Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2011, Az. III ZR 95/11

3. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3103

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Gegenstand

Kündigung des Dienstvertrages bei Vertrauensstellung: Beauftragung eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens mit der internen Revision als Vertrag über die Leistung von Diensten höherer Art; Voraussetzung eines dauernden Dienstverhältnisses mit festen Bezügen


Leitsatz

1. Bei der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens mit der internen Revision handelt es sich um einen Vertrag über die Leistung von Diensten höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen .

2. Ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" erfordert, dass das Dienstverhältnis ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Erheblichkeit und persönlicher Bindung für den Dienstverpflichteten mit sich bringt, um ein schützenswertes und gegenüber der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten vorrangiges Vertrauen auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses begründen zu können. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 9. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein größeres Wirtschaftsprüfungsunternehmen und nimmt die Beklagte auf Zahlung eines [X.] in Höhe von 6.000 € für das [X.] in Anspruch.

2

Die Klägerin führte jährlich interne Revisionen in den [X.] Standorten der Beklagten durch. Mit [X.] beauftragte die Beklagte die Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 unter Vereinbarung eines Honorars von 63.000 € für 2009, 64.000 € für 2010 und 65.000 € für 2011. "In der Regel" waren jährlich zwei [X.] zu je fünf Tagen unter Einsatz von zwei Revisoren vor Ort mit anschließender Nachbearbeitung vorgesehen. Im Mai, Juni und Juli 2009 kündigte die Beklagte diese Vereinbarung mehrfach, zuletzt mit Hinweis auf § 627 BGB. Die Klägerin, die für das [X.] noch keine Leistungen gegenüber der Beklagten erbracht hatte, widersprach der Kündigung und bot der Beklagten ihre Revisionstätigkeit mit Schreiben vom 10. Juni 2009 vergeblich an.

3

Das [X.] hat die Kündigung der Beklagten als gemäß § 627 Abs. 1 BGB wirksam angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen und im Gefolge der in zweiter Instanz erhobenen Widerklage der Beklagten festgestellt, dass der Klägerin aus der Vereinbarung keine weitere Vergütung für das [X.] zustehe. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage sowie das Begehren auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die [X.] habe das Vertragsverhältnis gemäß § 627 Abs. 1 [X.] wirksam gekündigt. Bei der Durchführung von internen Revisionsarbeiten handele es sich um Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Es liege kein - dem Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 [X.] entgegenstehendes - dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen vor. Ein "dauerndes Dienstverhältnis" setze voraus, dass die [X.] (Arbeitskraft) der Klägerin zu einem erheblichen Teil in Anspruch genommen werde; daran fehle es, wenn durch die versprochene Dienstleistung (in einem größeren Unternehmen) die [X.] von nur zwei Mitarbeitern lediglich zu jeweils etwa einem Zehntel gebunden werde. Zudem sei keine Vereinbarung "fester Bezüge" erfolgt. Dies erfordere eine Vergütung, die ihrem Umfang nach die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz des [X.] bilden könne und in diesem Sinne "erheblich" sei, wobei maßgeblich auf die Verhältnisse der Klägerin als dienstverpflichtetes Unternehmen, nicht hingegen auf die Verhältnisse der konkret für die Dienstleistung eingesetzten Mitarbeiter der Klägerin, abgestellt werden müsse. Für die Klägerin seien jährliche Einnahmen (Umsatzerlöse) von 63.000 € bis 65.000 € nicht von einer derartigen Erheblichkeit. Überdies sei von dem Vertragsverhältnis der Parteien auch nicht die konkrete wirtschaftliche Existenz eines Mitarbeiters der Klägerin betroffen. Hiernach sei dem Schutz der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten der Vorrang einzuräumen.

II.

7

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin (§§ 611, 615 [X.]) verneint, weil die [X.] das Vertragsverhältnis gemäß § 627 Abs. 1 [X.] wirksam gekündigt habe.

