Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2016, Az. 1 StR 354/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2042

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:221116U1STR354.16.0

BUN[X.]S[X.]ERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR 354/16
vom
22. November 2016
[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
_____________________________

St[X.]B § 13 Abs. 1, § 227 Abs. 1

Bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge ist der erforderliche spezifische [X.]efahrzusammenhang regelmäßig

soweit nicht allgemeine [X.]ründe für einen Ausschluss der Zurechenbarkeit der schweren Folge eingreifen

gegeben, wenn der [X.]arant in einer ihm vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt.

[X.], Urteil vom 22. November 2016

1 StR 354/16

L[X.] Bamberg

-
2
-

in der Strafsache
gegen

wegen Mordes und versuchten Mordes

-
3
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
November 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.]raf

als Vorsitzender,

die [X.]in am Bundesgerichtshof
Cirener,
die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher
und die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr.
Fischer,

[X.] beim Bundesgerichtshof

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Nebenklägervertreter,

Justizangestellte

in
der Verhandlung ,
Justizobersekretärin

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der [X.]eschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
4
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 10.
Dezember 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache
wird
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels, an eine andere als [X.] zuständige Strafkammer des [X.]s
zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.]ründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in [X.] mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei [X.] und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt angeordnet.
[X.]egen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwalt-schaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, vor allem gegen die Beweiswürdigung des Tatgerichts gerichteten
Revision.
I.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s traf der an einer Abhängig-keit von Opiaten,
Benzodiazepinen, Amphetaminen und [X.]
(letzteres nachfolgend: [X.]) leidende Angeklagte in der [X.] in einem

1
2
-
5
-
[X.]

und

B.

gehörten. [X.]

lud die [X.]ruppe und den
Angeklagten dazu ein, in der
Wohngemeinschaft
des [X.]eschädigten [X.]

weiter zu feiern. Unmittelbar nach Eintreffen dort
konsumierte der Ange-
klagte auf der Toilette [X.] in einer Dosis von etwa 2 bis 2,5 ml. Die [X.]-menge entnahm er mittels einer Spritze einer ½-Liter
PET-Flasche, die mit un-verdünntem und hochkonzentriertem [X.] gefüllt war. Diese Flasche führte er in seiner Hosentasche mit sich.
Im Wohnzimmer stellte der Angeklagte die Flasche auf dem Boden ne-ben seinen Füßen ab. Zumindest gegenüber einigen der in der Wohnung
An-wesenden äußerte er, dass sich in der Flasche [X.] befinde und dieses nur in ganz kleinen [X.]einheiten eingenommen werden dürfe.
Zwischen 4.45 Uhr und 5.00 Uhr
nahm der zu diesem [X.]punkt stark alkoholisierte später verstor-bene [X.]

die
PET-Flasche des Angeklagten an sich und trank daraus
eine nicht näher bekannte Menge [X.]. Anschließend reichte
er
die Flasche an den ebenfalls erheblich unter Alkoholeinfluss stehenden
[X.]

weiter.
Dieser trank
wenige Schlucke des [X.]. [X.] war bewusst, dass sich [X.] in der Flasche befand. Sie gingen jedoch jeweils von einer konsumfähigen, keine Lebensgefahr hervorrufenden Dosierung
aus. Der Angeklagte hatte die Ein-nahme des [X.] durch den [X.]

gesehen. Über den [X.] seitens
des später verstorbenen
[X.]eschädigten
[X.]

unterrichteten ihn andere
in der Wohnung Anwesende.
B.

und [X.]

hielten sich noch kurze [X.] im Wohnzimmer
auf. Aufgrund der Wirkungen des [X.] wurden sie jedoch müde und gingen in das Schlafzimmer von [X.]

