Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2023, Az. 1 StR 412/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2671

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Gegenstand

Steuerstrafverfahren: Einziehung von Tatbeiträgen bei versuchter Hinterziehung von Einkommensteuer


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2022, soweit es ihn betrifft, im Einziehungsausspruch dahin abgeändert, dass der Wert von Taterträgen in Höhe von 116.337 Euro eingezogen ist; die diesen Betrag übersteigende Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.927 Euro entfällt. Die Staatskasse hat ein Viertel der notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehungsentscheidung betreffen, zu tragen; die Gerichtsgebühr wird insoweit um ein Viertel ermäßigt.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in vier Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, wovon ein Monat der Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt. Darüber hinaus hatte es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 16. September 2020 (1 [X.]) den Strafausspruch in 15 Fällen (betreffend elf Fälle der Steuerhinterziehung und vier Fälle der versuchten Steuerhinterziehung), den Gesamtstrafausspruch sowie die [X.] mit den zugehörigen Feststellungen wegen fehlerhafter Bestimmung des Schuldumfangs aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat der Senat als unbegründet verworfen.

2

Das [X.] hat nunmehr den Angeklagten wegen der rechtskräftigen Schuldsprüche zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon zwei Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 160.264 Euro angeordnet. Die hiergegen mit der Beanstandung formellen und materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten erzielt lediglich hinsichtlich der [X.] den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] ohne Erfolg.

4

Zur Rüge, dass das [X.] die Vernehmung des Bruders des Angeklagten zum Beweis der Behauptung, dieser habe regelmäßig vom Angeklagten übergebene Bargeldbeträge von [X.] in die [X.] transportiert, um die Lieferanten des Materials teilweise zur Umgehung von Zöllen schwarz zu bezahlen, rechtsfehlerhaft abgelehnt habe, ist ergänzend auszuführen: Es handelt sich aufgrund der konkreten bereits im Ablehnungsbeschluss mitgeteilten Feststellungen des [X.]s zu dem zu erfassenden Betriebsaufwand nicht um einen Beweisantrag, sondern lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Die „[X.]“ sind dermaßen vage, dass sie einer Ablehnung nach den Gründen des § 244 Abs. 3 StPO nicht zugänglich sind. Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet eine solche Beweiserhebung nicht, zumal eine Verfahrensrüge mit dieser Zielrichtung nicht erhoben ist.

5

2. Der Strafausspruch und die [X.] weisen keinen Rechtsfehler auf. Die [X.] bedarf jedoch – wie der [X.] zutreffend ausführt – der Korrektur.

6

a) Das [X.] hat den Wert von Taterträgen in Höhe der „nicht gezahlten“ Einkommensteuer für die Veranlagungsjahre 2012 bis 2014 im [X.] in Höhe von 160.264 Euro angeordnet, jedoch – wie es in den Urteilsgründen ausführt – sich zu Gunsten des Angeklagten um 2.111 Euro (162.375 Euro: [X.]) verrechnet. Hinsichtlich der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2014 hat der Angeklagte die Steuerhinterziehung jedoch lediglich versucht (beabsichtigter Hinterziehungsbetrag: 43.927 Euro), mit der Folge, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) insoweit ausscheidet. Wenn eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, setzt die Einziehung die Tatvollendung namentlich den Erlass eines Schätzungsbescheids oder den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten voraus. Vorliegend war die Erklärungspflicht des Angeklagten durch die zuvor vorgenommene Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens suspendiert (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juni 2021 – 1 [X.] Rn. 8 mwN und Urteil vom 8. März 2022 – 1 [X.]/21 Rn. 22). Vor Eintritt des [X.] konnte der Angeklagte aber noch nicht über die Steuerersparnis verfügen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2022 – 1 [X.]/21 Rn. 24-28).

7

b) Aufgrund des Rechtsfehlers zieht der Senat den vom [X.] errechneten Betrag von 43.927 Euro von der getroffenen [X.] in Höhe von 160.264 Euro ab und entscheidet insoweit in der Sache entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst. Entgegen den Ausführungen des [X.] ist der rechnerisch richtige Gesamtbetrag von 162.375 Euro nicht in Ansatz zu bringen. Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) kann dem Angeklagten als alleinigen Rechtsmittelführer dieser Rechenfehler des [X.]s nicht als „Vorteil“ genommen werden, auch nicht im Wege der Verrechnung mit anderen Einziehungsbeträgen.

8

3. [X.] hinsichtlich der [X.] beruht auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2021 – 1 [X.] Rn. 6 f.); eine teilweise Kostenerstattung hat aus Billigkeitsgründen zu erfolgen.

Jäger     

  

Bellay     

  

Fischer

  

Leplow     

  

Allgayer     

  

Meta

1 StR 412/22

06.04.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 18. Mai 2022, Az: 27 KLs 9/20

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 73 Abs 1 StGB, § 73c Abs 1 StGB, § 370 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2023, Az. 1 StR 412/22 (REWIS RS 2023, 2671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2671

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1 StR 360/21

1 StR 423/20

1 StR 140/20

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