Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2024, Az. 1 StR 472/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1846

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Juni 2023 dahin abgeändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.289.422,73 € angeordnet wird; die weitergehende Einziehung entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.323.508,73 € angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt überwiegend erfolglos.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s erwarb der Angeklagte von Oktober 2015 bis April 2020 insgesamt 598 ursprünglich aus den [X.] stammende Unfallfahrzeuge, die in [X.] vordergründig instandgesetzt worden waren und anschließend von im Inland ansässigen [X.] weiterverkauft wurden. Der Angeklagte trat nicht selbst als Verkäufer nach außen auf, um sich so den Finanzbehörden und anderen Gläubigern zu entziehen. Die Mittelsmänner handelten gegenüber den Erwerbern in eigenem Namen, allerdings – ohne dass die Erwerber dies wussten – nach Weisung und auf Rechnung des Angeklagten. Dieser gab ihnen die Verkaufspreise für die Fahrzeuge vor. Nach der jeweiligen Veräußerung mussten die Mittelsmänner die vereinnahmten Entgelte an den Angeklagten abführen und erhielten zumeist eine Provision von 200 € bis 250 € pro verkauftem Fahrzeug. Teilweise handelte der Angeklagte selbst mit Einverständnis der Mittelsmänner unter deren Namen oder schaltete zusätzlich Vermittler ein, die im Namen von des [X.] nicht mächtigen [X.] mit den Erwerbern verhandelten. Die Bruttoerlöse aus den Verkäufen betrugen insgesamt 14.552.502,06 €. Der Angeklagte gab weder Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume von Januar 2019 bis April 2020 noch Umsatzsteuerjahreserklärungen für die [X.] 2015 bis 2018 ab. Anfang Juni 2020 wurde ihm im Rahmen einer Durchsuchung die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekanntgegeben.

3

2. Das [X.] geht davon aus, dass der Angeklagte für die Lieferungen an die Erwerber Umsatzsteuer schuldete, da die Mittelsmänner nur zum Schein eingeschaltet waren (§ 41 Abs. 2 Satz 1 [X.]) und der Angeklagte zudem für die Mittelsmänner verfügungsberechtigt gewesen sei (§ [X.]). Da er gleichwohl keine Umsatzsteuererklärungen abgab, hat es ihn wegen Hinterziehung der [X.] 2015 bis 2018 und der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar 2019 bis April 2020 verurteilt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) und die Einziehung eines Betrages in Höhe der verkürzten Steuer angeordnet, die es anhand der Gesamtbruttoerlöse errechnet hat.

II.

4

Den Verfahrensrügen bleibt aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des [X.] der Erfolg versagt. Auch der sachlich-rechtlichen Überprüfung hält das Urteil weitgehend stand.

5

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.]s belegen, dass der Angeklagte Unternehmer (§ 2 UStG) war und aufgrund der Verkäufe von den [X.] an die Erwerber Umsatzsteuer schuldete (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG).

6

a) Nach § 3 Abs. 3 UStG, der unionsrechtlich auf Art. 14 Abs. 2 Buchst. [X.] beruht, ist bei Kommissionsgeschäften (vgl. §§ 383 ff. HGB) von einer Lieferung vom Kommittenten an den Kommissionär auszugehen (vgl. [X.], Urteile vom 12. Mai 2011 – [X.]/10 Rn. 18 ff. und vom 12. Februar 2020 – [X.], [X.]E 268, 351 Rn. 37 ff.; Beschluss vom 23. August 2023 – [X.], zur Veröffentlichung in [X.]E vorgesehen, Rn. 66). Daher lieferten sowohl die Mittelsmänner an die Erwerber als auch der Angeklagte an die Mittelsmänner, weil diese zwar im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Angeklagten die [X.] abschlossen und erfüllten. Dies gilt auch, soweit der Angeklagte unter fremdem Namen auftrat (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 2023 – 2 K 345/20, [X.], 1179 Rn. 23 ff. [X.]) oder zusätzliche Vermittler einschaltete, da auch insofern die Mittelsmänner gegenüber den Erwerbern berechtigt und verpflichtet wurden, die Geschäfte aber auf Rechnung des Angeklagten ausführten.

7

b) Eine Steuerschuld des Angeklagten ergab sich hingegen nicht daraus, dass insofern [X.] (§ 41 Abs. 2 [X.]) anzunehmen wären. Die Verkäufe waren keine [X.], weil die Mittelsmänner in eigenem Namen handelten und die Erwerber davon ausgingen, rechtsgeschäftliche Beziehungen mit den [X.] zu begründen. Die Mittelsmänner waren insofern keine nur „vorgeschobene“ [X.]; der Angeklagte trat auch nicht nach außen auf (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 [X.], [X.]St 61, 28 Rn. 18; Beschluss vom 20. April 2023 – 1 StR 83/20 Rn. 3; jeweils [X.]). Aus dem gleichen Grund sind die Voraussetzungen des § [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 27. Juni 2023 – 1 StR 374/22 Rn. 7 f. [X.]) nicht erfüllt.

8

2. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, 73c Satz 1 StGB) bedarf aber der aus der [X.] ersichtlichen Korrektur; das [X.] hat die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer fehlerhaft ermittelt.

9

Das Entgelt (§ 10 UStG) für die Lieferung des Kommittenten richtet sich nach dem Entgelt für die Lieferung des Kommissionärs, von dem die mit dem Kommissionär zivilrechtlich vereinbarte Provision abzuziehen ist ([X.], Urteil vom 12. Mai 2011 – [X.]/10 Rn. 18). Letzteres hat das [X.] unterlassen. Das [X.] hat zwar für einzelne Lieferungen und Mittelsmänner Provisionen in Höhe von 200 € oder 250 € festgestellt, nicht aber die jeweilige Gesamthöhe der Provisionen in den einzelnen [X.]n. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass in einem weiteren Rechtsgang nähere Feststellungen zu den Vereinbarungen zwischen dem Angeklagten und den [X.] in allen Einzelfällen getroffen werden könnten. Um verbleibenden Unsicherheiten zugunsten des Angeklagten Rechnung zu tragen und um jegliche Beschwer auszuschließen, setzt der Senat daher die Bemessungsgrundlage für jede Lieferung des Angeklagten um 300 € niedriger an als das von den Erwerbern gezahlte Entgelt. Da sich der [X.] dadurch nur geringfügig reduziert, schließt der Senat aus, dass das [X.] niedrigere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte. Allerdings ist die [X.] entsprechend abzuändern.

3. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Jäger     

      

[X.]     

      

Bär     

      

Leplow     

      

Welnhofer-Zeitler     

      

Meta

1 StR 472/23

07.03.2024

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 1. Juni 2023, Az: 5 KLs 115 Js 20396/19

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2024, Az. 1 StR 472/23 (REWIS RS 2024, 1846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1846

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

1 StR 374/22

1 StR 83/20

1 StR 373/15

2 K 345/20

XI R 10/20

XI R 24/18

V R 25/10

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