Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.09.2010, Az. III R 64/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 3052

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Berechnung der Frist zur Revisionseinlegung - Wiedereinsetzung: Anforderung an den Bürobetrieb eines Prozessbevollmächtigten


Leitsatz

1 NV: Zur Berechnung der Frist zur Revisionseinlegung nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. NV: Ein Prozessbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist unerlässlich, dass ein Fristkontrollbuch (Fristenkalender) oder eine vergleichbare Einrichtung zur Wahrung von Fristen geführt wird.

Gründe

1

Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

2

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat die Frist für die Einlegung der Revision versäumt.

3

Nach § 120 Abs. 1 [X.]O ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) wurde dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 25. März 2008 zugestellt, so dass die Frist zur Einlegung der Revision mit Ablauf des 25. April 2008 endete. Allerdings war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wegen Mittellosigkeit an der Einlegung der Revision gehindert. Das Hindernis entfiel jedoch mit Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), d.h. am Donnerstag, dem 17. September 2009 (vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 13. März 2003 [X.], [X.], 425, [X.] 2003, 609, unter [X.]; Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 29. Mai 2008 IX ZB 197/07, [X.], 379).

4

Ist wie im Fall des [X.] das für die Einhaltung einer gesetzlichen Frist verantwortliche Hindernis weggefallen, so ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (z.B. [X.] in [X.], 425, [X.] 2003, 609, unter [X.]; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2005 III S 1/05 (PKH), nicht amtlich veröffentlicht; vgl. auch [X.]-Beschluss in [X.], 379, zu § 234 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Daher hätte die Revision als die versäumte Rechtshandlung spätestens am Donnerstag, dem 1. Oktober 2009 beim [X.] eingehen müssen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 3, § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Revision war danach verspätet, denn sie ging beim [X.] erst am 2. Oktober 2009 ein.

5

2. Dem Kläger kann hinsichtlich der danach versäumten Frist für die Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

6

a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war (§ 56 Abs. 1 [X.]O). Dies setzt voraus, dass innerhalb der in § 56 Abs. 2 [X.]O festgelegten Frist die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden. Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Hierzu hat er u.a. darzulegen, dass er alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. [X.] vom 5. November 2008 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 589). Ein Prozessbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass [X.] ausgeschlossen sind. Dazu ist unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch ([X.]) oder eine vergleichbare Einrichtung zur Wahrung von Fristen geführt wird. In diesem Buch muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt sein. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den [X.] gesichert werden. Die notierte Frist darf frühestens gelöscht werden, wenn das zur Fristwahrung bestimmte Schriftstück abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist (z.B. [X.] vom 8. November 2006 [X.]/06, [X.]/NV 2007, 469).

7

b) Aus der Begründung des [X.] und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung geht nicht hervor, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten durch organisatorische Maßnahmen eine wirksame Posteingangs- und Fristenkontrolle generell sichergestellt war. Weder wurde behauptet, dass ein Fristenkontrollbuch geführt wurde, noch wurde dargelegt, dass im vorliegenden Fall überhaupt vorgesehen war, zu wahrende Fristen in eine vergleichbare Einrichtung einzutragen. Ungeachtet der Frage, was tatsächlich Gegenstand der behaupteten Einzelweisung des Bevollmächtigten an den Referendar gewesen ist (lediglich Einarbeitung in die Materien der PKH und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand? Oder "durcharbeiten" der Akte - und mit welchem Ziel? Oder selbständige Einlegung der Revision? Wiedervorlage unmittelbar nach Durchsicht der Akte, nach Bearbeitung "und umgehend vor Ablauf der dem Referendar bekannten Einlegungsfrist" oder sogar erst nach selbständiger Revisionseinlegung?), war auch der Referendar jedenfalls nicht zur Eintragung der einzuhaltenden Fristen angewiesen. Wären entsprechende Eintragungen in ein Fristenkontrollbuch erfolgt, so wäre das behauptete Versehen des [X.] noch rechtzeitig aufgefallen und eine Fristversäumung verhindert worden. Ein generelles Organisationsverschulden des Bevollmächtigten als Ursache der Fristversäumnis ist daher nicht auszuschließen.

8

c) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger unter Bezugnahme auf Entscheidungen des [X.] darauf, dass es aufgrund einer Einzelanweisung seines Bevollmächtigten gegenüber dem Referendar auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in der Kanzlei nicht mehr angekommen sei. Denn auch der [X.] geht in den zitierten Entscheidungen von der Verpflichtung eines Rechtsanwalts aus, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 [X.] 154/09, Monatsschrift für [X.] Recht 2010, 400; vom 15. April 2008 [X.], [X.], 54; vom 15. November 2007 [X.], [X.] 2008, 526). Es ging in den zitierten Entscheidungen allein darum, ob ein Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass eine gerade mit [X.] betraute und darin geschulte, bislang zuverlässige Mitarbeiterin eine konkrete Einzelweisung im Zusammenhang mit der Eintragung einer Frist korrekt ausführt. Darum geht es hier jedoch nicht. Denn der Referendar war jedenfalls nicht damit beauftragt, im vorliegenden Fall einzuhaltende, konkret bezeichnete Fristen in ein dafür vorgesehenes Fristenkontrollbuch einzutragen.

Meta

III R 64/09

23.09.2010

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 7. März 2008, Az: 14 K 2266/06 Kg, Urteil

§ 120 Abs 1 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 56 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.09.2010, Az. III R 64/09 (REWIS RS 2010, 3052)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3052

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 12/10 (Bundesfinanzhof)

Unzulässige Revision mangels Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist - Darlegung und Glaubhaftmachung der Überwachung von Fristen …


II R 16/11 (Bundesfinanzhof)

Anforderungen an die unverschuldete Fristversäumnis - Ausscheiden eines Steuerberaters aus einer Sozietät - Antrag auf …


V B 56/15 (Bundesfinanzhof)

Begründungsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Büroversehen - Organisationsverschulden


IV R 18/13 (Bundesfinanzhof)

Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung - Wiedereinsetzung: Fristenkontrolle


II R 28/14 (Bundesfinanzhof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Anforderungen an die Organisation der Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.