Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2012, Az. III ZR 240/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4989

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 240/11

Verkündet am:

5. Juli 2012

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 839 Fe; BerlStrG § 7
Zur Amtshaftung des [X.] wegen der Verletzung der Verkehrssiche-rungspflicht für einen seit Jahren in einem "desolaten" Zustand befindlichen Gehweg.
[X.], Urteil vom 5. Juli 2012 -
III ZR 240/11 -
[X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5.
Juli 2012
durch den Vizepräsidenten [X.] sowie
die [X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des [X.]s vom 30.
September 2011 wird [X.].

Der Beklagte hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die im Jahre 1939 geborene Klägerin verlangt von dem
Beklagten mate-riellen Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung von [X.].

Die Klägerin stürzte am Vormittag des 24.
September 2009 auf einem von ihr
seit etlichen Jahren benutzten Überweg des [X.] der N.

-

straße an der Kreuzung zur A.

-Straße in [X.].

. Dieser vor dem 3.
Oktober 1990 angelegte Weg bestand am Tage des Sturzes wie schon in den Jahren
zuvor aus stark verwitterten und keine ebene Fläche mehr aufweisenden Betonplatten.
Die letzte turnusmäßige Begehung durch einen 1
2
-

3

-

Mitarbeiter des [X.] des
Beklagten hatte am 4.
September 2009 [X.]. Am Unfalltag blieb die Klägerin, die festes Schuhwerk trug, mit einem Fuß in einem etwa 2 bis 2,5
cm tiefen Loch hängen und fiel zu Boden, wobei sie sich schwere Verletzungen im Gesicht, Prellungen im Arm-
und Brustbereich sowie eine Verstauchung des rechten Handgelenks zuzog.

Das [X.] hat der Klage im Wesentlichen -
unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils
der Klägerin von 10
%
-
stattgegeben. Die Beru-fung des
Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision des
Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das schädigende Ereignis Folge einer von dem Beklagten zu vertretenden Verletzung der im [X.] hoheitlich ausgestalteten Straßenverkehrssicherungspflicht. Der streitgegen-ständliche Überweg habe sich ausweislich der vorgelegten Lichtbilder insge-samt in einem desolaten Zustand
befunden, der unstreitig so auch bereits seit Jahren
bestanden habe. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, seine jahrelange Untätigkeit stelle deshalb keine Pflichtverletzung dar, weil
die Gefah-renlage so
gravierend sei, dass diese
von einem durchschnittlich sorgfältigen Fußgänger bereits bei flüchtigem Hinsehen ohne weiteres bemerkt werden 3
4
5
-

4

-

könne. Jedenfalls für den vorliegenden Fall sei eine solche Auffassung zum Unterhalt öffentlicher Wege nicht vertretbar. Die Oberfläche der Betonplatten des [X.] sei rissig und an verschiedenen Stellen aufgebrochen gewesen und habe diverse Vertiefungen bis zu 3,2
cm aufgewiesen. Der insgesamt de-solate Zustand des Gehwegs habe in seiner Gesamtheit eine Stolper-
und Sturzgefahr dargestellt, die bei der von einem Fußgänger zu erwartenden Sorg-falt zwar erkennbar, jedoch bei der Benutzung nicht mehr sicher zu beherr-schen gewesen sei. Völlig zutreffend habe das [X.] daher festgestellt, dass es lediglich eine Frage der [X.] gewesen sei, bis ein Fußgänger auch bei noch so großer Vorsicht zu Schaden komme. Hierbei könne offenbleiben, ob ein einzelner -
für sich genommen aber gefahrträchtiger
-
Gehwegschaden dann hinzunehmen sei, wenn er mit
einem Blick gut erkennbar und insoweit beherrschbar sei, als der Fußgänger ihm einfach ausweichen könne. Denn um eine solche Fallgestaltung handele es sich hier nicht;
vielmehr sei der gesamte
Überweg
schadhaft und ein Ausweichen auf einen schadlosen Bereich unmög-lich gewesen. In diesem Zusammenhang könne sich der
Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin von der Benutzung des Wegs gänzlich hätte absehen können. Er
habe den Verkehr eröffnet,
den ihm
bekannten Zustand aber nicht zum Anlass genommen, den Weg zu sperren, so dass er der Kläge-rin nunmehr nicht entgegenhalten könne, sie
hätte den Weg nicht benutzen [X.]. Im Übrigen gehe es bei dem Weg um einen übergeordneten Verkehrsbe-reich. Wie der Beklagte selbst vorgetragen habe, handele es sich
bei der Um-gebung der N.

