Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2016, Az. V ZR 104/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13320

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wohnungseigentümerbeschluss: Bezugnahme auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument


Leitsatz

In einem Beschluss der Wohnungseigentümer kann zur Konkretisierung der getroffenen Regelung auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument Bezug genommen werden, wenn dieses zweifelsfrei bestimmt ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 10. April 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Am 13. März 2008 hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, „die für die einzelnen Kostenpositionen in der Abrechnung 2007 verwandten Verteilerschlüssel auch für zukünftige Abrechnungen zu verwenden“. In der Eigentümerversammlung vom 30. April 2013 beschlossen sie die Hausgeldabrechnung des Jahres 2012, wobei sie den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel zugrunde legten. Die Kosten sind nach sechs verschiedenen Maßstäben verteilt.

2

Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Hausgeldabrechnung 2012 auf Antrag der Klägerin für unwirksam erklärt. Auf die Berufung der beklagten übrigen Wohnungseigentümer hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts entspricht der Beschluss über die Wohngeldabrechnung 2012 ordnungsmäßiger Verwaltung. Der dort zugrunde gelegte Verteilungsschlüssel basiere auf dem gemäß § 16 Abs. 3, § 21 Abs. 3 [X.] gefassten Beschluss aus dem [X.] über eine von § 16 Abs. 2 [X.] abweichende Kostenverteilung. Dieser Beschluss sei nicht nichtig. Dem stehe nicht entgegen, dass die [X.] in dem Beschlusstext selbst nicht wiedergegeben würden, sondern insoweit auf ein externes Schriftstück verwiesen werde. Die Zulässigkeit der Bezugnahme setze nur voraus, dass dem protokollierten Beschlusstext eindeutig zu entnehmen sei, auf welches Schriftstück Bezug genommen werde, und dass dieses einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt habe. Das gelte auch für Beschlüsse gemäß § 16 Abs. 3 [X.] über die Änderung des [X.]s. Dem Transparenzgebot trage das Gesetz dadurch Rechnung, dass Beschlüsse gemäß § 24 Abs. 7 [X.] mit dem protokollierten Beschlusstext und den in Bezug genommenen externen Schriftstücken in die [X.] aufzunehmen seien.

II.

4

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

5

1. Soweit das Berufungsgericht - ohne nähere Begründung - in dem Rubrum des angegriffenen Urteils auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Beklagte bezeichnet, handelt es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Wie dem amtsgerichtlichen Urteil, auf das das Berufungsgericht verweist, zu entnehmen ist, ist die [X.] - nach § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] in zutreffender Weise - gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet worden. Insoweit wird das Berufungsgericht eine Rubrumsberichtigung vorzunehmen haben.

6

2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung nimmt das Berufungsgericht an, dass der im [X.] gefasste Beschluss über die Veränderung des Verteilungsschlüssels wirksam ist und er daher zu Recht der Abrechnung 2012 zugrunde gelegt worden ist.

7

a) Nach § 16 Abs. 3 [X.] können die Wohnungseigentümer hinsichtlich der in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten den bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Hier haben die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 den Beschluss gefasst, den - bisher geltenden gesetzlichen - [X.] zu ändern.

8

b) Entgegen der Ansicht der Revision wird die Wirksamkeit des Beschlusses über die Änderung des [X.]s nicht deshalb in Frage gestellt, weil der künftige Maßstab nicht in dem Beschlusstext selbst wiedergegeben, sondern insoweit auf den in der Jahresabrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel Bezug genommen wird. Das Berufungsgericht führt rechtfehlerfrei aus, dass dies zulässig ist.

