Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2013, Az. 3 StR 503/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8281

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
503/12

vom
7. Februar
2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen
zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung u.a.

zu 3.: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der
3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Schäfer

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten B.

,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 9. August 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache
wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten [X.]

und S.

jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Nö-tigung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Gegen den Angeklagten B.

hat es wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperver-letzung in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung jugendrechtliche Wei-sungen und Auflagen verhängt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zuunguns-ten der Angeklagten eingelegte, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das -
vom [X.] vertretene -
Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1
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-
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-
Mitte des Jahres 2011 hatte der Angeklagte S.

dem Geschädig-ten L.

etwa 25 Gramm Marihuana zum
gewinnbringenden Weiterverkauf übergeben. L.

verkaufte dieses Marihuana jedoch in der Folgezeit nicht, sondern konsumierte es -
jedenfalls zum Teil -
selbst. Fortan ging er dem [X.] S.

aus dem Weg und ignorierte dessen Kontaktversuche, da er davon ausging, dass dieser nun das Geld aus dem Verkauf der [X.], wenigstens 500 , von ihm verlangen würde. Die Angeklagten [X.]

und B.

hatten von alledem Kenntnis.

Als die Angeklagten am Tattag mit dem [X.] des Angeklagten S.

eine Straße in N.

befuhren, entdeckte der Angeklagte S.

den Zeugen L.

. Nachdem der Angeklagte B.

den von ihm gesteuerten Pkw angehalten hatte, verließ der Angeklagte S.

den Pkw, wobei er an dem Innenspiegel des [X.] hängende Handschellen mitnahm. Gemeinsam mit dem Angeklagten [X.]

näherte er sich dem Zeugen L.

von hinten und schloss mit den Worten: "Jetzt haben wir Dich!" eine Seite der Handschellen um dessen linkes Handgelenk und die andere Seite um sein ei-genes rechtes Handgelenk, um eine Flucht des Geschädigten zu verhindern. Der Angeklagte S.

führte den Zeugen sodann zurück zu dem [X.],
in dem der Angeklagte B.

geblieben war. Aus Furcht weinte der [X.] bereits zu diesem Zeitpunkt und rief um Hilfe.

Der Angeklagte S.

schob den Zeugen L.

von links in den Fahrgastraum auf den hinteren rechten Sitz, löste die Handschellen von seinem
eigenen Handgelenk und befestigte die nunmehr freie Seite der Fessel am Türgriff der hinteren rechten Tür, um auch weiterhin eine
Flucht des Zeugen L.

zu verhindern. Der Angeklagte [X.]

setzte sich auf den Beifahrersitz. Sodann fuhr der Angeklagte B.

auf Geheiß des -
hinten links sitzenden -
3
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5
-
5
-
Angeklagten S.

in Richtung [X.]. Während der Fahrt sprach der Angeklagte S.

die Geldschulden des Zeugen L.

aus dem [X.]geschäft an sowie dessen Versuche, sich ihm zu entziehen. Der Zeuge L.

schrie und weinte auch weiterhin. Im Laufe der Fahrt schlug der Angeklagte S.

dem Zeugen L.

mindestens [X.] mit der flachen Hand ins Gesicht. Er nahm ihm ferner 50

Bargeld aus der [X.], die er dort bei der Suche nach dessen Mobiltelefon gefunden hatte. Das Geld und das Mobiltelefon nahm er dem Zeugen L.

auch deshalb ab, damit dieser keine Hilfe rufen konnte und um ihm die Rückfahrt zu erschweren. Das Mobiltelefon gab er dem Zeugen jedoch zunächst noch während der Fahrt mit dem Hinweis zurück, dass er ihn anrufen solle, sobald er das Geld habe.

Der Angeklagte [X.]

, der das Verhalten des Angeklagten S.

bil-ligte, drehte sich während der Fahrt mehrfach um, redete ebenfalls auf den Zeugen L.

ein, wandte sich vom Beifahrersitz aus diesem zu und schlug dem Geschädigten mindestens [X.] mit der flachen Hand ins Gesicht. [X.] hielt er eine Zigarette mit brennender Spitze an die linke Schläfe des [X.]

, wodurch dieser eine kleine Brandwunde erlitt. Während der [X.] folgte der Angeklagte B.

