Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2008, Az. III ZR 73/07

III. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 5548

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 73/07 Verkündet am: 14. Februar 2008 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Teilurteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 14. März 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger ist Eigentümer des [X.] 4-6 in [X.]. Im Jahre 1994 führte dort die Beklagte zu 2 im Auftrag der [X.] Kanalbauarbeiten durch. 1995 stellte der Kläger Risse an sei-nem Haus und 1999 ein starkes Absenken des Gebäudes und des [X.] fest. Mit der Behauptung, ursächlich hierfür seien Fehler bei den [X.], nimmt der Kläger die beiden [X.] gesamtschuldnerisch auf Scha-densersatz in Höhe von zuletzt 51.685,34 • wegen Sanierungsmaßnahmen in Anspruch. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass die [X.] auch zur Erstattung der Kosten für die weiteren Schadensbeseitigungsarbeiten an 1 - 3 - seinem Haus im Zusammenhang mit den Kanalbauarbeiten 1994 verpflichtet seien. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. In seiner Berufungsschrift hat der Kläger nur die Beklagte zu 1 als "Beklagte zu 1 und [X.] zu 1" bezeichnet, während die Beklagte zu 2 und der Streithelfer der [X.] lediglich mit den [X.] 2 und 3 angeführt sind, bei ihnen aber jeg-liche Parteirollen fehlen. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil unter Zu-rückweisung des vom Kläger gestellten [X.] die Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richte, und hat im Übrigen (Beklagte zu 1) das Rechtsmittel hinsichtlich des bezifferten [X.] als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision. 2 Entscheidungsgründe Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 3 A. Beklagte zu 2 [X.] Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die gegen die Beklagte zu 2 ge-führte Berufung unzulässig, weil aus der Berufungsschrift nicht hinreichend deutlich werde, dass sich das Rechtsmittel auch gegen die Beklagte zu 2 rich-4 - 4 - ten solle. Deren Einbeziehung ergebe sich erstmals eindeutig aus der späteren Berufungsbegründung. Mit der Einlegung der Berufung sei aber dem [X.] und dem [X.] Klarheit über den Gegenstand und die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens zu verschaffen. Auch unter Anwen-dung eines großzügigen Maßstabs sei eine Berufung dann, wenn in der Beru-fungsschrift ein gegnerischer (einfacher) Streitgenosse als [X.]r bezeichnet werde, der andere dagegen nicht, das Rechtsmittel gegenüber dem nicht Bezeichneten unzulässig, wenn Zweifel an dessen Inanspruchnahme als Rechtsmittelbeklagter verblieben. So liege es hier. In der Berufungsschrift sei allein die Beklagte zu 1 als [X.]in bezeichnet. Die Beklagte zu 2 sei ebenso wie der Streitverkündete (richtig: Streithelfer) ohne nähere [X.] unter den nachfolgenden [X.] aufgelistet. Gerade durch die gleichartige Bezeichnung der [X.] zu 2 und des Streitverkündeten, der nicht [X.] sein könne, ergäben sich erhebliche Zweifel, ob sich die Berufung auch gegen die Beklagte zu 2 richten solle. Diese Zweifel ließen sich auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Verfahrens (die [X.] sei bereits innerhalb der Berufungsfrist übersandt worden) nicht klä-ren. Denn für die beiden erstinstanzlich [X.] komme eine deutlich unter-schiedliche Haftung in Betracht. Gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung zu gewähren. [X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 5 1. Richtig ist, dass den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur dann ge-nügt ist, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl 6 - 5 - der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Berufungsfrist eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (st. Rspr.; vgl. [X.]Z 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - NJW-RR 2007, 413, 414 Rn. 8; jeweils m.w.