9

aa) Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein [X.] nach § 10 Abs. 4 [X.] an Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass [X.] daher „aus sich heraus“ auszulegen sind und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses nur herangezogen werden dürfen, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senat, Beschluss vom 10. September 1998 - [X.], [X.], 288, 292, 295). Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies aber - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - nicht, dass sich der Text eines Eigentümerbeschlusses zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen dürfte. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf (Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 11. Aufl., § 23 Rn. 62, § 24 Rn. 85; [X.]/Steinmeyer, [X.], 2. Aufl., § 24 Rn. 263; Hügel/[X.], [X.], § 23 Rn. 86, § 24 Rn. 103; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 24 Rn. 103; Jennißen/[X.], [X.], 4. Aufl., § 23 Rn. 166, § 24 Rn. 176; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 23 Rn. 56a; [X.], [X.] 1995, 245, 246; [X.], Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris Rn. 32; [X.], Z[X.] 2015, 40, 41), wie dies beispielsweise bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch bei [X.] nach Kostenvoranschlag oder auf der Grundlage eines Gutachtens geschieht. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann. Dies gilt auch für Beschlüsse über die Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 [X.], da für die Zulässigkeit von Bezugnahmen - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - nicht nach dem [X.] differenziert werden kann.

bb) Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument Bezug, das weder Teil des [X.] noch des Protokolls ist, erfordert das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist (vgl. [X.], [X.], 639, 640; [X.], Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris Rn. 32; KG, [X.], 790, 793; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 23 Rn. 56a;Hügel/[X.], [X.], § 23 Rn. 85). Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter, insbesondere ein Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt er hat. Die Publizität der auch gegen [X.] wirkenden Beschlüsse wird dadurch gewährleistet, dass - jedenfalls bei Beschlüssen, die (wie hier) die Gemeinschaftsordnung aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Öffnungsklausel ändern - das in Bezug genommene Schriftstück auch in die [X.] oder eine Anlage zu dieser aufzunehmen ist, wenngleich dies keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen des Beschlusses hat (vgl. [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 24 Rn. 144, 165; Jennißen/[X.], [X.], 4. Aufl., § 24 Rn. 176, vgl. auch Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 11. Aufl., § 24 Rn. 85; Jennißen/[X.], aaO § 23 Rn. 166).

Das Berufungsgericht hat rechtfehlerfrei die zweifelsfreie Bestimmtheit der in Bezug genommenen „[X.]“ bejaht. Aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 ergibt sich, dass die Wohnungseigentümer unter [X.] 3 die Gesamt- und Einzelabrechnung für das [X.] beschlossen und anschließend unter [X.] 4 den weiteren Beschluss gefasst haben, den in der [X.] verwendeten Verteilungsschlüssel auch den zukünftigen Abrechnungen zugrunde zu legen. Daraus lässt sich unschwer erkennen, dass sich die Beschlussfassung unter [X.] 4 auf den [X.] der unter [X.] 3 beschlossenen Jahresabrechnung 2007, die von den beklagten Wohnungseigentümern im Berufungsverfahren vorgelegt worden ist, bezieht.

cc) Schließlich muss der in dem Beschluss getroffene [X.] unter Einbeziehung des in Bezug genommenen Dokuments verständlich und klar sein.

Dies ist hier zu bejahen. Aus dem Eigentümerbeschluss vom 13. März 2008, den der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1998 - [X.], [X.], 288, 291), ergibt sich, dass der in der Jahresabrechnung 2007 verwendete Verteilungsschlüssel den künftigen Abrechnungen zugrunde gelegt werden soll. Der in Bezug genommene Verteilungsschlüssel der [X.] ist dort auch in verständlicher Weise erläutert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                     [X.]                            Weinland

                      Kazele                        [X.]

Meta

V ZR 104/15

08.04.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bremen, 10. April 2015, Az: 4 S 114/14

§ 16 Abs 3 WoEigG, § 23 Abs 1 WoEigG, § 24 Abs 7 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2016, Az. V ZR 104/15 (REWIS RS 2016, 13320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13320

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 104/15 (Bundesgerichtshof)


V ZR 162/10 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Änderung des Kostenverteilungsschlüssels


V ZR 162/10 (Bundesgerichtshof)


V ZR 202/09 (Bundesgerichtshof)

Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft: Rückwirkende Änderung des durch Vereinbarung begründeten Verteilungsschlüssels für Betriebs- und …


I-3 Wx 194/06 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.