anspruchsbegründende Tatsache zur schlüssigen Darlegung vom Kläger vorzutragen. Die Nichteinhaltung der Frist ist von Amts wegen zu beachten; es ist nicht erforderlich, dass sich der Anspruchsgegner auf die Verfallfrist beruft ([X.] 25. Januar 2006 - 4 [X.] - Rn. 51 mwN, AP [X.] § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 22 = EzA [X.] § 4 Einzelhandel Nr. 55; [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 209 Rn. 67).

c) Zur Einhaltung dieser Frist durch den Kläger hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Hierzu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil der [X.] vom 1. Januar 2007 bis zum 30. September 2007 zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bereits seit mehr als einem Jahr beendet war und über eine vorgerichtliche Geltendmachung kein substantiierter Parteivortrag ergangen ist.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Hardebusch    

                 

Meta

4 AZR 15/10

25.01.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bochum, 26. Februar 2009, Az: 3 Ca 2466/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2012, Az. 4 AZR 15/10 (REWIS RS 2012, 9785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9785

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 AZR 828/09 (Bundesarbeitsgericht)

(Eingruppierung als Oberarzt nach Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte/VBGK - Niederschriftserklärung - Tariffähigkeit der VGBK …


4 AZR 16/10 (Bundesarbeitsgericht)


6 AZR 133/15 (Bundesarbeitsgericht)

Stufenzuordnung nach Überleitung in den TV-Ärzte VBGK


8 Sa 637/14 (Landesarbeitsgericht Hamm)


6 AZR 690/09 (Bundesarbeitsgericht)

Anrechnung von Zeiten der Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern für die Stufenzuordnung


Referenzen
Wird zitiert von

8 Sa 637/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.