Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2006, Az. I ZR 136/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3114

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 136/03 Verkündet am: 14. Juni 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

HGB § 435 Im Rahmen der Beförderung von Briefen (einschließlich [X.]) und briefähnlichen Sendungen sind keine durchgängigen Schnittstellenkontrol-len erforderlich. [X.], [X.]. v. 14. Juni 2006 - I ZR 136/03 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 14. Juni 2006 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], [X.] und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist Transportversicherer der C.

GmbH in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die [X.], die [X.], aus übergegangenem und abgetretenem Recht wegen des Verlustes von sieben [X.] auf Schadensersatz in [X.]. 1 Die Versicherungsnehmerin übergab der [X.] im Zeitraum von Juni 2000 bis Mai 2001 sieben Einschreibebriefe zum Versand innerhalb [X.]. Die Sendungen kamen bei den Adressaten nicht an, weshalb die [X.] - 3 - te für jeden Verlustfall entsprechend der in ihren Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen vorgesehenen [X.] 50 DM Schadensersatz leistete. 3 Die Klägerin hat behauptet, die in Verlust geratenen Sendungen hätten Uhren und Uhrenarmbänder enthalten. Die Verluste seien auf Diebstähle von Mitarbeitern der [X.] zurückzuführen. Sie habe die ihrer Versicherungs-nehmerin nach Abzug der Ersatzleistungen der [X.] verbliebenen [X.] in Höhe von insgesamt 8.333,85 • ausgeglichen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die [X.] könne sich nicht auf Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in ihren Allgemeinen Geschäfts-bedingungen berufen, weil diese nicht Inhalt der mit der [X.] geschlosse-nen Versendungsverträge geworden seien. Eine Haftungsbegrenzung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der [X.] eine leichtfertige Verursa-chung der Warenverluste vorzuwerfen sei. Die Haftung der [X.] ergebe sich daraus, dass sie für ihre Leute einzustehen habe und zu den näheren Um-ständen, die zu den Verlusten geführt hätten, keine Angaben mache. 4 Die Klägerin hat beantragt, 5 die [X.] zu verurteilen, an sie 8.333,85 • nebst Zinsen zu [X.]. Die [X.] ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertre-ten, in den hier in Rede stehenden Verlustfällen fehle es schon am [X.] von Beförderungsverträgen, weil Uhren gemäß den Bestimmungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Versicherungsnehmerin [X.] gewesen sein müssten, von der Beförderung per Briefsendung ausge-schlossen seien. Die Versicherungsnehmerin sei auch nicht schutzwürdig, weil 6 - 4 - sie von der Versendung der Ware im besonders versicherten Paketdienst aus-drücklich keinen Gebrauch gemacht habe. Der Umstand, dass sie zu den streit-gegenständlichen Verlusten keine näheren Angaben machen könne, rechtferti-ge nicht den Schluss, dass es in ihrem Betriebsablauf grobe Organisations-mängel gebe. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Be-rufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. 7 Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurück-weisung die [X.] beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. 8 Entscheidungsgründe: [X.] Die Revision hat keinen Erfolg. 9 Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Klägerin über die von der [X.] vorprozessual erbrachten Ersatzleistungen hinaus keine Schadensersatzansprüche wegen der in Rede stehenden Verluste von [X.] zustehen. 10 1. In der Revisionsinstanz ist - entsprechend den Vorgaben des [X.] - davon auszugehen, dass die [X.] der [X.] nicht Bestandteil der über die streitgegenständlichen [X.] geschlossenen Beförderungsverträge geworden sind. Dementsprechend steht nicht zur Entscheidung, ob eine Haftung der [X.] 11 - 5 - schon durch die Klauseln über eine bedingungsgerechte Sendung in den [X.] Geschäftsbedingungen ausgeschlossen ist. 12 2. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die [X.] nach der Privatisierung der [X.] gemäß dem im Handelsgesetzbuch geregelten allgemeinen Transportrecht haftet. Die [X.] schulde gemäß § 425 Abs. 1 HGB für den während ihrer Obhutszeit eingetrete-nen Verlust der sieben hier in Rede stehenden [X.] Schadensersatz. Die Höhe des von der [X.] zu leistenden [X.] hat das Berufungsgericht entsprechend § 431 Abs. 1 HGB auf einen Be-trag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der abhanden gekommenen Sendung begrenzt. Die Voraussetzungen für einen Wegfall der Haftungsbegrenzung gemäß § 435 HGB hat das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Verlust der Warensendungen durch Diebstähle von Mitarbeitern der [X.] oder durch grobe Organisationsmängel in den Betriebsabläufen der [X.] verursacht worden sei. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass grundsätzlich der Anspruchsteller gehalten ist, die Voraussetzungen für den Wegfall der zu-gunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haf-tungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine "Leute" vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, § 435 HGB ([X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, [X.] 2003, 467, 469; [X.], Transportrecht, 5. Aufl., § 435 HGB [X.]. 20). