Bundespatentgericht, Urteil vom 26.07.2016, Az. 3 Ni 9/15 (EP) verb. m., 3 Ni 21/15 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2016, 7629

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Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 880 702

([X.] 596 09 417)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Schramm und der [X.] [X.]. Dr. Egerer, [X.], [X.]. Dr. [X.] und [X.]. Dr. Freudenreich

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 0 880 702 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. November 1996 beim [X.] in [X.] angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten Patents 0 880 702 (Streitpatent), das die Priorität der [X.] Anmeldung 196 00 875 vom 12. Januar 1996 in Anspruch nimmt und vom [X.] unter der Nummer 596 09 417 geführt wird.

2

Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit zwei [X.] verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Diagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse“ und umfasst 11 Patentansprüche, deren Patentanspruch 1 wie folgt lautet:

3

1. Diagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse, dadurch gekennzeichnet, dass man in einer Probe einer biologischen Flüssigkeit eines Patienten den Gehalt des Peptids [X.] (PCT) und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids, das nicht das reife Calcitonin ist, bestimmt und aus der festgestellten Anwesenheit oder Abwesenheit des bestimmten Peptids auf eine infektiöse oder nichtinfektiöse Ätiologie der Entzündung zurückschließt.

4

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 wird auf die Patentschrift EP 0 880 702 B1 verwiesen.

5

Die [X.], die das Streitpatent in vollem Umfang angreifen, machen die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit geltend. Dazu führen beide [X.] einen weitgehend identischen Stand der Technik an. In der folgenden Übersicht sind von den [X.] eingereichte Dokumente jeweils voranstehend mit der Kurzbezeichnung „[X.]“ angegeben, wie sie von der Klägerin zu 1. verwendet wird und vom Senat und den anderen Parteien übernommen worden ist. Zusätzlich sind von der Klägerin zu 2: eingereichte Dokumente mit deren Bezeichnungsweise „MW“ angegeben.

6

[X.]6 [X.] DE 42 27 454 C1

7

[X.]6a [X.]a EP 0 656 121 B1

8

[X.]7 Auszüge aus [X.], 255. Auflage, [X.] 1986, S. 448, 449, 1245, 1246

9

[X.]8 [X.] Brunkhorst et al., [X.]. Intens. [X.], 1995

[X.]9 [X.] [X.] Brunkhorst et al., [X.] 1995: 11 ([X.]. 2): 42-46

[X.]10 [X.] et al., [X.], [X.], Feb. 27, 1993, 515-518

[X.]11 [X.] [X.] et al., [X.]ical Infectious Diseases 1995; 11 ([X.]. 2): 641-645

[X.]12 [X.] [X.] et al., [X.] 1995:11 ([X.]. 2): 47-50

[X.]13 [X.] [X.] et al., [X.]. to [X.]. Intens. [X.] (1994), Vol. 5, No. 2, S. 88

[X.]14 [X.] [X.] Brunkhorst et al., [X.] 34, [X.]. 2:111 (1995), 1012

[X.]15 Y. Gérard et al., Infection 23 (1995) No. 5: 310-311

[X.]16 Urteil [X.] v. 12. Juni 2015 (4c O 17/15)

[X.]17 [X.] Urteil O[X.] v. 10. Dezember 2015 (I – 2 U 35/15)

[X.]18 MW21 P. P. Ghillani et al., [X.] 49 (1989) 6845-6851

[X.]19 Schreiben des [X.] v. 7. Mai 2015

[X.]20 Auszug aus der Internetseite www.karger.com/... v. 18. Mai 2015

[X.] „Schema zur PCT-Bestimmung mit einem PCT-Assay“

MW13 Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl. (1992), S. 4122

[X.] EP 2 084 545 B1

[X.] et al., [X.], Vol. 363, Feb. 21, 2004, 600-606

[X.] M. Christ-Crain et al., Am J Respir Crit [X.] Med, Vol. 174 (2006), S. 84-93

[X.] Urteil [X.] v. 23. Oktober 2015 (21 O 9110/15)

[X.] Schriftsatz der Nichtigkeitsbeklagten (Verletzungsklägerin) v. 24. März 2016 im Verfahren 6 [X.] vor dem [X.] (ohne Nr.) [X.] et al., [X.] (1992), 101 (6), 1644-1655

Nach Auffassung der [X.] ist die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Das Streitpatent offenbare nicht, wie der Fachmann im letzten Verfahrensschritt die An- oder Abwesenheit des bestimmten Peptids [X.] (PCT) feststellen und hieraus auf eine infektiöse oder nichtinfektiöse Ätiologie der Entzündung rückschließen könne. Das Patent lehre keine konkreten [X.] bzw. Grenzwerte, die dem Fachmann eine sichere Unterscheidung zwischen den möglichen Ursachen einer Entzündung ermöglichen würden. Selbst wenn man die Begriffe „Anwesenheit und Abwesenheit des bestimmten Peptids“ im Patentanspruch 1 i. S. v. „Normalbereich“ bzw. „normalem oder leicht erhöhtem Wert“ gegenüber „erhöhtem PCT-Wert“ verstehen würde, so ermöglichten die in den Beispielen des Streitpatents angegebenen, völlig unterschiedlichen [X.], die sich zudem über einen breiten Zahlenbereich erstreckten, keine Unterscheidung zwischen den Ursachen einer Entzündung.

Dem Gegenstand des Streitpatents fehle auch die Patentfähigkeit. Insbesondere sei er nicht neu. Die Druckschriften [X.]6 bzw. [X.]6a und [X.]8 bis [X.]15 offenbarten jeweils sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1, wobei jeweils anhand einer spezifischen Anwendung für bestimmte Erkrankungen das streitpatentgemäße Verfahren beschrieben werde. Hierbei offenbarten sie teilweise sogar die gleichen Daten, wie sie auch in den Beispielen des Streitpatents aufgeführt seien. Jede der beschriebenen spezifischen Anwendungen des streitpatentgemäßen Verfahrens stehe daher der Neuheit des Patentanspruchs 1 mit seinem verallgemeinernden Wortlaut entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellten die Druckschriften [X.]9 und [X.]12 Stand der Technik dar, der vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht worden sei, was aus der Auskunft des Verlags hervorgehe.

Jedenfalls beruhe das Streitpatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In den o. g. Druckschriften werde für eine Mehrzahl von Entzündungsformen (Sepsis, [X.], Pankreatitis, Meningitis) immer wieder betont, dass [X.] ein Marker für eine mikrobielle Infektion sei. Der Fachmann habe daher gewusst, dass der durch mikrobielle Infektionen verursachte Anstieg des [X.] nicht auf bestimmte Krankheitsbilder beschränkt sei. Vielmehr könne er universell verwendet werden, um das Vorhandensein einer mikrobiellen Infektion zu bestätigen oder auszuschließen.

Dementsprechend fehle auch den Gegenständen der [X.], soweit sie nicht bereits vom Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen seien, die erfinderische Tätigkeit. Denn es könne nicht mit einer erfinderischen Leistung verbunden sein, die aus dem Stand der Technik gewonnenen Erkenntnisse auf andere Arten von Entzündungen, wie sie etwa in den [X.]n 2 und 5 bis 11 des Streitpatents definiert seien, zu übertragen.

