Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.06.2023, Az. 4 B 22/22

4. Senat | REWIS RS 2023, 4705

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Baugenehmigung für "Boardinghouse"


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. April 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).

4

a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

wie ein "Boardinghouse" rechtlich einzuschätzen ist,

entzieht sich in dieser Allgemeinheit der [X.] Beantwortung.

5

Ob ein sog. Boardinghouse als Wohnnutzung/wohnähnliche Nutzung oder gewerbliche Nutzung (Beherbergungsbetrieb) einzustufen ist, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Maßgeblich ist der nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmende wirkliche Nutzungszweck. Die insoweit relevanten Kriterien zur Abgrenzung von Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1992 - 4 C 43.89 - BVerwGE 90, 140 <142 f.>). Hiervon ist der Sache nach auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Das streitgegenständliche Vorhaben hat es auf der Grundlage des [X.] der Beigeladenen als "mindestens wohnähnliche Nutzung" bewertet, die den Charakter des faktischen allgemeinen Wohngebiets wahre (UA S. 7).

6

b) Die sinngemäß gestellte Frage,

ob die Grundsätze, nach denen Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung [X.] aufweisen, auch im unbeplanten Innenbereich anzuwenden sind,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie ist zu verneinen. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der [X.] im nicht überplanten Bereich nicht denselben Grundsätzen folgen muss wie in Gebieten, für die ein Bebauungsplan vorhanden ist (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215.95 - [X.] 406.19 [X.] Nr. 131 S. 12 f.). Ferner ist geklärt, dass Festsetzungen in einem Bebauungsplan über das Maß der baulichen Nutzung nicht schlechthin nachbarschützende Wirkung haben. Es hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab, ob solche Festsetzungen auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215.95 - a. a. [X.], S. 13 und vom 13. Dezember 2016 - 4 B 29.16 - juris Rn. 5). Daran hat das Urteil vom 9. August 2018 - 4 C 7.17 - NVwZ 2018, 1808 Rn. 14) nichts geändert (BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2019 - 4 B 5.19 - juris Rn. 4). Diese Grundsätze sind auf § 34 BauGB nicht übertragbar. Im unbeplanten Innenbereich fehlt es an Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und einem dahinter stehenden planerischen Konzept, aus dem sich ein das Maß der baulichen Nutzung betreffendes wechselseitiges Austauschverhältnis und eine entsprechende nachbarschützende Wirkung zugunsten der daran beteiligten Grundstückseigentümer herleiten ließe (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2021 - 10 [X.]/21 - juris Rn. 9).

7

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

8

Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Rechts auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil das Berufungsgericht die Befangenheitsanträge gegen die Mitglieder seines Senats zu Unrecht abgelehnt habe. Der Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung zu erkennen geben, dass er sich an die Rechtsprechung des [X.] gebunden sehe und den Spruchkörper möglicherweise entsprechend beeinflusst. Die Rüge bleibt erfolglos.

9

Die Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch das Berufungsgericht ist eine unanfechtbare Vorentscheidung (§ 146 Abs. 2 VwGO), die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Sie ist im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ausnahmsweise beachtlich, wenn mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts nach § 138 Nr. 1 VwGO und eine Entziehung des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird. Dies setzt objektive Anhaltspunkte dafür voraus, dass die Entscheidung über die Befangenheitsanträge auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge der nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 2 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 85 Rn. 4 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Beschluss des [X.] vom 20. April 2022 kommt nachvollziehbar und vertretbar zu dem Ergebnis, dass der Hinweis des Vorsitzenden nicht geeignet war, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwG[X.] Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 22/22

12.06.2023

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 26. April 2022, Az: OVG 10 B 4.21, Urteil

§ 34 BauGB, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.06.2023, Az. 4 B 22/22 (REWIS RS 2023, 4705)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4705

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