Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2016, Az. XI ZR 292/14

11. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 3414

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Gegenstand

Bankenhaftung bei Anlageberatung: Pflicht zur Aufklärung über das Einpreisen einer Bruttomarge bei einem Swap-Geschäft


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. April 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen angeblich fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines [X.] in Anspruch.

2

Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen, hatte im August 2008 Kontokorrentkredite in Höhe von mehr als 3,8 Mio. € von verschiedenen Banken und in Höhe von 500.000 € von der [X.] erhalten. Für diese Kredite hatte die Klägerin variable Zinsen zu zahlen.

3

Am 28. August 2008 schlossen die Parteien einen "Rahmenvertrag für [X.]" sowie den streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 1. September 2008 bis zum 28. Juni 2013. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von 4,22% p.a. auf einen Bezugsbetrag von 2 Mio. €, während die Beklagte die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen in Höhe des 3-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters auf denselben Bezugsbetrag übernahm.

4

Bis zum 31. März 2011 wurden die von der Klägerin nach den vierteljährlichen Fixingbestätigungen geschuldeten Zahlungen - insgesamt 134.288,63 € - auf einem Kontokorrentkonto der Klägerin bei der [X.] verbucht. In der Folgezeit wurden diese Zahlungen auf ein "Leistungsrückstandskonto" gebucht.

5

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin - insbesondere unter Berufung auf eine in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Beratung über das Swap-Geschäft - die Verurteilung der [X.] zur Freistellung der Klägerin von sämtlichen Verpflichtungen aufgrund des [X.], zur Zahlung von 134.288,63 € nebst Verzugszinsen, zur Freigabe sämtlicher Sicherheiten sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

6

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der [X.] hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil nur zugelassen, soweit es um den Vorwurf der unterbliebenen Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert des [X.] geht. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Klagegebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 1581) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

9

Das [X.] habe die Klage zu Recht abgewiesen und festgestellt, dass eine für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächliche Fehlberatung durch Mitarbeiter der Beklagten nicht vorliege. Zwischen den Parteien habe ein Beratungsvertrag bestanden. Die Beklagte habe nicht gegen eine Pflicht zur Aufklärung über einen anfänglich negativen Marktwert verstoßen. Soweit die Klägerin auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 ([X.], [X.], 13) verweise, könne sie damit nicht durchdringen. Bei dem hier streitgegenständlichen Swap finde lediglich der Austausch von Zinssätzen statt und es sei weder von der Klägerin vorgetragen noch lägen sonstige Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser Swap eine Konstruktion zu Lasten der Klägerin aufweise wie der CMS [X.] aus dem vorgenannten Senatsurteil. Über einen anfänglich negativen Marktwert, der allein aus der eingepreisten und einkalkulierten Gewinnmarge der Bank resultiere, sei nicht aufzuklären. Nicht entscheidend sei in diesem Zusammenhang, ob dem Swap-Geschäft ein konnexer Darlehensvertrag zugrunde liege, was hier im Übrigen nicht der Fall sei.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestand zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, im Fall eines [X.], der wie der streitgegenständliche konzipiert sei, bestehe keine beratungsvertragliche Pflicht zur Aufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert, der aus der eingepreisten Gewinnmarge der Bank resultiere.

a) Auch wenn das Einpreisen einer Bruttomarge in ein Swap-Geschäft kein Umstand ist, über den die beratende Bank im Rahmen der objektgerechten Beratung informieren müsste (Senatsurteile vom 20. Januar 2015 - [X.], [X.], 575 Rn. 33 ff., vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 117 Rn. 31 f. und vom 22. März 2016 - [X.], [X.], 821 Rn. 23), hat sie unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts bei Swap-Verträgen im Zweipersonenverhältnis - und damit unabhängig von deren konkreten Bedingungen - die Pflicht, über die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts, d.h. der den Nettogewinn und die Kosten der Bank umfassenden Bruttomarge, sowie über dessen Höhe aufzuklären, es sei denn der [X.] dient nur dazu, die Konditionen eines konnexen Kreditverhältnisses abzuändern (vgl. Senatsurteile vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 117 Rn. 39 ff. und vom 22. März 2016 - [X.], [X.], 821 Rn. 24, 27; Senatsbeschluss vom 15. März 2016 - [X.], juris Rn. 10).

b) Hier war die Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts nicht wegen des Bestehens eines konnexen Gegengeschäfts entfallen. Gemäß den Grundsätzen, die der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteilen vom 22. März 2016 ([X.], [X.], 821 Rn. 26 ff.) und vom 12. Juli 2016 ([X.], juris Rn. 25) aufgestellt hat, ist der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht konnex mit den von der Beklagten gewährten Darlehen verknüpft gewesen, da der Bezugsbetrag des [X.]s von 2 Mio. € die an die Beklagte zurückzuzahlende Darlehensvaluta von 500.000 € deutlich überstieg.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beklagte unstreitig ihre Gewinnmarge in den streitgegenständlichen [X.] eingepreist und die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat.

Nach diesen Feststellungen hat die Klägerin behauptet, nicht auf den anfänglichen negativen Marktwert des [X.]s hingewiesen worden zu sein. Damit hat die Klägerin die geltend gemachte Pflichtverletzung hinreichend dargelegt. Denn schlüssiger Vortrag zur unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert eines [X.]s setzt nur voraus, dass der Kunde die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts als solches und das Verschweigen dieser Tatsache vorträgt. Dagegen muss der Kunde den Umfang des anfänglichen negativen Marktwerts nicht beziffern, auch nicht im Sinne der Angabe einer Größenordnung (Senatsbeschlüsse vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 2279 Rn. 16 f. und vom 15. März 2016 - [X.], juris Rn. 16 f. sowie Senatsurteil vom 22. März 2016 - [X.], [X.], 827 Rn. 17).

Zudem hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in beiden Vorinstanzen eingeräumt, ihre Gewinnmarge in den streitgegenständlichen [X.] eingepreist zu haben, und nicht in Abrede gestellt, die Klägerin nicht darüber aufgeklärt zu haben. Denn die Beklagte hat sich nur darauf berufen, dass über einen anfänglichen negativen Marktwert, der ausschließlich aus der Gewinnmarge resultiere, nicht aufzuklären sei, und insbesondere nicht behauptet, der Klägerin die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts mitgeteilt zu haben.

2. Schließlich kommt ein das Verschulden der Beklagten ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum nicht in Betracht (Senatsurteile vom 22. März 2011 - [X.], [X.], 13 Rn. 39, vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 117 Rn. 73 und vom 12. Juli 2016 - [X.], juris Rn. 19).

IV.

Das Berufungsurteil ist deshalb in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die Ausführungen in seinen Urteilen vom 28. April 2015 ([X.], [X.], 117 Rn. 44, 79 ff.), vom 22. März 2016 ([X.], [X.], 821 Rn. 34 f., 54) und vom 12. Juli 2016 ([X.], juris Rn. 15 f.) hin. In Bezug auf den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur "Freistellung" der Klägerin von sämtlichen Verpflichtungen aufgrund des streitgegenständlichen [X.]s weist der Senat zudem auf das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2015 ([X.], [X.], 2238 Rn. 33) hin.

Ellenberger        

       

Grüneberg        

       

Maihold

       

Menges        

       

Derstadt        

       

Meta

XI ZR 292/14

25.10.2016

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 9. April 2014, Az: 7 U 3838/13, Urteil

§ 280 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2016, Az. XI ZR 292/14 (REWIS RS 2016, 3414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3414

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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