Die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit gälten ebenso für die Gegenstände der Hilfsanträge. Die in Patentanspruch 1 gemäß (erstem) Hilfsantrag gleichwertig nebeneinander stehenden Alternativen seien bereits durch den Stand der Technik, insbesondere [X.]13 und [X.]15 vorweggenommen. Die Merkmale des zweiten [X.] stellten nur eine Zweckbestimmung, aber keine Einschränkung dar, wobei die frühzeitige Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse mehrfach im Stand der Technik, etwa in der [X.]6, offenbart sei. Im Übrigen zeige der im Verfahren befindliche Stand der Technik in seiner Gesamtschau, dass [X.] unabhängig vom Krankheitszustand als ein nützlicher Parameter zur Unterscheidung zwischen einer infektiösen und [X.] Ursache einer Entzündung herangezogen werden könne. Ein Fachmann, der vor dem Problem stehe, zu bestimmen, ob eine ein Krankheitsbild begleitende Entzündungsreaktion durch eine Infektion verursacht worden sei oder nicht, werde daher für alle in den [X.]n und in den [X.] aufgeführten Krankheiten den Parameter PCT anwenden.

Die [X.] beantragen übereinstimmend,

das [X.] Patent 0 880 702 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen,

hilfsweise die Klagen mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des [X.] gemäß Schriftsatz vom 15. April 2016,

weiter hilfsweise die Fassung des zweiten [X.], übergeben in der mündlichen Verhandlung, erhält.

Gemäß Hilfsantrag 1 lautet [X.] wie folgt:

Diagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse, dadurch gekennzeichnet, dass man in einer Probe einer biologischen Flüssigkeit eines Patienten den Gehalt des Peptids [X.] (PCT) und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids, das nicht das reife Calcitonin ist, bestimmt und aus der festgestellten Anwesenheit oder Abwesenheit des bestimmten Peptids auf eine infektiöse oder nichtinfektiöse Ätiologie der Entzündung zurückschließt, weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass man

a) bei einem Patienten nach erfolgter Organtransplantation, bei dem postoperativ oder im späteren Verlauf entzündliche Erscheinungen auftreten, durch Bestimmung des [X.]spiegels erkennt, ob die Entzündung durch eine Organabstoßung oder durch einen Infektionsherd verursacht ist;

b) durch Bestimmung des [X.] bei onkologischen Patienten unterscheidet, ob das auftretende Fieber durch Tumorzellen oder durch eine bakterielle Infektion verursacht wird;

c) durch die Bestimmung des [X.] die infektiöse von der [X.] Ursache der Verbrauchskoagulopathie von Patienten mit Leberzirrhose unterscheidet;

d) durch Bestimmung des [X.] chronisch-entzündliche Darmerkrankungen von bakteriell-infektiösen Darmerkrankungen unterscheidet;

e) durch die Bestimmung des [X.] einen entzündlichen Schub einer Autoimmunerkrankung von einer Infektion unterscheidet;

f) durch die Bestimmung des [X.] Medikamenteninduziertes Fieber von einer bakteriell-infektiv bedingten Ursache unterscheidet;

g) durch die Bestimmung des [X.] eine bakterielle oder Pilzinfektion als Ursache des hypodynamen Kreislaufverhaltens und der Verbrauchskoagulopathie bei Patienten mit kardialen Unterstützungspumpen frühzeitig erkennt;

oder

h) durch die Bestimmung des [X.] im Aszites von Patienten mit Leberzirrhose oder postoperativen Patienten eine Infektion frühzeitig erkennt.

Die weiteren erteilten Patentansprüche entfallen.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem erteilten Patentanspruch 1 mit dem Unterschied, dass er wie folgt eingeleitet wird:

„1. Diagnostisches Verfahren zur frühzeitigen Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse zur Auswahl therapeutischer Maßnahmen, dadurch gekennzeichnet, dass …“

Hieran schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 11 an.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:

VP1 Konkordanztabelle

[X.] Chirurgische Gastroenterologie, [X.]ement 2 zu Band 11, Dezember 1995, Deckblatt und S. 2

[X.] [X.], Ausdruck v. 2. Juni 2015, Artikelbeschreibung von: „Chirurgische Gastroenterologie, [X.]. 2, [X.] bei septischen Abdominalerkrankungen, Taschenbuch - 1995“

[X.] www.amazon.com, Ausdruck v. 2. Juni 2015, Artikelbeschreibung von: „[X.] Bei [X.] ([X.] Edition) ([X.]) Paperback – [X.] 11, 1996“

[X.] Schreiben der [X.] v. 21. April 2015

[X.] [X.] v. 21. April 2015

[X.] [X.] v. 20. Mai 2015

[X.] Urteil [X.] v. 23. Oktober 2016 (21 O 9110/15)

Nach Auffassung der Beklagten ist die Klage nicht begründet.

Die Lehre des Streitpatents sei ausführbar offenbart. Dies gelte auch für den letzten Verfahrensschritt, in dem die An- oder Abwesenheit des bestimmten Peptids festgestellt und hieraus auf eine infektiöse oder nichtinfektiöse Ätiologie der Entzündung geschlossen werde. Die Patentschrift offenbare in den Beispielen die gemessenen [X.]werte bei diagnostizierten entzündlichen Prozessen. Dabei kreisten die [X.]-Werte bei infektiöser Ursache um die Mittelwerte 36,6 ng/ml bzw. 81 ng/ml herum, während sie bei [X.] Ursache im Bereich der Mittelwerte 0,6 ng/ml bzw. 1,2 ng/ml lägen. Diese offensichtlich deutlichen Wertabweichungen ließen das relative Verhältnis zwischen niedrigem PCT-Wert bei [X.] Ätiologie einer Entzündung und erhöhtem PCT-Wert bei infektiöser Ätiologie stets erkennbar werden und befähigten den Fachmann, die Erfindung auszuführen. Zudem zeigten die auf dem Markt befindlichen [X.], wie sie etwa auch von den [X.] angeboten würden, dass die Fachwelt ohne weiteres Schwellenwerte für PCT-Konzentrationen ermitteln könne. Soweit dabei möglicherweise falsch-positive oder [X.] Ergebnisse aufträten, sei dies eine Frage der Genauigkeit des jeweiligen diagnostischen Assays, nicht aber der Ausführbarkeit.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents sei auch patentfähig, insbesondere sei es neu. Keine der [X.] offenbare ein diagnostisches Verfahren, mit dem verlässlich die Ätiologie eines jeden, nicht oder noch nicht abschließend diagnostizierten und daher in seiner Art noch unbekannten entzündlichen Prozesses mittels Messung des [X.]-Gehalts bestimmt werden könne. Die [X.], von denen die [X.]9 und [X.]12 nachveröffentlicht und demnach nicht zu berücksichtigen seien, bildeten lediglich Ergebnisse empirischer Untersuchungen ab, indem in Proben biologischer Flüssigkeiten von Patienten bestimmte Entzündungswerte gemessen worden seien, bei denen die Art und die Ätiologie des entzündlichen Prozesses bereits bekannt gewesen sei. Sie befassten sich zudem nur mit Sepsis bzw. sepsisähnlichen Verläufen der dort beschriebenen entzündlichen Prozesse und enthielten darüber hinaus überwiegend rein spekulative Schlussfolgerungen zur Nützlichkeit der Messung des Peptids [X.].

Im Vergleich hierzu stelle die technische Lehre gemäß Anspruch 1 des Streitpatents keine Verallgemeinerung einer bereits bekannten Lehre, sondern ein Aliud dar. Während nämlich im Stand der Technik der gemessene PCT-Wert in einer biologischen Flüssigkeit eines Patienten lediglich als Biomarker für bestimmte, bereits diagnostizierte Erkrankungen, überwiegend Sepsis, verwendet worden sei, werde er im Streitpatent dazu verwendet, bei jeglichem entzündlichen Prozess, dessen zugrundeliegende Erkrankung noch unbekannt sei, eine exakte Bestimmung der generellen Ätiologie des Prozesses in infektiös oder nicht-infektiös vornehmen zu können. Erst durch die Lehre des Streitpatents sei der Öffentlichkeit die Erkenntnis vermittelt worden, dass im Falle eines normalen, nicht-erhöhten [X.]-Gehalts eine infektiöse Entzündung im Körper kategorisch ausscheide, während bei einem erhöhten [X.]-Gehalt in jedem Fall (irgend-) eine auf einer infektiösen Ursache beruhende Entzündung im Körper vorhanden sei. Damit sei es möglich, ohne zunächst den entzündlichen Prozess diagnostizieren zu müssen, entweder sofort eine Antibiotikatherapie zu beginnen oder aber eine solche gerade zu unterlassen.

