Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. XII ZB 46/18

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7119

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:270618BXIIZB46.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 46/18

vom

27. Juni 2018

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1628, 1629, 1671, 1697 a; FamFG § 158
a)
Im [X.] erfordert das Kindeswohl eine eigenständige Beauf-tragung eines Rechtsanwalts für das Kind nicht, wenn vom [X.] bereits ein Verfahrensbeistand bestellt worden ist und dieser aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse in der Lage ist, die Rechte und Interessen des Kindes geltend zu machen (Fortführung von Senatsbeschluss [X.], 48 =
[X.], 1788).
b)
Der Antrag eines Elternteils, ihm bei bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge bezüglich der Anwaltsbeauftragung (hier: für ein Umgangsverfahren) die alleinige Entscheidungsbefugnis zu übertragen, ist
in diesem Fall zurück-zuweisen.
[X.], Beschluss vom 27. Juni 2018 -
XII ZB 46/18 -
OLG [X.]

AG Landau a.d. Isar

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
27.
Juni 2018
durch
den Vorsitzenden
Richter Dose und [X.]
Dr.
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss
des 16.
Zivilsenats

Familiensenat

des [X.]s [X.] vom 26.
Juni 2017 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Wert: 3.000

Gründe:
I.
Die weiteren Beteiligten zu
1 und 2 streiten als gemeinsam sorgeberech-tigte Eltern über die Befugnis zur Beauftragung eines Rechtsanwalts für die be-troffenen Kinder in Sorge-
und Umgangsverfahren.
Die Eltern schlossen 2004 die Ehe, die seit 2014 rechtskräftig geschie-den ist. Aus der Ehe sind die im März 2004 und Februar 2007 geborenen be-troffenen Kinder hervorgegangen, die beim Kindesvater leben, und ein 2008
geborenes Kind, das bei der Kindesmutter lebt.
In einem weiteren Verfahren streiten die Eltern über den Umgang der Kindesmutter mit den betroffenen Kindern. Für die Kinder ist in jenem Verfahren

wie auch im vorliegenden Verfahren

ein Verfahrensbeistand bestellt worden. Der Kindesvater will für sie einen Rechtsanwalt beauftragen. Er
hat die Über-tragung der alleinigen elterlichen Sorge für die Regelung der Beauftragung ei-1
2
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-
3
-
nes eigenen anwaltlichen Vertreters in jeglichen sorgerechtlichen und um-gangsrechtlichen Verfahren zwischen den Eltern auf sich beantragt. Der Antrag ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Kindesvater sein Begehren weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Nach Auffassung des [X.]s stellt
die Übertragung der alleinigen
Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Anwaltsbeauftragung auf ei-nen Elternteil zwangsläufig einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte elterliche Sorge des anderen Elternteils dar, was nur zulässig sei, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung stehe, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Ein solches bestehe hier in der Bestellung eines [X.], die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Vertretung von [X.] genüge. Somit sei ein Eingriff in die elterliche Sor-ge
der Kindesmutter im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil das Amtsgericht im Umgangsverfahren zu Recht einen Verfahrensbeistand bestellt habe.
Auch die Grundrechte der Kinder geböten keinen zusätzlichen Eingriff in das [X.], damit
eine Anwaltsbeauftragung ermöglicht werde.
Auf die Frage, ob das Interesse des [X.] gemäß §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1796 BGB
in
erheblichem
Gegensatz zum Kindesinteresse stehe, [X.] es nicht entscheidend an.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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5
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7
-
4
-
a) Das [X.] hat die mögliche Rechtsgrundlage für den [X.] nicht bezeichnet. Auch wenn die Fassung des Antrags auf §
1671 BGB zielen dürfte, kommt für das Begehren des [X.] nur ein Vorgehen
nach §
1628 BGB in Betracht. Denn im Gegensatz zu §
1671 BGB bezieht sich §
1628 BGB auf die Übertragung der Entscheidungsbefugnis in
einzelnen Angelegenheiten
oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge. Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts im Namen der Kinder
in sorge-
und umgangsrechtlichen Verfahren handelt es sich um eine bestimmte Art von Angelegenheiten, die einen situativen Bezug aufweisen und
zudem regelmäßig keine Teilübertragung der elterlichen Sorge erfordern
(vgl. Senatsbeschluss vom
3.
Mai 2017