, wo sie alsbald einschliefen. In der Folge-
zeit begab sich der Angeklagte wie andere in der Wohnung befindliche Perso-nen auch in das Schlafzimmer, um nach beiden zu sehen. Dabei
hatten diese 3
4
-
6
-
Personen nicht den Eindruck, die schlafenden B.

und [X.]

befän-
den sich in Lebensgefahr. Während seines Aufenthalts im Schlafzimmer erhielt der Angeklagte keine Informationen, die auf eine Verschlechterung des [X.] der beiden hätten hindeuten können. Im weiteren Verlauf
des [X.]esche-hens wurden die beiden [X.]eschädigten von den
Zeugen
Bu.

und [X.]r.

auf
dem Bett jeweils in eine stabile Seitenlage gebracht und beobachtet.
Einige [X.] später kehrte der Zeuge [X.]

, ein weiteres Mitglied der
Wohngemeinschaft, in die Wohnung zurück. [X.]emeinsam mit dem Angeklagten begab er sich in das Schlafzimmer des [X.]eschädigten [X.]

. Dort wurde
der Zeuge
über den [X.]-[X.] der beiden unterrichtet. Der Zeuge
[X.]

erkannte keine gefährliche Situation für die [X.]eschädigten. Veranlassung, Ret-tungskräfte zu verständigen, sah er daher nicht.
Vielmehr ging er davon aus, dass
die
Zeugen Bu.

und [X.]r.

, den er

ebenso wie der Angeklagte

fälschlich
für einen Sanitäter hielt, sich weiter um die [X.]eschädigten kümmerten.
Der Zeuge [X.]

forderte die noch anwesenden [X.]äste auf, die Wohnung zu
verlassen. Nachdem der Angeklagte noch einmal mit [X.]

gesprochen hatte,
kam er dessen Verlangen nach und verließ die Wohnung.
Als der Zeuge [X.]

erneut in das Schlafzimmer des [X.]eschädigten
[X.]

kam, sah [X.]

, dass dessen [X.]esundheitszustand sich erheblich
verschlechtert hatte und der
[X.]eschädigte
sich in lebensbedrohlichem Zustand befand. Der Zeuge setzte einen Notruf ab.
Beide [X.]eschädigten wurden in ein
Krankenhaus eingeliefert. Der [X.]eschädigte [X.]

war vor dem Transport
dorthin durch einen Notarzt reanimiert worden. [X.]

verstarb vier Tage
später infolge des durch das [X.] verursachten [X.] und einer dadurch hervorgerufenen hypoxischen Hirnschädigung. Der Zeuge B.

wur-
de zwischenzeitlich maschinell beatmet und konnte
bereits
an dem auf die Tat 5
6
-
7
-
folgenden Tag ohne überdauernde
gesundheitliche Beeinträchtigungen aus stationärer Behandlung entlassen werden.
2.
Das [X.] hat das [X.]eschehen als durch den Angeklagten im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangene fahrlässige Tö-tung (§
222 St[X.]B) zum Nachteil des getöteten [X.]

in Tateinheit mit
fahrlässiger Körperverletzung (§
229 St[X.]B) zu Lasten des [X.]

ge-
wertet. Die Überzeugung vom
Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes bei dem Angeklagten hat es
sich
weder bezogen auf
den [X.]punkt des Abstellens der Flasche mit dem [X.] auf dem Fußboden des Wohnzimmers noch für den der Wahrnehmung des [X.]s durch B.

und [X.]

oder auf einen

späteren [X.]punkt, etwa dem der Kenntnis
des Angeklagten
davon, dass
die [X.]eschädigten schlafend auf dem Bett lagen, zu bilden vermocht (UA S.
28). Insbesondere ergaben sich
nach der Wertung des [X.]s keine Umstän-de, aus denen ausreichend tragfähig darauf hätte geschlossen werden können, dass der Angeklagte den Tod der beiden [X.]eschädigten bzw. eines von ihnen billigend in Kauf genommen hatte
(UA S.
29 ff.).
II.
Die
vom [X.]eneralbundesanwalt teilweise vertretene Revision der Staats-anwaltschaft
hat
Erfolg.
Die Erwägungen, mit denen das [X.] eine Verurteilung des [X.] wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§
227 St[X.]B) zum Nachteil des verstorbenen [X.]