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer 13 - 6 - angesichts des unterschiedlichen [X.] der Vertragsparteien nach [X.] und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des [X.] eingehend vorzutragen. Insbesondere hat er substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat (vgl. [X.] 127, 275, 283 f.; 129, 345, 349 f.; 145, 170, 183 f. m.w.N.). Kommt er dem nicht nach, kann daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. [X.] 127, 275, 284; [X.] [X.] 2003, 467, 469). Das am 1. Juli 1998 in [X.] getretene Transportrechtsreformgesetz hat hinsichtlich der Einlassungspflicht des [X.] und der insoweit bestehenden Beweislastverteilung keine sachlichen Änderungen mit sich gebracht (vgl. [X.] [X.] 2003, 467, 469; [X.] aaO § 435 HGB [X.]. 20 f.; [X.] in: [X.]/Thume, Transportrecht, § 435 HGB [X.]. 20). b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des [X.], die [X.] habe ihre Einlassungsobliegenheit nicht verletzt, obwohl sie nicht konkret darlegen könne, wann, wo und wie die abhanden ge-kommenen Einschreibebriefe auf ihrem Beförderungsweg außer Kontrolle gera-ten seien. Das Berufungsgericht hat seine Annahme rechtsfehlerfrei darauf ge-stützt, dass die [X.] im Rahmen der Beförderung von Briefen und briefähn-lichen Sendungen nicht zur Durchführung von [X.] ist mit der Folge, dass es ihr im Verlustfall zwangsläufig nicht möglich und auch nicht zumutbar ist, konkret darzulegen, wie es zu dem jeweiligen Verlust gekommen ist. 14 aa) Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es im Rahmen der Be-förderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen nicht der durchgängigen Vornahme von Ein- und Ausgangskontrollen. Das für Paketsendungen aufge-stellte Gebot von durchgehenden Schnittstellenkontrollen soll die Möglichkeit 15 - 7 - schaffen, den Eintritt eines Schadens und den Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht möglichst frühzeitig einzugrenzen. Ohne umfassende Ein- und Ausgangskontrollen kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehen-den Güter nicht gewonnen werden (vgl. [X.] 158, 322, 330). Diese Grundsätze sind auf den Versand von Briefen und briefähnlichen Sendungen nicht zu übertragen. Bei der Briefbeförderung steht die Übermittlung der in dem Brief enthaltenen individuellen Gedankenerklärung im Vordergrund. Beim Versand von Paketen geht es um die Beförderung der verpackten wert-haltigen Gegenstände. Dem Versender eines Briefes erwächst aus dessen [X.] im Allgemeinen kein materieller Schaden (vgl. [X.] 149, 337, 349). [X.] besteht bei Briefsendungen für Dritte im Allgemeinen auch kein besonderer Anreiz, sich den Inhalt der Sendungen anzueignen, um sich zu [X.]. 16 Dass die Sorgfalts- und Organisationsanforderungen im Bereich der Versendung von Briefen und briefähnlichen Sendungen geringer anzusetzen sind als bei der Paketbeförderung, steht im Einklang mit der Systematik des Gesetzes, das in § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB für Briefe und briefähnliche Sendun-gen weitergehende Haftungsbeschränkungen als bei anderen Sendungen [X.]. Auch damit wird den Besonderheiten des postalischen Massenver-kehrs Rechnung getragen (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf des [X.], BT-Drucks. 13/8445 [X.]). 17 bb) Entgegen der Ansicht der Revision sind auch bei der Beförderung von [X.] keine durchgehenden Ein- und Ausgangskontrollen ge-boten. Der Einschreibebrief unterscheidet sich nur insoweit von einer gewöhn-lichen Briefsendung, als die Einlieferung und der Zugang der Sendung [X.] werden. Auch er unterliegt den am wirtschaftlich Vertretbaren orientier-ten Regeln des massenhaften Brieftransports zu günstigen Preisen. Der [X.] ist nicht zum Versand von wertvollen Waren bestimmt. Auf einen Einschreibebrief treffen die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs - schnelle und kostengünstige Übermittlung zu jedem Haushalt in [X.] - ebenso zu wie auf gewöhnliche Briefe und briefähnliche Sendungen. [X.]) Dies schließt es allerdings nicht aus, dass der Frachtführer für den Verlust bestimmter Briefsendungen ebenso haftet wie bei einem Abhanden-kommen von Paketsendungen, wenn er - beispielsweise in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen - die Beförderung bestimmter Briefe der Paketbeförde-rung gleichstellt (vgl. [X.], [X.]. v. 30.3.2006 - I ZR 123/03, [X.]. 2, zur Veröffent-lichung in [X.] vorgesehen). 19 c) Ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht daraus, dass die [X.] keine stich-probenartigen Kontrollen durchführt. Nach der Rechtsprechung des Senats können anstelle von durchgehenden Schnittstellenkontrollen im Einzelfall auch stichprobenartige Kontrollen genügen, wenn damit eine hinreichende Kontroll-dichte gewährleistet ist (vgl. [X.] 149, 337, 348). Dies gilt aber nur für den Bereich der Beförderung von Paketen und den Umschlag von Transportgütern. Bei der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen ist keine Kon-trolle des Umschlags und damit auch keine stichprobenartige Kontrolle gebo-ten. 20 Da die [X.] beim Versand von Briefen und briefähnlichen Sendun-gen nicht zu Schnittstellenkontrollen verpflichtet ist, besteht für sie auch keine dahingehende sekundäre Darlegungspflicht. 21 - 9 - 3. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat ge-prüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). 22 23 I[X.] Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
[X.] [X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.07.2002 - 38 O 22/02 - [X.], Entscheidung vom 30.04.2003 - 18 U 170/02 -

Meta

I ZR 136/03

14.06.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2006, Az. I ZR 136/03 (REWIS RS 2006, 3114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3114

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