XII
ZB
157/16

FamRZ 2017, 1057 Rn.
14
f.;
MünchKommBGB/[X.] 7.
Aufl. §
1628 Rn.
11
mwN; [X.]/[X.] BGB
[2016] §
1671 Rn.
55
f.). Der Antrag des [X.] ist mithin jedenfalls dahin umzudeuten, dass er auf eine Übertragung der
Entscheidungs-befugnis nach §
1628 BGB gerichtet ist, weil nur ein
solcher zu dem
von ihm
angestrebten Ziel führen kann.
b) Nach §
1628 Satz
1 BGB kann das [X.], wenn sich die [X.] bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das [X.] hat in diesem Fall den im Rahmen der [X.] aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen. Dazu ist entweder die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zu-stand zu belassen. Ein Eingriff in die

gemeinsame

elterliche Sorge nach §
1628 BGB ist also nur insoweit zulässig, als das Gericht einem Elternteil die Entscheidungskompetenz überträgt, nicht hingegen darf das Gericht die Ent-8
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-
scheidung anstelle der Eltern
selbst treffen. Die aufgrund §
1628 BGB zu tref-fende Entscheidung des [X.]s richtet sich gemäß §
1697
a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu [X.], dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Wenn eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlö-sung erscheint, genügt es, den Antrag zurückzuweisen. Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Ent-scheidung nach §
1628 BGB vorzunehmende Prüfung ergeben (Senatsbe-schluss vom 3.
Mai 2017

XII
ZB
157/16

FamRZ 2017, 1057 Rn.
14
f. mwN).
aa) Die Vertretung des Kindes als Muss-Beteiligtem in kindschaftsrecht-lichen Verfahren unterliegt der grundsätzlich unbeschränkten elterlichen Sorge. Insbesondere sind die Eltern nicht nach §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen und bedarf es folglich regelmäßig keiner
Bestellung eines Ergänzungspflegers (Senatsbeschluss [X.], 48 =
[X.], 1788 Rn.
8
ff.). Mangels einer Entziehung des Sorgerechts nach §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1796 BGB
sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern mithin ungeachtet ihrer eigenen Verfahrensbeteiligung insbesondere be-fugt, im Namen des Kindes einen Rechtsanwalt zu dessen Vertretung im Kind-schaftsverfahren zu beauftragen.
Besteht zwischen den Eltern

wie im vorlie-genden Fall

eine Meinungsverschiedenheit, ob für das Kind ein Rechtsanwalt beauftragt werden soll oder nicht, kann folglich eine Entscheidung des Famili-engerichts nach §
1628 BGB beantragt werden.
bb)
Dem Wohl des Kindes im Sinne von §
1697
a BGB dient es im [X.], wenn seine
Rechte und Interessen als eigenständiger Verfahrens-beteiligter im [X.] wirksam wahrgenommen
werden.
Zur ge-mäß §
1629 Abs.
1 Satz
2 BGB gemeinschaftlichen Vertretung sind die Eltern 10
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6
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nicht in der Lage, soweit zwischen ihnen Meinungsverschiedenheiten bestehen. Eine solche Lage kann auch bestehen, wenn die Eltern sich gerade in der [X.] der Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht einig sind.
Der Beauftragung eines Rechtsanwalts bedarf es hingegen nicht, wenn für das Kind ein Verfah-rensbeistand bestellt ist und dieser aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse in der Lage ist, die Rechte und Interessen des Kindes
geltend zu machen.
(1) Die Wahrnehmung der Kindesinteressen in einem

wie hier

auf die Person bezogenen [X.] ist originäre Aufgabe des [X.]. Aufgrund der vorausgegangenen Fachdiskussion um die Subjektstel-lung des Kindes in [X.] und die Gewährleistung einer [X.] Vertretung seiner