straße um ein Wohngebiet mit überwiegend älteren Be-wohnern, denen durch den Überweg die Möglichkeit des Überquerens der Straße zum Zwecke der Aufsuchung eines Einkaufcenters eröffnet worden sei. Auch dies hätte der Beklagte zum Anlass nehmen müssen, den Weg instand zu halten und ihn nicht über Jahre in einem gefährlichen Zustand zu belassen. [X.] hätte der Beklagte auch berücksichtigen müssen, dass in ihrer Bewe--

5

-

gungs-, Seh-
und Reaktionsfähigkeit eingeschränkte und daher bezüglich der hier
streitgegenständlichen Gefahr besonders anfällige ältere Menschen den Weg benutzten. Auch seien die einzelnen Vertiefungen in der Betonoberfläche nicht so scharf umrissen, dass sie sich optisch derartig voneinander abheben würden, als
dass der aufmerksame Fußgänger zwingend Einzelheiten des Gehwegprofils ohne weiteres in ihrer konkreten Ausgestaltung zu erkennen ver-möge. Hinzu komme, dass sich der schadhafte Gehweg in einem Bereich [X.], bei dem damit gerechnet werden müsse, dass sich der sorgfältige [X.] bereits im besonderen Maß auf den Straßenverkehr und nicht so sehr auf die Beschaffenheit des Bodens konzentriere, bei der Nutzung des auf dem Mittelstreifen angelegten [X.] mithin seinen Blick im Wesentlichen bereits auf den Fahrzeugverkehr der sogleich zu querenden zweiten Fahrbahn der N.

straße richte.
Ohne Erfolg berufe sich der Beklagte darauf, es
sei vor-gesehen gewesen, die Grunderneuerung des [X.] zum frühest möglichen [X.]punkt durchzuführen. Zwar erfolge der Unterhalt öffentlicher Straßen gemäß §
7 Abs.
2 Satz
2 des [X.] Straßengesetzes im Rahmen der [X.]. Dass dem Beklagten eine Instandsetzung der
desolaten Unfallstelle
jedoch aus Gründen fehlender finanzieller [X.] über
Jahre unmöglich gewesen sei, werde nicht einmal ansatzweise dargelegt; hierzu fehle jedweder Vortrag. Von daher könne offenbleiben, ob die Beschränktheit öffentlicher Mittel ein -
wenn auch nur zeitweiliges
-
völliges [X.] rechtfertigen würde.
Ein weitergehendes Mitverschulden der Klägerin als vom [X.] angenommen sei nicht ersichtlich. Hierfür reiche
allein der Umstand, dass ihr die Schadhaftigkeit des Wegs bekannt gewesen sei, nicht aus. Sie habe diesen
zur Erreichung des Einkaufszentrums benutzen dürfen; es sei allein Sache des Beklagten gewesen, für Abhilfe zu sorgen, was er
aber bewusst über viele Jahre und daher gröblich unterlassen habe.

-

6

-

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhaf-ter Amtspflichtverletzung (§
839 Abs.
1 Satz
1 BGB i.V.m. Art.
34 Satz
1 GG) zu.