, der
das Geschehen wahrnahm, den Fahrtanweisungen des Angeklagten S.

über die Autobahnen in Richtung [X.].

Nach etwa 30 Minuten endete die Fahrt in den [X.]n, wo die [X.] [X.]

und S.

mit dem Zeugen L.

ausstiegen, ihm die Handschellen abnahmen und in ein nahe gelegenes Waldstück gingen, das sich noch in Sichtweite des Angeklagten B.

befand, der im Fahrzeug verblieb. Sodann brachten die Angeklagten S.

und [X.]

den Zeugen L.

zu Boden und forderten ihn auf, sein Mobiltelefon herauszugeben so-6
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-
wie seine Hose und seine Schuhe auszuziehen. Sie beabsichtigten damit, dem Geschädigten das Herbeirufen von Hilfe und die Rückkehr nach [X.] zu er-schweren. Unter dem Eindruck der vorherigen Fesselung und der verabreichten Schläge folgte der Zeuge L.

dieser Aufforderung zunächst. Auf seine Bitte und den Hinweis auf die winterlichen Temperaturen gab ihm der Ange-klagte S.

jedoch die Hose wieder. Die Angeklagten [X.]

und S.

gingen sodann wieder zum Pkw und fuhren mit dem Angeklagten B.

nach N.

zurück.

Das [X.] hat auf der Grundlage der Einlassungen der Angeklag-ten sowie der Angaben des Zeugen L.

hinsichtlich des
[X.]es der Angeklagten angenommen, dass diese dem Geschädigten einen "Denkzettel verpassen" und ihn einschüchtern wollten, um zu erreichen, dass er den ge-genüber dem Angeklagten S.

aus dem Drogengeschäft geschuldeten Geldbetrag zu einem späteren Zeitpunkt entrichtet. Der Angeklagte S.

habe nicht die Absicht verfolgt, das ausstehende Geld im Rahmen der Tat ganz oder teilweise einzutreiben. Hinsichtlich der
durch den Angeklagten S.

während

sei dieser davon ausgegangen, dass ihm dieser Betrag aus dem Betäubungsmittelgeschäft zugestanden habe. [X.] des vergangenen Zeitablaufs und des Sichentziehens des Zeugen sei es lebensnah, dass der Angeklagte S.

die Vorstellung gehabt habe, die Wegnahme des Geldes sei nicht rechtswidrig.

2. Diese Beweiswürdigung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
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7
-
a) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisi-onsgerichtliche Überprüfung dessen ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk-
oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. [X.] ist auch, wenn der Tatrichter es versäumt, sich im Urteil mit anderen nahelie-genden Möglichkeiten auseinanderzusetzen und dadurch über schwerwiegende
Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
September 1993 -
1 [X.], NStE Nr.
119 zu §
261 StPO; Urteil vom 13.
Dezember 2012 -
4 [X.] mwN).
Die Schlussfolgerungen des [X.] müssen zudem ausreichend mit Tatsachen abgesichert sein und dürfen sich nicht so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Juli 2009
-
3 [X.], [X.], 351; [X.], 6. Aufl., §
261 Rn. 45 mwN). Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des [X.] rechtsfeh-lerhaft.

b) Dies gilt im Besonderen für die Feststellung des [X.], die [X.] hätten nicht die Absicht verfolgt, die Forderung aus dem [X.]geschäft bereits im Rahmen der Tat ganz oder teilweise einzutrei-ben, sondern hätten diesem einen "Denkzettel"
verpassen und ihn dazu brin-gen wollen, diese Geldschulden zu einem späteren Zeitpunkt zu begleichen. Insoweit hätte sich das [X.] vor dem Hintergrund einer möglichen Straf-barkeit der Angeklagten nach §
239a Abs. 1 Alt. 1 StGB damit auseinanderset-zen und erörtern müssen, ob die Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als sie den Zeugen L.

auf der Straße ergriffen, fesselten und in den Pkw verbrach-10
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ten, die Absicht hatten, den Zeugen unter Ausnutzung der offensichtlichen Sor-ge um sein Wohl zu erpressen oder zu berauben. Das Erfordernis einer derar-tigen Erörterung ergibt sich aus Folgendem: Die Einlassungen der Angeklagten B.

