Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.06.2018, Az. VI R 32/16

6. Senat | REWIS RS 2018, 8244

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Gegenstand

Berechnung der 44 €-Freigrenze bei Sachbezügen


Leitsatz

1. Üblicher Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Endverbraucherpreis und damit der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlte günstigste Einzelhandelspreis am Markt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung) .

2. Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Der Vorteil hieraus ist in die Berechnung der Freigrenze von 44 € einzubeziehen .

3. Entsprechendes gilt, wenn der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand dort als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im Einzelhandelsverkaufspreis und damit im Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze von 44 € zum Warenwert hinzu .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2016  10 K 2128/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids, mit dem Lohnsteuer wegen Überschreitung der 44 €-Freibetragsgrenze des § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in den in den [X.] 2006 bis 2009 geltenden Fassungen (EStG) nachgefordert wird.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die Speditions- und Transportleistungen erbringt. Sie gewährte ihren Mitarbeiten unter bestimmten Voraussetzungen in den streitigen [X.] 2006 bis 2009 Sachprämien (insbesondere handelsübliche Verbrauchsgüter, u.a. Unterhaltungselektronik, Werkzeuge, Kosmetik, Bekleidung, Lebensmittel, Haushaltsgeräte). Hierzu bediente sie sich der Firma [X.].

3

Jeder bezugsberechtigte Arbeitnehmer der Klägerin konnte über einen Onlinezugang monatlich aus der Angebotspalette der [X.] einen Sachbezug auswählen. Anschließend bestellte die Klägerin die Ware bei der [X.], die der Klägerin die Sachbezüge nebst einer sogenannten Versand- und Handlingspauschale in Rechnung stellte. Nach dem Ausgleich der Rechnung durch die Klägerin bezog die [X.] die Waren von ihren Lieferanten und versandte sie an den jeweiligen prämienberechtigten Mitarbeiter der Klägerin oder händigte die Waren der Klägerin zur Verteilung im Betrieb aus.

4

Der der Klägerin in Rechnung gestellte Bruttobetrag der Sachbezüge einschließlich Umsatzsteuer betrug regelmäßig 43,99 €. Darüber hinaus hatte die Klägerin in der Regel für jede Bestellung eine Versand- und Handlingspauschale in Höhe von 6 € einschließlich, ab dem Lohnzahlungszeitraum 2007 zuzüglich Umsatzsteuer an die [X.] zu zahlen.

5

Die Rechnungen wurden von der Klägerin beglichen und als Personalaufwand gebucht. Die monatlichen Lohnabrechnungen der Arbeitnehmer wiesen jeweils Sachbezüge in Höhe von 44 € aus. Lohnsteuer hierfür erhob die Klägerin nicht. Auch die Versand- und Handlingspauschale wurde von der Klägerin nicht lohnversteuert.

6

Im Rahmen einer [X.] vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Versand- und Handlingspauschale dem Wert der Sachzuwendung hinzuzurechnen und deshalb die 44 €-Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (nunmehr § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG) überschritten sei.

7

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ daraufhin einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer zuzüglich Annexsteuern --zuletzt vom 22. März 2016-- für 2006 bis 2009 über einen Gesamtbetrag in Höhe von ... €.

8

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2016, 2060 veröffentlichten Gründen ab.

9

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt,
das Urteil des [X.] Baden-Württemberg vom 8. April 2016  10 K 2128/14 und die [X.] vom 14. Februar 2014 sowie vom 22. März 2016 für 2006 bis 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2014 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der [X.] kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilen, ob die Vorinstanz den angefochtenen [X.] zutreffend als rechtmäßig angesehen hat. Die nicht entscheidungsreife Sache ist daher an das [X.] zurückzuverweisen.

1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet wurde und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind ([X.]surteile vom 30. April 2009 VI R 55/07, [X.], 58, [X.], 726, und vom 16. Mai 2013 VI R 7/11, [X.], 525, [X.], 189).

a) Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann das [X.] auf Antrag zulassen, dass die Lohnsteuer nach einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren Zahl von Fällen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig, d.h. nicht nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 38a EStG, bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einbehalten hat.

b) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Hierzu zählen neben Gehältern und [X.] auch andere "Bezüge und Vorteile", die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.