1.
Nach §
7 Abs.
6 Satz
1 des [X.] Straßengesetzes (BerlStrG) vom 13.
Juli 1999 (GVBl. S.
380) wird unter anderem die Überwachung der [X.] Straßen
vom [X.] als eine Pflicht des öffentlichen Rechts wahrgenommen. §
7 Abs.
6 Satz
2 BerlStrG bestimmt, dass dazu die Sorge dafür
gehört, dass die öffentlichen Straßen in der Baulast Ber-lins den in §
7 Abs.
2
bis 5 BerlStrG formulierten Anforderungen entsprechen. Danach sind die öffentlichen Straßen im Rahmen der Leistungsfähigkeit des [X.] so zu unterhalten, dass sie dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis
genügen

7 Abs.
2 Satz
2 BerlStrG). Dabei sind auch die Belange der im Straßenverkehr besonders gefährdeten Personen sowie von Menschen mit Be-hinderungen zu berücksichtigen

7 Abs.
2 Satz
3 BerlStrG).
Im Falle eines nicht verkehrssicheren Zustands ist
zu veranlassen, dass bis zur [X.] eines verkehrssicheren Zustands eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer durch Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen ausge-schlossen ist

7 Abs.
2 Satz
4 BerlStrG).
Im Übrigen ist für eine alsbaldige Wiederherstellung des verkehrssicheren Zustands der Straße zu sorgen

7 Abs.
2 Satz
5 BerlStrG).
Unter den Begriff der öffentlichen Straße fallen dabei nach §
2 Abs.
2 Nr.
1
Buchst. b BerlStrG unter anderem auch die Gehwege.

2.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht nach Maßgabe dieser ge-setzlichen Regelung eine schuldhafte Amtspflichtverletzung festgestellt.
6
7
8
-

7

-

a) Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, dass eine Pflichtverletzung angesichts der Erkennbarkeit der Gefahrenlage ausscheide.

[X.]) Zum einen kommt es hierauf nach der konkreten landesrechtlichen Regelung nicht an. Hierbei kann dahinstehen, ob es einer Warnung der Ver-kehrsteilnehmer
durch entsprechende Verkehrsschilder im Rahmen des §
7 Abs.
2 Satz
4 BerlStrG nicht bedurfte, weil sich der Überweg, wie im angefoch-tenen Urteil
ausgeführt, in einem "quasi vor sich selbst warnenden Zustand be-fand".
Der Beklagte hat jedenfalls gegen die ihm ausdrücklich auferlegte und über die Verweisung in §
7 Abs.
6 Satz
2 BerlStrG zum Inhalt seiner Straßen-verkehrssicherungspflicht gemachte Verpflichtung verstoßen, für eine alsbaldi-ge Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des Gehwegs zu sorgen

7 Abs.
2 Satz
5 BerlStrG). Nach der
Feststellung des Berufungsgerichts bestand der desolate Zustand des Gehwegs bereits seit Jahren, ohne dass Abhilfe ge-schaffen wurde. §
7 Abs.
2 Satz
5 BerlStrG enthält insoweit aber keine Ein-schränkung der Abhilfeverpflichtung bezüglich erkennbarer Gefahrenstellen. §
7 Abs.
2 Satz
4 BerlStrG betrifft demgegenüber
nur temporäre Behelfsmaßnah-men
und schafft -
wie §
7 Abs.
2 Satz
5 BerlStrG deutlich macht
-
keine Dauer-lösung. Deshalb enthebt die Erkennbarkeit einer Gefahrenquelle den Beklagten nicht von der Notwendigkeit der alsbaldigen Wiederherstellung der Verkehrssi-cherheit. Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob in einem Fall, im dem nicht nur einzelne Bereiche eines Gehwegs, sondern dieser insgesamt verkehrsunsicher ist, §
7 Abs.
2 Satz
4 BerlStrG nicht eine Sperrung des Wegs
verlangt, da
lediglich Warnungen zum gesetzlich geforderten
Ausschluss einer Gefährdung der Verkehrsteilnehmer
unzureichend sind.