und [X.]

sind zu ihrer Absicht im Zeitpunkt der Begründung der [X.]slage über den Zeugen L.

unergiebig. Der Angeklagte S.

hat insoweit lediglich angegeben, er "habe sich bei alledem nichts gedacht, er sei einfach betrunken gewesen und verärgert."
Nach den -
insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen -
Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen liegt ein anderer als der festgestellte [X.] ausgesprochen nahe. Maßgebend sind insoweit hier die Vorgeschichte und der Anlass der Tat sowie das vor diesem Hintergrund zu beurteilende Vorgehen der Angeklagten. Danach war der Ge-schädigte dem Angeklagten S.

seit längerem die Bezahlung von erhal-tenen Betäubungsmitteln schuldig; die Angeklagten S.

und [X.]

be-mächtigten sich mit von Anfang an zielgerichteten, verbal entsprechend beglei-teten Handlungen des Geschädigten und misshandelten diesen während der Fahrt in die [X.] nach Ansprache seines Zahlungsverhaltens körperlich; noch während der Fahrt nahm der Angeklagte S.

dem gefesselten [X.] sodann Geld weg und zwang diesen zusammen mit dem Angeklag-ten [X.]

nach dem Ende der Fahrt in den [X.]n schließlich, sein Mobil-telefon und andere Gegenstände herauszugeben.

c) Die Erörterung eines zum Zeitpunkt der Begründung der [X.] über den Geschädigten L.

bestehenden, möglicherweise zur Strafbarkeit nach §
239a Abs. 1 Alt. 1 StGB führenden [X.]es der Angeklag-ten war nicht deshalb entbehrlich, weil das [X.] die Absicht einer rechtswidrigen Zueignung des Angeklagten S.

abgelehnt hat, als dieser [X.] Beweiswürdigung ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Die insoweit maßgebliche 12
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Feststellung des [X.], der Angeklagte S.

sei bei dieser Weg-nahme davon ausgegangen, "dass ihm diese aus dem Betäubungsmittelge-schäft mit dem Zeugen zustünden", beruht nicht auf einer rechtlich tragfähigen Grundlage, sondern stellt eine reine Vermutung dar. Eine derartige Vorstellung hat der Angeklagte S.

selbst nicht behauptet, sondern hat sich insoweit dahin eingelassen, er habe mit der Wegnahme des Geldes dafür sorgen wol-len, dass der Zeuge "nicht so schnell und einfach wieder nach [X.] käme". Die nicht näher begründete Wertung des [X.], "aufgrund des vergan-genen Zeitablaufs und des Sichentziehens des Zeugen" sei "es auch [X.], dass der Angeklagte S.

die Vorstellung hatte, die Wegnahme des Geldes sei nicht rechtswidrig", ist nicht schlüssig und vermag daher die ent-sprechende Feststellung des [X.] nicht zu begründen. Eine andere rechtlich tragfähige Beweisgrundlage für die festgestellte Vorstellung des [X.] S.

, die den vom [X.] angenommenen Tatbestandsirr-tum dieses Angeklagten im Sinne von §
16 StGB tragen könnte, kann den [X.] auch im Übrigen nicht entnommen werden.

3. Wegen der aufgezeigten, die Schuldsprüche gegen alle Angeklagten betreffenden und für diese vorteilhaften Rechtsfehler kann das Urteil insgesamt nicht bestehen bleiben. Die Sache bedarf daher in vollem Umfang neuer [X.] und Entscheidung, ohne dass es auf die weiteren von der Revision erhobenen Beanstandungen ankommt. Dies gilt auch für die Rüge der Be-schwerdeführerin, das [X.] hätte auch mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit nach §
239a Abs. 1 Alt. 2 StGB erörtern müssen, ob die Angeklag-ten die durch die [X.] des Zeugen L.

begründete Lage zu ei-ner Erpressung oder einem Raub ausnutzten.
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4. Die Überprüfung des Urteils auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat demgegenüber keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§
301 StPO).
Schäfer Pfister

[X.]

[X.] Spaniol
14

Meta

3 StR 503/12

07.02.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2013, Az. 3 StR 503/12 (REWIS RS 2013, 8281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8281

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4 StR 177/12

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