Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2012, Az. 24 W (pat) 533/10

24. Senat | REWIS RS 2012, 2545

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Immografik1" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 027 299.9

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 9. Oktober 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 16. Juni 2010 hat die Markenstelle für [X.] des [X.] die Markenanmeldung 30 2009 027 299.9 / 42

2

[X.]1

3

durch einen Beamten des gehobenen Dienstes teilweise, nämlich für die Dienstleistungen

4

"[X.]: Büroarbeiten; Versicherungswesen; Finanzwesen; [X.];

5

[X.]: technologische Dienstleistungen und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software"

6

mit der Begründung zurückgewiesen, der Anmeldung fehle insoweit jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Das Kurzwort "immo" werde vielfach als abkürzender Hinweis auf das [X.] bzw. [X.]bilien verwendet. "Grafik" bezeichnet sowohl ein Schaubild als auch eine zeichnerisch gestaltetet Fläche. Die angesprochenen Verkehrskreise, darunter auch interessierte Laien sowie Dienstleister auf dem [X.]biliensektor, entnähmen "immografik 1" in Bezug auf die Dienstleistungen auf dem Gebiet des [X.]s ausschließlich einen Sachhinweis auf eine grafische Darstellung auf diesem Gebiet mit der Versionsnummer "1". Gerade auf dem Gebiet des [X.]s seien grafisch gestaltete Unterlagen, insbesondere Eingabepläne und Lagepläne üblich, die auch mit Versionsnummern gebildete Bezeichnungen trügen. Da derartige Darstellungen auch im Versicherungs- (Gebäudeversicherungen) und Finanzwesen (Finanzierung von Bauvorhaben) genutzt werden könnten, seien auch diese Dienstleistungen von einer Eintragung auszunehmen. Die Dienstleistungen der [X.] "technologische Dienstleistungen und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software" und "Büroarbeiten" der [X.] seien von einer Eintragung auszuschließen, weil sie die Erstellung von Plänen im [X.] durch die Entwicklung entsprechender Plotter oder Software ermöglichen können.

7

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält das angemeldete Zeichen für unterscheidungskräftig und vertritt die Auffassung, dass dem Markenwort mit nachgestellter Ziffer insgesamt kein beschreibender Bedeutungsgehalt zukomme, obwohl es sich bei "[X.]" um einen Gattungsbegriff handeln und eine einfache Ziffer auch eine reine Ordnungsnummer darstellen könne. Bei der beanspruchten Kombination handele es sich nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.] Sprache.

8

Die Anmelderin beantragt,

9

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 16. Juni 2010 aufzuheben.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1, 2, § 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle dem angemeldeten Zeichen für die beanspruchten Waren die Schutzfähigkeit wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rn. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., Rn. 51 - [X.]; [X.], 395, 397, Rdn. 18 – [X.], [X.]). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608, 610, Rn. 59 - [X.]; [X.] [X.], 943, 944, Rn. 26 - SAT.2; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rn. 60 - [X.]). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. [X.], 850, Rn. 28 - [X.]; [X.], 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Hiernach fehlt "[X.]1" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das zur einer Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]:

Der von dem [X.] Wort "immobilis" i. S. v. "unbeweglich" abgeleitete Begriff "[X.]bilie" bezeichnet im [X.] [X.] wie ein Grundstück oder ein Gebäude (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl. 2011, S. 904). Der Wortbestandteil des [X.] "[X.]" verknüpft den Begriff der bereits durch die Markenstelle zutreffend definierten "Grafik" (u. a. "Schaubild"; "zeichnerische Gestaltung von Flächen", vgl. [X.], [X.], 4. Auflage, 2011, S. 744) mit der dem Verkehr durch Begriffe wie "[X.]", "[X.]", "[X.]fonds" , "[X.]--Börse" geläufigen Abkürzung "[X.]" für "[X.]bilie(n)" (vgl. [X.] (pat) 1/08, Entsch. v. 26. November 2008 - [X.]concept).