8

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Vereinbarung über die Durchführung der internen Revision in den [X.] Standorten des Unternehmens der [X.]n als einen Vertrag über die Leistung höherer Dienste angesehen, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Hiergegen erhebt die Revision auch keine Einwände.

9

Bei der Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis der vorbezeichneten Art vorliegt, kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, entscheidend darauf an, ob die versprochenen qualifizierten Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, nur kraft besonderen Vertrauens in die Person des [X.] übertragen werden; hierbei ist auf die typische Lage, nicht auf das im konkreten Einzelfall entgegengebrachte Vertrauen abzustellen ([X.], Urteil vom 18. Oktober 1984 - [X.], NJW 1986, 373 mwN; [X.], 116, 117). Das von § 627 Abs. 1 [X.] vorausgesetzte generelle persönliche Vertrauen kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei dem [X.] - wie hier - um eine juristische Person handelt (Senatsurteil vom 8. Oktober 2009 - [X.], [X.], 150, 152 Rn. 19 mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - [X.], BeckRS 2011, 16921, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Letzteres kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich des Dienstberechtigten betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert (MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 627 Rn. 2 und 19), so etwa dann, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt (s. dazu [X.], Urteile vom 31. März 1967 - [X.], [X.]Z 47, 303, 305 f; vom 19. November 1992 - [X.], NJW-RR 1993, 374 mwN und vom 11. Februar 2010 - [X.], [X.], 1520, 1521 Rn. 9 mwN). Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit, Loyalität und Seriosität des [X.]; beauftragt er eine juristische Person, so bezieht sich sein damit verbundenes persönliches Vertrauen auf eine entsprechende Auswahl, Zusammensetzung und Überwachung ihrer Organe und Mitarbeiter.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, bei dem Vertrag zwischen den Parteien handele es sich nicht um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen.

a) Entgegen der Ansicht der Revision genügt es für die in § 627 Abs. 1 [X.] geregelte negative Voraussetzung des Kündigungsrechts nicht, dass nur eines der Merkmale "dauerndes Dienstverhältnis" und "feste Bezüge" erfüllt ist; vielmehr müssen beide Merkmale - kumulativ - vorliegen, weil sie als gemeinschaftliche Bestandteile der negativen Voraussetzung und aufeinander bezogen zu verstehen sind. Dies entspricht der Rechtsprechung des [X.] ([X.], 29; 146, 116, 117), des [X.] (s. etwa [X.], Urteile vom 31. März 1967 aaO [X.] und vom 13. Januar 1993 - [X.], NJW-RR 1993, 505) und des [X.] ([X.], [X.], 3453, 3454 Rn. 10) sowie der nahezu einhelligen Ansicht im Schrifttum ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 627 Rn. 5; [X.], [X.], 13. Aufl., § 627 Rn. 5; s. auch MünchKomm[X.]/[X.] aaO Rn. 12 und [X.]/Preis, [X.] [2002], § 627 Rn. 17, die freilich eine teleologische Reduktion des § 627 Abs. 1 [X.] für bestimmte Fälle erwägen, in denen ein dauerndes Dienstverhältnis ohne feste Bezüge vereinbart worden ist). Die Notwendigkeit der Erfüllung beider Merkmale ergibt sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung ("dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen"), der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (in den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind als Beispiele für ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" die Tätigkeiten des Leibarztes, [X.] und Syndikus genannt; [X.] S. 913, 1256) und dem Zweck des Kündigungsrechts in § 627 Abs. 1 [X.]. Dieser besteht darin, dass die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Vertragsteils bei ganz auf persönliches Vertrauen ausgerichteten Dienstverhältnissen im weitesten Ausmaß gewährleistet werden soll; die Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten tritt nur dort zurück, wo der Dienstverpflichtete auf längere Sicht eine ständige Tätigkeit zu entfalten hat und hierfür eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung erhält, so dass auf dessen Seite ein schutzwürdiges und überwiegendes Vertrauen auf Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz begründet wird (s. [X.], Urteile vom 18. Oktober 1984 aaO; vom 13. Januar 1993 aaO [X.] und vom 11. Februar 2010 aaO S. 1521 Rn. 19 f; [X.] aaO [X.] Rn. 17).