9
10
-

8

-

bb) Zum anderen ist es zwar zutreffend, dass ein Verkehrssicherungs-pflichtiger nach der von der Revision in Bezug genommenen Senatsrechtspre-chung in
geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejeni-gen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen muss, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzu-richten vermag (vgl. nur Urteile
vom 21.
Juni 1979 -
III
ZR 58/78, [X.], 1055, vom 12.
Juli 1979 -
III
ZR 102/78, NJW 1979, 2043, 2044, vom 10.
Juli 1980 -
III
ZR 58/79, NJW 1980, 2194, 2195
und vom 13.
Juli 1989 -
III
ZR 122/88, [X.]Z 108, 273, 275). Der Beklagte erfasst den Aussagegehalt dieser Definition jedoch nicht vollständig, wenn er lediglich isoliert den Gesichtspunkt der Erkennbarkeit anspricht. Darüber hinaus ist vielmehr notwendig, dass sich der Benutzer auf die Gefahr einstellen kann, was beispielsweise dann in [X.] kommt, wenn er einer auf einem Gehweg vorhandenen und gut erkenn-baren Gefahrenstelle unproblematisch auszuweichen vermag. Nach den rechts-fehlerfrei getroffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts
befand sich aber der ganze Überweg in einem so desolaten Zustand, dass selbst
ein umsichtiger Fußgänger der Gefahr nicht ausweichen konnte, vielmehr bei jedweder
Benut-zung des Wegs gezwungen war, Teile zu begehen, die sich in schlechtem Zu-stand befanden, sodass eine gefahrlose Benutzung nicht möglich war.

cc) Soweit der Beklagte auf Urteile aus anderen Bundesländern
verweist, in denen wegen der Erkennbarkeit der unfallursächlichen Gefahrenstelle eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint worden ist, kommt es auf diese Entscheidungen bereits angesichts der ausdrücklichen landesrechtlichen Regelung in §
7 Abs.
2 Satz
5, Abs.
6 Satz
2
BerlStrG
nicht an. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass es dort um Fallgestaltungen ging, in denen -
wie vorlie-gend
-
eine Benutzung des Weges unter Umgehung der Gefahrenstelle oder 11
12
-

9

-

ein gefahrvermeidendes Sich-Einstellen auf den Zustand des Weges unmöglich gewesen und dessen ungeachtet -
insoweit auch in Abweichung von der oben angesprochenen
Senatsrechtsprechung
-
eine Amtshaftung verneint
worden wäre.

b) Zu Unrecht rügt der Beklagte, dass das Berufungsgericht
bei seiner Bewertung des Gehwegs als dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis nicht genü-gend und insoweit verkehrsunsicher auch die Belange schwächerer Verkehrs-teilnehmer berücksichtigt hat. Denn dies schreibt bereits §
7 Abs.
6 Satz
2, Abs.
2 Satz
3 BerlStrG vor. Im Übrigen hat der Beklagte selbst vorgetragen, dass es sich bei der Umgebung der Unfallstelle um ein Wohngebiet mit über-wiegend älteren Bewohnern gehandelt habe, denen durch den Überweg die Möglichkeit geschaffen werden sollte, an dieser Stelle die N.

straße zu überqueren, um ein Einkaufszentrum besuchen zu können. Gehörten damit aber zum üblichen Benutzerkreis vor allem ältere und damit häufig nicht so ver-kehrssichere Personen, musste der Beklagte, selbst wenn man mit der Revision auf den durchschnittlichen Fußgänger als Maßstab abstellen wollte, dem Rech-nung tragen. Der weitere Einwand, das Berufungsgericht
habe fehlerhaft
darauf abgestellt, dass Fußgänger bei der Nutzung des [X.] auf dem Mittelstrei-fen ihre
Aufmerksamkeit auch bereits dem Fahrzeugverkehr auf
der zu über-querenden zweiten Richtungsfahrbahn zuwendeten und insoweit abgelenkt würden, ist ebenfalls unbegründet. Zunächst handelt es sich hierbei lediglich um eine zusätzliche Erwägung im Urteil, die auch nach Auffassung des Senats für die Annahme einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Beklagten nicht von tragender Bedeutung ist. Im Übrigen obliegt diese tatrichterliche Feststel-lung nur einer eingeschränkten revisionsrechtlicher Überprüfung; Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf. Auch eine Verkennung der rechtlichen An-forderungen an die Eigensorgfalt der Verkehrsteilnehmer ist nicht gegeben.
13
-

