Landgericht Münster, Urteil vom 29.11.2001, Az. 4 O 264/01

Zivilkammer | REWIS RS 2001, 403

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Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, ohne die Einwilligung der Klägerin Flüssiggastanks, die im Eigentum der Klägerin stehen und mit deren Eigentumsaufklebern versehen sind, mit Flüssiggas zu befüllen und/oder befüllen zu lassen.

Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ihr gegen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5.000,-- DM oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, festgesetzt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.

Entscheidungsgründe

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres Eigentums an einem Flüssiggastank geltend.

Sie hat bei ihrem Kunden, dem Landwirt M, K 000, ##### C, einen Flüssiggastank oberirdisch aufgestellt und mit dem Kunden einen Liefervertrag für V-Gas und Behälter vom 4./9.9.1996 (Bl. 9 f. d.A.) geschlossen. In diesem Vertrag hat sich der Kunde verpflichtet, seinen Gesamtbedarf an Flüssiggas von der Klägerin zu beziehen. Der Flüssiggastank würde im Rahmen des Vertrages gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung dem Kunden von der Klägerin zur Verfügung gestellt. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Tank unpfändbares und freies Eigentum der Klägerin verbleibt, da er im Sinne des § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist. Die Vertragsparteien vereinbarten eine Laufzeit von 15 Jahren.

In diesen Behälter hat die Beklagte, die ebenfalls mit Flüssiggas handelt, entsprechend der von ihr ausgefüllten Meßkarte (Bl. 12 d. A.) am 13.12.2000 2.700,8 Liter Flüssiggas eingefüllt, welches dem Landwirt M verkauft worden war.

Eine vorprozessual mit Anwaltsschreiben vom 14.5.2001 (Bl. 18 ff. d. A.) begehrte Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,.-- DM zu unterlassen, ohne Einwilligung der Klägerin Flüssigkeitsgastanks, die in deren Eigentum stehen und mit deren Eigentumsaufklebern versehen sind, mit Flüssiggas zu befüllen und/oder befüllen zu lassen, hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 25.5.2001 (Bl. 22 d. A.) als unbegründet zurückweisen lassen.

Der Liefervertrag mit dem Landwirt M besteht noch und endet vereinbarungsgemäß am 3.9.2011.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des Flüssiggasbehälters, der Landwirt M habe nicht erklärt, dass er Eigentümer des befüllten Gastanks und frei von Liefervertragspflichten Dritter sei. Der Tank sei durch die Aufschrift „V-Gas“ deutlich gekennzeichnet, trage das Logo der Klägerin und im unmittelbaren Bereich des Einfüllstutzens eine Folie mit folgendem Text:

„Dieser Behälter ist Eigentum der V AG. Er darf nur durch sachkundiges Personal der V AG oder eine von der V AG beauftragte Spedition befüllt werden. Die Nutzung dieses Behälters erfolgt auf Basis eines dauerhaft vertraglich abgesicherten Alleinbelieferungsrechtes der V AG. Jede Befüllung oder nachträgliche Veränderung dieses Behälters durch Dritte wird gerichtlich verfolgt. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleibt vorbehalten.

V Aktiengesellschaft

Geschäftsbereich V-Gas“

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne die Einwilligung der Klägerin Flüssiggastanks, die in ihrem Eigentum stehen und mit ihren Eigentumsaufklebern versehen sind, mit Flüssiggas zu befüllen und/oder befüllen zu lassen,

der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhaldung hiergegen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5000.000,00 DM oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, festgesetzt wird,

ihr jede Sicherheitsleistung durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Eigentum der Klägerin an dem entsprechend der Meßkarte vom 13.12.2000 befüllten Flüssiggasbehälter, stellt eine wirksame Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Landwirt M in Frage und ist der Ansicht, sie könne ohne Rücksicht auf eventuelles Eigentum der Klägerin sich als deren Mitbewerberin auf dem Flüssiggasmarkt zum Absatz ihres Gases der von der Klägerin aufgestellten Flüssiggastanks bedienen, um auf diese Weise einem aggressiven Angriff der Klägerin in den freien Flüssigkeitsmarkt durch langjährige exklusive Kundenbindung zu begegnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die von der Klägerin angerufene Zivilkammer ist zur Entscheidung des Rechtsstreits befugt, da es sich nicht um eine Handelssache im Sinne von § 95 GVG handelt. Die Klägerin ist ohne vertragliche Beziehung zur Beklagten und wendet sich lediglich gegen eine Verletzung ihres Eigentums durch diese.