Dementsprechend beruhe der Gegenstand des Streitpatents auch auf erfinderischer Tätigkeit. Der Stand der Technik vermittle dem Fachmann nicht die Erkenntnis, dass [X.] als verlässlicher Bestimmungs- bzw. Ausschlussparameter für die Ätiologie aller entzündlichen Prozesse angesehen werden könne, auch abseits von Sepsis oder sepsisähnlichen Verläufen von Entzündungen. Auch wenn die vorgelegten Dokumente zum Stand der Technik zahlreich sein mögen, so reiche dies nicht aus, um den Gegenstand des Patentanspruchs nahezulegen, zumal sich der [X.] auf die einzige, lang bekannte Erkenntnis der Verwendung von [X.] als [X.] beschränke. Auch die aus dem Stand der Technik angeblich entnehmbare Anregung für den Fachmann, PCT weiterhin differentialdiagnostisch zu untersuchen, reiche nicht aus, die Erfindung nahezulegen, denn der Ausgang einer derartigen Untersuchung sei nicht vorhersehbar gewesen.

Dies gelte auch für den Patentanspruch gemäß (erstem) Hilfsantrag. Der Stand der Technik enthalte kein einziges Dokument, das dem Fachmann eine Anregung oder Veranlassung gebe, das Problem der Bereitstellung eines Verfahrens zur Bestimmung der Ätiologie von Entzündungen mittels PCT als Entzündungsmarker für die speziellen Krankheitsbilder des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag zu lösen. Auch der Zweite Hilfsantrag, mit dem die frühzeitige Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse zur Auswahl therapeutischer Maßnahmen beansprucht werde, grenze den Gegenstand vom Stand der Technik ab, zumal im Stand der Technik die Infektion bzw. infektiöse Ursache jeweils bereits bekannt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.]. 138 Abs. 1 b) EPÜ) und der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.]. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.

I.

1. [X.] betrifft ein diagnostisches Verfahren zum Erkennen der Ursache entzündlicher Prozesse.

Entzündliche Prozesse gehören zu den elementaren Schutzmechanismen von hochorganisierten Organismen und basieren auf komplexen zellulären und molekularen Reaktionen, mit denen die Ausbreitung von [X.] oder von Infektionserregern eingedämmt wird, und sind damit eine entscheidende Voraussetzung aller Genesungsprozesse. Begleiterscheinungen der komplexen zellulären und molekularen Reaktionen, die im Wesentlichen durch Zytokine reguliert werden, sind die Auslösung von Fieber, die verstärkte Proliferation und Ausschüttung von Zellen der Hämatopoese, die Synthese von Akut-Phase-Proteinen und die Stimulierung der Glucocorticoidsekretion als Teil der neuroendokrinen Aktivitätssteigerung (vgl. EP 0 880 702[X.] [0001]).

Entzündungsprozesse können völlig unterschiedliche Ätiologien haben. Sie können durch [X.]oder ihrer Toxine ausgelöst werden, also infektiöser Natur sein, und führen zu einer Expression körpereigener proinflammatorischer Substanzen. Auch primär nicht-infektiöse Krankheitsbilder können zu Entzündungsreaktionen führen, beispielsweise die hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis, das akute Lungenversagen des Erwachsenen ([X.]), [X.] mit ausgedehnten tiefen Gewebsnekrosen, Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungsprozesse unterschiedlicher Genese (vgl. EP 0 880 702 [X.] [0002]).

Zur Diagnose entzündlicher Erkrankungen werden beispielsweise die Bestimmung des C-reaktiven Proteins ([X.]), der Thrombozyten, der Leukozyten und von Zytokinen, z. B. [X.] 6, herangezogen. Allerdings lassen diese Parameter meist keine Unterscheidung zwischen den Ursachen entzündlicher Erkrankungen und des dabei auftretenden Fiebers zu (vgl. EP 0 880 702 [X.] z. B. [0038] i. V. m. [0015]).

Ein bereits bekanntes Verfahren zur Früherkennung, zur Erkennung des Schweregrads sowie zur therapiebegleitenden Verlaufsbeurteilung einer i. d. R. mikrobiell verursachten Sepsis beruht auf der Bestimmung der Abwesenheit von [X.] und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids, das nicht das reife Calcitonin ist (vgl. EP 0 880 702 [X.] [0005] und dort zitierte [X.] 42 27 454 ([X.])).

2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren zur Diagnose der Ätiologie entzündlicher Erkrankungen bereitzustellen, insbesondere zur Differenzierung zwischen einer infektiösen und einer nicht-infektiösen Ursache einer entzündlichen Erkrankung (vgl. EP 0 880 702 [X.] S. 2 [0003]).

3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) durch ein

1) Diagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Ätiologie entzündlicher Prozesse

durch

2) Bestimmen des Gehalts des Peptids [X.] ([X.]) und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids, das nicht gleich Calcitonin ist, in einer Probe einer biologischen Flüssigkeit eines Patienten,

3) wobei in einem weiteren Verfahrensschritt anhand des Testergebnisses gemäß Merkmal 2 aus der festgestellten Anwesenheit oder Abwesenheit des [X.] und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids auf eine infektiöse oder nicht-infektiöse Ätiologie der Entzündung geschlossen wird.

Gemäß Hilfsantrag 1 kommen jeweils alternativ folgende Merkmale hinzu:

3.1) Schlussfolgerung auf eine Organabstoßung nach Organtransplantation oder auf einen Infektionsherd,

3.2) Unterscheidung bei onkologischen Patienten auf durch Tumorzellen bedingtes Fieber oder auf durch bakterielle Infektion verursachtes Fieber,

3.3) Unterscheidung auf infektiöse oder nicht-infektiöse Ursache der Verbrauchskoagulopathie von Patienten mit Leberzirrhose,

3.4) Unterscheidung zwischen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und bakteriell-infektiösen Darmerkrankungen,

3.5) Unterscheidung zwischen einem entzündlichen Schub einer Autoimmunerkrankung und einer Infektion,

3.6) Unterscheidung zwischen Medikamenteninduziertem Fieber und bakteriell-infektiv bedingtem Fieber,

3.7) frühzeitiges Erkennen einer bakteriell oder pilzbedingten Infektion als Ursache des hypodynamen [X.] gegenüber einer Verbrauchskoagulopathie bei Patienten mit kardialen Unterstützungspumpen,

3.8) frühzeitige Differentialdiagnose im Aszites von Patienten mit Leberzirrhose oder einer postoperativen Infektion.

Gemäß Hilfsantrag 2 kommen folgende Ausgestaltungen hinzu:

1.1) die Bestimmung erfolgt frühzeitig,

1.2) zur Auswahl therapeutischer Maßnahmen.

4. Humanes [X.] ([X.]) besteht aus 116 Aminosäuren, wird in der Schilddrüse gebildet und proteolytisch in das Hormon Calcitonin umgewandelt. Im Plasma kommt [X.] nicht nur mit der intakten Sequenz seiner 116 Aminosäuren, sondern in Form von daraus gebildeten Teilpeptiden vor. Tierisches [X.] unterscheidet sich, je nach Organismus, von humanem [X.] sowohl in der Kettenlänge des [X.] als auch in der Aminosäuresequenz.

