Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. EnVR 40/16

Kartellsenat | REWIS RS 2017, 9427

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:200617BEN[X.]R40.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
En[X.]R 40/16
[X.]erkündet am:

20. Juni 2017

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen [X.]erwaltungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Heizkraftwerk Würzburg GmbH
[X.] § 18 Abs. 1 Satz 2
Die vorgelagerte Netzebene im Sinne von §
18 Abs.
1 Satz
2 [X.] muss nicht zwingend [X.] sein als die Ebene des Netzes, in der die dezentrale Einspeisung erfolgt. Eine Netzebene ist vielmehr auch dann vorge-lagert, wenn sie von einem anderen Netzbetreiber betrieben wird und deshalb für die Einspeisung in das nachgelagerte Netz ein Entgelt anfällt, das durch die dezentrale Einspeisung vermieden wird.
[X.], Beschluss vom 20. Juni 2017 -
En[X.]R 40/16 -
[X.]

-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.]erhandlung vom 20.
Juni 2017 durch die Präsidentin des [X.] [X.], den [X.]orsitzenden Richter Dr.
Raum und [X.]
Kirchhoff, Dr.
Grüneberg
und Dr.
Bacher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3.
Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31.
August 2016 wird [X.].
Die [X.] trägt die Kosten des [X.] einschließlich der notwendigen Auslagen der Antrag-stellerin.
Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 327.000 Euro festgesetzt.
-
3
-
Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt ein Heizkraftwerk, das an das von der [X.] betriebene Elektrizitätsverteilernetz in der [X.] (110 Kilovolt, Ebene
3 im Sinne der Anlage
3 zur Stromnetzentgeltverordnung) angeschlossen ist. Das Netz der Antragstellerin ist in [X.] an das vorgelagerte [X.]erteilernetz der [X.] angeschlossen.
Seit Januar 2015 berechnet die Antragsgegnerin das nach §
18 [X.] zu zahlende Entgelt -
in Übereinstimmung mit
der von der Bundesnetza-gentur vertretenen Rechtsauffassung -
nach dem Preisblatt der [X.] für die [X.] (Ebene
2). Dies führt für die Antragstellerin im [X.]ergleich zur zuvor praktizierten Abrechnung nach dem Preisblatt der [X.] für die Ebene
3
zu Mindererlösen.
Die Antragstellerin hat begehrt, der Antragsgegnerin im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens nach §
31 [X.] die Berechnung nach dem Preisblatt für die Ebene
3 aufzugeben. Die [X.] hat diesen Antrag zurück-gewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht die ablehnende
Entscheidung aufgehoben und die [X.] zur Neube-scheidung verpflichtet. Dagegen wendet sich die [X.] mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Antragstelle-rin entgegentritt.
1
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4
-
4
-