abgelehnt hat, weisen durchgreifende Rechts-
fehler auf.
Insbesondere ist vom [X.] nicht erkennbar in den Blick [X.] worden, dass
nach den getroffenen Feststellungen
als [X.]runddelikt der 7
8
9
-
8
-
Erfolgsqualifikation des §
227 St[X.]B eine
Körperverletzung durch Unterlassen (§
223 Abs.
1, §
13 Abs.
1 St[X.]B) in Betracht kam.
In Bezug auf Straftaten zum Nachteil des geschädigten [X.]

ist das
[X.] seiner
Kogniti-
onspflicht
nicht in vollem Umfang nachgekommen, weil
es die angeklagte Tat ausschließlich als durch [X.] begangene fahrlässige Körperverletzung gemäß §
229 St[X.]B,
nicht
aber
unter dem Aspekt einer durch Unterlassen ver-wirklichten vorsätzlichen Körperverletzung
gewürdigt hat.
1.
Das Tatgericht hat eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit [X.] gemäß §
227 Abs.
1 St[X.]B
zu Lasten des [X.]eschädigten [X.]

mit der Begründung verneint, es habe sich nicht von der Begehung einer vor-sätzlichen Körperverletzung durch den Angeklagten überzeugen können (UA S.
34).
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
a)
[X.] beweiswürdigende Erwägungen zu den [X.]ründen, auf-grund derer das [X.] eine solche Überzeugung nicht hat gewinnen [X.], enthält das angefochtene Urteil nicht. Aus
dessen [X.]esamtzusammenhang lassen sich für das Revisionsgericht nachvollziehbar
dargelegte [X.]ründe dafür allenfalls insoweit entnehmen, als [X.] für den [X.]punkt bzw. [X.]raum vor dem [X.] des [X.] durch die [X.]eschädigten verneint wird. Nach den getroffenen Feststellungen und der zugrundeliegenden Beweiswürdi-gung hätte der Angeklagte zwar bei dem Abstellen der Flasche mit dem [X.] im Wohnzimmer angesichts des Zustands der übrigen [X.]äste in der Wohnung da-mit rechnen müsseu-

7).
Das Tatge-richt hat aber gerade nicht feststellen können, dass der Angeklagte bezogen auf das Abstellen der Flasche und die Mitteilung über
ihren Inhalt,
die Möglichkeit 10
11
-
9
-
eines [X.]s durch in der Wohnung
Anwesende und dadurch bewirkter
ge-sundheitlicher Beeinträchtigungen konkret erkannt hat.
Diese
Wertung wird durch die übrigen Feststellungen und die Beweiswürdigung insgesamt auch ohne nähere Ausführungen
getragen.
b)
Die tatrichterliche Beweiswürdigung lässt aber
nicht erkennen, aus welchen [X.]ründen
es an
einem
jedenfalls auf das Merkmal der [X.]esundheits-schädigung i.S.v.
§
223 Abs.
1 St[X.]B bezogenen Vorsatz des Angeklagten für den [X.]raum nach dem
von
diesem beobachteten (bzgl. des geschädigten [X.]

) bzw.
ihm
bekannt gewordenen (bzgl. des [X.]eschädigten [X.]

)
[X.] von [X.] durch die [X.]eschädigten
fehlen
soll. Das Landge-
richt hat

anders als bzgl. seiner Ausführungen zu einem durch Unterlassen (§
13 Abs.
1 St[X.]B) verwirklichten Totschlag (§
212 St[X.]B) oder Mord (§
211 St[X.]B) zum Nachteil von [X.]