c) Sachbezüge, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerlich außer Ansatz bleiben, sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräumt ([X.]surteile vom 11. November 2010 VI R 41/10, [X.], 62, [X.] 2011, 389; VI R 27/09, [X.], 56, [X.] 2011, 386, sowie vom 14. April 2011 VI R 24/10, [X.], 246, [X.] 2011, 767). Allerdings muss die Zuwendung einen wirklichen Wert haben und darf nicht bloß einen ideellen Vorteil darstellen. Ein geldwerter Vorteil durch den verbilligten oder unentgeltlichen Sachbezug liegt nur vor, wenn der Empfänger objektiv bereichert ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]surteile vom 4. Mai 2006 VI R 28/05, [X.], 484, [X.] 2006, 781; vom 28. Januar 2003 VI R 48/99, [X.], 283, [X.] 2003, 724; vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, [X.], 376, [X.] 2002, 230; [X.]sbeschluss vom 28. Juni 2007 VI R 45/02, [X.] 2007, 1871, und Urteil des [X.] --BFH-- vom 21. April 2010 [X.], [X.] 2010, 1436). Die subjektiven Wertvorstellungen der (Arbeits-)Vertragsparteien sind daher unerheblich (BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 175/85, [X.], 218, [X.] 1988, 995; [X.]/[X.], EStG, 37. Aufl., § 8 Rz 21; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 8 Rz C 12; [X.] in [X.], EStG, § 8 EStG Rz 96; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 8 EStG Rz 60).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen gehen die Beteiligten im Revisionsverfahren [X.] wie das [X.]-- übereinstimmend zu Recht davon aus, dass es sich bei den von den Arbeitnehmern über die [X.] bezogenen Prämien um [X.] handelt. Denn die Sachzuwendungen der Klägerin stellten leistungsbezogene Prämien dar, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst waren. Auch hat das [X.] dem Grunde nach zutreffend die Pauschalierungsvoraussetzungen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bejaht. Dies steht zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit, so dass der [X.] insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

3. Der Wert des vom Arbeitnehmer erlangten [X.] ist, wie alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen, mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am [X.] anzusetzen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine Bewertung der Sachbezüge nach § 8 Abs. 3 EStG kommt im Streitfall nach zutreffender Auffassung des [X.] nicht in Betracht. Die zugewandten Waren oder Dienstleistungen wurden nicht vom Arbeitgeber hergestellt, vertrieben oder erbracht.

a) Üblicher Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlt wird ([X.]surteil vom 17. Juni 2005 VI R 84/04, [X.], 291, [X.] 2005, 795; BTDrucks 13/901, S. 132; BTDrucks 11/2157, S. 141). Vergleichspreis ist grundsätzlich der günstigste [X.] am Markt (z.B. [X.]surteil vom 12. April 2007 VI R 36/04, [X.] 2007, 1851; [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 8 Rz 23; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 8 Rz 329; [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 84; [X.] in [X.], EStG, 17. Aufl., § 8 Rz 34; [X.] in [X.], EStG, § 8 EStG Rz 96; Kratzsch in Frotscher, EStG, [X.] 2011, § 8 Rz 147; [X.] in Korn, § 8 EStG Rz 27; Schreiben des [X.] --BMF-- vom 16. Mai 2013, [X.], 729, Rz 2, 4). Denn der Letztverbraucher wird regelmäßig das günstigste Angebot annehmen ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 23).

b) Der Ansatz des niedrigsten Marktpreises entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Bewertungsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG wäre nicht handhabbar, wenn vom Steuerpflichtigen verlangt würde, stattdessen zu ermitteln, zu welchem Preis die größte Anzahl der Umsätze getätigt oder welcher Preis für die Ware oder Dienstleistung am häufigsten verlangt wird ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 23; [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 84; a.A. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 329, 333; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 8 Rz C 8; s.a. BTDrucks 11/2157, S. 141). Die Bewertung nach einem Mittelwert kommt aus nämlichen Gründen nicht in Betracht ([X.]/[X.], § 8 EStG Rz 84). Die Finanzbehörden haben sich dieser Auffassung angeschlossen (R 8.1 Abs. 2 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 2015).

c) Markt in diesem Sinn sind alle gewerblichen Anbieter, von denen der Steuerpflichtige die konkrete Ware oder Dienstleistung im Inland unter Einbeziehung allgemein zugänglicher Internetangebote oder auf sonstige Weise gewöhnlich beziehen kann. Denn maßgebliche Handelsstufe ist in der Regel der Einzelhandel (vgl. [X.], in: [X.][X.], EStG, § 8 Rz C 8; [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 60; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 22; [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 81; [X.] in Korn, § 8 EStG Rz 27 f.; Wünnemann, in Kanzler/[X.]/[X.], EStG, 3. Aufl., § 8 Rz 41; [X.], [X.] Steuer-Zeitung 2015, 246; BMF-Schreiben in [X.], 729, Rz 4).