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde
ist unbegründet.
1.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Zu Unrecht habe die Antragsgegnerin zur Ermittlung des vermiedenen [X.] das Preisblatt für die Umspannebene von Höchst-
zu Hochspan-nung zu Grunde gelegt. Der nach §
18 Abs.
1 Satz
2 [X.] maßgebliche Begriff "vorgelagerte Netz-
oder
Umspannebene" sei nicht nur spannungsbezo-gen, sondern daneben auch netzbetreiberbezogen auszulegen. Zwar spreche der Wortlaut eher für eine spannungsbezogene Auslegung. Er schließe es aber nicht aus, den Begriff "Netzebene"
in bestimmten Situationen auch netzbetrei-berbezogen zu verstehen. Für eine solche Auslegung sprächen die Begründung des [X.], die Entstehungsgeschichte der Norm, ihre Systema-tik und ihr Sinn und Zweck. Entgegen der Auffassung der [X.] ergebe sich aus Art.
3 GG keine abweichende Beurteilung.
2.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Be-schwerdegericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das der [X.] gemäß §
18 Abs.
1 [X.] zustehende Entgelt für dezentrale Einspeisung anhand des Preisblatts für die [X.] zu berech-nen ist.
Gemäß §
18 Abs.
1 Satz
2 [X.] muss das Entgelt für dezentrale Einspeisung den Netzentgelten entsprechen, die gegenüber den vorgelagerten Netz-
oder Umspannebenen durch die jeweilige Einspeisung vermieden wer-den. Als [X.] in diesem Sinne ist die Netz-
oder Umspannebene des vorgelagerten Netzes anzusehen. Entgegen der Auffassung der Bundes-netzagentur muss dies nicht zwingend [X.] sein als die Ebene des nachgelagerten Netzes, in das
die dezentrale Einspeisung erfolgt.
Eine 5
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Netzebene ist vielmehr auch dann vorgelagert, wenn sie von einem anderen Netzbetreiber betrieben wird und deshalb für die Einspeisung in das nachgela-gerte Netz ein Entgelt anfällt, das durch die dezentrale Einspeisung vermieden wird.
a)
Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Wort-laut der [X.]orschrift nicht eindeutig.
Die Begriffe "Netzebene" und "Umspannebene" knüpfen allerdings an
bestimmte Spannungsbereiche und damit an technische Sachverhalte an.
Netzebenen sind nach §
2 Nr.
10 [X.] die Bereiche von Elektrizitätsver-sorgungsnetzen, in welchen elektrische Energie in Höchst-, Hoch-, Mittel-
oder Niederspannung übertragen oder verteilt wird. Umspannebenen sind nach §
2 Nr.
12 [X.] sinngemäß die Bereiche, in denen die Spannung zwischen zwei benachbarten Netzebenen umgewandelt
wird.
Daraus ist jedoch nicht eindeutig zu entnehmen, worauf sich der Begriff "vorgelagert" bezieht. Die an technischen Gegebenheiten orientierte Definition in §
2 Nr.
10 [X.] mag zwar nahelegen, dass nur höhere Netz-
oder Um-spannebenen als vorgelagert angesehen werden können. Der Wortlaut lässt indes auch das [X.]erständnis zu, dass als [X.]ergleichsobjekt das nachgelagerte Netz anzusehen ist, in das die dezentrale Einspeisung erfolgt
-
unabhängig da-von, ob dieses Netz zu [X.] gehört als das vorgelagerte Netz.
b)
Die Systematik der Stromnetzentgeltverordnung führt ebenfalls nicht zu einem eindeutigen Ergebnis.
Für eine nicht allein an der Spannungsebene orientierte Auslegung spricht allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, der auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogene Umstand, dass eine Kos-tenwälzung auf das nachgelagerte Netz gemäß §
14 [X.] auch dann 10
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stattfindet, wenn das vorgelagerte Netz auf derselben Netzebene betrieben wird. Hieraus ergeben sich indes keine zwingenden Schlussfolgerungen. Der Betreiber des nachgelagerten Netzes hätte die auf seine Entnahme entfallen-den Kosten nämlich auch dann zu tragen, wenn er als [X.] im Sinne von §
14 Abs.
1 [X.] zu qualifizieren wäre.
Aus demselben Grund ermöglicht der Umstand, dass es im vorgelager-ten Netz eine Entnahmestelle im
Sinne von §
2 Nr.
6 [X.] geben muss, aus der Energie in das nachgelagerte Netz eingespeist wird, ebenfalls keine eindeutige Schlussfolgerung. §
2 Nr.
6 [X.] sieht eine Entnahme nicht nur durch Letztverbraucher und nachgelagerte Netz-
oder
Umspannebenen vor, sondern auch durch [X.].
c)
Aus der Entstehungsgeschichte von §
18 [X.] ergeben sich ebenfalls keine eindeutigen Hinweise.
Hierbei kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang der [X.] die Regelung aus der [X.]erbändevereinbarung II plus aufgreifen wollte. Nach den Feststellungen des [X.] knüpfte auch diese [X.]ereinbarung an die Einsparung von Netzentgelten in vorgelagerten Netzebe-nen an
und warf mithin vergleichbare Auslegungsfragen auf. Selbst wenn der
[X.]erordnungsgeber diese Regelung hätte unverändert übernehmen wollen, stell-te sich die für die Entscheidung des Streitfalls relevante Frage mithin in gleicher Weise.
Der in der Anlage der [X.]erbändevereinbarung enthaltenen Definition des Begriffs "Netzbereich" kommt ebenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Stromnetzentgeltverordnung verwendet diesen Begriff nicht. Sie enthält auch keine Definition des in §
2 Nr.
10 und 12 [X.] verwendeten
Begriffs
"Bereich".
Angesichts dessen kann nicht ohne weiteres angenommen werden, 15
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dass der [X.]erordnungsgeber die früher geltende Regelung in jeder Hinsicht unverändert
übernehmen wollte.
d)
Dass der Begriff "vorgelagerte Netzebene" nicht allein anhand der eingesetzten Spannung zu bestimmen ist, ergibt sich,
wie das Beschwerdege-richt zu Recht entschieden hat, aus dem Sinn und Zweck von §
18 Abs.
1 [X.].
aa)
§
18 Abs.
1 [X.] dient dem Zweck, dem Betreiber einer dezentralen
Erzeugungsanlage die [X.]orteile zukommen zu lassen, die der [X.] infolge der dezentralen Einspeisung durch [X.]ermeidung von Entgelten für die Nutzung vorgelagerter Netze erzielt.
In der Begründung des [X.] wird ausgeführt, die dezentrale
Einspeisung elektrischer Energie verursache unmittelbar eine Redu-zierung der Entnahme aus der vorgelagerten Netz-
oder Umspannebene. Dies habe kurzfristig zur Folge, dass aus Sicht des Netzbetreibers, in dessen Netz-
oder Umspannebene dezentral eingespeist werde, der von ihm zu tragende Anteil der Kosten des vorgelagerten Netzes sinke, der von den übrigen ent-nehmenden [X.] zu tragende Anteil hingegen steige. Mittel-
bis langfris-tig könne die dezentrale Einspeisung tendenziell zu einer Reduzierung der er-forderlichen Netzausbaumaßnahmen in den vorgelagerten Netzebenen und damit zu geringeren Gesamtnetzkosten führen. Zur Abgeltung dieses Beitrags zur Netzkostenverminderung werde Betreibern von dezentral einspeisenden Erzeugungsanlagen ein Entgelt gezahlt (BR-Drucks.
245/05 S.
39).
Diese Ausführungen beziehen sich zwar überwiegend auf Netz-
und Um-spannebenen. Die wesentlichen Effekte, die den [X.]erordnungsgeber zu der [X.] bewogen haben, -
ein geringerer Anteil des Netzbetreibers an den Kos-ten des vorgelagerten Netzes und eine tendenziell geringere Belastung des 19
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vorgelagerten Netzes