die Möglichkeit einer Strafbarkeit we-
gen Körperverletzung durch Unterlassen zu Lasten beider [X.]eschädigter auf-grund des Verhaltens des Angeklagten nach Kenntnis der durch Trinken aus der Flasche erfolgten Aufnahme von [X.] nicht erkennbar in Betracht gezogen. Es fehlt dementsprechend an einer Beweiswürdigung, die die Wertung des [X.]s stützen könnte, vom Vorliegen eines [X.]es nicht überzeugt zu sein. Einer
solchen Beweiswürdigung hätte es aber bedurft. Nach den im Übrigen getroffenen Feststellungen kam eine Strafbarkeit des [X.] wegen Körperverletzung durch Unterlassen (§
223 Abs.
1, §
13 Abs.
1 St[X.]B) zu Lasten beider [X.]eschädigter in Betracht.
aa)
Vorsätzliche Körperverletzung gemäß §
223 Abs.
1 St[X.]B kann durch einen
[X.]aranten verwirklicht werden, wenn er
den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
trotz vorhandener Möglichkeit
dazu
pflichtwidrig
nicht abwendet. Ein
von §
223 Abs.
1 St[X.]B erfasster
Erfolg in [X.]estalt der [X.]esundheitsschädigung 12
13
-
10
-
kann auch darin liegen, dass bei einem behandlungsbedürftigen
Zustand einer Person die gebotene ärztliche Versorgung nicht bewirkt wird (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Juli 1995

4 [X.], [X.], 589 mwN; OL[X.] Düsseldorf, [X.] vom 10.
Januar 1989

2 Ss 302/88, [X.], 269 f.; BeckOK-St[X.]B/[X.], 32.
Edition, §
223 Rn.
30 mwN; siehe auch [X.],
Urteil vom 23.
Oktober 2007

1 [X.] [insoweit in [X.], 150 f. nicht abge-druckt]).
(1)
Eine solche Situation war auf der [X.]rundlage der getroffenen [X.] gegeben, nachdem die [X.]eschädigten unverdünntes [X.] in nicht genau bekannter Menge direkt aus der Flasche des Angeklagten getrunken
hatten. Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, bewirkt [X.] im Verlaufe der [X.] eine Atemdepression und im Weiteren eine Unterversorgung des [X.]ehirns mit Sauerstoff, wenn nicht rechtzeitig

wie beim geschädigten [X.]

eine künstliche Beatmung erfolgt. Unterbleibt die gebotene ärztliche [X.], erweist sich die Verschlechterung des durch die Wirkung des [X.] ohne-hin
hervorgerufenen
pathologischen Zustands als [X.]esundheitsschädigung i.S.v.
§
223 Abs.
1 St[X.]B. Diese hätte durch das Herbeirufen ärztlicher Hilfe [X.] werden können.
(2)
Für die Abwendung dieses Erfolges der Körperverletzung hatte der Angeklagte gemäß §
13 Abs.
1 St[X.]B auch rechtlich einzustehen. Dies resultiert aus seiner tatsächlichen Herrschaft über die von ihm in die Wohnung mitge-brachte
und dort für andere zugängliche
Flasche mit dem hochgradig gesund-heits-
und lebensgefährlichen [X.] ([X.], Beschluss vom 5.
August 2015

1 [X.], [X.]St 61, 21 Rn.
9).

14
15
-
11
-
(3)
Auf der [X.]rundlage der getroffenen Feststellungen war seine aus der Herrschaft über die [X.]efahrenquelle resultierende Pflicht zur Abwendung der vorstehend dargestellten [X.]esundheitsschädigung auch nicht durch eine eigen-verantwortliche Selbstgefährdung der [X.]eschädigten B.

und [X.]

ausgeschlossen. Denn es mangelt bereits an der Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung beider. Diese setzt voraus, dass der sich selbst [X.]efährdende (oder Verletzende) das eingegangene Risiko für das betroffene eigene Rechts-gut jedenfalls in seinem wesentlichen
[X.]rad zutreffend erkannt hat ([X.], [X.] vom 5.
August 2015

1 [X.], [X.]St 61, 21 Rn.
17; in der [X.] ebenso bereits [X.], Urteil vom 28.
Januar 2014