[X.]). An die Bezeichnung des [X.]s sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand, keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung, d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Be-schränkung der Anfechtung erkennen lässt ([X.], Urteil vom 19. März 1969 - [X.] - NJW 1969, 928 f.; Urteil vom 21. Juni 1983 - [X.]/81 - [X.], 984, 985; Urteil vom 16. November 1993 - [X.] - NJW 1994, 512, 514 unter [X.], insoweit in [X.]Z 124, 151 nicht abgedruckt; Urteil vom 8. November 2001 - [X.]/01 - NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom 15. Mai 2006 - [X.] - NJW-RR 2006, 1569, 1570 Rn. 9). Das stellt auch das vom Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung angeführte Urteil des [X.] vom 11. Juli 2003 ([X.]/01 - NJW 2003, 3203, 3204) nicht in Frage. 2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Berufung des [X.] nicht nur gegen die Beklagte zu 1, sondern auch gegen die Beklagte zu 2 gerichtet war. In der Berufungsschrift ist die erstbe-klagte Verbandsgemeinde als "Beklagte zu 1 und [X.] zu 1" [X.], während bei der [X.] zu 2 und dem Streithelfer jegliche Partei-bezeichnungen fehlen. Schon aus diesem Grunde musste sich, was die [X.] zu 2 betrifft, ein bloßes Versehen des [X.] aufdrängen. Mit dem sich 7 - 6 - denknotwendig anschließenden, jedoch ausgelassenen "[X.] zu 2 und [X.]n zu 2" konnte, wie das Berufungsgericht selbst erkennt, nur die Beklagte zu 2 gemeint sein. Hinzu kommt, dass sowohl das Berufungsge-richt als auch die Parteien zunächst die Berufung des [X.] in diesem Sinne als uneingeschränkte Anfechtung verstanden und damit die Richtigkeit einer solchen objektiven Auslegung bestätigt haben. Zu einer geänderten Rechtsan-sicht kam das Berufungsgericht erst nach einem Wechsel in der Besetzung. 3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht deswegen die Berufung des [X.], soweit sie gegen die Beklagte zu 2 gerichtet war, als unzulässig verwor-fen. Auf den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] kommt es nicht an. 8 B. Beklagte zu 1 Auch die Teilabweisung der Klage als unbegründet gegenüber der [X.] zu 1 ist von Verfahrensfehlern beeinflusst. 9 [X.] Das Berufungsgericht hat es insoweit im [X.] an das [X.] und unter Bezugnahme auf dessen Begründung als nicht nachgewiesen ange-sehen, dass diejenigen Schäden, die der Kläger in den Jahren 1999/2000 repa-rieren ließ und deren Ersatz er nunmehr mit dem Leistungsantrag begehre, auf die Kanalbauarbeiten des Jahres 1994 zurückzuführen seien. Die Angriffe des [X.] gegen die Beweiswürdigung des [X.]s begründeten keine Zwei-10 - 7 - fel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfest-stellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das [X.] hatte über den Kausalzusammenhang umfangreich [X.] erhoben und unter anderem zu der Frage, ob wegen nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang eingebauter Sperrriegel eine Drainagewirkung ent-standen sei, ein hydrogeologisches Gutachten sowie ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen [X.]eingeholt und ihn auch mündlich angehört. Er kam zu dem Ergebnis, die Schäden am Gebäude des [X.] seien hauptsäch-lich durch die schlechten Baugrundverhältnisse und nachrangig vermutlich auch durch Grundwasserabsenkungen verursacht. Hiergegen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Januar 2006 Einwände erhoben und unter Hinweis auf zwei von ihm gleichzeitig vorgelegte Privatgutachten behauptet, aufgrund der Drai-nagewirkung des Kanals sei es zu einer Änderung der Grundwasserfließrich-tung und zu einem Absinken des Grundwasserspiegels um ca. 50 cm seit den Bauarbeiten gekommen. Je nach den Witterungsverhältnissen sinke das Grundwasser in den Bereich des nicht tragfähigen Bachlehms ab, was Setzun-gen hervorrufe. Wegen der besonders fließgefährdeten Bodenstruktur sei ein dicht schließendes und [X.] notwendig gewesen, um [X.] durch Bodenverluste zu verhindern, zumindest aber der Einbau von [X.]