Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2015, Az. 4 StR 184/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 5692

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 184/15

vom
9. September
2015
in der Strafsache
gegen

wegen erpresserischen [X.] u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am
9. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6.
November 2014 wird mit der Maßgabe als un-begründet verworfen, dass er im Fall
II.
2 der Urteilsgründe ledig-lich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung ver-urteilt ist und dass fünf Jahre der verhängten [X.] vor der Vollstreckung der Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt zu vollziehen sind. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Einbeziehung von Strafen aus zwei anderen Urteilen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (Fall
II.
1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und gegen ihn wegen erpresserischen [X.] in drei Fällen, davon in
einem Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung (Fall
II.
2 der Urteilsgründe), in einem Fall in Tateinheit mit versuchter räuberischer [X.]
-
3
-
sung (Fall
II.
4 der Urteilsgründe) und in einem Fall in Tateinheit mit Raub (Fall
II.
3 der Urteilsgründe) eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verhängt. Es hat außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ausgespro-chen, dass fünf Jahe-l-gemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus der [X.] ersichtlichen Schuldspruchänderung und der Klarstel-lung des Maßregelausspruchs.
1.
Die Verurteilung wegen erpresserischen [X.] gemäß §
239a Abs.
1 [X.] im Fall
II.
2 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprü-fung nicht stand.
a)
Des erpresserischen [X.] macht sich schuldig, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung gemäß §
253 [X.] auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpres-sung ausnutzt. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit Nötigungselementen wie §
177, §§
249
ff., §§
253 ff. [X.] ist der Tatbestand des §
239a Abs.
1 [X.] im [X.] allerdings, insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch eine Entführung oder in sonstiger Weise die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen, dadurch eine stabile [X.] schaffen und entweder von vornherein beabsichtigen, diese Lage zu einer Erpressung auszunutzen, oder die zu anderen Zwecken hergestellte Verfügungsgewalt über das Opfer zu einer Erpressung ausnutzen. Dabei muss der stabilisierten Be-2
3
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4
-
mächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Be-deutung zukommen. Damit ist

insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelik-ten

indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Dro-hungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hin-aus eine weiter
gehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen [X.] ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zu-sammenhang liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Täter des [X.] durch [X.] bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtig-ten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs-
und [X.] zu-sammenfallen (vgl. [X.], Urteil vom 31.
August 2006

3
StR
246/06, [X.], 32 mwN; Urteil vom 2.
Februar 2012

3
StR
385/11, [X.], 173, 174).
b)
Die [X.] konnte im Fall
II.
2 der Urteilsgründe keine sicheren Feststellungen zum Tathergang treffen, weil der Geschädigte J.

bei der Tat
schwer verletzt wurde und eine retrograde Amnesie mit fast komplettem [X.] bezüglich des Tatgeschehens erlitt. Er wurde mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen, höchstwahrscheinlich, um von ihm die [X.] zu der von den [X.] vorgefundenen ec-Karte zu erfahren oder eventuell auch erst, nachdem er die [X.] offenbart hatte, um ihn handlungsunfähig zu machen und zu gewährleisten, dass er nicht zeitnah die Polizei verständigen oder die ec-Karte sperren lassen konnte. Bei der rechtlichen Würdigung hat das Land-gericht hierzu ausgeführt, der Angeklagte und möglicherweise ein Mittäter [X.] sich des Geschädigten in Erpressungsabsicht bemächtigt, indem sie in sein Haus eindrangen und dem Geschädigten eine Flucht aufgrund seiner Geh-behinderung und seiner körperlichen Unterlegenheit nicht möglich
gewesen sei. Der Täter
habe dem
Zeugen J.

sodann unter dem Eindruck nicht näher be-
kannter Mittel

eventuell habe bereits die von der [X.] ausge-4
-
5
-
hende Gefahr und die dadurch begründete Sorge des Zeugen J.

um Leib
und Leben ausgereicht

klar gemacht, dass er nun jedenfalls Auskunft über die [X.] geben müsse, was der Zeuge dann auch getan habe. Dies habe dem [X.] entsprochen, so dass der Täter vorsätzlich und mit der Absicht gehandelt habe, die [X.] und die Sorge des Zeugen J.

um sein Wohl
für die Erpressung auszunutzen.
c)
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des erpresserischen [X.] werden von diesen Feststellungen und Annahmen nicht hinrei-chend belegt. Es besteht danach zwar die Möglichkeit, dass sich die Täter ent-sprechend ihrem allgemeinen Tatplan zunächst des Zeugen durch einfache körperliche Überlegenheit bemächtigt haben; sicher festgestellt ist dies jedoch nicht. Denn der allgemeine Tatplan wurde nicht in allen Fällen umgesetzt; im Fall
II.
1 der Urteilsgründe ist es bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl ver-blieben, obwohl die Geschädigte L.

zum Tatzeitpunkt anwesend war. Es
bleibt sonach offen, ob die Täter sich zunächst des Zeugen J.

bemächtigt
haben und aufgrund dieser [X.] die [X.] für die ec-Karte preis-gegeben wurde, oder ob sie ihn sofort durch den Einsatz von Schlägen genötigt haben, die [X.] mitzuteilen. Zwar hatten die Täter spätestens durch die massive Gewaltanwendung eine andauernde physische Herrschaft über ihr Opfer [X.]. Die Preisgabe der [X.] erfolgte bei dieser Sachverhaltsvariante jedoch möglicherweise bereits im unmittelbaren, engen Zusammenhang mit der [X.], so dass eine stabile [X.] als Basis einer Erpressung zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt war (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Februar 2014

4
StR
522/13).

5
-
6
-
2.
Der Senat lässt die Verurteilung wegen erpresserischen Menschen-raubes im Fall
II.
2 der Urteilsgründe entfallen, weil eine neue Verhandlung kei-ne
weitere Aufklärung verspricht.
Die Einzelstrafe kann trotz der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Ausweislich der (insoweit zutreffenden) rechtlichen Würdigung durch die [X.] hat sich der Angeklagte in diesem Fall der besonders schwe-ren räuberischen Erpressung nach §§
255, 253, 250 Abs.
2 Nr.
3a [X.] schul-dig gemacht. Der Strafrahmen des §
250 Abs.
2 [X.] entspricht dem des §
239a [X.]. Die Verwirklichung von zwei Tatbeständen hat das [X.] dem Angeklagten nicht erschwerend angelastet.
3.
Der Maßregelausspruch war dahin klarzustellen, dass sich der [X.] der Gesamtfreiheitsstrafen lediglich auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bezieht (§
67 Abs.
2 Satz
2
[X.]).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Quentin
6
7
8

Meta

4 StR 184/15

09.09.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2015, Az. 4 StR 184/15 (REWIS RS 2015, 5692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5692

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