Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2011, Az. IX R 66/06

9. Senat | REWIS RS 2011, 8792

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 9.3.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002)


Leitsatz

NV: Unter den Begriff der "negativen Summen" in § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 fallen keine Verluste, die tatsächlich wirtschaftlich erzielt werden (sog. "echte" Verluste).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen [X.]hemann ([X.]) im Streitjahr 1999 zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt. [X.] erzielte im Streitjahr positive [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen sowie sonstige [X.]inkünfte in Höhe von insgesamt 1.391.614 DM, die Klägerin erzielte positive [X.]inkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 14.070 DM. Daneben erzielte [X.] [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.685.437 DM, die nach Anwendung des § 15a des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) mit 0 DM anzusetzen waren; zudem erzielte er steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende [X.]inkünfte in Höhe von 26.561 DM.

2

Darüber hinaus erzielten [X.] und die Klägerin aus Beteiligungen an mehreren Vermietungsgesellschaften bürgerlichen Rechts einheitlich und gesondert festgestellte negative [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 2.220.575 DM ([X.]) bzw. ./. 768.102 DM (Klägerin); in den negativen [X.]inkünften aus Vermietung und Verpachtung sind u.a. Sonderwerbungskosten in Form von Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung (AfA) nach § 7 Abs. 5 [X.]StG enthalten; Sonderabschreibungen wurden demgegenüber nicht vorgenommen.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte von den negativen [X.]inkünften aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen des Verlustausgleichs nach § 2 Abs. 3 [X.]StG i.d.F. des [X.] 1999/2000/2002 (St[X.]ntlG 1999/2000/2002) nur einen Betrag in Höhe von 802.842 DM. Im [X.]inkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 19. Februar 2004 wurde die [X.]inkommensteuer auf 256.222 DM festgesetzt.

4

Die nach erfolglosem [X.]inspruchsverfahren erhobene Klage hatte [X.]rfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1589 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die Regelung des § 2 Abs. 3 [X.]StG i.d.F. des St[X.]ntlG 1999/2000/2002 sei in verfassungskonformer Auslegung insoweit nicht anzuwenden, als den Klägern durch die Beschränkung der Verlustverrechnung im Falle einer Festsetzung von [X.]inkommensteuer und Solidaritätszuschlag --nach deren [X.]rfüllung-- nicht das zur Sicherung ihres [X.]xistenzminimums Notwendige verbleibe und die nicht auszugleichenden Verluste nicht auf Sonderabschreibungen beruhten.

5

Mit seiner Revision vertritt das [X.] die Auffassung, § 2 Abs. 3 [X.]StG i.d.F. des St[X.]ntlG 1999/2000/2002 sei von [X.] wegen nicht zu beanstanden.

6

Das [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der [X.] hat das Revisionsverfahren durch Beschluss vom 15. März 2007 [X.]/06 bis zum [X.]rgehen einer [X.]ntscheidung des [X.] ([X.]) in dem [X.] 2 [X.] ausgesetzt. Nach Abschluss dieses Verfahrens (s. [X.]-Beschluss vom 12. Oktober 2010  2 [X.], [X.], 2387) hat der Senat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 27. Januar 2011 [X.]/06 wieder aufgenommen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht einen vollständigen Ausgleich der negativen Einkünfte im Streitjahr vorgenommen.

1. Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer die Einkünfte aus den in dieser Vorschrift genannten sieben Einkunftsarten.

a) Für die Besteuerung war nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (a.F.) die "Summe der Einkünfte" maßgeblich, und das heißt, positive und negative Ergebnisse unterschiedlicher Einkunftsarten waren im Rahmen eines periodeninternen (horizontalen und vertikalen) Verlustausgleichs zu saldieren. Soweit die negativen Einkünfte die positiven Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum überstiegen, wurden die übrigen Verluste nach § 10d EStG a.F. in anderen [X.] zum Abzug gebracht (periodenübergreifender Verlustausgleich).

b) Um dem Rückgang von Steuereinnahmen entgegenzuwirken und steuerpolitisch nicht anerkennenswerte Verlustquellen einzuschränken, beabsichtigte der Gesetzgeber, eine "quellenbezogene Mindestbesteuerung" zu schaffen. § 2 Abs. 3 EStG i.d.[X.] 1999/2000/2002 sieht in Satz 3 der Vorschrift vor, dass die Summe der positiven Einkünfte, soweit sie den Betrag von 100.000 DM übersteigt, durch "negative Summen der Einkünfte" aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern ist. Der Senat legt den Begriff der "negativen Summen" der Einkünfte dahin aus, dass hierunter grundsätzlich nur solche (negativen) Einkünfte fallen, die, wie der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung ausgeführt hat, nicht wirtschaftlich erzielt werden (sog. "unechte" Verluste). Demgegenüber fallen Verluste, die tatsächlich wirtschaftlich erzielt werden (sog. "echte" Verluste), im Gegensatz zu "unechten" Verlusten überhaupt nicht in den Anwendungsbereich der Regelungen in § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG i.d.[X.] 1999/2000/2002 (ebenso [X.], Die Steuerberatung 2004, 31, 39); sie sind unbeschadet der Frage, aus welcher Einkunftsart sie stammen, bei der Bildung der Summe der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.[X.] 1999/2000/2002 stets und in vollem Umfang horizontal und vertikal auszugleichen.

Der Begriff der "unechten" Verluste, welche dem Grunde nach entsprechend den Regelungen in § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG i.d.[X.] 1999/2000/2002 nur eingeschränkt mit positiven Einkünften im Veranlagungszeitraum auszugleichen sind, ist nicht einkunftsartbezogen, sondern wirtschaftlich zu verstehen. Zu den "unechten" Verlusten zählen negative Einkünfte jedenfalls insoweit, als sie auf die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen zurückzuführen sind. Demgegenüber führt die Inanspruchnahme der in § 7 EStG gesetzlich vorgesehenen (regulären oder erhöhten) AfA nicht zu einem lediglich buchmäßigen und damit nicht wirtschaftlich erzielten "unechten" Verlust. Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf sein Urteil vom 9.3.2011 in der Sache IX R 56/05, [X.], 963.

2. Vor diesem Hintergrund hat das [X.] den Klägern zu Recht den von ihnen begehrten Ausgleich der negativen Einkünfte im Streitjahr gewährt. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] handelt es sich bei den Verlusten der Kläger aus Vermietung und Verpachtung um tatsächlich wirtschaftlich erzielte --und damit "[X.] Verluste; Sonderabschreibungen hatten die Kläger nicht in Anspruch genommen. Die Revision kann daher keinen Erfolg haben.

Meta

IX R 66/06

09.03.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 7. März 2006, Az: 11 K 1266/04, Urteil

§ 2 Abs 3 EStG 1997 vom 24.03.1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2011, Az. IX R 66/06 (REWIS RS 2011, 8792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8792

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 57/05 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 9.3.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 …


IX R 67/06 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 09.03.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 …


IX R 70/04 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 9.3.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 …


IX R 83/06 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 9.3.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 …


IX R 84/06 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 09.03.2011 IX R 56/05 - Auslegung des § 2 Abs. 3 …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX R 56/05

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.