Lexikalisch nachweisen lassen sich die dem Bestandteil "[X.]" als Abkürzung für "[X.]bilen" semantisch nahestehenden Kürzel "[X.]." oder "[X.]b." (vgl. [X.], Wörterbuch der Abkürzungen, 6. Aufl., 2011, [X.]; Lexikon der Abkürzungen, zusammengest. u. hrsg. von [X.], 1994, [X.]). Da "[X.]" "zwischen" diesen beiden üblichen Abkürzungen angesiedelt ist und dieser Bestandteil, wie die der Anmelderin vorab mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandten Belege zeigen, darüber hinaus in zahlreichen Bezeichnungen mit Bezug zu [X.]bilien verwendet wird (vgl. BPatG 25 W (pat) 13/11, Entsch. v. 24. August 2011 - [X.]), wird der Verkehr auch in dem Kürzel "[X.]" im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen einen Hinweis auf [X.]bilien sehen.

Die nachgestellte Ziffer "1" ist nicht geeignet, in Verbindung mit "[X.]" kennzeichnend zu wirken. Der Verkehr wird sie vielmehr lediglich numerisch als Angabe einer von mehreren Grafiken mit der Versions- oder Ordnungsnummer 1 auffassen (vgl. [X.] (pat) 146/00, Entsch. v. 17. April 2002 - [X.]; [X.] (pat) 42/04, Entsch. v. 22. Februar 2005 - Konto 1; BPatG 30 W (pat) 81/10, Entsch. v. 2. Februar 2012 - Ortho1a).

Die Zusammenfügung der Wort- und Ziffernbestandteile ist sprachüblich gebildet und weist insgesamt einen lediglich beschreibenden Aussagegehalt auf, weil der durch die Kombination bewirkte Gesamteindruck nicht über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgeht und sich in deren bloßer Summenwirkung erschöpft (vgl. [X.] [X.], 674, 678 - Postkantoor; [X.] [X.], 680, 681 - [X.]; [X.] [X.]. 2005, 1012, 1014 - BioID; [X.] (pat) 1/08, Entsch. v. 26. November 2008 - [X.]concept).

Mit den von der Zurückweisung durch die Markenstelle umfassten Dienstleistungen werden der Fachverkehr für [X.]bilien-, Finanz- und Versicherungswesen, die so genannte IT-Branche und der an [X.]bilen interessierte Verbraucher angesprochen. Im Zusammenhang mit den genannten Dienstleistungen werden sie der Zusammensetzung "[X.]1" lediglich entnehmen, dass diese eine Grafik auf dem Gebiet des [X.]bilenwesens mit der Versions- oder Ordnungsnummer eins zum Gegenstand haben oder sich auf den computergestützten Entwurf, die Erstellung, Entwicklung und Bearbeitung einer derartigen Grafik beziehen. Als betrieblichen Herkunftshinweis wird der Verkehr "[X.]1" hingegen nicht auffassen, sofern ihm das Zeichen als Kennzeichnung dieser Dienstleistungen begegnet.

Die von der Zurückweisung durch die Markenstelle umfassten Dienstleistungen der [X.], die sich auf das [X.]bilien-, Finanz- und Versicherungswesen beziehen, werden typischerweise mithilfe von Grafiken auf dem Gebiet des [X.]bilenwesens erbracht.

Die in [X.] beanspruchten "Büroarbeiten" sowie die von der Zurückweisung durch die Markenstelle umfassten Dienstleistungen der [X.] können sich auf den computergestützten Entwurf, die Erstellung, Entwicklung und Bearbeitung von Grafiken auf dem Gebiet des [X.]bilenwesens beziehen. Die Erstellung computergestützter Grafiken bedarf entsprechend entwickelter Hardware, bei der es sich beispielsweise um Plotter, 3-D-Mäuse, mit Sensoren ausgestattete Handschuhe oder besonders leistungsstarke Grafikkarten handeln kann.