Mangels anderweitiger Angaben im Streitpatent wird von den Merkmalen 1 bis 3 des geltenden Patentanspruchs 1 auch die Bestimmung von tierischem [X.] und damit die Anwendung des diagnostischen Verfahrens im Bereich der Veterinärmedizin erfasst.

Das diagnostische Verfahren gemäß Merkmal 1 des Patentanspruchs 1 unterliegt der Zweckbindung zur Bestimmung der Ätiologie bzw. der Ursachen entzündlicher Prozesse und umfasst – mangels anderweitiger Einschränkungen – die Ätiologie der Entzündungsreaktionen bzw. Entzündungsprozesse sowohl eines einzelnen bestimmten Krankheitsbildes als auch vieler unterschiedlicher Krankheitsbilder.

Die Bestimmung des Gehalts des [X.] und/oder seiner Teilpeptide, die nicht gleich Calcitonin sind, in einer biologischen Flüssigkeit eines – mangels anderweitiger Angaben im Streitpatent – menschlichen oder tierischen Körpers ist nicht auf eine bestimmte (bio)chemische bzw. immunologische Methodik beschränkt und umfasst deshalb jedwedes geeignete analytische Verfahren (Merkmal 2). Diese Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit und damit hinsichtlich der Nachweisgrenze für [X.], die zum [X.] des [X.] mittels [X.] oder [X.] im Serum oder Plasma bei etwa 0,1 ng/ml gelegen hat (vgl. z. B. [X.] S. 2 [X.] 44 bis 49, insbes. [X.] 48 bis 49; [X.][X.]. Abs. 2; [X.] S. 515 [X.] [X.] 9 bis 10; NK18 Abstract).

Maßgeblich für die Stellung einer Diagnose bzw. für das diagnostische Verfahren gemäß Merkmal 1 ist das gemäß Merkmal 2 erhaltene, zahlenmäßig bestimmte Testergebnis. Mit dem Passus „aus der festgestellten Anwesenheit oder Abwesenheit des [X.]“ und den darin verwendeten Begriffen „Anwesenheit“ und „Abwesenheit“ legt sich Merkmal 3 und damit auch das diagnostische Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nicht auf bestimmte Zahlenwerte oder Zahlenbereiche fest. [X.] formal betrachtet erfasst Merkmal 3 zwar den Bereich zwischen keinem einzigen Molekül [X.] (Abwesenheit) bis hin zu einer beliebig hohen Konzentration des [X.] (Anwesenheit) in der biologischen Flüssigkeit. Jedoch sind die Begriffe „Abwesenheit“ von [X.] und „Anwesenheit“ von [X.] – unter Berücksichtigung der Empfindlichkeit der, soweit verfügbar, jeweils angewandten analytischen Messmethodik und der damit verbundenen Nachweisgrenze des [X.] – in Relation zu analytischen Erfahrungswerten von Kollektiven gesunder Probanden gegenüber Kollektiven von Patienten mit entzündlichen Erkrankungen unterschiedlicher Genese zu verstehen. Zudem ist wegen der Streuung des [X.]-[X.]iegels in Abhängigkeit von der individuellen Testperson und vom jeweiligen Gesundheitszustand eine zahlenmäßig bestimmte Festlegung von Grenzwerten oder Bereichen in der Praxis ohnehin nicht möglich.

5. Als Fachmann ist ein Team anzusehen, dem zumindest ein Biochemiker oder ein Molekularbiologe und ein in der angewandten Infektiologie tätiger Mediziner angehören.

II.

Der Gegenstand des [X.] in der erteilten Fassung (Hauptantrag) sowie in den Fassungen der Hilfsanträge 1 und 2 ist zwar ausführbar. Es mangelt ihm gegenüber einzelnen der vorgebrachten Druckschriften [X.] sowie [X.] bis [X.] jedoch an der erforderlichen Neuheit, jedenfalls beruht er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1. Die Fassungen der Patentansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 sind zulässig.

Die erteilte Fassung der Patentansprüche (Hauptantrag) entspricht den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen (vgl. WO 1997/25622 [X.]. 1 bis 11).

Der einzige Patentanspruch des Hilfsantrags 1 ist zulässig, da sich sein Gegenstand unmittelbar aus der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 und aus den Merkmalen der Unteransprüche 2 sowie 5 bis 11 der erteilten Fassung ergibt.

Zulässig ist auch der geänderte Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2. Die in Merkmal 1 des erteilten Patentanspruchs 1 eingefügten Teilmerkmale einer „frühzeitigen“ Bestimmung sowie „zur Auswahl therapeutischer Maßnahmen“ ergeben sich unmittelbar sowohl aus der Beschreibung des [X.] (vgl. EP 0 880 702 [X.] S. 2 [X.] 19 bis 22 i. V. m. [X.] 36 bis 39, [X.] 45 bis 53, [X.] 58 bis S. 3 [X.] 2, S. 3 [X.] 10 bis 12, [X.] 18 bis 20, [X.] 38 bis 39, S. 4 [X.] 10 bis 12, [X.] 24 und 28) als auch aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen [X.] 1997/25622 [X.] S. 2 [X.] 4 bis 10 i. V. m. S. 3 [X.] 4 bis 10, [X.] 22 bis S. 4 [X.] 3, S. 4 [X.] 13 bis 18, S. 4 [X.] 34 bis S. 5 [X.] 6, S. 5 [X.] 17 bis 19, S. 6 [X.] 20 bis 22, S. 8 [X.] 12 bis 13, S. 9 [X.] 1 bis 4, [X.] 12 bis 13). Die Patentansprüche 2 bis 11 des Hilfsantrags 2 entsprechen den Patentansprüchen 2 bis 11 der erteilten Fassung.

2. Das diagnostische Verfahren des [X.] ist sowohl in der erteilten Fassung (Hauptantrag) als auch in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 2 ausführbar.

Die zur Bestimmung von [X.] und/oder eines aus [X.] gebildeten Teilpeptids erforderlichen biochemisch-immunologischen Arbeitsweisen sind in der Beschreibung des [X.] angegeben (vgl. EP 0 880 702 [X.] [0025] und [0027], dort zitierte [X.] 42 27 454 C1 ([X.]), i. V. m. S. 5 [X.] 6 bis 7 und [X.] 36 bis 37) und bedienen sich im Übrigen dem Fachmann geläufigen Grundoperationen der biochemischen Analytik. [X.] zur Bestimmung des [X.]s waren zudem bereits vor dem Zeitrang des [X.] im Handel erhältlich (vgl. [X.] S. 3 [X.] 24 bis 51, S. 4 [X.] 50 bis 52 i. V. m. Anspr. 12; [X.] S. 43 [X.] Abs. 2; [X.] S. 515 gesamte [X.]). Der Verfahrensschritt gemäß Merkmal 2 ist damit ausführbar.

Auch der Verfahrensschritt zur Bewertung der [X.]-Testwerte gemäß Merkmal 3 ist ausführbar. Das Merkmal 3 bedeutet nichts anderes als die Anweisung, aus den gemäß Merkmal 2 mittels üblicher [X.]-Analytik erhaltenen Zahlenwerten Schlussfolgerungen auf eine infektiöse oder nicht-infektiöse Ursache einer entzündlichen Erkrankung zu ziehen.

Für die Ausführbarkeit des streitpatentgemäßen diagnostischen Verfahrens ist weder die Zuverlässigkeit der Diagnose im Einzelfall noch die [X.] bzw. Festlegung eines über die gesamte Breite infektiöser und nicht-infektiöser entzündlicher Erkrankungen definierten Zahlenbereichs der [X.]-Testergebnisse erforderlich.

