Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. 2 StR 509/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 9044

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 509/09 vom 24. Februar 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 24. Februar 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.] am [X.] Prof. [X.], [X.], [X.], Prof. Dr. [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 2. April 2009, soweit es den Angeklag-ten [X.]betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen auf-gehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der [X.] abgelehnt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter "gemeinschaftli-cher" schwerer räuberischer Erpressung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge allein dagegen, dass die [X.] von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision wirksam auf die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Denn zwischen der Strafe und der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung besteht grundsätzlich [X.] entgegenstehende Wechselwirkung (vgl. 2 - 4 - [X.], 280, 281; 2007, 212, 213). Insbesondere schließt der Senat aus, dass die verhängte Freiheitsstrafe noch niedriger ausgefallen wäre, wenn der Tatrichter die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hätte. 2. Das [X.] hat von der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten mit der Begründung abgesehen, dass die Vorausset-zungen für das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht sicher nachweisbar seien ([X.]); dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 3 a) Nach den Feststellungen begleitete der - vielfach vorbestrafte - [X.] den Mitangeklagten [X.], um die vom Geschädigten [X.]- wie beide wussten - zu Unrecht eingeforderte Summe von 5.000 • zu verein-nahmen. Diesen Betrag hatte [X.] wenige Tage zuvor unter Vorzeigen ei-nes Messers von [X.]als Strafe gefordert, weil dieser über von der Lebens-gefährtin des [X.] angemietete sog. Terminwohnungen schlecht geredet habe. Der Angeklagte führte einen Teleskopschlagstock aus Metall sowie zwei ausklappbare Taschenmesser mit Klingenlängen von etwa 5 bzw. 7 cm mit sich, [X.] ein weiteres Taschenmesser. Beider Kleidung wies sie als Ange-hörige der [X.]aus. Unmittelbar nach Übergabe des geforderten Betrags wurden sie von der zuvor vom Geschädigten verständigten, die Geldübergabe überwachenden Polizei festgenommen. 4 b) Das [X.] hat zur Frage der Anordnung der Sicherungsverwah-rung ausgeführt, der von ihm beauftragte Sachverständige sei zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte neige infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten und sei deshalb für die Allgemeinheit gefährlich: Die beim Angeklagten zu diag-nostizierende dissoziale Persönlichkeitsstörung erscheine durch vergangene 5 - 5 - Erlebnisse einschließlich der erfahrenen Bestrafungen nicht änderungsfähig. Eine mögliche Rückbildung der dis[X.] Dynamik bei dem Angeklagten ver-möge er zwar nicht mit Sicherheit auszuschließen, sie erscheine jedoch un-wahrscheinlich. Der Angeklagte habe bis zuletzt in einer kriminellen Subkultur gelebt und einen kriminogenen Lebensstil gepflegt, indem er sich nicht von den [X.] abgewandt habe. Er gerate immer wieder in ähnliche Konfliktsitua-tionen und reagiere hierauf in stereotyper Weise mit delinquentem Verhalten. Nach seiner letzten Haftentlassung im Februar 2007 sei er in das kriminogene Umfeld zurückgekehrt und pflege Kontakt zum "Milieu". Die bereits seit dem Jahr 2001 bestehende Beziehung zu seiner jetzigen Ehefrau trage nicht zu [X.] Stabilisierung seiner Persönlichkeit bei. Dem vermochte sich die [X.] nicht anzuschließen. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor. Die im Jahre 1986 abgeurteilten Taten trügen jedoch "jugend- und entwick-lungsspezifischen Charakter". Sowohl einer Verurteilung aus dem [X.] wegen gefährlicher Körperverletzung als auch dem jetzigen Verfahren lägen spontane Taten des Angeklagten zugrunde, bei der früheren Verurteilung sei er zudem vom damaligen Nebenkläger provoziert worden. Er habe in der sich an seine letzte Vorverurteilung durch das [X.] Mainz vom 25. Februar 2004 anschließenden Haftzeit eine positive Entwicklung erfahren und in der [X.]ein [X.] erfolgreich absolviert. Mit seiner jetzigen Ehefrau, die ein Tätowierstudio betreibe, verbinde ihn eine konkrete Zukunfts-vorstellung. Daher vermögen die vom Angeklagten verwirklichten Straftaten eine fest eingewurzelte Neigung oder einen dauerhaften Entschluss, Straftaten zu begehen, nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen ([X.]). Auch von einer Anordnung nach § 66 a StGB habe die Kammer abgesehen. 6 - 6 - c) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die [X.] nicht hinreichend bedacht hat, dass für die Annahme eines Hanges ein "dauerhafter Entschluss", Straftaten zu begehen, nicht erforderlich ist. Vielmehr kann eine entsprechende, in der Persönlichkeit liegende Neigung (vgl. [X.], 201; 2005, 265 f.; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8; Urt. v. 4. November 2009 - 2 StR 347/09) auch bei sog. Gelegenheits- und Augen-blickstaten zu bejahen sein; denn auch solche Taten können Ausfluss eines inneren Hanges zu Straftaten sein. Dies ist der Fall, wenn sie ihre Ursache dar-in haben, dass der Täter - etwa wie hier festgestellt aufgrund einer erhöhten Aggressionsbereitschaft - dazu neigt, mit einer neuen strafbaren Handlung auf einen äußeren Tatanstoß zu reagieren ([X.], 280). Selbst der [X.], dass ein Täter seine kriminellen Handlungen völlig ungeplant begeht und sich ihm bietende Gelegenheiten spontan ausnutzt, ohne Vorbereitungen für seine Taten zu treffen, schließt einen Hang nicht aus (vgl. [X.], 337). 