10

-

c) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Beklagten, das Berufungsge-richt habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin, statt den schadhaften Über-weg zu benutzen, auf die daneben befindliche Grünfläche hätte ausweichen können. Denn der Verkehrssicherungspflichtige kann Verkehrsteilnehmern grundsätzlich nicht entgegenhalten, sie hätten gefährliche Stellen meiden müs-sen. Damit würde er die ihn treffende Verantwortung unzulässig auf den

Verkehrsteilnehmer abwälzen (vgl. nur Senatsurteil vom 10.
Juli 1980, [X.]O S.
2195). Im Übrigen zeigt die Revision keinen diesbezüglichen vom [X.] übergangenen Tatsachenvortrag vor den Instanzgerichten auf. Sie nimmt vielmehr lediglich Bezug darauf, dass der Ehemann der Klägerin im vor-letzten Absatz der "Unfallmeldung" vom 29.
September 2009
erwähnt habe, dass er und seine Ehefrau "bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustan-des dieses Weges über die Grünfläche möglichst dicht neben dem Weg laufen". Diese Randbemerkung in einer Anlage zur Klageschrift
macht substantiellen Vortrag des Beklagten zu einer zumutbaren Alternative nicht entbehrlich. Abge-sehen davon ist -
genauso wenig wie letztlich ein Fußgänger gehalten ist, zur Vermeidung einer Gefahrenstelle auf einem Gehweg auf den Randbereich der Fahrbahn auszuweichen (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Mai 1997 -
VI
ZR 90/96, [X.], 430)
-
ein Fußgänger grundsätzlich auch nicht gehalten, einen neben dem Gehweg befindlichen und vom Verkehrssicherungspflichtigen für diesen Zweck selbst nicht vorgesehenen unbefestigten Grünstreifen zu betreten, der seinerseits häufig ebenfalls aufgrund von Unebenheiten, Löchern oder -
bei Nässe
-
erhöhter Rutschgefahr Gefahren für die Begehung aufweist.

d) Fehl geht auch der pauschale Hinweis der Revision auf die beengten finanziellen Verhältnisse des Beklagten. Das Berufungsgericht
hat festgestellt, dass der Beklagte nicht einmal ansatzweise dargelegt habe, dass ihm eine In-14
15
-

11

-

standsetzung des desolaten [X.] aus Gründen fehlender finanzieller [X.] über Jahre hinweg unmöglich gewesen sei. Die Revision zeigt hierzu
keinen entscheidungserheblichen und vom Berufungsgericht übergange-nen gegenteiligen Vortrag vor den Instanzgerichten auf. Mit der Revisionsbe-gründung
wird insoweit nur
auf einen
Schriftsatz der Klägerin vom 20.
Januar 2011
Bezug genommen, in dem -
im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Klä-gerin, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflichten vorsätzlich ver-letzt
-
lediglich ausgeführt worden
ist, dass der Beklagtenvertreter im Termin vor dem [X.] erklärt habe, dass alle Betonplattenwege im Bezirk P.

mehr oder minder so aussähen wie der streitgegenständliche, wobei es aber kein Geld gebe, diese zu sanieren. Dass diese pauschale Darstellung keine Rechtfertigung dafür sein kann, über viele Jahre hinweg den [X.] nicht zu reparieren, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Hierbei ist auch anzumerken, dass der Beklagte mit seiner [X.] selbst vorgetragen hat, ihm sei selbstverständlich klar gewe-sen, dass angesichts des desolaten Zustands eine "Grundinstandsetzung zum frühestmöglichen [X.]punkt erfolgen muss".
Dieser [X.]punkt ist aber bei einer mehrjährigen Untätigkeit ersichtlich versäumt.
Insoweit kann letztlich [X.], inwieweit finanzielle Engpässe der öffentlichen Hand jedenfalls ein zeitwei-liges Absehen von [X.] rechtfertigen können
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 14.
Oktober 1982 -
III
ZR 174/81, [X.], 39; [X.] auch Senatsbeschluss vom 27.
April 1987 -
III
ZR 123/86, [X.], 989, 990).