Die Breite der von Merkmal 3 umfassten Krankheitsbilder mit Entzündungen sowohl infektiöser als auch nicht-infektiöser Ätiologie lässt – unter Berücksichtigung des einzelnen Patienten einschließlich seines individuellen Stoffwechsels sowie gegebenenfalls weiterer nicht-entzündlicher Erkrankungen – eine zahlenmäßig exakte Definition der Begriffe „Abwesenheit“ und „Anwesenheit“ und dementsprechend auch eine fehlerfreie Differentialdiagnose mittels verlässlicher Grenzwerte bzw. Schwellenwerte und/oder Zahlenbereiche nicht zu. Der [X.]-[X.]iegel kann bereits aufgrund von natürlichen Ursachen bzw. genetischen Besonderheiten schwanken und damit gegenüber einem Referenzwert, wenngleich nur geringfügig, erhöht oder erniedrigt sein.

Im [X.] reduziert sich die Lehre des Verfahrensschritts gemäß Merkmal 3 und damit des gesamten streitpatentgemäßen Verfahrens auf die Erkenntnis, dass anhand der Höhe der mit üblichen [X.]-Tests erhaltenen Messwerte eine Unterscheidung zwischen infektiösen und [X.] Ursachen entzündlicher Erkrankungen möglich ist und sich [X.] als Marker zum Zweck einer solchen Differentialdiagnose eignet. Die erforderlichen Arbeitsweisen gehen aus mehreren Fallbeispielen, die sämtliche anspruchsgemäßen Krankheitsbilder abhandeln, sowie aus der allgemeinen Beschreibung hervor. Weitergehende Anforderungen sind an die Ausführbarkeit nicht zu stellen (vgl. [X.] 2001, 813 – [X.]; [X.]2010, 916 – Klammernahtgerät).

Die Hilfsanträge weisen gegenüber dem Hauptantrag keine zusätzlichen Verfahrensschritte auf, so dass die Ausführbarkeit der Lehre des [X.] in sämtlichen beantragten Fassungen der Patentansprüche gegeben ist.

Der für die Frage der Ausführbarkeit heranzuziehende (weite) Maßstab ist in gleicher Weise auch an den [X.]sgehalt der zur Beurteilung der Patentfähigkeit herangezogenen Entgegenhaltungen anzulegen.

3. Zur Beurteilung von Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des [X.] sind einzelne der vorgebrachten Druckschriften und die vorgebrachten Druckschriften in ihrer Zusammenschau daraufhin zu untersuchen, ob anhand der Konzentration des [X.] in Proben biologischer Körperflüssigkeiten eine Unterscheidung zwischen infektiöser und nicht-infektiöser Ätiologie entzündlicher Prozesse möglich ist.

a) Aus der bereits in der Beschreibungseinleitung des [X.] zitierten vorveröffentlichten Druckschrift [X.] geht hervor, dass der Schweregrad und der Verlauf einer Sepsis anhand einer mittels üblicher Arbeitsweisen durchzuführenden Bestimmung von [X.] und/oder eines daraus gebildeten Teilpeptids, das nicht das reife Calcitonin ist, in einer Probe einer biologischen Körperflüssigkeit beurteilt werden kann (vgl. [X.] Titel, Abstract und Anspr. 1 i. V. m. S. 2 [X.] 62 bis S. 3 [X.] 17, insbes. S. 3 [X.] 4 bis 13).

Die analytischen Arbeitsweisen zur Bestimmung des [X.] bzw. seiner betreffenden Teilpeptide sind bereits bekannt und bedienen sich dabei anerkannter Methoden des Standes der Technik, die auf Grundoperationen der Immundiagnostik aufbauen ([X.] S. 3 [X.] 24 bis 51, S. 4 [X.] 50 bis 52 i. V. m. Anspr. 3 bis 7, 11 bis 12 – Merkmal 2).

Des Weiteren ergibt sich aus [X.] nicht nur die Arbeitshypothese, dass ein Anstieg des [X.]-[X.]iegels entweder als direkte Auswirkung einer (infektiösen) Viruserkrankung oder als indirekte Einwirkung bakterieller Endotoxine auf die Leber anzusehen ist und demzufolge anhand des Ausmaßes des Anstiegs des [X.]-[X.]iegels bereits auf eine infektiöse Ursache geschlossen werden kann (vgl. [X.] S. 3 [X.] 65 bis S. 4 [X.] 9), sondern auch das experimentelle Ergebnis, dass Patienten mit viralen oder bakteriellen Infektionen (vgl. [X.] Tabelle 1 Zeilen 2 bis 4) gegenüber einer Kontrollgruppe von Patienten mit [X.] Erkrankungen (vgl. [X.] Tabelle 1 Zeile 1) erhöhte oder drastisch erhöhte [X.]-[X.]iegel aufweisen. Die dem Merkmal 3 zugrunde liegende Erkenntnis und die Möglichkeit zur Stellung einer betreffenden Diagnose gehen damit bereits unmittelbar aus der [X.] hervor.

Da sich ein diagnostisches Verfahren mit den Merkmalen 1 bis 3 somit unmittelbar aus der [X.] ergibt, hat Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) demgegenüber bereits mangels Neuheit keinen Bestand.

Entsprechende Informationen sind der vorveröffentlichten [X.] zu entnehmen, die sich mit sehr ähnlichen Patientenkollektiven wie [X.] befasst und über hohe Serum-[X.]-[X.]iegel bei Patienten mit Sepsis als Folge von infektiösen entzündlichen Erkrankungen und mit infektiösen Entzündungen und damit über vergleichbare Ergebnisse berichtet. (vgl. [X.] S. 515 [X.] Tabelle i. V. m. S. 516, [X.]. 2 sowie S. 517 [X.] [X.] 1 bis 3). [X.] wird im Übrigen auch als Referenzliteratur in [X.] zitiert, die sich ebenfalls mit der Differentialdiagnose nicht-infektiöser. und infektiöser entzündlicher Erkrankungen befasst (vgl. nachfolgend b.4).

b) Einem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung mangelt es auch gegenüber weiteren vorgebrachten Druckschriften, in denen der [X.]-Gehalt in Körperflüssigkeiten von Patienten mit auf entzündlichen Prozessen beruhenden Krankheitsbildern untersucht wurde (vgl. [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]), an der erforderlichen Neuheit.

b.1) Die Druckschrift [X.] befasst sich mit der Differentialdiagnose infektiöser und nicht-infektiöser Ursachen von [X.], ein gemäß der Definition im Streitpatent auf schwere Lungenverletzungen zurückgehendes Krankheitsbild, bei dem entzündliche Prozesse auftreten (vgl. EP 0 880 702 [X.] S. 5 Beisp. 1 i. V. m. Anspr. 4). [X.] wird dabei mittels des immunoluminometrischen Tests bestimmt, so dass sich aus [X.] die Merkmale 1 und 2 bereits unmittelbar ergeben. Aus der Tabelle der [X.], die offensichtlich die zahlenmäßig identischen Testergebnisse des gleichen Patientenkollektivs beschreibt wie Beispiel 1 des [X.], geht außerdem hervor, dass über die Höhe des [X.]-[X.]iegels, anders als mit [X.] oder mit [X.] 6, anhand der Anwesenheit von [X.] (36,6 +/ 31 ng/ml) eine infektiöse und anhand der Abwesenheit von [X.] (0,60 +/ 0,95 ng/ml) eine nicht-infektiöse entzündliche Lungenerkrankung diagnostiziert werden kann, so dass auch Merkmal 3 erfüllt ist.

b.2) Die [X.] beschreibt erhöhte [X.]-[X.]iegel im Serum von Patienten, die sich mit [X.] infiziert hatten und daraufhin mehr oder minder schwer an [X.] erkrankt waren. Dabei konnte anhand des [X.]-[X.]iegels zwischen Patienten mit milden, lokalisierten Infektionen, die ähnlich wie Kontrollprobanden niedrige [X.]-Werte (0.02 bis 0,46 ng/ml) aufwiesen, und Patienten mit schwerer Infektion mit tödlichem Verlauf ([X.]-Werte im Bereich von 63 bis 3538 ng/ml) differenziert werden, wobei auf die potentielle Eignung von [X.] als Marker zur Diagnose anderer schwerer Infektionskrankheiten hingewiesen wird (vgl. [X.] Abstract i. V. m. S. 644 li. [X.]. [X.] 3 bis 24, insbes. [X.] 20 bis 24, und re. [X.]. Abs. 2 – Merkmale 1 und 3). Die Bestimmung des [X.] erfolgte auf bekannte Art und Weise (vgl. [X.] S. 642 li. [X.]. Abs. 2 – Merkmal 2), so dass Patentanspruch 1 nach Hauptantrag auch gegenüber [X.] bereits mangels Neuheit keinen Bestand hat.