b) Bei der näheren Bestimmung dessen, was unter einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu verstehen ist, ist neben dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung ([X.], Urteil vom 31. März 1967 aaO [X.]; MünchKomm[X.]/[X.] aaO Rn. 13; [X.]/Preis aaO Rn. 15) der Gesetzeszweck der Gewährleistung der persönlichen Entschließungsfreiheit einerseits und des Schutzes des Vertrauens auf Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung andererseits maßgeblich zu berücksichtigen.

Hiernach muss ein Dienstverhältnis, um ein "dauerndes" zu sein, die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten zwar nicht vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen; es setzt auch keine [X.] und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten voraus (Senatsurteil vom 9. März 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 1058, 1059; [X.], Urteile vom 31. März 1967 aaO S. 306; vom 8. März 1984 - [X.], [X.]Z 90, 280, 282 f; vom 1. Februar 1989 - [X.], [X.]Z 106, 341, 346 und vom 19. November 1992 aaO; [X.] aaO [X.] Rn. 16). Allerdings muss eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragsparteien bestehen, an der es fehlt, wenn ein Dienstleistungsunternehmen seine Dienste einer großen, unbestimmten und unbegrenzten Zahl von Interessenten anbietet (Senatsurteil vom 9. März 1995 aaO; [X.], Urteil vom 1. Februar 1989 aaO; MünchKomm[X.]/[X.] aaO Rn. 15). Dementsprechend ist es, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, im Regelfall erforderlich, dass das Dienstverhältnis die sachlichen und persönlichen Mittel des [X.] nicht nur unerheblich beansprucht (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2010 aaO S. 1522 Rn. 27). Der grundlegende Gedanke, dass das "dauernde Dienstverhältnis" eine gewisse wirtschaftliche Erheblichkeit und persönliche Bindung für den [X.] mit sich bringen muss, um ein schützenswertes und überwiegendes Vertrauen auf seiner Seite begründen zu können, spiegelt sich auch in dem Erfordernis der Vereinbarung "fester Bezüge" wider. Hierzu bedarf es der Festlegung einer Regelvergütung, mit der ein in einem dauernden Vertragsverhältnis stehender Dienstverpflichteter als nicht unerheblichen Beitrag zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz rechnen und planen darf (s. dazu [X.], Urteile vom 19. November 1992 aaO S. 375; vom 13. Januar 1993 aaO; vom 23. Februar 1995 - [X.], NJW 1995, 1425, 1430 und vom 11. Februar 2010 aaO S. 1521 Rn. 20; [X.], 116, 117).

c) Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht bei der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung ([X.], Urteil vom 31. März 1967 aaO [X.]; [X.], 116, 117) beachtet. Angesichts der Größe des von der Klägerin betriebenen Wirtschaftsprüfungsunternehmens, des vergleichsweise geringen Umfangs der Inanspruchnahme seiner persönlichen und sachlichen Mittel sowie der Höhe der vereinbarten Vergütung hat es das für ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" im Sinne von § 627 Abs. 1 [X.] erforderliche gewisse Maß an wirtschaftlicher Erheblichkeit und persönlicher Bindung, welches mit dem Dienstvertragsverhältnis für die Klägerin verbunden sein muss, verneint und mithin der Entschließungsfreiheit der [X.]n gegenüber dem Vertrauen der Klägerin auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses und die Erzielung der verabredeten Einkünfte den Vorrang eingeräumt. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden und hiergegen bringt die Revision auch nichts Konkretes vor.

Schlick                                      Dörr                                     Wöstmann

                      Seiters                                   [X.]

Meta

III ZR 95/11

22.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Bamberg, 9. März 2011, Az: 8 U 180/10, Urteil

§ 627 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2011, Az. III ZR 95/11 (REWIS RS 2011, 3103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3103

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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