7 Im Übrigen wäre auch, was die hier abgeurteilte [X.] anbelangt, die Annahme einer Gelegenheitstat mit den sonstigen Urteilsgründen unvereinbar. Der Umstand, dass der Angeklagte sich mit mehreren gefährlichen Werkzeugen bewaffnet hatte, belegt, dass er keineswegs zufällig in eine ihn etwa nur über-fordernde Situation geraten ist. 8 Soweit die [X.] darauf verweist, die der Verurteilung durch das [X.] Mainz vom 25. Februar 2004 zugrunde liegenden Taten seien sämtlich auf die Mitgliedschaft des Angeklagten bei den [X.] zurückzu-führen, ist dem mit dem [X.] entgegenzuhalten, dass der [X.] unverändert - zwar nicht mehr in dem [X.], sondern in dem [X.]- Mitglied dieses Motorradclubs ist und der gehörte [X.] gerade hierin die Fortsetzung des kriminogenen Lebensstils des 9 - 7 - Angeklagten nach seiner letzten Haftentlassung erblickt hat. Der von der [X.] in diesem Zusammenhang hervorgehobene Umstand, dass der [X.] fast alle vom [X.] Mainz abgeurteilten Straftaten mit Mitgliedern aus "seinem" Motorradclub begangen hat, spiegelt sich eindrucksvoll in dem nunmehr abgeurteilten Tatgeschehen wider. Auch die Auffassung des [X.]s, der Angeklagte sei bei der Tat, die dem zu Recht als Symptomverurteilung im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB herangezogenen Urteil des [X.] vom 25. März 1998 zugrunde lag, von dem damaligen Opfer provoziert worden, trifft nicht zu. Für eine Provokation bieten die auf [X.] wiedergegebenen Feststellungen des Amtsgerichts keinen [X.]. 10 d) Soweit die [X.] ferner "in ihre Überlegungen auch den Grund-satz der Verhältnismäßigkeit des § 62 StGB einbezogen" hat, vermag auch dies die [X.] der Maßregel nicht zu begründen. Nachdem das [X.] in [X.] Weise bereits einen Hang abgelehnt hat, fehlt es näm-lich an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen für eine Abwägung im Rah-men der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hierzu sind vielmehr zusätzlich die noch zu treffenden Feststellungen zur Gefährlichkeit des Angeklagten einzubeziehen (vgl. zum Zusammenhang zwischen Hang und [X.] NStZ 2008, 27). 11 e) Das angefochtene Urteil weist schließlich einen Erörterungsmangel auf. Das [X.] hat der negativen Kriminalprognose des Sachverständi-gen unter anderem entgegen gehalten, der Angeklagte habe in der sich an die Verurteilung vom 25. Februar 2004 anschließenden Haftzeit eine positive Ent-wicklung erfahren; auch verfüge er über einen stabilen [X.] Empfangsraum. Insoweit besorgt der Senat, die [X.] habe nicht hinreichend bedacht, 12 - 8 - dass etwa das in der [X.]absolvierte [X.] ihn von der Begehung der nunmehr abgeurteilten Tat - in laufender Bewährung - nicht hat abhalten können. Die seinen [X.] Empfangsraum prägende Beziehung zu seiner jetzigen Ehefrau besteht schon seit vielen Jahren; auch dies hat ihn von der neuen Tat sowie schon von einigen der mit der genannten Entschei-dung abgeurteilten Straftaten nicht abgehalten. 3. Nach alledem muss über die Anordnung von Sicherungsverwahrung neu befunden werden. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 4 StGB sorgfältiger als dies bisher geschehen ist festzustellen haben; insoweit verweist der Senat auf die Terminszuschrift des [X.] und die darin wiedergegebenen Ausführungen des Generalstaats-anwalts in [X.]. 13 Der neue Tatrichter wird bei der neuerlichen Prüfung, ob die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gegeben sind, auch eingehender als bisher zu prüfen haben, ob ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Tat und den die formellen Voraussetzungen der Sicherungs-verwahrung begründenden Taten besteht. Hierfür ist es nicht stets erforderlich, dass die »[X.]« gleichartig sind oder das gleiche Rechtsgut verlet-zen. Selbst bei Straftaten, die ganz verschiedener Art sind, ist ihr Indizwert für einen schwerkriminellen Hang und für die Gefährlichkeit des Täters für die [X.] nicht ausgeschlossen; dieser bedarf lediglich besonders sorgfältiger Prüfung nach Anlass und Umständen der Tatbegehung sowie der [X.] ([X.], 3723, 3725; BGHR § 66 Abs. 1 Hang 10). Um so [X.] ist ein symptomatischer Zusammenhang ausgeschlossen, wenn sich die Straftaten wie hier die gefährlichen Körperverletzungen und die versuchte schwere räuberische Erpressung als Ausdruck der vom Sachverständigen 14 - 9 - diagnostizierten dis[X.] Persönlichkeitsstörung und der damit einhergehen-den Neigung zu aggressivem und gewalttätigem Ausagieren darstellen. Darüber hinaus hindert es § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB nicht, im Rahmen der Prüfung, ob beim Angeklagten ein Hang vorliegt, alle Vorverurteilungen des Angeklagten in die erforderliche Gesamtwürdigung einzubeziehen. Der Umstand, dass [X.] wegen Eintritts der Rückfallverjährung nicht mehr als [X.] heran-gezogen werden können, hindert nicht ihre Verwertung als sonstiges Beweisan-zeichen für die [X.] im Rahmen der Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. [X.], 502, 503; 2005, 265, 266). Auch die weiteren Vorverurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung wird der neue Tatrichter mit dem gebührenden Gewicht in seine Erwägungen einzubeziehen haben. [X.] Fischer Appl [X.] [X.]

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2 StR 509/09

24.02.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. 2 StR 509/09 (REWIS RS 2010, 9044)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9044

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