Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. 5 StR 267/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2007

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5 StR 267/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 26. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 26. Oktober 2011
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 9. September 2010 nach § 349 Abs. 4
StPO im [X.] mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.].

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 21 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 77 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch Jugendlicher in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher in 33 Fällen und wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den
aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO.

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1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landge-richts nahm der Angeklagte in der [X.] Juni 2002 bis Oktober 2007 an 16 Jungen im Alter zwischen elf und 15 Jahren

oftmals gegen Entgelt

sexuelle Handlungen unterschiedlichen Ausmaßes bis hin zum wechselseiti-gen [X.] vor.

Das [X.] hat Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren und sechs
Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Das Vorliegen minder schwerer Fälle hat es in allen in Betracht kommenden Fällen verneint. Ferner hat es die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwah-rung gemäß §
66 Abs.
2 und 3 Satz 2 StGB aF angenommen.

2. Die Einwendungen gegen den Schuldspruch sind unbegründet. Auch die Zumessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere besorgt der Senat trotz wieder-holter uneingeschränkter Erwähnung noch nicht, dass das [X.] im Rahmen der Einzel-
und Gesamtstrafbildung im Nachhinein erkennbar ge-wordene schwere psychische Schäden von Tatopfern sowie den besonderen Aufwand und das systematische Vorgehen, durch das der Angeklagte die Jungen an sich gebunden hatte, zu weitgehend zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, ferner die Strafen nicht ausreichend differenziert und unter teilweise zu weitreichender Anlastung krimineller Energie gebildet hätte [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn.
661).

3. Indes hält die Begründung des [X.]s

ungeachtet der Maßgaben der durch das [X.] mit Urteil vom 4.
Mai 2011 (NJW 2011, 1931) erlassenen Weitergeltungsanordnung zu § 66 Abs.
2 StGB aF, welche die [X.] noch nicht berücksichtigen konn-te

sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

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Die [X.] begründet ihre Überzeugung vom Vorliegen der Vor-aussetzungen des §
66 Abs.
2, 3 Satz
2 StGB aF maßgebend auch damit, dass der [X.] Persönlichkeit sein eigenes Verhalten schönfärbe, so dass eine ech-Erwägungen zur Einlassung des Angeklagten (UA S.
240
f.) lassen [X.], dass die [X.] bei der Prüfung des Hangs und im Rahmen der Gefahrenprognose sowie der Ermessensentscheidung zulässiges Verteidi-gungsverhalten zu dessen Nachteil verwertet hat. Bei der Verwendung der Begriffe der Bagatellisierung oder der mangelnden Einsicht hat es nämlich nicht etwa auf eine Geringschätzung eingestandenen Unrechts abgestellt, sondern im Wesentlichen das Bestreiten von die Strafbarkeit begründenden und das Behaupten von schuldmindernden tatsächlichen Umständen
heran-gezogen. Der Versuch eines Angeklagten, das ihm vorgeworfene Verhalten sachlich anders darzustellen oder wegen tatsächlicher Umstände in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, stellt indessen zulässiges Verteidi-gungsverhalten dar (vgl. [X.], Beschluss vom 4. August 2009

1 [X.], [X.], 270), das ihm im Zuge der [X.] nicht angelastet werden darf ([X.], Beschlüsse vom 13. September 2011

5 [X.]; vom 5. April 2011

3 StR 12/11, [X.], 482; vom 13.
November 2007

3 [X.], [X.], 301; vom 25. Februar 2000

2 [X.], [X.], 19; Urteil vom 16. September 1992

2 [X.], [X.], 3247). Andernfalls wäre der Angeklagte [X.], seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, will er hinsichtlich der Sicherungsverwahrung einer ihm ungünstigen Entscheidung entgegenwirken (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2000 aaO).

4. [X.] wird bei seiner Entscheidung über den [X.] des [X.]s vom 4. Mai 2011 zu beachten haben. Danach gelten die hier anzuwendenden und für verfassungswidrig erklärten Vorschriften über die Sicherungsverwahrung bis zum 31.
Mai 2013 fort; die Regelungen dürfen aber nur nach Maßgabe 6
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einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden ([X.] aaO). In der Regel wird die Verhältnismäßigkeit nur dann gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist ([X.] aaO Rn.
172; [X.], Urteile vom 7. Juli 2011

5 [X.], und vom 4. Au-gust
2011

3 [X.]/11). Ein entsprechend strenger Maßstab ist demnach sowohl hinsichtlich der Erheblichkeit der Taten als auch bei der Prüfung der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung anzulegen ([X.], Beschluss vom 13.
September 2011

5
[X.]; Urteil vom 4. August 2011

3 [X.]/11).

Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB können im Hinblick auf die hohe Strafdrohung und die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen grund-sätzlich

abhängig von den Umständen des Einzelfalls

als schwere Sexu-alstraftaten im vorgenannten Sinn bewertet werden (vgl. zur Vergewaltigung [X.], Urteil vom 4. August 2011

3 [X.]/11). Ob die Gefahr künftiger Begehung gerade solcher Taten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Angeklagten abzuleiten ist, wird das neue Tatgericht namentlich unter Berücksichtigung der langen Dauer der Untersuchungshaft sowie der erstmaligen Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe sorgsam zu prüfen haben.

[X.] Schneider

König Bellay

8

Meta

5 StR 267/11

26.10.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. 5 StR 267/11 (REWIS RS 2011, 2007)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2007

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 267/11

5 StR 189/11

3 StR 12/11

3 StR 175/11

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