Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2017, Az. 3 StR 517/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 14589

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung bei Tatversuch


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 19. September 2016 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Urteilsfeststellungen brachen der Angeklagte und der gesondert verfolgte [X.]    nachts in das Haus des Geschädigten [X.]     ein, um dort nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen; sie nahmen irrtümlich an, dass sich niemand in dem Gebäude aufhielt. Nachdem der Angeklagte im Schlafzimmer den schlafenden [X.]      vorgefunden hatte, verließen beide das Haus mit dem bis zu diesem Zeitpunkt bereits erbeuteten Diebesgut. Unmittelbar danach entschlossen sie sich auf Drängen von [X.]    jedoch, wieder zurückzukehren, um auch das Schlafzimmer nach Bargeld oder anderen Wertsachen zu durchsuchen; sie kamen dahin überein, das Haus sofort wieder zu verlassen, falls [X.]     aufwachen sollte.

3

Während sie das Schlafzimmer durchsuchten, erwachte [X.]   . [X.]   versetzte ihm daraufhin einen Faustschlag ins Gesicht, durch den [X.]    eine Platzwunde im Lippenbereich und Schmerzen im Gesicht erlitt. Als [X.]      sich anschließend aufrichten wollte, trat [X.]    ihn so stark in den Rücken, dass er aus dem Bett geschleudert wurde; dadurch zog sich [X.]    eine großflächige, blutunterlaufene Hautabschürfung sowie schmerzhafte Hämatome und Prellungen im [X.] zu. [X.]    verlangte sodann wiederholt in bedrohlicher Weise Geld von [X.]     . Er wandte sich auch an den Angeklagten, der das Geschehen tatenlos mit angesehen hatte, und forderte ihn auf, "die Sache" zu Ende zu bringen, falls sie Geld haben wollten. Spätestens nachdem [X.]     einen Herzanfall vorgetäuscht hatte, weil er hoffte, die Täter dadurch dazu zu bringen, von ihm abzulassen, entschloss sich der Angeklagte, sich an der weiteren Tatausführung zu beteiligen, um von [X.]      unter Anwendung von Gewalt Bargeld ausgehändigt zu bekommen. Zu diesem Zweck rissen der Angeklagte und [X.]   [X.]    gemeinsam vom Boden hoch und zerrten ihn gewaltsam die Treppe zum Erdgeschoss herunter; dabei fixierten sie ihn mit schmerzhaften Griffen und fügten ihm dadurch Hämatome an den Oberarmen zu. Als der Angeklagte den Geschädigten [X.]     am Fuß der Treppe losließ, konnte dieser sich von [X.]    losreißen und aus dem Haus fliehen.

4

2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere hat das [X.] darin, dass der Angeklagte und [X.]    [X.]    gemeinsam vom Boden hochrissen und anschließend die Treppe herunterzerrten, indem sie ihn mit schmerzhaften Griffen an den Armen fixierten und ihm dadurch Hämatome zufügten, zu Recht eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gesehen. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte insoweit vorsätzlich handelte.

5

Es stellt die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung deshalb nicht in Frage, dass das [X.] dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB unter dem Gesichtspunkt sukzessiver Mittäterschaft "auch die vorangegangenen - noch massiveren - Körperverletzungshandlungen" von [X.]    zum Nachteil von [X.]     als eigene zugerechnet hat. Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil der Angeklagte den Entschluss, seinerseits körperlich auf [X.]    einzuwirken, erst fasste, als die [X.] durch den Faustschlag ins Gesicht von [X.]    und den Fußtritt in dessen Rücken bereits eingetreten und die betreffenden Körperverletzungshandlungen von [X.]    damit beendet waren (vgl. dazu [X.], Urteile vom 18. Oktober 2007 - 3 [X.], [X.], 34; vom 16. Juni 2016 - 3 [X.], juris Rn. 23). Nach Beendigung der Tat kommt eine sukzessive Mittäterschaft jedoch nicht mehr in Betracht (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - 3 [X.], juris Rn. 23).

6

3. Der Strafausspruch kann demgegenüber nicht bestehen bleiben. Die [X.] ist bei der Strafzumessung zutreffend von dem durch die §§ 255, 249 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB normierten Strafrahmen ausgegangen und hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne der §§ 255, 249 Abs. 2 StGB mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat sie indes nicht mit tragfähiger Begründung abgelehnt. Sie hat zwar nicht verkannt, dass die Entscheidung über die [X.] beim Versuch aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und der Tatumstände im weitesten Sinne zu treffen ist, bei der vor allem den versuchsbezogenen Gesichtspunkten, namentlich der Nähe zur Tatvollendung und der Gefährlichkeit des Versuchs besonderes Gewicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 17. Februar 2014 - 3 StR 7/14, [X.], 136, 137). Letztlich hat die [X.] der [X.] jedoch dieselben Erwägungen zugrunde gelegt, mit denen sie auch das Vorliegen eines minder schweren Falles abgelehnt hat; wesentlich versuchsbezogene Umstände hat sie demgegenüber nicht näher erörtert. So hat sie im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Angeklagte und [X.]    "bereits mehrfach und mit massiver Gewalt auf den betagten, unter Todesangst leidenden Geschädigten eingewirkt und ihn - trotz bereits zuvor gemachter Beute und der Annahme, der Geschädigte habe einen Herzanfall erlitten - gewaltsam in das Erdgeschoss verbracht" hatten, "um von ihm dort (weiteres) Geld zu erlangen". Dies vermag die Annahme der [X.], dass der Versuch "bereits weit fortgeschritten" gewesen sei, nicht zu tragen.

7

4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

8

Es ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafschärfend zu berücksichtigen. Zu beachten ist gemäß dem oben Gesagten aber, dass die Gewalthandlungen, die [X.]    zum Nachteil von [X.]     vornahm, bevor sich der Angeklagte zum Mitwirken entschloss, diesem nicht als eigene Körperverletzungshandlungen zuzurechnen sind.

[X.]   

        

Ri[X.] Dr. Schäfer ist erkrankt
und daher gehindert zu
unterschreiben.

        

[X.]

                 

[X.]

                 
        

Tiemann   

        

   Hoch   

        

Meta

3 StR 517/16

07.03.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 19. September 2016, Az: 223 KLs 13/16

§ 23 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2017, Az. 3 StR 517/16 (REWIS RS 2017, 14589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14589

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 517/16 (Bundesgerichtshof)


2 StR 436/17 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwerer Raub ohne Durchladen der Schusswaffe


4 StR 428/23 (Bundesgerichtshof)

Lebensgefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung: Wiedergabe der Beweiserwägungen bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellation


3 StR 633/14 (Bundesgerichtshof)

Schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen: Tatbestandsmerkmal des Quälens und der böswilligen Verletzung der Fürsorgepflicht …


3 StR 126/18 (Bundesgerichtshof)

Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen: Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.