treten grundsätzlich aber auch dann ein, wenn der [X.] an das vorgelagerte Netz auf [X.] erfolgt.
[X.])
Der von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob dezentrale Einspeisung mittel-
oder langfristig tatsächlich zu einer Kostensenkung führt, kommt vor diesem Hintergrund keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Die Rechtsbeschwerde sieht die Gefahr, dass die Betreiber vorgelagerter Netze zu einer Reduzierung von Ausbaumaßnahmen nicht in der Lage sein werden, weil sie [X.]orsorge für einen Ausfall der dezentralen Erzeugungsanlagen treffen müssen. Diese Gefahr besteht indes ebenfalls grundsätzlich unabhängig davon, ob das vorgelagerte Netz zu derselben oder zu [X.] gehört. Sie kann es deshalb nicht rechtfertigen,
bei der Bemessung des [X.] zwischen diesen beiden Konstellationen zu differenzieren.
e)
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine abwei-chende Beurteilung nicht aus Gründen der Gleichbehandlung geboten.
Die in §
18 Abs.
1 [X.] vorgegebene Berechnungsweise hat aller-dings zur Folge, dass die Höhe des Entgelts von den individuellen Gegebenhei-ten des jeweiligen Netzes abhängt. Dies ist indes schon deshalb sachgerecht, weil die Netzkosten generell durch Besonderheiten des jeweiligen Netzes ge-prägt sind. Angesichts dessen fließt einem Anlagenbetreiber, dessen Einspei-sung in besonders hohem Umfang zur [X.]ermeidung von Netzentgelten führt, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein ungerechtfertigter [X.]orteil zu. Es entspricht vielmehr
dem Zweck von §
18 Abs.
1 [X.] und der vom [X.]erordnungsgeber vorgegebenen Berechnungsweise, wenn die erzielten [X.] nicht der Gesamtheit der Netzbetreiber zukommen, sondern dem Anlagenbetreiber, auf dessen Einspeisung sie beruhen.

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Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob das Entgelt für dezentrale Einspeisung in bestimmten Konstellationen sogar höher sein kann als die vermiedenen Entgelte für die Nutzung vorgelagerter Netz-
oder Um-spannebenen, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Selbst wenn sie zu be-jahen wäre, ergäbe sich daraus für die hier zu beurteilende Konstellation nicht, dass das Entgelt für die Einspeisung geringer sein muss als die vermiedenen Netzentgelte.
f)
Die von der [X.] in der mündlichen [X.]erhandlung auf-geworfene Frage, ob die vorgelagerte Netz-
oder Umspannebene im Zusam-menhang mit der Festlegung von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel gemäß §
19 Abs.
3 Satz
4 [X.] zwingend eine höhere
Ebene sein muss als die Ebene, zu der die singulär genutzten Betriebsmittel gehören, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.
Aus dem oben aufgezeigten Zweck des §
18 Abs.
1 Satz
2 [X.] ergibt sich, dass die vorgelagerte Netzebene im Sinne dieser [X.]orschrift nicht zwingend [X.] sein muss.
Dies schließt nicht aus, dass die ent-sprechende Frage im Zusammenhang mit §
19 Abs.
3 Satz
4 [X.] auf-grund einer möglicherweise abweichenden Zielsetzung dieser [X.]orschrift anders zu entscheiden ist. Wenn § 19 Abs.
3 Satz
4 [X.] einem anderen Zweck dient, können aus der Auslegung dieser [X.]orschrift aber auch keine [X.] für die Auslegung von §
18 Abs.
1 Satz
2 [X.] gezogen werden.
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3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Satz
2 [X.], die Festset-zung des Gegenstandswerts auf §
50 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 GKG und §
3 ZPO.
[X.]
Raum
Kirchhoff

Grüneberg
Bacher
[X.]orinstanz:
[X.], Entscheidung vom 31.08.2016 -
[X.]I-3 Kart 116/15 ([X.]) -

30

Meta

EnVR 40/16

20.06.2017

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. EnVR 40/16 (REWIS RS 2017, 9427)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9427

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