Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2013, Az. 2 StR 115/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7020

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Gegenstand

Mittäterschaft bei schwerem Raub: Zurechnung der Wegnahme


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer in der Revisionsinstanz als vollstreckt gilt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes und [X.]ihilfe zum schweren Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s verübten die gesondert verfolgten [X.].   und [X.].   seit März 2009 eine Serie von Überfällen auf Verbrauchermärkte und Bankfilialen. Dabei gingen sie stets nach demselben Schema vor. Sie passten die Mitarbeiter vor ihrem Arbeitsbeginn oder nach Feierabend ab und erzwangen unter Vorhalt von [X.] den Zugang zum [X.]. Nach der Tat mussten sich die [X.]diensteten auf den [X.]den legen und wurden mit Pfefferspray eingesprüht. Ziel des Überfalls war das in den [X.]en vermutete [X.]. Münzgeld ließen sie in der Regel zurück, da dies vergleichsweise schwer, auf der Flucht hinderlich und zudem von geringerem Wert war. Als Mittäter und Gehilfen bedienten sich [X.].   und [X.].   weiterer ihnen aus Jugendzeiten bekannter Personen, die sie in der Regel aber weder über die Details noch den genauen Ablauf der geplanten Taten informierten.

3

Der Angeklagte, der von der vorangegangenen Tatserie keine Kenntnis hatte, war bei [X.].   verschuldet. Am 28. Mai 2009 forderte [X.].   ihn auf, ihn und [X.].   nach [X.]    zu fahren. Erst unterwegs informierte er den Angeklagten darüber, dass ein [X.] überfallen werden sollte. Für den Angeklagten war klar, dass dabei jedenfalls [X.] zur Drohung eingesetzt würden. In der Nähe des Marktes parkte der Angeklagte das Fahrzeug und stand dort Schmiere. [X.].      und [X.].       passten vor dem [X.] drei Mitarbeiter, die nach Ladenschluss den Markt verlassen wollten, ab, und zwangen sie unter Vorhalt von ungeladenen Schusswaffen oder [X.], den Markt wieder zu betreten und den [X.] zu öffnen. Aus dem [X.] entnahmen sie die dort gelagerten „safe bags“, die knapp 30.000 Euro in Scheinen enthielten, sowie eine kleine Geldtasche mit Wechselgeld. [X.]im Verlassen des Tatorts öffnete einer der Täter die Tasche mit dem Wechselgeld und ließ sie noch innerhalb des Marktes zurück. Im Weggehen setzte [X.].      Pfefferspray gegen zwei [X.]dienstete des Marktes ein. [X.].         und [X.].          teilten sich die [X.]ute; der Angeklagte erhielt vorab 1.000 Euro und Schuldenerlass bei [X.].      (Fall [X.] der Urteilsgründe).

4

Am 7. September 2009 sprach [X.].      den Angeklagten erneut an und verlangte von ihm, noch einmal bei einem Überfall mitzuwirken. Auf der Fahrt forderte er ihn auf, [X.] auch mit in den Markt hinein zu gehen. Als Fahrer fungierte [X.].      . Nach Ladenschluss passten [X.].      und der Angeklagte mehrere Mitarbeiter eines [X.]s an der Tür des Personalausgangs ab und zwangen sie unter Vorhalt von [X.], den Markt wieder zu betreten. Sie bedrohten die Mitarbeiter und schoben sie in den [X.]raum. Dort ließ sich aber nur der äußere [X.] mit dem Wechselgeld öffnen. Für den inneren [X.], der mit dem Papiergeld befüllt war, hatten die Mitarbeiter des Marktes keinen Schlüssel. [X.].     entnahm dem äußeren [X.] mehrere Gebinde mit jeweils zehn Rollen Cent-Münzen. Danach ergriff der Angeklagte die Flucht. [X.].      folgte ihm und warf unterwegs, jetzt wieder eingedenk seines Vorhabens, keine Münzen mitzunehmen, das [X.] im Wert von insgesamt 80 Euro noch innerhalb des Marktes weg (Fall [X.] Urteilsgründe).