Der zuerkannte Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte folgt aus § 1004 BGB.

Wird das Eigentum in andere Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004 Abs. 1 BGB). Die Voraussetzungen für eine Unterlassungsklage sind gegeben.

Die Klägerin ist Eigentümerin des bei ihrem Kunden aufgestellten Tanks. Für sie spricht die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB. Danach wird zugunsten eines früheren Besitzers vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei. Für die Dauer des Eigentums der Klägerin gilt die Allgemeine Rechtsfortdauervermutung. Diese wirkt trotz des Wortlautes des § 1006 Abs. 2 BGB auch noch nach Besitzverlust für den früheren Besitzer fort (Palandt-Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 1006, Rz 5).

Allein das Bestreiten des Eigentums der Klägerin seitens der Beklagten ist nicht geeignet, die für die Klägerin sprechende Eigentumsvermutung zu widerlegen. Die Klägerin hat zudem durch den von ihr vorgelegten Liefervertrag mit ihrem Kunden M vom 4./9. 1986 dargetan, dass durch den Abschluss dieses Vertrages das Eigentum an den zunächst ihr gehörenden und von ihr aufgestellten Tank nicht verloren hat. Vereinbarungsgemäß bleibt der Tank unpfändbares und freies Eigentum der Klägerin, da er im Sinne des § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist. Diese vertragliche Vereinbarung ist unstreitig nicht beendet worden.

Abgesehen davon wäre es im Hinblick auf das Eigentum der Klägerin am Gastank ohne Bedeutung, ob der seitens der Klägerin mit dem Landwirt M geschlossene Liefervertrag etwa wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) etwa wegen der 15-jährigen Laufzeit in diesem Punkte nicht rechtswirksam wäre.

Einen Eigentumsverlust entsprechend den Regelungen der §§ 929 ff. BGB hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Allein ihr Bestreiten der Eigentümerstellung der Klägerin kann einen konkreten Tatsachenvortrag zum Eigentumsverlust nicht ersetzen und reicht nicht aus.

Dabei mag auch dahinstehen, ob in manchen Fällen Kunden der Klägerin das Eigentum an den von der Klägerin bei diesen aufgestellten Tank erwerben mögen oder nicht. Hier ist allein der entsprechend der Meßkarte vom 13.12.2000 benutzte Tank beim Kunden M der Klägerin von entscheidender Bedeutung.

Da die Befüllung des Tankes mit Flüssigkeit keine Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes darstellt (vgl. BGH LM § 1004 Nr. 27) ist in ihr eine weitergehende Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin zu sehen (KGR Berlin 2001, 199).

Es ist unerheblich, ob die Beklagte das unrechtmäßige Handeln in Form der Benutzung des Tanks der Klägerin zu vertreten hat. Für den Unterlassungsanspruch kommt es auf ein Verschulden nicht an (Palandt a.a.0., § 1004 Rdnr. 10; BGH NJW 1990, 2058, 2059).

Soweit die Beklagte ihrer Verantwortung für das Befüllen des im Eigentum der Klägerin stehenden Tanks in Frage zu stellen versucht, kann ihr nicht gefolgt werden. Unstreitig ist über die Befüllung vom 13.12.2000 eine Meßkarte der Beklagten (vgl. Kopie Bl. 12 d. A.) ausgestellt worden und die Beklagte hat nichts erhebliches dafür vorgetragen, dass ihre Meßkarte ohne ihr Wissen oder entgegen ihrem Wollen von dritter Seite missbraucht worden wäre.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Diese wäre dann der Fall, wenn die Klägerin zur Duldung verpflichtet wäre. Eine entsprechende Verpflichtung kann sich allenfalls aus dem Liefervertrag zwischen der Klägerin und ihrem Kunden Kannenbrock ergeben. Auf eine derartige Verpflichtung könnte sich die Beklagte berufen (analog § 986 BGB; vgl. BGH MDR 1998, 1279). Dieser Sachverhalt ist nicht gegeben. Der Kunde M hat sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, seinen Gesamtbedarf an Flüssiggas von dieser zu kaufen. Damit ist ihm zugleich untersagt, eine Fremdbefüllung des Gastanks vornehmen zu lassen. Wenn der Kunde den Tank auch nutzen kann, so ist doch eine Fremdbefüllung durch die Alleinbezugsverpflichtung ausgeschlossen. Es darf weder der Kunde M noch ein Dritter mit nicht von der Klägerin besorgten Gas befüllen. Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht. Die möglicherweise wegen der 15-jährigen Bindungsfrist gegebenen Wirksamkeitsbedenken bezüglich der Bezugsbindung sind im Hinblick auf die Eigentumsrechte der Klägerin ohne jede Bedeutung. Wirksamkeitsbedenken in dieser Richtung können allenfalls zu einem Kündigungsrecht des Kunden der Klägerin führen. Ein derartiges Recht hat der Landwirt M unstreitig nicht wahrgenommen.