Die Dienstleistung "Entwurf und Entwicklung von Computerhardware" kann zudem speziell auf die Darstellung und den Entwurf dreidimensionaler Räume zugeschnitten sein. Um die entwickelte Hardware gerade im [X.] zur Anwendung zu bringen, kann Hardware spezielle, auf diese Anwenderumgebung abgestimmte Eigenschaften wie beispielsweise Staubschutz und Feuchteresistenz aufweisen. "[X.]1" vermag insoweit als Bestimmungsangabe zu dienen.

Nachdem "[X.]1" im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen hiernach entweder als beschreibende Sachangabe zu dienen oder einen engen sachlichen beschreibenden Bezug zu ihnen herzustellen vermag, bedarf es für die Begründung des Eintragungsverbots keines lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angemeldete Marke als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird ([X.], [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., Rn. 287 zu § 8; [X.] [X.], 534 - [X.]; [X.]. 2011, 400, Rn. 1000 - Zahl 1000; [X.] 2008, 900, Rn. 12 - [X.]; [X.] 2003, 882, 883 - Lichtenstein).

Da das Formalrecht an der registrierten Marke keine schützenswerte vorherige Leistung des [X.] voraussetzt, ist für die Frage der Unterscheidungskraft unerheblich, ob und inwieweit die angemeldete Marke vom Anmelder "erfunden" worden ist (vgl. BPatG 30 W (pat) 81/10, Entsch. v. 2. Februar 2012 - Ortho1a; [X.], [X.]/[X.], Markenrecht, 10. Aufl., Rn. 108 zu § 8).

Aus der Entscheidung des [X.], 845 f. - [X.]-Data - ergeben sich ebenfalls keine Gesichtspunkte, die für die Schutzfähigkeit des Ausdrucks "[X.]1" sprechen könnten. In diesem Fall hatte der [X.] die Feststellung der Unterscheidungskraft von "[X.]-Data" (als Unternehmenskennzeichen i. S. v. § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]) mit der Kombination von "[X.]" mit dem seiner Auffassung nach sprachunüblich verfremdeten Wort "Data" begründet. Diese konkrete Kombination hat der [X.] als eine unterscheidend wirkende Kennzeichnung von individueller Eigenart beurteilt, die vom Verkehr auch nicht konkret beschreibend verstanden wird. Weiter trifft der [X.] die grundsätzliche Feststellung, dass einer solchen Kombination von (Teil-) Begriffen die Unterscheidungskraft von Hause aus nur dann versagt werden könnte, wenn der gewählte Begriff sich in einer beschreibenden Angabe erschöpft. [X.] die zuletzt genannte Voraussetzung trifft aber - wie bereits dargelegt - auf das vorliegend zu beurteilende Markenwort "[X.]1" zu, das deswegen nicht schutzfähig ist. Dieser Ansatz entspricht auch der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu Wortzusammensetzungen (vgl. z. B. [X.] [X.], 146 ff. - [X.], [X.], 680 ff. - [X.], [X.], 674 ff. - Postkantoor).

Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann die Anmelderin schließlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen einschließlich der von der Anmelderin angesprochenen Registereintragung Nr. 305 35 186 mit dem Wortbestandteil "[X.]" führen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - [X.]; [X.], 674, Nr. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428, Nr. 63 - [X.]; [X.] 2007,351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - [X.]; [X.], 423 amazing discoveries; [X.], 425 - Volksflat).

Unter dem [X.]. 305 35 186 - [X.]/09 Lösch hat das [X.] die von einer anderen Anmelderin beanspruchte Wortmarke "[X.]" im Übrigen unter dem 24. November 2010 mit ähnlichen Erwägungen für eine Reihe der dort beanspruchten Waren und Dienstleistungen, so u. a. der Dienstleistung "Entwurf und Entwicklung von Computersoftware", gelöscht.

Da die Marke damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marken gekennzeichneten Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen kann, ist sie nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die von der Zurückweisung durch die Markenstelle umfassten Dienstleistungen von der Eintragung ausgeschlossen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

24 W (pat) 533/10

09.10.2012

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2012, Az. 24 W (pat) 533/10 (REWIS RS 2012, 2545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2545

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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