Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2023, Az. VIa ZR 460/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7529

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 11a. Zivilsenats des [X.] vom 3. März 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des [X.] zu 1 in Höhe eines an den Kläger zu zahlenden Betrags von 36.253,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 38.429,20 € seit dem 30. Januar 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie hinsichtlich der [X.] zu 2 und zu 3 zum Nachteil des [X.] erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 13. Juli 2015 von einem Händler zu einem Preis von 53.480 € einen von der Beklagten hergestellten neuen Transporter [X.], der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei geringen Außentemperaturen reduziert. Ob die sogenannte "Umschaltlogik" zum Einsatz kommt, steht zwischen den Parteien im Streit. Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf des [X.] ([X.]) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen.

3

Der Kläger hat zuletzt die Zahlung von 38.429,20 € (Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 15.050,80 € auf der Grundlage 98.500 gefahrener Kilometer und einer Gesamtlaufleistung von 350.000 Kilometern) nebst [X.] um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) und die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen (Berufungsantrag zu 3) begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat weitgehend Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Er habe keine greifbaren Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in sittenwidriger Weise zum Einsatz komme. Da für den in Rede stehenden Fahrzeugtyp ein höherer [X.] gegolten habe, sei eine Täuschung des [X.] durch den Einsatz einer "Umschaltlogik" zur Erlangung der [X.]-Typgenehmigung nicht erforderlich gewesen. Die Funktionsweise des [X.]s reiche nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein [X.] Gepräge zu geben. Dabei könne zugunsten des [X.] in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass das [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren sei. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu, weil es sich bei den Bestimmungen der [X.] nicht um auf den Schutz der Fahrzeugkäufer ausgerichtete Vorschriften handele.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung des [X.]s aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des von der Revision angeführten [X.]s getroffen.

III.

Das Berufungsurteil hat gleichwohl Bestand, soweit der Kläger mit dem Berufungsantrag zu 1 die Zahlung von mehr als 36.253,94 € verlangt. In Höhe des übersteigenden Betrags stellt sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Selbst wenn aufgrund vom Berufungsgericht bislang nicht festgestellter sonstiger Tatsachen eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB in Betracht käme (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 1031/22, [X.] 2023, 1133 Rn. 28), könnte ein möglicher Anspruch des [X.] auf Gewährung "großen" Schadensersatzes allenfalls auf die Zahlung von 36.253,94 € gerichtet sein. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung die Laufleistung seines Fahrzeugs mit 112.736 Kilometern angegeben. Anhand der von ihm gewählten Berechnungsmethode beläuft sich die vom Kaufpreis abzuziehende Nutzungsentschädigung demnach nicht auf 15.050,80 €, sondern auf 17.226,06 € (53.480 € x 112.736 Kilometer: 350.000 Kilometer). In Höhe des [X.] von 2.175,26 € ist die Revision daher zurückzuweisen.

IV.

Im Übrigen ist das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen der jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen zu haben.

[X.]     

  

Möhring     

  

Krüger

  

Wille     

  

Liepin     

  

Meta

VIa ZR 460/22

09.10.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 3. März 2022, Az: 11a U 912/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2023, Az. VIa ZR 460/22 (REWIS RS 2023, 7529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7529

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.