Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2016, Az. 2 StR 314/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17064

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:270116B2STR314.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 314/15

vom
27. Januar 2016
in der
Strafsache
gegen

wegen Diebstahls u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27. Januar 2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. März 2015
mit den Feststellungen aufgehoben;
die Feststellungen zum objektiven Tatgesche-hen bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur
neuen
Ver-handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls in vier Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer vorangegangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und wegen Diebstahls in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verur-teilt. Es hat zudem angeordnet, den Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Angeklagten hat mit der
Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang weitgehend Erfolg.

1
-
3
-
1. Nach Überzeugung der Strafkammer entwendete der Angeklagte im Zeitraum von
Juli 2012 bis März 2013 in fünf Fällen Tabakdosen, Parfum und Spirituosen aus Supermärkten und
Kaufhäusern, um durch deren Verkauf seine Drogen-
und Alkoholsucht zu finanzieren; im April 2013 stahl der Angeklagte einen unverschlossenen Pkw, mit dem er umherfuhr, ohne im Besitz einer gülti-gen Fahrerlaubnis zu sein. Im Dezember 2013 entwendete der Angeklagte in einem Hotelrestaurant aus der Handtasche einer Servicekraft deren Portemon-naie. Das [X.] hat

stereotyp

i
d-fähigkeit des Angek

Hinsichtlich weiterer angeklagter Taten

Nötigung und versuchte [X.] im Februar 2013, drei Fälle des (versuchten) Diebstahls aus unverschlos-senen Kraftfahrzeugen sowie Körperverletzung und Beleidigung im Dezember 2013, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung im April 2014

hat das sachverständig beratene [X.] den Angeklagten freigesprochen, weil entweder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner schi-zophrenen Erkrankung bzw. Pf-

Das [X.] hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen.
[X.] bestünde beim Angeklagten eine paranoide,
aktuell unvollständig remit-tierte Schizophrenie und ein Abhängigkeitssyndrom von multiplen psychotropen Substanzen.
2. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Gegen die Schuld-fähigkeitsprüfung
der Strafkammer bestehen durchgreifende Bedenken, so 2
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4
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4
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dass auch die Voraussetzungen einer Unterbringung nach §
63 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt
sind.
a) Wenn sich der Tatrichter

wie hier

darauf beschränkt, sich der Be-urteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. [X.],
Beschluss vom 17.
Juni 2014 -
4 [X.], [X.], 305, 306 mwN). Dies gilt auch in Fällen paranoider Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 24. April 2012 -
5
StR 150/12, [X.], 239; vom 17. Juni 2014 -
4 [X.], [X.], 305, 306 mwN). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der jeweiligen Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (Senat, [X.] vom 29.
Mai 2012 -
2 [X.], [X.], 306, 307).
b) Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Dabei kann dahinstehen, ob die im Allgemeinen verbleibende Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen schon nicht hinrei-chend deutlich macht, ob die Einschränkung der Schuldfähigkeit auf dem für die Anordnung der Maßregel erforderlichen, länger andauernden Defekt beruht (vgl. dazu
[X.],
Beschluss vom 17. November 1987 -
5
StR 575/87, [X.]R StGB § 63 Zustand 6 mwN). Jedenfalls fehlt eine nähere Darlegung des Ein-6
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flusses des diagnostizierten [X.] auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in den
jeweils konkreten Tatsituationen, insbesondere in den Fällen, in denen der Angeklagte im Dezember 2013 Gegenstände aus Kraft-fahrzeugen entwendet
hat, -
und Dro-Dies gilt umso mehr, als dass das [X.] andererseits hinsichtlich des wenige Tage zuvor verübten [X.] im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt habe.
Auch der als Anknüpfungstatsache herangezogene Umstand einer Un-terbringung des Angeklagten im Dezember 2013 ist hinsichtlich der im Februar 2013 begangenen Tat, bei der die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufge-hoben gewesen sein soll,
von nicht näher erläuterter Aussagekraft, zumal das
[X.] andererseits bei den Taten im März und April 2013 wiederum nicht ausschließen konnte, dass der Angeklagte im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt habe.
c) Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten

auch als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB

bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
Das gilt auch hinsichtlich der Fälle, in denen das r-heblich vermivermocht hat;
wegen des untrennbaren Zusammenhangs der [X.] kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer erneuten

ein-heitlichen

Beurteilung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten auch insoweit die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit vollständig aufgehoben war
(zum [X.] bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung vgl. auch [X.], Beschluss vom 19. November 2014 -
4 [X.], [X.], 71
[Leitsatz]).

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3. Für
die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass sich der neue Tatrichter zum Vollstreckungsstand des Urteils des [X.] vom 10. März 2013 und des Strafbefehls des [X.] vom 14. März 2013 zu verhalten haben wird. Sollten die dort jeweils verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des [X.] Urteils erledigt gewesen sein und deshalb im Falle erneuter Verurtei-lung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre ein Härteausgleich zu erwägen (vgl. auch [X.], Urteil vom 25. April 1990
-
3
StR 59/89, [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 3;
Beschluss vom 17. September 2014 -
2 [X.]/14).

Fischer
Ri[X.] [X.] ist wegen

Eschelbach

Urlaubs an der Unterschrifts-

leistung gehindert.

Fischer

Zeng Bartel

11

Meta

2 StR 314/15

27.01.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2016, Az. 2 StR 314/15 (REWIS RS 2016, 17064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17064

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 171/14

2 StR 139/12

4 StR 497/14

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