1 [X.], [X.]St 59, 150, 169 f. Rn.
80), wenn ihm auch nicht sämtliche rechtsgutbezogenen Risiken im Einzelnen bekannt zu sein brauchen (so [X.], Beschluss vom 11.
Januar 2011

5 [X.], [X.], 341, 342; siehe zudem [X.], Ur-teil vom 28.
Januar 2014

1 [X.], [X.]St 59, 150, 169 f. Rn.
80 f.; [X.], Beschluss vom 5.
August 2015

1 [X.], [X.]St 61, 21 Rn.
17). Nach den tatgerichtlichen Feststellungen haben beide [X.]eschädigte das Ausmaß des mit dem Trinken des [X.] aus der Flasche verbundenen Risikos grundlegend verkannt. Sie gingen nämlich beide von einer Konzentration des Wirkstoffs in einer konsumfähigen Dosis (UA S.
7), d.h. in einer verdünnten Form aus. Ange-sichts des tatsächlich unverdünnten und hochkonzentrierten [X.] war ihnen damit der wesentliche [X.]rad des mit dem [X.] für ihre jeweilige [X.]esundheit verbundenen Risikos nicht bewusst. Bereits dies schließt die [X.] aus. Zudem standen beide [X.]eschädigte im [X.]punkt der Einnahme un-ter nicht unerheblichem Einfluss von Alkohol sowie THC, Amphetamin und (in-soweit nur der [X.]eschädigte [X.]

) Methamphetamin (UA S.
10
f.).
Das
ist regelmäßig für die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung von nicht unerheblicher Bedeutung.
16
-
12
-
bb)
[X.] sich daher das Vorliegen des äußeren Tatbestandes von Körperverletzungen durch Unterlassen zum Nachteil beider [X.]eschädigter
auf, hätte das [X.] den jeweils darauf bezogenen, wenigstens bedingten Vorsatz des Angeklagten beweiswürdigend näher erörtern müssen. Daran fehlt es.
cc)
Beweiswürdigende Darlegungen
zum Vorsatz einer Körperverletzung zu Lasten beider
[X.]eschädigter durch Unterlassen
waren nicht deshalb ver-zichtbar, weil das [X.] mit einer für
sich
genommen rechtsfehlerfreien
Beweiswürdigung einen (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatz des Angeklag-ten hinsichtlich beider [X.]eschädigter
für den [X.]raum nach der Einnahme des [X.] durch B.

und [X.]

ausgeschlossen hat (UA S.
28
ff.). Entge-
gen der Auffassung der Revision hat das [X.]
zwar,
insbesondere aus den
Wahrnehmungen der übrigen [X.]äste in der Wohnung und vor allem des Zeugen [X.]

über den [X.]esundheitszustand der beiden [X.]eschädigten,
den
möglichen Schluss gezogen, dass auch der Angeklagte aufgrund der ihm be-kannten konkreten Umstände nach dem [X.] nicht von einer konkret le-bensbedrohlichen Lage ausgegangen und den Tod beider nicht billigend in Kauf genommen hat (UA S.
29 und 30). Diese Erwägungen schließen jedoch einen (bedingten) [X.], der auf eine

nicht notwendig lebens-bedrohliche

Verschlechterung des [X.]esundheitszustandes und der Möglichkeit von deren Abwendung gerichtet ist, nicht aus.
c)
Hinsichtlich des [X.]eschädigten [X.]

kam
darüber hinaus auch
eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge

227 Abs.1, §
13 Abs.
1 St[X.]B)
in Betracht.

17
18
19
-
13
-
aa)
Die Möglichkeit, §
227 St[X.]B durch einen [X.]aranten aufgrund einer Körperverletzung durch Unterlassen zu verwirklichen, ist in der Rechtsprechung ([X.], Urteile vom 30.
März 1995