d) Der übliche Endpreis ist für die konkrete --verbilligt oder unentgeltlich-- überlassene Ware oder Dienstleistung des fraglichen Herstellers oder Dienstleisters zu ermitteln ([X.]surteil in [X.], 376, [X.] 2002, 230). Jeder Sachbezug ist grundsätzlich einzeln zu bewerten (R 8.1 Abs. 1 Satz 4 LStR 2015).

e) Auch wenn der Wert eines vom Arbeitgeber erlangten Vorteils sich hiernach nicht stets und unmittelbar in den Kosten abbildet, die der Arbeitgeber selbst dafür entrichtet hat, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Wert eines dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zugewandten Sachbezugs anhand der Kosten zu bemessen, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat, sofern der Arbeitgeber die Ware oder Dienstleistung aus Quellen bezogen hat, die auch Endverbrauchern zugänglich sind, und die Kosten um etwaige Nachlässe (etwa Mengenrabatte) bereinigt werden, die Endverbraucher nicht erhalten hätten. In solchen Fällen kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Ware oder Dienstleistung hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am [X.] anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert des Sachbezugs nicht entspricht ([X.]surteile vom 18. August 2005 VI R 32/03, [X.], 420, [X.] 2006, 30, zur Zuwendung einer Reise, und vom 12. Dezember 2012 VI R 79/10, [X.], 44, Rz 19, zur Bewertung des Vorteils einer Betriebsveranstaltung).

4. Fracht-, Liefer- und Versandkosten zählen nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ([X.] in [X.], EStG, § 8 EStG Rz 96). Es handelt sich hierbei nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware.

Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Die Kosten des Arbeitgebers hierfür erhöhen deshalb nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts. Vielmehr liegt ein gesonderter Sachbezug vor, der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG gesondert zu bewerten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es an einer Bereicherung fehlen kann, wenn der Arbeitnehmer für das Empfangene selbst nichts hätte aufwenden müssen ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 19 Rz 42).

Entsprechendes gilt, wenn der günstigste [X.] des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im [X.] und damit im Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze von 44 € zum Warenwert hinzu.

5. Ist der übliche Endpreis des Sachbezugs nicht festzustellen, ist er zu schätzen ([X.]surteile vom 15. Mai 2013 VI R 44/11, [X.], 369, [X.] 2014, 589, und in [X.], 291, [X.] 2005, 795; [X.]sbeschluss vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, [X.] 2008, 1838; BFH-Urteil in [X.], 218, [X.] 1988, 995; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 21; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 8 Rz C 10). Entsprechendes gilt, wenn die Ermittlung eines Endpreises für den Arbeitgeber mit erheblichem Aufwand verbunden ist ([X.]surteil in [X.], 376, [X.] 2002, 230; [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 61; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 8 Rz 336; [X.] in [X.]/[X.], § 8 EStG Rz 103). Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ermittlung des konkreten Endpreises für die in Rede stehende Ware oder Dienstleistung wird wegen des damit verbundenen Aufwands durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt ([X.]surteil in [X.], 376, [X.] 2002, 230).

Es obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz, den gefundenen Wert im Wege tatrichterlicher Würdigung zu überprüfen und gegebenenfalls durch eine eigenständige Schätzung zu ersetzen. Dabei kann es sich an (historischen) Preislisten, Katalogen und Ähnlichem ([X.] in [X.], EStG, § 8 EStG Rz 96; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 8 Rz C 11), Marktübersichten ([X.]surteil in [X.], 291, [X.] 2005, 795; [X.]sbeschluss vom 23. Januar 2007 VI B 115/06, [X.] 2007, 889) sowie [X.] orientieren. In erster Linie sind zur Ermittlung der Schätzungsgrundlage jedoch die Beteiligten heranzuziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 76 Abs. 1 Satz 3 [X.]O) umso größer ist, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/99, [X.] 2001, 789).

Der im Wege der Schätzung ermittelte Wertansatz ist als Tatsachenwürdigung für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, es sei denn, die Wertermittlung enthält einen Rechtsirrtum, verstößt gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder beruht auf einem Verfahrensmangel (vgl. [X.]surteile vom 15. Dezember 1978 VI R 36/77, [X.], 26, [X.] 1979, 629, und in [X.], 291, [X.] 2005, 795; [X.]sbeschluss in [X.] 2007, 889).

