Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2011, Az. VII B 43/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 825

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen Divergenz


Leitsatz

1. NV: Ein Beschluss, mit dem die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen worden ist, scheidet als Divergenzentscheidung grundsätzlich aus, weil in einer solchen Entscheidung nicht über revisible Rechtsfragen entschieden wird.

2. NV: Voneinander abweichende Entscheidungen ein und desselben FG rechtfertigen für sich allein nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz.

Tatbestand

1

I. Der frühere Ehemann der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) [X.] wickelte den Zahlungsverkehr seines Gewerbebetriebs aufgrund einer im Jahr 1976 erteilten [X.] 2006 widerrufenen-- Kontovollmacht über ein auf den Namen der Klägerin lautendes Bankkonto ab. Aufgrund erheblicher Steuerrückstände des [X.], die bei diesem nicht beizutreiben waren, hat der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) gegen die Klägerin einen auf § 191 der Abgabenordnung [X.]. § 3 Abs. 1, § 4 des Anfechtungsgesetzes ([X.]) gestützten [X.] erlassen, in dem das [X.] die im Zeitraum vom 9. Januar 2002 bis zum 22. November 2005 auf dem Bankkonto eingegangenen Zahlungen anfocht.

2

Die nach erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen [X.]s. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass eine Anfechtung nach § 4 Abs. 1 [X.] mangels unentgeltlicher Leistung des [X.] an die Klägerin ausscheide. Eine auf § 3 Abs. 1 [X.] gestützte Anfechtung käme mangels Kenntnis der Klägerin von den angefochtenen Rechtshandlungen der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des [X.] nicht in Betracht.

3

[X.]it seiner Beschwerde begehrt das [X.] die Zulassung der Revision und macht die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] (§ 116 Abs. 1 [X.]O) hat keinen Erfolg. Die vom [X.] geltend gemachten Zulassungsgründe sind teils nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entsprechenden Weise dargelegt, teils liegen sie nicht vor.

5

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.]O zu fordernde Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, [X.], 232, und vom 2. Dezember 2002 [X.]/02, [X.] 2003, 527, m.w.N.).

6

Das Vorbringen des [X.] wird diesen Anforderungen insbesondere im Hinblick auf die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht gerecht. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, "ob in Fällen der Kontoüberlassung an Dritte die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht vermutet werden kann oder ob zumindest in Fällen einer erteilten Kontovollmacht eine Zurechnung über § 166 Abs. 2 BGB vorgenommen werden kann", ist nicht klärungsfähig, weil das [X.] die Frage, ob [X.] hatte, ausdrücklich offengelassen hat, ohne dass vom [X.] in Bezug auf den vom [X.] festgestellten Sachverhalt Verfahrensrügen erhoben worden sind (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 30, m.w.N.). Das Urteil des [X.] wird bereits von der Feststellung getragen, dass die Klägerin das Konto "aus den Augen verloren hat" und von den Rechtshandlungen tatsächlich keine Kenntnis hatte.

7

2. Dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] ([X.]) im Streitfall erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O), ist weder schlüssig dargelegt noch ersichtlich. Denn zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehört u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handele (z.B. [X.]-Beschluss vom 27. Juni 2008 [X.], [X.] 2008, 1519).

8

Daran fehlt es, soweit das [X.] eine Divergenz des angegriffenen [X.]-Urteils vom Senatsurteil vom 22. Juni 2004 [X.], ([X.]E 206, 217, [X.], 923), vom Senatsbeschluss vom 17. Januar 2000 [X.] ([X.] 2000, 857) sowie vom Urteil des [X.] [X.]ünster vom 22. Januar 2010  [X.] behauptet.

9

Der Senatsbeschluss in [X.] 2000, 857 scheidet als mögliche Divergenzentscheidung aus, weil hierin über keine revisible Rechtsfrage, sondern ausschließlich über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision entschieden wurde (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 50). Der [X.] hat die Beschwerde mangels substantiierter Darlegung des behaupteten [X.] als unzulässig verworfen.

Offenbleiben kann, ob auch eine divergierende Rechtsprechung verschiedener Senate desselben [X.] den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O begründen kann oder das Urteil des [X.] [X.]ünster vom 22. Januar 2010  [X.] bereits deshalb als mögliche Divergenzentscheidung ausscheidet (so wohl Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 49). Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kommt im Streitfall bereits deshalb nicht in Betracht, weil beiden Entscheidungen kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Nach den Feststellungen des [X.] [X.]ünster im Urteil vom 22. Januar 2010  [X.] wusste die Ehefrau, dass die Zahlungsunfähigkeit ihres [X.]annes drohte und durch Zahlungen auf ihr Konto ein direkter Zugriff von Gläubigern auf Forderungen des Ehemannes vereitelt werden sollte, sie hat durch ihr [X.]itwirken an der Übertragung verwertbaren Vermögens auf sie dazu beigetragen, die Vermögenslage des Ehemannes zu verschlechtern und damit in letzter Konsequenz die Zahlungsunfähigkeit des Ehemannes herbeigeführt. Aus all diesen Umständen hat das [X.] [X.]ünster im Urteil vom 22. Januar 2010  [X.] geschlossen, dass die Kenntnis der Ehefrau von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes vermutet werden kann. Im Streitfall hingegen wusste die Ehefrau nach den Feststellungen des [X.] weder von der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch wurde ihr verwertbares Vermögen übertragen. Zudem lebten die Ehegatten im Streitfall getrennt und der Umstand, dass in dem Fall der Entscheidung vom 22. Januar 2010  [X.] Gütertrennung vereinbart worden ist, ist hiermit --entgegen der Auffassung des [X.]--

nicht vergleichbar.

Schließlich hat die Beschwerde eine Divergenz zu dem Senatsurteil in [X.]E 206, 217, [X.], 923 nicht schlüssig dargelegt, insbesondere ist die Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht erkennbar. Während in der dem Senatsurteil in [X.]E 206, 217, [X.], 923 zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation den Kindern die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des [X.] als gesetzlichem Vertreter nach § 166 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugerechnet wurde, scheidet im Streitfall eine Zurechnung nach § 166 Abs. 2 BGB aus, da das [X.] eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des [X.] gerade nicht festgestellt hat. Im Übrigen hat der [X.] in der genannten Entscheidung keinen Rechtssatz in Bezug auf die Zurechnung einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht aufgestellt. Im Streit stand lediglich der Umfang der Duldungspflicht der Kinder.

Meta

VII B 43/11

02.12.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 28. Januar 2011, Az: 11 K 4184/06 AO, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 191 AO, § 3 Abs 1 AnfG, § 4 Abs 1 AnfG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2011, Az. VII B 43/11 (REWIS RS 2011, 825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 825

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII B 61/10 (Bundesfinanzhof)

(Duldungsbescheid bei Übertragung einer Miteigentumshälfte durch den Ehegatten - Verhältnis von § 278 Abs. 2 …


X B 39/14 (Bundesfinanzhof)

Korrektur eines Flüchtigkeitsfehlers; Teilnichtigkeit eines Bescheides bei Zusammenveranlagung


X B 117/10 (Bundesfinanzhof)

Darlegungserfordernisse bei behaupteter Divergenz und kumulativer finanzgerichtlicher Begründung


VI B 118/11 (Bundesfinanzhof)

Keine Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung; grundsätzliche Bedeutung; Divergenz


VII B 3/11 (Bundesfinanzhof)

Nachholung von Ermessenserwägungen durch die Finanzbehörde - Darlegung einer Divergenz - Keine Revisionszulassung zur Heilung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.