4 StR 768/94, [X.]St 41, 113, 118 und
vom 20.
Juli 1995

4 [X.], [X.], 589 f.; Beschluss vom 20.
Juli 2006

3 [X.], [X.], 466 f.; vgl. auch Urteil vom 23.
Oktober 2007

1 [X.]
Rn.
30
[insoweit in [X.], 150
f. nicht abgedruckt]) und der Strafrechtswissenschaft (siehe nur Ingelfinger [X.]A 1997, 573 ff.; BeckOK-St[X.]B/
[X.]
aaO §
227 Rn.
3 und 11;
Fischer, St[X.]B, 63.
Aufl., §
227 Rn.
1 und 6a;
Hardtung in [X.] Kommentar zum St[X.]B, Band 1, 3.
Aufl., §
18 Rn.
47; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], St[X.]B, 29.
Aufl., §
227 Rn.
1) anerkannt.
bb)
Nach den bislang vom
[X.] getroffenen Feststellungen ist
eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß §
227 Abs.
1, §
13 Abs.
1 St[X.]B auch nicht aus rechtlichen [X.]ründen ausgeschlossen. Weder die sogenannte
Modali-tätenäquivalenz (§
13 Abs.

lichung des gesetzlichen Tatbestandes dur

bei erfolgsquali-fizierten Delikten erforderliche spezifische [X.]efahrzusammenhang stünden [X.].
Dabei bedarf es keiner
Entscheidung, ob
der in
dem Urteil des 4.
Strafsenats vom
20.
Juli 1995 (4 [X.], [X.], 589 f.) geäußerten Rechtsauffassung, in Fällen, in denen die Körperverletzung durch Unterlassen verwirklicht werde, komme eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit [X.] nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird, in dieser Allgemeinheit gefolgt werden könnte ([X.], Beschluss vom 20.
Juli 2006

3 [X.], [X.], 466 f.). Denn der 4.
Strafsenat hat in dem genannten Urteil entschieden, 20
21
22
-
14
-
von

s-zugehen, in denen erst der [X.] den zum Tode führenden Zu-stand verursacht hat

([X.] aaO [X.], 589, 590). Dementsprechend hatte derselbe Senat in einer früheren Entscheidung die Verurteilungen
der dortigen Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einer Fallgestaltung nicht beanstandet, in der diese ihr Kind unzureichend versorgt und der dadurch hervorgerufene atrophische Zustand die unmittelbare Ursache für den später

bei dem
Bemühen,
nunmehr das Kind mit Nahrung zu versorgen

eingetre-tenen
Erstickungstod des Kindes
bildete
([X.], Beschluss vom 18.
März 1982

4 StR 12/82
bei [X.] 1982, 624, zustimmend [X.] [X.]A 1984, 443, 446). Soweit in der Strafrechtswissenschaft das Urteil des 4.
Strafsenats vom 20.
Juli 1995 (aaO) dahingehend gedeutet wird, der Senat habe sämtliche Fall-gestaltungen aus dem Anwendungsbereich von §
227 St[X.]B (§
226 St[X.]B aF) ausnehmen wollen, in denen das Unterlassen an eine erhebliche lebensgefähr-liche Vorschädigung des später zu Tode [X.]ekommenen anknüpft (Ingelfinger [X.]A 1997, 573, 582),
findet dies in dem Urteil selbst so keine Stütze. Vielmehr hat der 4.
Strafsenat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, vom Vorlie-gen des spezifischen [X.]efahrzusammenhangs stets bei Verursachung des zum Tode führenden Zustands durch den [X.]aranten auszugehen ([X.] aaO [X.], 589, 590). In Übereinstimmung damit ist der Senat der Auffassung, dass der
spezifische
[X.]efahrzusammenhang
bei einer Körperverletzung durch Unter-lassen mit Todesfolge (§
227 Abs.
1, §
13 Abs.
1 St[X.]B) regelmäßig

soweit nicht allgemeine [X.]ründe eines Ausschlusses
der Zurechenbarkeit der schweren
Folge eingreifen

dann gegeben ist, wenn der [X.]arant
bereits
in einer ihm vor-werfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt.
In welchen Konstellationen darüber hinaus die Voraussetzungen einer Körperverletzung durch
Unterlassen mit Todesfolge gegeben sein
können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
-
15
-
Bei Anwendung der vorgenannten
Maßstäbe
kam eine Strafbarkeit des Angeklagten aus §
227 St[X.]B zu Lasten des [X.]eschädigten [X.]

