Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2016, Az. EnVZ 55/15

Kartellsenat | REWIS RS 2016, 8381

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Gegenstand

Energieversorgung: Kommunikationsrechtliche Entflechtung bei Verwechslungsgefahr zwischen Verteilernetzbetreiber und Versorgungsunternehmen


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Die Bundesnetzagentur trägt die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Betroffene betreibt die örtlichen Verteilernetze für Strom und Gas in [X.]. Sie tritt im Verkehr bislang unter folgendem Zeichen auf:

Abbildung

2

Die mit ihr unternehmensrechtlich verbundene Vertriebsgesellschaft verwendet folgendes Zeichen:

Abbildung

3

In einem von der [X.] eingeleiteten Verfahren wegen Verstoßes gegen § 7a Abs. 6 [X.] kündigte die Betroffene an, künftig unter folgendem Zeichen aufzutreten:

Abbildung

4

Die [X.] hielt diese Änderungen nicht für ausreichend.

5

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die [X.] festgestellt, dass die Verwendung des bisher eingesetzten Zeichens bei der Kommunikation der Betroffenen im [X.], in Musterverträgen und auf dem Geschäftspapier nicht gewährleiste, dass eine Verwechslung zwischen ihr als Verteilernetzbetreiberin und den Vertriebsaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ausgeschlossen sei. Zugleich hat die [X.] die Verpflichtung ausgesprochen, die Verwendung dieses Zeichens bei der Kommunikation im [X.], in Musterverträgen und auf dem Geschäftspapier spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Bescheids zu unterlassen.

6

Das Beschwerdegericht hat den Bescheid aufgehoben. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Betroffene entgegentritt.

7

B. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

8

I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

Mit der Verwendung des bisher eingesetzten Zeichens verstoße die Betroffene zwar gegen die entflechtungsrechtlichen Vorgaben aus § 7a Abs. 6 [X.]. Der angefochtene Bescheid beruhe aber auf einem Ermessensfehler, weil die [X.] zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das zur künftigen Verwendung vorgesehene Zeichen den Anforderungen der genannten Vorschrift ebenfalls nicht genüge.

Für den Begriff der [X.] seien markenrechtliche Maßstäbe heranzuziehen. Ein Verstoß gegen § 7a Abs. 6 [X.] liege nur dann vor, wenn [X.] im engeren Sinne bestehe. Eine [X.] im weiteren Sinne reiche nicht aus.

Im Streitfall sei eine [X.] im engeren Sinne hinsichtlich des zur künftigen Verwendung vorgesehenen Zeichens ausgeschlossen. Zwar werde das neue Zeichen nicht allein durch den Bestandteil "[X.]" geprägt. Entgegen der Auffassung der [X.] scheide aber auch eine Prägung durch den [X.] Abbildung

Der angekündigte Außenauftritt verstoße auch nicht im Hinblick auf den geplanten Fahrzeugeinsatz gegen die Vorgaben des § 7a Abs. 6 [X.]. Der Einsatz von Fahrzeugen bei der Erfüllung von Außendienstaufgaben falle nicht unter das [X.] oder die Markenpolitik im Sinne dieser Vorschrift. Zudem habe die [X.] weder die Feststellung noch die Untersagung auf den Einsatz von Fahrzeugen bezogen.

II. Die Beschwerdeentscheidung hält den Angriffen der Nichtzulassungsbeschwerde stand.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, die Zulassung der Rechtsbeschwerde sei geboten, weil das Beschwerdegericht bei der Prüfung der Frage, ob eine Verwechslung ausgeschlossen ist, einen unzutreffenden Maßstab herangezogen habe.

Dies ist unzutreffend.

a) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde im Ansatz zutreffend aufzeigt, sind zur Prüfung der Frage, ob das [X.] oder die Markenpolitik eines Verteilernetzbetreibers die Gefahr einer Verwechslung mit den Vertriebsaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens begründet, markenrechtliche Grundsätze heranzuziehen.

Für eine Verletzung von § 7a Abs. 6 [X.] reicht es nicht aus, wenn [X.] im weiteren Sinne (dazu etwa [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 - [X.], [X.], 772 Rn. 69 = [X.], 971, 978 - [X.]) vorliegt, also die Gefahr besteht, dass der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Marken erkennt, aber organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Markeninhabern herstellt. Unzulässig ist lediglich ein Verhalten, das geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, dass der Netzbetreiber und das Versorgungsunternehmen identisch sind.