3.
Ohne Erfolg fordert der Beklagte eine höhere Mithaftungsquote der Klä-gerin.

16
-

12

-

a) Zu Unrecht wendet er sich dagegen, dass ihm das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last ge-legt hat. Die Einstufung eines Verhaltens
als einfach oder grob fahrlässig ist Sache der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. [X.] werden kann nur, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob bei der Bewertung des Grads der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer [X.] gelassen wurden (vgl. nur [X.], Urteile vom 13.
Dezember 2004 -
II
ZR 17/03, [X.], 981, 982 und vom 11.
Juli 2007 -
XII
ZR 197/05, NJW 2007, 2988 Rn.
16, jeweils mwN). [X.] ist die Rüge des Beklagten nicht entscheidungserheblich, es sei wider-sprüchlich, wenn das Berufungsgericht ihm einerseits grobe Fahrlässigkeit [X.], andererseits aber ihm konzediere, dass er sich für seinen Standpunkt, erkennbare Gefahrenquellen müssten nicht beseitigt werden, auf Rechtspre-chung anderer Instanzgerichte stützen könne, und hierzu auch die Revision zulasse. Denn auf diese Rechtsprechung kommt es, wie ausgeführt, nicht an. Angesichts der eindeutigen Regelung in §
7 Abs.
2 Satz
5,
Abs.
6 Satz 2 BerlStrG sowie
des offenkundigen und über Jahre nicht beseitigten Zustands des Gehwegs ist revisionsrechtlich gegen die tatrichterliche Bewertung als grob fahrlässig im Ergebnis nichts zu erinnern.

b) Soweit mit der Revision vorgetragen wird, die Klägerin habe sich beim Überqueren des [X.] unvorsichtig verhalten, da sie die Schadstellen nicht ständig im Auge behalten habe, sodass sie sich ein weit überwiegendes Eigenverschulden anrechnen lassen müsse, zeigt der Beklagte bereits keinen diesbezüglichen Vortrag vor den Instanzgerichten auf. Vielmehr hat er im Ge-genteil sogar in der [X.] -
im Zusammenhang mit dem Einwand, angesichts der Erkennbarkeit der Gefahrenquelle bestehe keine Verkehrssiche-rungspflicht
-
ausdrücklich auf das
Vorbringen
der Klägerin Bezug genommen, 17
18
-

13

-

sie kenne den Überweg und sei wegen dessen schlechter Qualität vorsichtig gegangen.
Jedenfalls ist gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] hafte zumindest zu 90
% für die Folgen des [X.], revisi-onsrechtlich nichts einzuwenden. Die Abwägung der Verantwortlichkeiten zwi-schen Schädiger und Geschädigtem gehört dem Bereich der tatrichterlichen Würdigung an. Das Revisionsgericht überprüft nur, ob der Tatrichter
die in [X.] kommenden Umstände richtig und vollständig berücksichtigt sowie bei der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat, insbeson-dere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. nur [X.], Urteil vom 8.
Juli 1986 -
VI
ZR 47/85, [X.]Z 98, 148, 158; Senatsurteile vom 11.
Januar 2007 -
III
ZR 116/06, NJW 2007, 1063 Rn.
7 und vom 16.
Juli 2009 -
III
ZR 21/09, NJW-RR 2009, 1688 Rn.
16). [X.] Fehler zeigt der Beklagte insoweit nicht auf.

[X.]
Wöstmann

[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2010 -
86 [X.]/10 -

KG Berlin, Entscheidung vom 30.09.2011 -
9 [X.] -

Meta

III ZR 240/11

05.07.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2012, Az. III ZR 240/11 (REWIS RS 2012, 4989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4989

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 240/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.