Die gemäß § 1004 Abs. 1 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Schon ein einmaliger Verstoß begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (Paland-Bassenge, a.a.0., § 1004 Rdnr. 29).

Die Beklagte hat die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt. Alleine die Beteuerung der Beklagten, sie werde keinen Kunden mit Flüssiggas beliefern, von denen sie weiß, dass diese durch einen Alleinbelieferungsvertrag an einen Marktkonkurrenten gebunden sind und der Tank im Eigentum des Marktkonkurrenten steht, vermag die Wiederholungsgefahr nicht auszuräumen. Diese wäre nur dann nicht mehr anzunehmen, wenn die Beklagte die von ihr vorprozessual mit Anwaltsschreiben vom 14.5.2001 (Bl. 18 ff. d. A.) begehrte strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben hätte.

Rechtfertigende Gründe für die Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die von der Rechtsordnung für den Eingriff in fremdes Eigentum vorgesehenen Rechtfertigungsgründe (vgl. Paland-Bassenge, a.a.0., Rdnr. 32 ff.) sind nicht gegeben.

Der von der Beklagten in den Abschlüssen langjähriger Lieferverträge mit Überlassung eines Tanks nur zur Nutzung mit dem Marktziel, möglichst viele Kunden möglichst lange exklusiv an sich zu binden und diese Kunden dem normalen freien Wettbewerb zu entziehen, um dadurch bei diesem Kunden weit höhere Preise durchzusetzen, als sie auf dem freien Flüssigmarkt verlangt werden, gefundene aggressive Eingriff der Klägerin in den freien Flüssigkeitsmarkt hätte, wollte man darin einen Wettbewerbsverstoß finden, mit der Eigentumsverletzung seitens der Beklagten nichts zu tun.

In der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches aus § 1004 BGB selbst liegt kein Wettbewerbsverstoß. Hier macht die Klägerin lediglich ein Individualrecht, nämlich ihr Eigentum am Flüssigkeitsbehälter geltend.

Ein Rechtsmissbrauch kann darin nicht gefunden werden.

Dass es der Klägerin gelungen ist, durch den Abschluss langjähriger Verträge Flüssiggasbezieher an sie zu binden und dadurch als potentielle Kunden der Beklagten für die Zeit dieser Bindung auszuschließen, ist für sich gesehen noch nicht als wettbewerbswidrig anzusehen. Im Gegensatz zur Annahme der Beklagten folgt aus dem Liefervertrag mit dem Kunden M keinesfalls, dass dieser für die vertraglich vereinbarte Laufzeit sich ohne Wenn und Aber den Gaspreisforderungen der Klägerin zu unterwerfen hätte. Die vertragliche Vereinbarung:

„Sollte dem Kunden während der Laufzeit dieses Vertrages von einem vergleichbaren Lieferanten für gleichartige Leistung ein günstigeres marktgerechtes Flüssiggasangebot unterbreitet werden, so hat sich V nach Einsichtnahme in dieses Angebot innerhalb von vier Wochen zu entscheiden, entweder darin einzutreten oder den Kunden aus dem Vertrag zu entlassen“

gibt dem Kunden der Klägerin jederzeit das Recht, sich einen anderen Gaslieferanten zu suchen, falls die Klägerin ihren Kunden nicht zu etwaigen niedrigeren Marktpreisen, als sie selbst verlangt, beliefern will.

Die von der Beklagten geäußerten Vermutung, die Klägerin wolle bei ihren Kunden weit höhere Preise durchsetzen, als sie auf dem freien Flüssiggasmarkt verlangt werden, ist damit ohne jeglichen Bezug zur Realität.

Nach alledem ist dem Klageantrag in vollem Umfang zu entsprechen, wobei die geringe sprachliche Abweichung des Urteilstenors von den Klageanträgen allein der Klarstellung dient und die Androhung der Ordnungsmittel auf § 890 ZPO gestützt wird (BGH NJW 1992,750).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709, 108 ZPO.

Meta

4 O 264/01

29.11.2001

Landgericht Münster Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: Landgericht Münster, Urteil vom 29.11.2001, Az. 4 O 264/01 (REWIS RS 2001, 403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 403

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