[X.]) Gemäß [X.] wurden Patienten mit verschiedenen entzündlichen Erkrankungen (Krebspatienten, Rectocolitis) per immunoluminometrischem Test auf erhöhte [X.]-Werte hin untersucht (vgl. [X.] Objective, Methods), davon 31 Myelom-Patienten und Patienten mit Waldenström-Makroglobulinämie, 37 Patienten mit Prostatakrebs und 17 Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen (Rectocolitis). Dabei wurde gefunden, dass [X.] bei rein entzündlichen Erkrankungen nicht erhöht ist, während bei Patienten mit einer Sepsis oder mit Urogenitalinfektionen erhöhte [X.]-Werte gemessen wurden (vgl. [X.] Results, Conclusion). Daraus ergibt sich unmittelbar die Anwendbarkeit der [X.]-Bestimmung zur Diffentialdiagnose zwischen nicht-infektiösen und infektiösen entzündlichen Erkrankungen und damit eines diagnostischen Verfahrens mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 3.

b.4) Die Druckschrift [X.] betrifft die frühzeitige Identifizierung einer biliären Pankreatitis gegenüber einer toxischen Pankreatitis anhand eines deutlich erhöhten [X.]-[X.]iegels im Fall des Vorliegens einer biliären Pankreatitis, die häufig mit bakterieller oder viraler Infektion einhergeht und deshalb eine antibiotische Therapie erfordert (vgl. [X.] le. Abs.). Die Lehre der [X.] eröffnet damit die Möglichkeit zur Differentialdiagnose zwischen einer infektiösen und einer nicht-infektiösen Entzündung der Bauchspeicheldrüse anhand der An- oder Abwesenheit von [X.] – Merkmale 1 und 3. Des Weiteren geht aus der [X.] hervor, dass herkömmliche Entzündungsparameter ([X.], [X.], [X.]) eine derartige Diffentialdiagnose nicht erlauben (vgl. [X.] Tabelle). Auch wenn in der [X.] Ausführungen zur Bestimmungsmethode des [X.]-[X.]iegel fehlen, ist Merkmal 2, welches jedwede Arbeitsweise der Bestimmung von [X.] erfasst, implizit erfüllt.

[X.]) Auch die Druckschrift [X.] ist neuheitsschädlich. Um die Eignung von [X.] als universeller Marker für eine Infektion zu untersuchen, wurde ausgehend von der Hypothese, dass die Anwesenheit von mikrobiellen Endotoxinen die Bildung von [X.] bedingt, bei Patienten mit diversen Infektionskrankheiten der [X.]-[X.]iegel bestimmt und zwar speziell bei einer Candidiasis, einer durch Candida, hier speziell Candida albicans, verursachten Pilzinfektion. (vgl. [X.] S. 310 li. [X.]. Abs. 1 [X.] 8 bis 10). Damit verbunden sind selbstverständliche mukotane (z. B. Soor) oder systemische (infektiöse) Entzündung von Organen. Die Bestimmung des [X.] erfolgte immunoluminometrisch mit gegen verschiedene Epitope des [X.] gerichteten monoklonalen Antikörpern und damit gemäß Merkmal 2 (vgl. [X.] S. 310 li. [X.]. Abs. 2). Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen bakterieller und/oder pilzlicher Infektion und erhöhtem [X.]-[X.]iegel festgestellt und [X.] als Marker zur Überwachung von Patienten mit Immundefizienz, z. [X.], diskutiert (vgl. [X.] S. 310 re. [X.]. Abs. 2 und 3). Tabelle 1 in [X.] verdeutlicht, dass sowohl die Infektion mit dem Cytomegalovirus als auch die Infektion mit Candida albicans einen gegenüber dem Normalwert erhöhten ([X.]) bis stark erhöhten (C.albicans) [X.]-[X.]iegel hervorruft. [X.] vermittelt damit zwangsläufig auch die Möglichkeit der Abgrenzung infektiöser gegenüber nicht-infektiöser Entzündungen und damit auch eine Lehre entsprechend den Merkmalen 1 und 3, zumal [X.] diesbezüglich als Marker zur Überwachung von Patienten nach einer Organtransplantation und damit im Sinne der Ausgestaltungsform des Patentanspruchs 2 des [X.] in Erwägung gezogen wird (vgl. [X.] re. [X.]. Abs. 2 und 3).

b.6) Die beiden Druckschriften [X.] und [X.] sind gemäß der schriftlichen Auskunft und der Internetseite des Verlags (vgl. MW 19, [X.]) im Jahr 1995 im selben Supplement-Band der Fachzeitschrift Chirurgische Gastroenterologie erschienen, der sich ausschließlich mit dem [X.] bei septischen Abdominalerkrankungen befasst, darunter insgesamt drei Artikel betreffend [X.] als Marker für infektiöse Entzündungen. Sie sind damit – entgegen der Ansicht der Beklagten – gegenüber dem Zeitrang des [X.] vorveröffentlicht.

Aus der [X.] geht – ähnlich wie aus der [X.], jedoch ausführlicher erörtert – die frühzeitige Identifizierung einer biliären akuten Pankreatits anhand eines deutlich erhöhten [X.]-[X.]iegels gegenüber einer toxischen, i. d. R. [X.] akuten Pankreatitis hervor (vgl. [X.] insbes. S. 45 li. [X.]. Abs. 2). Daraus gelangen die Autoren zu der Erkenntnis, dass in die Ätiologie der biliären Pankreatitis eine schwere bakteriell infektiöse Komponente einzubeziehen ist und deshalb anhand des [X.]-[X.]iegels eine frühzeitige Diagnose und eine antibiotische Behandlung ermöglicht wird (vgl. [X.] S. 45 [X.] Abs. 2). Aber selbst im Fall einer toxischen Pankreatitis sind nachfolgende infektiöse Komplikationen nicht auszuschließen und können anhand ansteigender [X.]-[X.]iegel erkannt werden (vgl. [X.] S. 44 li. [X.]. Abs. 2 etwa in der Mitte, i. V. m. S. 45 [X.] [X.]. Abs.). Im Hinblick darauf, dass auch Patentanspruch 3 des [X.], der die gleiche diagnostische Anwendung betrifft, die Lehre des Patentanspruchs 1 des [X.] verkörpert, steht die Lehre der [X.] dem Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 des [X.] neuheitsschädlich entgegen.