6. Der [X.] kann auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht beurteilen, ob die Klägerin die nachgeforderte Lohnsteuer auch in der geltend gemachten Höhe schuldet. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] lassen nicht erkennen, ob es die streitigen Sachbezüge mit dem Endpreis i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG und damit mit dem niedrigsten [X.] bewertet hat. Damit vermag der [X.] nicht zu entscheiden, ob der angefochtene [X.] auf der lohnsteuerlich zutreffenden Bemessungsgrundlage gründet. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben.

a) Das [X.] hat --wie auch das [X.]-- den Vorteil sämtlicher von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer ausgekehrten Sachbezüge pauschal mit jeweils 44 € (inklusive Umsatzsteuer) bewertet, die von der [X.] zu Lasten der Klägerin erhobene Versand- und Handlingspauschale hinzugerechnet und damit den Wert eines jeden Sachbezugs auf 50 € bzw. 51,14 € bestimmt. [X.] und [X.] haben damit den Vorteilswert der streitigen Sachbezüge nach den der Klägerin von der [X.] in Rechnung gestellten Beträgen und damit nach den Anschaffungskosten der Klägerin bemessen.

b) Allerdings legt das vom [X.] festgestellte Geschäftsmodell der [X.] nahe, dass der Rechnungsbetrag von 44 € (43,99 €) den üblichen [X.] der zugewendeten Wirtschaftsgüter gerade nicht abbildete. Denn die [X.] bot ihre Waren nicht wie ein Einzelhändler Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr an. Es handelte sich vielmehr um ein Unternehmen, das der Klägerin und anderen Arbeitgebern einen Komplettservice im Hinblick auf "lohnsteueroptimierte" Sachbezüge anbot. Überdies liegt es wegen der Verschiedenheit der zugewandten Sachbezüge eher fern, dass der von der [X.] gegenüber der Klägerin abgerechnete Verkaufspreis von jeweils 43,99 € bzw. 44 € zuzüglich der Handlingspauschale stets den niedrigsten Marktpreis des jeweiligen Sachbezugs darstellte, der von einem Dritten im allgemeinen Geschäftsverkehr hätte aufgewendet werden müssen.

7. Mangels Spruchreife geht die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] die dem Nachforderungsbescheid zugrundeliegende lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Denn vorliegend steht nicht nur in Streit, ob die sachbezugsbezogene 44 €-Grenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG überschritten ist, sondern die betragsmäßige Höhe der [X.]. Hierzu ist nach Maßgabe der oben genannten Grundsätze der niedrigste [X.] der von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer ausgekehrten Sachbezüge zu ermitteln. Denn die Summe dieser Einzelwerte bildet den unter Umständen steuerbaren Arbeitslohn und damit die Bemessungsgrundlage des [X.]s.

Ist --wie im Streitfall naheliegend-- eine Einzelbewertung der streitigen Sachbezüge aufgrund des Zeitablaufs, der in Streit stehenden Zeitspanne sowie der Vielzahl und Verschiedenheit der Sachzuwendungen nicht (mehr) möglich, hat das [X.] den Sachbezugswert zu schätzen. Dabei ist der im Streitfall vorliegenden besonderen Tatsachen- und Beweisnähe der Klägerin Rechnung zu tragen. Sollte der Klägerin, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden [X.] vorgetragen, eine genauere Bezeichnung der zugewandten Artikel nicht mehr möglich sein, weist der [X.] --ohne [X.] darauf hin, dass die von der Klägerin im ersten Rechtsgang vorgelegten Aufstellungen über die zugewendeten Wirtschaftsgüter als Schätzungsgrundlage herangezogen werden können. Denn dort sind die Sachbezüge zumindest im Grundsatz nach ihrer Art benannt und mit einem behaupteten [X.] bewertet. Davon ausgehend erscheint dem [X.] bei der gebotenen Mitwirkung der Beteiligten eine zumindest schätzungsweise Bewertung der streitigen Sachbezüge möglich.

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 32/16

06.06.2018

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 8. April 2016, Az: 10 K 2128/14, Urteil

§ 8 Abs 2 EStG 2002, § 8 Abs 3 EStG 2002, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 38 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 38 Abs 1 S 3 EStG 2002, § 38 Abs 3 S 1 EStG 2002, § 38a EStG 2002, § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 8 Abs 2 EStG 2009, § 8 Abs 3 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 38 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 38 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 38 Abs 3 S 1 EStG 2009, § 38a EStG 2009, § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.06.2018, Az. VI R 32/16 (REWIS RS 2018, 8244)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8244

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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