Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. 5 StR 408/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1381

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Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 14. März 2022 gewährt.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten – unter Freispre[X.]hung im Übrigen – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von se[X.]hs Jahren verurteilt und eine Einziehungsents[X.]heidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Re[X.]hts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersi[X.]htli[X.]hen geringfügigen Teilerfolg und erweist si[X.]h im Übrigen als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der Senat hat na[X.]h Wiedereinsetzung über die Revision in der Sa[X.]he zu ents[X.]heiden. Zwar ist die [X.] gegen das seinem Verteidiger am 20. Mai 2022 zugestellte Urteil erst am 25. Juli 2022, mithin na[X.]h Ablauf der am 20. Juni 2022 endenden [X.] (§ 345 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StPO), beim [X.] eingegangen. Auf den zuglei[X.]h gestellten und zulässigen Antrag des Angeklagten ist er aber auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) wieder in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu setzen.

3

Die Wiedereinsetzung ist demjenigen zu gewähren, der ohne Vers[X.]hulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO) und innerhalb der Antragsfrist von einer Wo[X.]he die versäumte Handlung na[X.]hholt (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Binnen dieser Wo[X.]henfrist muss der Antragsteller, sofern si[X.]h die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO ni[X.]ht offensi[X.]htli[X.]h aus den Akten ergibt, au[X.]h Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses ma[X.]hen. Die Voraussetzungen liegen vor.

4

Der Zulässigkeit des Antrags steht ni[X.]ht entgegen, dass ni[X.]ht ausdrü[X.]kli[X.]h vorgetragen worden ist, zu wel[X.]hem Zeitpunkt der Angeklagte diese Kenntnis erlangt hat. Insoweit liegt es au[X.]h im Hinbli[X.]k auf den hier aus dem Akteninhalt na[X.]hvollziehbaren Verfahrensablauf fern, dass er s[X.]hon vor seinem Verteidiger, der am 22. Juli 2022 ein geri[X.]htli[X.]hes Hinweiss[X.]hreiben erhalten hatte, von der Fristversäumnis, die allein der Verteidiger zu vertreten hat, erfahren haben könnte.

5

2. Die auf die allein zulässig ausgeführte Sa[X.]hrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt infolge konkurrenzre[X.]htli[X.]her Korrekturen ledigli[X.]h zur Änderung des S[X.]huldspru[X.]hs.

6

a) In den Fällen [X.]), b) und [X.]) führte der Angeklagte die aus unters[X.]hiedli[X.]hen Erwerbsvorgängen stammenden Drogen derart an einem Lagerort zusammen, dass er diesen vor dem vollständigen Abverkauf jeweils dur[X.]h den Folgekauf wieder auffüllte. Das [X.] hat die ans[X.]hließenden Verkaufshandlungen als zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehend gewertet und ni[X.]ht beda[X.]ht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandli[X.]hen Ausführungshandlungen si[X.]h – teilweise – übers[X.]hneiden (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 28. Mai 2018 – 3 [X.], [X.], 42 mwN). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, kann der glei[X.]hzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte dann Tateinheit in diesem Sinne begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Glei[X.]hzeitigkeit hinausgeht und die Wertung re[X.]htfertigt, dass die tatsä[X.]hli[X.]he Ausübung des Besitzes über die eine Menge zuglei[X.]h die Ausübung der tatsä[X.]hli[X.]hen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. [X.], aaO; [X.], Bes[X.]hluss vom 5. Juni 2019 – 2 StR 287/18, [X.], 227, 228 mwN). Dies ist hier wegen des engen räumli[X.]hen und zeitli[X.]hen Zusammenhangs der Fall. Der Angeklagte hat si[X.]h daher bei den Ges[X.]hehen zu [X.]), b) und [X.]) nur wegen einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge strafbar gema[X.]ht.

7

b) Zu einem späteren Zeitpunkt führte der Angeklagte in den Fällen [X.])[X.][X.]) und [X.]) ebenso zwei getrennt voneinander erworbene Raus[X.]hgiftmengen zu einem Depot zusammen. Au[X.]h in diesen Fällen liegt daher – anders als vom [X.] re[X.]htli[X.]h gewürdigt – ledigli[X.]h ein tateinheitli[X.]hes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge vor. Zudem vereinbarte der Angeklagte im Fall [X.]) mit seinem Lieferanten ein Kommissionsges[X.]häft und zahlte erst mit dem hieraus erzielten [X.] einen Teil des no[X.]h ausstehenden Kaufpreises für die zuvor im Fall [X.])ee) erhaltenen Drogen. Diese funktionale Verknüpfung zwis[X.]hen der Erfüllung des vorangegangenen no[X.]h ni[X.]ht beendeten Ges[X.]häfts und der Abwi[X.]klung des neuen Kaufvorgangs verbindet hier die Fälle [X.])ee) und [X.]) zur Tateinheit (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 22. April 2020 – 1 [X.], [X.], 445 mwN), so dass es si[X.]h letztli[X.]h au[X.]h in den vorgenannten Fällen um eine in drei tateinheitli[X.]hen Fällen zusammentreffende Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge handelt.

8

[X.]) Der Senat hat den S[X.]huldspru[X.]h entspre[X.]hend geändert. Dem steht § 265 StPO ni[X.]ht entgegen. Es ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass der weitgehend geständige Angeklagte si[X.]h insoweit wirksamer als ges[X.]hehen hätte verteidigen können.

9

3. Die S[X.]huldspru[X.]händerung führt zum Wegfall der in den Fällen [X.]), [X.]), [X.])[X.][X.]) und [X.]) verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt in entspre[X.]hender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für das Ges[X.]hehen der Fälle II.2.[X.]) und [X.])ee) die vom [X.] für diese Fälle verhängten Strafen als neue Einzelstrafen fest. Der Gesamtstrafausspru[X.]h wird hierdur[X.]h ni[X.]ht berührt. Angesi[X.]hts der verbleibenden Einsatzstrafe von vier Jahren, a[X.]ht Freiheitsstrafen von drei Jahren sowie einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und se[X.]hs Monaten ist auszus[X.]hließen, dass das [X.] allein aufgrund des Wegfalls der vier [X.] zwis[X.]hen zwei und drei Jahren auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unters[X.]hiedli[X.]he konkurrenzre[X.]htli[X.]he Beurteilung bei – wie hier – unverändertem S[X.]huldumfang regelmäßig kein maßgebli[X.]hes Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 16. Januar 2023 – 5 [X.]; vom 28. April 2020 – 3 [X.]/20 mwN).

4. Der Senat kann über die Revision im Übrigen na[X.]h § 349 Abs. 2 StPO ents[X.]heiden. Der [X.] hat zwar beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. In seiner Zus[X.]hrift hat er aber au[X.]h umfangrei[X.]h zur gebotenen S[X.]huldspru[X.]händerung und zur Unbegründetheit des Re[X.]htsmittels im Übrigen ausgeführt; darin ist hilfsweise der Antrag auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO enthalten (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 30. September 2021 – 2 [X.] mwN; vom 20. April 2021 – 1 [X.]/21).

5. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es ni[X.]ht unbillig ers[X.]heinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Re[X.]htsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Geri[X.]ke     

  

Mosba[X.]her     

  

Köhler

  

von Häfen     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 408/22

01.02.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Flensburg, 14. März 2022, Az: I KLs 106 Js 1363/19 (2)

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. 5 StR 408/22 (REWIS RS 2023, 1381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1381

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