Neuheitsschädlich zu bewerten ist auch die [X.], die sich ausweislich des Titels mit [X.] als prognostischer Infektionsparameter bei Peritonitis befasst und aus der unmittelbar die Möglichkeit zur Differentialdiagnose unmittelbar nach größeren operativen Eingriffen hervorgeht, wobei [X.] nur bei gleichzeitig bestehender Infektion, nicht dagegen traumaassoziiert, erhöht ist (vgl. [X.] insbes. S. 50 li. [X.]. le. Abs. bis [X.] [X.] 4 i. V. m. S. 48 li. [X.]. Ergebnisse Abs. 3 – Merkmale 1 und 3). Die Bestimmung erfolgt mit handelsüblichen [X.]-Tests (vgl. [X.] S. 48 li. [X.]. Abs. 2 und Fußnote), so dass auch Merkmal 2 erfüllt ist.

c) Aber selbst wenn man die Neuheit gegenüber den vorstehend abgehandelten Druckschriften anerkennen wollte, etwa, wenn man davon ausginge, dass der Anspruchswortlaut des [X.] nicht exakt getroffen sei und/oder dass keine dieser Druckschriften eine konkrete Verallgemeinerung zu einer universellen Differenzierbarkeit zwischen infektiöser und nicht-infektiöser Ätiologie bei jedweder entzündlichen Erkrankung lehre, so beruht das diagnostische Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Eine Aufgabe ist in dem Streitpatent zwar nicht angegeben. Sie ist jedoch darin zu sehen, ein Verfahren zur Diagnose der Ätiologie entzündlicher Erkrankungen bereitzustellen, insbesondere zur Differenzierung zwischen einer infektiösen und einer [X.] Ursache.

Der Fachmann bekommt aus dem seitens der [X.] vorgebrachten Stand der Technik unmittelbar die Anregung, aus der Höhe der Ergebnisse von [X.]-Tests auf eine infektiöse oder auf eine nicht-infektiöse Ursache einer entzündlichen Erkrankung zu schließen (vgl. [X.] bis [X.], im Einzelnen wie vorstehend erörtert und zitiert). Die bei Patienten mit [X.] Entzündungen auftretenden sehr niedrigen [X.]-[X.]iegel (vgl. z. B. [X.], Tabelle [X.] le. [X.]; [X.], insbes. [X.]. 1; [X.] Results, Methods und Conclusion; [X.] le. Satz; [X.] Table 1 i. V. m. Text) lassen den Fachmann jedenfalls zur Erkenntnis gelangen, dass die im Fall von mikrobiellen Infektionen und den daraus herrührenden entzündlichen Prozessen zu messenden erhöhten [X.]-[X.]iegel ein Unterscheidungskriterium gegenüber [X.] entzündlichen Erkrankungen sind und deshalb [X.] als universeller Marker für eine infektiöse Entzündung geeignet ist.

Unerheblich ist, ob in diesen Druckschriften bereits eine konkrete Aussage zur universellen Anwendbarkeit des [X.]-[X.]iegels unabhängig vom jeweiligen Krankheitsbild getroffen wird. Denn aus der Gesamtschau der Druckschriften [X.] und [X.] bis [X.] konnte der Fachmann ohne Weiteres erkennen, dass der [X.]-Wert über die in diesen Druckschriften untersuchten entzündlichen Erkrankungen hinaus von Bedeutung sein könnte, und sah sich deshalb veranlasst, den [X.]-Wert auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen auf seine differentialdiagnostische Bedeutung hin zu untersuchen, wofür es keines erfinderischen Zutuns bedurfte (vgl. [X.] 2009, 1039 – Fischbissanzeiger).

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat deshalb in seiner gesamten diagnostischen Breite auch mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

d) Sofern die Beklagte – wie mit [X.] vom 15. April 2016 und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – in dem diagnostischen Verfahren gemäß Patentanspruch 1 keine Verallgemeinerung einer bereits aus dem Stand der Technik (vgl. z. B. [X.]) bekannten Lehre sondern demgegenüber ein Aliud und hierin eine neue Anwendung zur „sicheren Bestimmung und dementsprechend zum sicheren Ausschluss einer infektiösen Ätiologie eines jeden entzündlichen Prozesses“ sieht (vgl. [X.] v. 15. April 2016 S. 4 Abs. 2), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn aufgrund der Lehre der [X.], aber auch aufgrund weiterer vorveröffentlichter Druckschriften kann im Fall eines erhöhten [X.]-Werts auf eine Sepsis als infektiöse entzündliche Erkrankung geschlossen und eine Unterscheidung zu einer entzündlichen nicht-infektiösen Erkrankungen getroffen werden.

Hinzu kommt, dass Patentanspruch 1 die individuelle Diagnosemöglichkeit jeder beliebigen entzündlichen Erkrankung für sich genommen hinsichtlich infektiöser oder nicht-infektiöser Ursache erfasst, auch wenn diese Krankheitsbilder nicht expressis verbis benannt sind. Einer solchen Auslegung des Patentanspruchs 1 ist nicht zuletzt wegen der einzelnen und individuell verschiedenen, mit Gewebsentzündungen verbundenen Krankheitsbilder der [X.] bis 11 zu folgen, die es anhand des [X.]-Werts hinsichtlich der Infektiosität und damit unter anderem auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer antibiotischen Behandlung als jeweils gesonderte Alternativen zu differenzieren gilt (vgl. auch die Fassung des einzigen Patentanspruchs nach Hilfsantrag 1).

Damit ist das beanspruchte Verfahren auch nicht schon deshalb gegenüber der [X.] als neu zu bewerten, weil in dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 der Begriff „Sepsis“ nicht vorkommt und das beanspruchte Verfahren nach dem Anspruchswortlaut als zur Differentialdiagnose für alle entzündlichen Erkrankungen geeignet zu lesen ist. Zudem war für den Fachmann aus dem vorveröffentlichten gattungsgemäßen Standes der Technik in seiner Gesamtheit – wie unter Punkt 3c dargelegt – ohne weiteres zu erkennen, dass der [X.]-Test auch zur Differenzierung anderer infektiöser und nicht-infektiöser entzündlicher Erkrankungen geeignet sein könnte.

Für die Frage der Bestandsfähigkeit des [X.] ist es ohne Belang, ob mit der streitpatentgemäßen Lehre gegebenenfalls erstmals ein sicheres Verfahren im Sinne der Merkmale 1 und 3 zur Verfügung gestellt wurde. Selbst in einer durch die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele des [X.] gegenüber dem gattungsgemäßen Stand der Technik möglicherweise besser abgesicherten diagnostischen Relevanz des [X.]-Werts ist eine die Patentfähigkeit begründende erfinderische Leistung nicht zu erkennen. Eine medizinische Diagnose auf Basis des [X.]-[X.]iegels wird auch nach Anwendung der Lehre des [X.] nicht sicherer als nach Maßgabe des Standes der Technik, zumal sich der zahlenmäßige Umfang der [X.] des [X.] in der Größenordnung der entsprechenden Kollektive des vorgebrachten Standes der Technik bewegt.

4. Nicht bestandsfähig ist das Streitpatent auch in der Fassung des einzigen Patentanspruchs nach Hilfsantrag 1, in dem die Patentinhaberin zu den Merkmalen 1 bis 3 die Ausgestaltungen der Unteransprüche 2 sowie 5 bis 11 der erteilten Fassung jeweils als voneinander unabhängige Alternativen hinzugenommen hat (vgl. Merkmale 3.1 bis 3.8).

Dieser Patentanspruch ist bereits mangels Neuheit der Alternative des Merkmals 3.4 nicht gewährbar, da aus der [X.] die Möglichkeit hervorgeht, anhand der Höhe des [X.]-[X.]iegels bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen (Rectocolitis) zwischen rein entzündlicher Ursache und infektiösen Erkrankungen zu unterscheiden, wobei vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt 3 [X.] verwiesen wird.