. Der Kläger hat sodann im nachgelassenen Schriftsatz vom 14. Februar 2006 den Beweisantrag gestellt, eine jahreszeitliche Messung des Grundwasserspiegels zur Feststellung von [X.] vorzunehmen. Dieses Vorbringen hat das [X.] für verspätet (§ 296 Abs. 2 ZPO) und zugleich für unerheblich gehalten. Beide Privatgutachten stützten sich auf Sachvortrag, den der Kläger unter Berücksichtigung des [X.] und der Prozessförderungspflicht schon früher hätte in das Verfahren einführen können und müssen (§ 282 ZPO). Selbst wenn man 11 - 8 - jedoch den Vortrag als rechtzeitig ansähe, wäre den weiteren Beweisangeboten nicht nachzugehen. Die Ausführungen des [X.] stellten einen [X.] dar, da es hierfür an tatsächlichen Anhaltspunkten fehle. [X.] Der Revision ist zuzugeben, dass es für die Zurückweisung der nachträg-lichen Beweisanträge an einer rechtlichen Grundlage fehlt. Infolgedessen durfte das Berufungsgericht auch die vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 531 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen. 12 1. Für eine Zurückweisung nach dem vom [X.] herangezogenen § 296 Abs. 2 ZPO reicht ein - auch schuldhafter - Verstoß gegen die Prozess-förderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) allein nicht aus. Die Verspätung muss vielmehr auf grober Nachlässigkeit beruhen. Hierzu fehlen jegliche Feststellun-gen. Das Rechtsmittelgericht darf eine fehlerhafte Zurückweisung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen ([X.], Urteil vom 1. April 1992 - [X.] - NJW 1992, 1965; Urteil vom 4. Mai 2005 - [X.] - NJW-RR 2005, 1007, 1008 m.w.[X.]). 13 2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass die Vorinstanzen das ergänzende Vorbringen des [X.] zum [X.] zwischen Kanalbau und Gebäudeschäden und seine weiteren Beweisanträge nicht als unbeachtlichen [X.] würdigen durften. Eine unzulässige Aus-forschung liegt nach der Rechtsprechung des [X.] nicht vor, wenn eine Prozesspartei mangels der lediglich bei einem Sachkundigen vor-14 - 9 - handenen Kenntnis von [X.] nicht umhin kann, nur vermutete An-gaben als Behauptung in den Rechtsstreit einzuführen ([X.], Urteile vom 10. Januar 1995 - [X.] - NJW 1995, 1160, 1161; vom 11. April 2000 - [X.] - NJW 2000, 2812, 2813 f. und vom 13. Dezember 2002 - [X.]/01 - NJW-RR 2003, 491; ebenso etwa [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 284 Rn. 3; jeweils m.w.[X.]). So verhält es sich auch hier. Mangels näherer Kenntnisse über die geologischen und physikalischen Zusammenhän-ge zwischen den Bauarbeiten, der Grundwasserführung und den aufgetretenen Rissen und Senkungen am Gebäude war vom Kläger ohne sachverständige Hilfe eine substantiierte Darstellung nicht zu erwarten (vgl. [X.]Z 164, 330, 335). Warum es überdies nunmehr, nachdem der Kläger zwei von ihm einge-holte Privatgutachten vorgelegt hatte, immer noch an hinreichenden Anknüp-fungstatsachen für eine Beweiserhebung fehlen sollte, erschließt sich nicht und wird von den Vorinstanzen auch nicht näher begründet. Andere Bedenken ge-gen die Zulässigkeit des Klagevorbringens wie der weiteren Beweisanträge sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. 3. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichti-gung dieses Vortrags anders entschieden hätte und dass das Teilurteil somit auf diesen Verfahrensfehlern beruht. 15 [X.] Infolge dessen kann das Berufungsurteil insgesamt nicht bestehen blei-ben. Es ist aufzuheben und der Rechtsstreit in dem in die Revisionsinstanz [X.] Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen. 16 - 10 - [X.] [X.] Herrmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.03.2006 - 3 O 89/01 - [X.], Entscheidung vom 14.03.2007 - 1 U 379/06 -

Meta

III ZR 73/07

14.02.2008

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2008, Az. III ZR 73/07 (REWIS RS 2008, 5548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5548

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