auch subjektiven

Interessen ist im Zuge der Kind-schaftsrechtsreform von 1997 (KindRG vom 16.
Dezember 1997 BGBl.
I S.
2942) speziell für bestehende Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind das [X.] in [X.] ("Anwalt des Kindes") eingeführt worden. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Vertretung der Kindesinteressen in [X.] hat der Ge-setzgeber durch dieses Institut (nunmehr Verfahrensbeistand) Genüge getan (Senatsbeschluss [X.]Z
191, 48
=
[X.], 1788 Rn.
20 mwN).
Die wirksame Vertretung der Interessen des Kindes durch den Verfah-rensbeistand ist ausnahmsweise dann nicht gewährleistet, wenn in dem jewei-ligen Verfahren die
dem Verfahrensbeistand nach §
158 Abs.
4 Satz
6
FamFG verschlossene
gesetzliche Vertretung des Kindes notwendig wird
(vgl. Senats-beschlüsse
[X.], 48 =
[X.], 1788 Rn.
22
f.
und [X.]Z 193, 1 =
[X.], 859 Rn.
12

Vaterschaftsanfechtung).
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der gesetzlichen Regelung jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung kein Vorrang eines 12
13
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noch zu beauftragenden

Rechtsanwalts vor der Bestellung eines [X.] zu entnehmen. Nach §
158 Abs.
5 FamFG soll die Bestellung unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbe-vollmächtigten angemessen vertreten werden. Dies setzt

abgesehen von der notwendigen Angemessenheit der Vertretung

die bereits erfolgte Beauftra-gung eines Rechtsanwalts voraus, welche nur
durch das bereits verfahrensfä-hige Kind oder durch die sorgeberechtigten Eltern erfolgt sein kann.
Daraus folgt aber noch
nicht, dass es im Sinne des Kindeswohls liegt, einem Elternteil zu ermöglichen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um damit etwa die Aufhe-bung der Bestellung des [X.] zu erreichen.
Vielmehr liegt es gerade aufgrund des im Fall des §
1628 [X.] zwischen den Eltern nahe, es bei der bestehenden Lage zu belassen, in der die Interessen des Kindes ausschließlich durch den Verfahrensbeistand wahrgenommen werden
(vgl. auch
Senatsbeschluss [X.], 48 =
[X.], 1788 Rn.
23). Dagegen könnte
die Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nur dazu führen, dass dieser Elternteil die Interessen des Kindes gegenüber dem Rechtsanwalt und auch eine entsprechende Weisungsbefugnis wahrnehmen könnte. Damit könnte dieser Elternteil seine Vorstellungen im Verfahren letztlich ohne Gewinn für das Kindeswohl zweifach einbringen.
Dass dadurch zugleich die Tätigkeit des neutralen und vom Gericht ausgewählten [X.] unterbun-den werden könnte, würde einer
am Kindeswohl orientierten
Wahrnehmung der Kindesinteressen im Verfahren
sogar eher zuwiderlaufen.
c) Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen den Antrag des [X.] zutreffend abgelehnt. Abgesehen davon, dass nicht festgestellt ist, dass der Kindesvater zur Entscheidung dieser Frage besser geeignet wäre als die 15
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8
-
Kindesmutter, würde die zusätzliche Beauftragung
eines Rechtsanwalts für das Kind dessen wohlverstandenen Interessen eher zuwiderlaufen
als nützen.
Das Kindeswohl ist im Verfahren vor dem Hintergrund des Konflikts der Eltern somit durch den bestellten Verfahrensbeistand besser gewährleistet, so dass das
[X.] im Rahmen von §
1628 BGB den bestehenden Zustand [X.] kann.
Der Senat hat die gerügten Verfahrensmängel geprüft, die [X.] aber nicht für durchgreifend erachtet

74 Abs.
3 Satz
4 FamFG iVm §
564 ZPO). Von einer weiteren Begründung
der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
AG Landau a.d. Isar, Entscheidung vom 10.03.2017 -
2 F 28/17 -

OLG [X.], Entscheidung vom 26.06.2017 -
16 UF 454/17 -

17

Meta

XII ZB 46/18

27.06.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. XII ZB 46/18 (REWIS RS 2018, 7119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7119

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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