5

2. Das [X.] hat den Angeklagten im Fall [X.] wegen [X.]ihilfe zum schweren Raub gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB verurteilt. Den Einsatz des Pfeffersprays hat es dem Angeklagten mangels entsprechender Kenntnis nicht zugerechnet. Im Fall [X.] Urteilsgründe hat es den Angeklagten wegen schweren Raubes in Mittäterschaft verurteilt. Dabei ist es von einem vollendeten Raub ausgegangen, da [X.].      nach dem gesamten äußeren Erscheinungsbild bereits durch die Ansichnahme des [X.]s eigenen Gewahrsam begründet habe. Die Tat hat es dem Angeklagten auch im Hinblick auf die Wegnahme des [X.]es zugerechnet, denn er habe bemerkt, dass [X.].      dieses an sich genommen hatte, was er gebilligt habe und wovon er ausgegangen sei.

II.

6

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Einer näheren Erörterung bedürfen lediglich der Einwände der Revision, die sich gegen die Verurteilung des Angeklagten im Fall [X.] Urteilsgründe wegen schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB richten.

7

1. Rechtlich zutreffend hat das [X.] hinsichtlich der aus dem [X.] entnommenen [X.] einen vollendeten Raub angenommen.

8

Eine vollendete Wegnahme setzt voraus, dass fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Letzteres beurteilt sich danach, ob der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie ohne [X.]hinderung durch den früheren [X.] ausüben kann. Für die Frage der Sachherrschaft kommt es entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens an. Dabei macht es sowohl für die Sachherrschaft des bisherigen [X.]s wie für die des [X.] einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. [X.]i unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen ([X.], Urteil vom 21. April 1970 - 1 StR 45/70, [X.]St 23, 254, 255; [X.], Urteil vom 18. Februar 2010 - 3 [X.], [X.], 158).

9

Danach hatte [X.].      noch in der fremden Gewahrsamssphäre eigenen Gewahrsam begründet, indem er die [X.] an sich genommen und zudem als scheinbar bewaffneter Täter, der mit Gewalt drohte, die [X.]rechtigten vom Zugriff ausgeschlossen hat.

2. Die Wegnahme der [X.] war dem Angeklagten auch als Mittäter zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Das Handeln des gesondert verfolgten [X.].       war vom Vorsatz des Angeklagten gedeckt, der zum Zeitpunkt der Wegnahme auch die für eine Mittäterschaft erforderliche Zueignungsabsicht hatte.

So hat zwar die Kammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein auf eine zum Zeitpunkt der Wegnahmehandlung vorliegende Kenntnis und Billigung des Angeklagten abgestellt und daher offensichtlich (nur) eine sukzessive Mittäterschaft des Angeklagten angenommen. Nach den Feststellungen umfasste aber schon der anfängliche Tatplan auch die Wegnahme des [X.] bzw. schloss sie jedenfalls nicht aus. Denn auch die zwischen [X.].        und [X.].    bestehende Verabredung ging nur dahin, „in der Regel“ kein Münzgeld mitzunehmen, weshalb die Wegnahme von Münzgeld gerade nicht in jedem Fall und damit insbesondere dann nicht ausgeschlossen war, wenn, wie vorliegend, kein Papiergeld erbeutet werden konnte. Es kommt daher nicht darauf an, ob dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe überhaupt entnommen werden kann, dass der Angeklagte in diese Verabredung eingeweiht war. Dagegen spricht schon, dass der Angeklagte die vorangegangene Tatserie nicht kannte, dass [X.].     und [X.].      ihre Mittäter regelmäßig nicht in die Details ihres Tatplans einweihten und den Angeklagten jeweils auch erst auf der Fahrt über den geplanten Überfall informierten. Entsprechend konnte die Kammer auch nicht feststellen, dass dem Angeklagten die Verabredung bekannt war, dass [X.].      und [X.].     vor Verlassen des Tatorts regelmäßig Pfefferspray einsetzten.

3. Zur Kompensation einer überlangen [X.]arbeitungsdauer in der Revisionsinstanz hat der Senat angeordnet, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Die geringe zu Gunsten des Angeklagten ergangene Entscheidung rechtfertigt keine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO.

Fischer     

      

Ri[X.] Dr. [X.]rger ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.

      

Schmitt

      

      

Fischer

      

      

      

Krehl     

      

     Ott     

      

Meta

2 StR 115/12

27.03.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 19. Dezember 2011, Az: 67 KLs 901 Js 309/11 - 20/11

§ 25 Abs 2 StGB, § 250 Abs 1 Nr 1 Buchst b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2013, Az. 2 StR 115/12 (REWIS RS 2013, 7020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7020

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 593/18

Zitiert

3 StR 556/09

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