Zur Prüfung, ob zwischen zwei Zeichen [X.] in diesem Sinne besteht, ist der Gesamteindruck der beiden Zeichen zu ermitteln. Für den Gesamteindruck eines komplexen Zeichens sind hierbei grundsätzlich alle Bestandteile zu berücksichtigen. Unter bestimmten Voraussetzungen können einzelne Bestandteile aber prägenden Charakter haben. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

b) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde lassen sich der Beschwerdeentscheidung keine Anzeichen dafür entnehmen, dass das Beschwerdegericht von diesen Grundsätzen abgewichen ist oder zusätzliche, unzutreffende Kriterien herangezogen hat.

Das Beschwerdegericht hat sich insbesondere mit der Frage befasst, ob das zur zukünftigen Verwendung vorgesehene Zeichen durch den Bestandteil Abbildung

Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde läuft die Beurteilung durch das Beschwerdegericht nicht auf eine zergliedernde semantische Betrachtungsweise hinaus. Das Beschwerdegericht hat sich vielmehr zutreffend mit dem Gesamteindruck des Zeichens befasst und auf dieser Grundlage eine [X.] im Streitfall verneint.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, der Streitfall werfe die Frage auf, ob die Verwendung von Fahrzeugen, die aus einem "[X.] stammen und mit dem Firmenlogo des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens versehen sind, zum [X.] oder zur Markenpolitik im Sinne von § 7a Abs. 6 [X.] gehören.

Dies ist ebenfalls unzutreffend. Die in Rede stehende Frage ist nicht entscheidungsrelevant.

Das Beschwerdegericht hat zwar ausgeführt, die Verwendung solcher Fahrzeuge könne auch dann nicht zu einer Verwechslung führen, wenn sie für Einsätze beim Letztverbraucher benutzt würden. Es hat seine Entscheidung aber ergänzend auf die Erwägung gestützt, dass der angefochtene Bescheid lediglich die Verwendung der Zeichen im [X.], in Musterverträgen und auf dem Geschäftspapier betrifft. Diese Erwägung ist selbständig tragfähig. Damit ist die eingangs genannte Frage für die rechtliche Überprüfung der Beschwerdeentscheidung nicht relevant.

Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Einsatz von Fahrzeugen für die Entscheidung des Streitfalls nicht deshalb relevant, weil die [X.] bei ihrer Entscheidung das gesamte [X.] berücksichtigen muss. Selbst wenn die Verwendung des Zeichens auf Fahrzeugen eine [X.] begründen sollte, rechtfertigte dies nicht ohne weiteres ein Verbot der Verwendung des Zeichens im [X.], in Musterverträgen und auf dem Geschäftspapier. Besondere Umstände, aus denen sich im Streitfall eine abweichende Beurteilung ergeben könnte, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, der Streitfall werfe die Frage auf, ob eine Entscheidung nach § 65 Abs. 1 und § 7a Abs. 6 [X.] ermessensfehlerhaft sei, obwohl der Betroffene lediglich für Teile seines [X.]s und seiner Markenpolitik eine Änderung des Außenauftritts angeboten habe.

Diese Frage ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

Die [X.] hat in dem angefochtenen Bescheid zwar einleitend ausgeführt, zu den besonders relevanten Bereichen des [X.]s, in denen es vermehrt zu einer [X.] mit der Vertriebsgesellschaft kommen könne, zähle auch die Kennzeichnung von Firmenfahrzeugen. Bei der Beurteilung des Streitfalls hat sie sich mit diesem Aspekt aber nicht näher befasst. Sie hat den Erlass der angefochtenen Verfügung vielmehr schon deshalb für rechtmäßig und geboten erachtet, weil die Betroffene durch die Verwendung der beanstandeten Zeichen im [X.], in Musterverträgen und auf dem Geschäftspapier gegen § 7a Abs. 6 [X.] verstoße. Hierin hat das Beschwerdegericht einen Ermessensfehler gesehen, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids führt. Die Frage, ob die [X.] ihre [X.] in zulässiger Weise auf andere Gesichtspunkte hätte stützen können, ist für die rechtliche Überprüfung der Beschwerdeentscheidung mithin nicht von Bedeutung.

III. [X.] beruht auf § 90 Satz 2 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

[X.]      

        

Strohn      

        

Grüneberg

        

Bacher      

        

Deichfuß      

        

Meta

EnVZ 55/15

12.07.2016

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 21. Oktober 2015, Az: VI-3 Kart 128/14 (V)

§ 7a Abs 6 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2016, Az. EnVZ 55/15 (REWIS RS 2016, 8381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8381

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