in Be-
tracht.
Diese hat das [X.] aus den dargelegten [X.]ründen mit rechtsfeh-lerhafter Begründung verneint.
2.
Im Hinblick auf nach den getroffenen Feststellungen ernsthaft in [X.] kommende Straftaten zum Nachteil des geschädigten [X.]

ist
eine solche

wie dargelegt

wegen Körperverletzung durch Unterlassen vom [X.] unter Verstoß gegen seine Pflicht zur erschöpfenden Aburteilung der angeklagten Tat (§
264 StPO) nicht erörtert worden.
3.
Die teils rechtsfehlerhafte, teils unterbliebene Erörterung vorsätzlicher Körperverletzungsdelikte zum Nachteil beider
[X.]eschädigter führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Da das [X.] bezüglich vorsätzlicher Körper-verletzungsdelikte zu Lasten des verstorbenen [X.]eschädigten [X.]

ei-
nen solchen Vorsatz rechtsfehlerhaft verneint hat, bedarf es auch der Aufhe-bung der zugrunde liegenden Feststellungen (§
353 Abs.
2 StPO).
Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu sämtlichen in Betracht kommenden Straftatbeständen zu Lasten der beiden [X.]eschädigten zu ermögli-chen, erfasst die Aufhebung sämtliche Feststellungen.
III.
1.
Soweit die Staatsanwaltschaft
sich
dagegen wendet, dass das Tatge-richt bedingten Tötungsvorsatz (auch) für den [X.]raum nach dem ihm bekann-ten [X.] des [X.] durch die [X.]eschädigten verneint hat, bliebe
das [X.] ohne
Erfolg. Wie in der Antragsschrift des [X.]eneralbundesanwalts näher 23
24
25
26
-
16
-
ausgeführt,
enthält die zugrunde liegende Beweiswürdigung keine durchgrei-fenden Rechtsfehler (siehe auch bereits oben Rn.
17).
2.
Dagegen hielte
die Annahme durch den [X.] von Benzodiazepi-nen und [X.]
bei Tatbegehung bewirkter
erheblich verminderter Steuerungsfä-higkeit (§ 21 St[X.]B) des Angeklagten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung letztlich darauf be-schränkt, dem [X.]utachten des gehörten psychiatrischen Sachverständigen zu folgen, der aufgrund der Mischintoxikation vom [X.] der krankhaf-ten seelischen Störung und

von
erheblich geminderter Steuerungsfähigkeit ausgegangen ist (UA S.
32 f.). Es wäre aber geboten
ge-wesen, die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachver-ständigen im Urteil so wiederzugeben, wie dies zum Verständnis des [X.]utach-tens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich gewesen wäre (st.
Rspr.; etwa [X.], Beschlüsse vom 28.
Januar 2016

3 StR 521/15, [X.], 135 f.; vom 27.
Januar 2016

2 StR 314/15
und
vom 20. April 2016

1 [X.], [X.], 239 f. mwN).
3.
Sollte das
neue Tatgericht sich bezüglich
Taten zum Nachteil des ver-storbenen [X.]eschädigten [X.]

weder vom Vorliegen der Voraussetzun-
gen eines Tötungsdelikts durch Unterlassen noch
einer
Körperverletzung durch
27
28
-
17
-
Unterlassen mit Todesfolge überzeugen können, werden diejenigen einer Straf-barkeit wegen Aussetzung mit Todesfolge gemäß §
221
Abs.
1 Nr.
2 i.V.m.
Abs.
3 St[X.]B zu bedenken sein.
[X.]raf Cirener Radtke

Mosbacher Fischer

Meta

1 StR 354/16

22.11.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2016, Az. 1 StR 354/16 (REWIS RS 2016, 2042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2042

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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