Darüber hinaus ist dieser Patentanspruch auch bereits mangels Neuheit jeweils einer der beiden Alternativen der Merkmale 3.1 und 3.5 nicht gewährbar, da aus der [X.] ein Zusammenhang zwischen bakterieller und/oder pilzlicher Infektion und erhöhtem [X.]-[X.]iegel unmittelbar hervorgeht und die Möglichkeit der Überwachung von Patienten mit Immundefizienz, z. [X.], anhand des [X.]-[X.]iegels und damit [X.] als Marker diskutiert wird (vgl. [X.] [X.] Abs. 2 und 3), wobei vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt 3 [X.] verwiesen wird.

Selbst wenn man der Beklagten folgen und die Neuheit anerkennen wollte, weil gemäß [X.] oder gemäß [X.] wegen dort fehlender Konkretisierung der Ergebnisse der Patientenstudien ein sicherer Ausschluss einer infektiösen oder einer [X.] Entzündung und/oder eine sichere Differenzierung nicht möglich sei, mangelt es dem Gegenstand des Patentanspruchs nach Hilfsantrag 1 jedenfalls in den Ausgestaltungen der alternativen Merkmale 3.1, 3.4 und/oder 3.5 an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Denn der Fachmann bekommt sowohl aus der [X.] als auch aus der [X.] unmittelbar die Anregung, aus der Höhe der Ergebnisse von [X.]-Tests auf eine infektiöse oder auf eine nicht-infektiöse Ursache von entzündlichen Erkrankungen gemäß Merkmalen 3.1, 3.4 und 3.5 zu schließen (vgl. [X.] und [X.], wie unter Punkt 3 [X.] und 3 [X.] zitiert). Die bei Patienten mit nicht-infektiösen Entzündungen auftretenden sehr niedrigen [X.]-[X.]iegel (vgl. [X.] Results, Methods und Conclusion; [X.] Table 1 i. V. m. Text) lassen den Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu der Erkenntnis gelangen, dass die im Fall von mikrobiellen Infektionen und den daraus herrührenden entzündlichen Prozessen zu messenden erhöhten [X.]-[X.]iegel ein Unterscheidungskriterium gegenüber den niedrigen [X.]-Werten bei einer rein durch die Organtransplantation bedingten nicht-infektiösen Entzündung oder bei einem entzündlichen Schub einer Autoimmunerkrankung darstellen und [X.] deshalb als diesbezüglich differenzierender Entzündungsmarker geeignet ist.

5. [X.] hat auch in der Fassung der Patentansprüche 1 bis 11 nach Hilfsantrag 2 mangels Neuheit oder mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

a) Die zusätzliche Ausgestaltung des Merkmals 1 des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung durch die frühzeitige Bestimmung (Merkmal 1.1) der Ätiologie entzündlicher Prozesse zur Auswahl therapeutischer Maßnahmen (Merkmal 1.2) kann die Patentfähigkeit des beanspruchten diagnostischen Verfahrens nicht begründen. Denn die frühzeitige Bestimmung der Ursache entzündlicher Prozesse anhand des [X.]-Werts zwecks Auswahl therapeutischer Maßnahmen ergibt sich bereits unmittelbar aus einzelnen der vorgebrachten Druckschriften (vgl. [X.] S. 6 [X.] 22 bis 38; [X.] le. Satz; [X.] Titel i. V. m. S. 45 re. [X.]. Abs. 2; [X.] S. 644 re. [X.]. le. Abs. i. V. m. S. 641 re. [X.]. Materials and Methods Abs. 3; [X.] Titel i. V. m. le. Satz) oder erschließt sich dem Fachmann daraus jedenfalls in naheliegender Weise. Insbesondere ergibt sich aus der Druckschrift [X.] im Zusammenhang mit [X.] als differenzierender Entzündungsmarker die übliche Therapie zur Behandlung nicht-infektiöser entzündlicher Erkrankungen mittels herkömmlicher Corticosteroide (vgl. [X.] le. Satz).

b) Nicht bestandsfähig ist das Streitpatent auch in jeder einzelnen der alternativen Ausgestaltungen gemäß den Unteransprüchen 2 bis 11 in Rückbezug auf den neu formulierten Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2.

Ein durch Merkmale der [X.] 2 bis 4 ausgestaltetes diagnostisches Verfahren ist im Hinblick auf die Ausführungen zu den betreffenden entzündlichen Erkrankungen in [X.], [X.] oder [X.] bereits nicht mehr neu oder beruht demgegenüber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (vgl. [X.] zu [X.]); [X.] le. Satz i. V. m. Tabelle zu [X.]; [X.] insbes. S. 310 [X.] le Abs. i. V. m. Tabelle11 zu [X.]). Eine frühzeitige Diagnose zwecks Auswahl geeigneter Therapien versteht sich zwar von selbst, beruht jedoch unter Berücksichtigung des vorgebrachten Standes der Technik, wie vorstehend zu Patentanspruch 1 abgehandelt, jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Neuheitsschädlich vorweggenommen sind auch die Ausgestaltungen der [X.] 7 und 8 gegenüber dem Inhalt der [X.] und dem Inhalt der [X.]. Aus der [X.] geht die Möglichkeit hervor, anhand der Höhe des [X.]-[X.]iegels bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen (Rectocolitis) zwischen rein entzündlicher Ursache und infektiösen Erkrankungen zu unterscheiden, wobei vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt 3 [X.] verwiesen wird. Aus der [X.] geht die Möglichkeit der Überwachung von Patienten mit Immundefizienz, z. [X.], anhand des [X.]-[X.]iegels und damit [X.] als Marker zur Differenzierung einer [X.] von einer infektiösen Entzündung hervor (vgl. [X.] S. 310 [X.] Abs. 2 und 3). Dessen ungeachtet zählen zu den im Blickfeld des Fachmanns liegenden entzündlichen Erkrankungen insbesondere solche rheumatischen Krankheitsbildern, die typischerweise mit [X.] verbunden und häufig auf Autoimmunerkrankungen zurückzuführen sind, darunter auch rein entzündliche Darmerkrankungen, z. B. Morbus Crohn, so dass die [X.] 7 und 8 auch in der Ausgestaltung der Merkmale 1.1 und 1.2 des Patentanspruchs 1 jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand haben.

Für die entzündlichen Erkrankungen der übrigen [X.] ergibt sich die Bedeutung des [X.]-Werts als Marker zur Unterscheidung gemäß Merkmal 3 nicht, jedenfalls nicht unmittelbar aus dem vorgebrachten Stand der Technik. Die Ausgestaltungen dieser [X.] erschließt sich dem Fachmann daraus jedoch in naheliegender Weise. Er gelangt nicht zuletzt wegen der Lehre der [X.] und geleitet von den Ergebnissen der Fallstudien der Druckschriften [X.] bis [X.] (vgl. vorstehend Punkte 3 b.1 bis 3 b.6 wie erörtert und zitiert) zur Erkenntnis, dass ein erhöhter [X.]-[X.]iegel generell durch Entzündungen mit infektiöser Ursache bedingt sein könnte, was ihn wiederum veranlassen wird, den [X.]-[X.]iegel auf seine Signifikanz als Unterscheidungskriterium bzw. Marker auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen hin zu untersuchen. Eine erfinderische Leistung ist mit der systematischen Untersuchung weiterer infektiöser entzündlicher Erkrankungen gegenüber nicht-infektiöser entzündlicher Erkrankungen ausgehend von dem durch den Stand der Technik bereits vorgegebenen Konzept nicht verbunden. Die [X.] 5, 6 und 9 bis 11 haben deshalb jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der [X.] zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der [X.] zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim [X.], [X.] 45a, 76133 [X.] eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Meta

3 Ni 9/15 (EP) verb. m., 3 Ni 21/15 (EP)

26.07.2016

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

nachgehend BGH, 2. Oktober 2018, Az: X ZR 118/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 26.07.2016, Az. 3 Ni 9/15 (EP) verb. m., 3 Ni 21/15 (EP) (REWIS RS 2016, 7629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7629

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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