Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZB 397/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13464

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[X.]:[X.]:BGH:2016:060416BXIIZB397.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 397/15

vom

6.
April
2016

in der Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
6.
April
2016
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 29.
Juli
2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Feststellungsan-trag des Betroffenen zurückgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.]
vom 26.
März 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtsgebühren für das Verfahren
werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden der [X.] auferlegt.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 26.
März 2013 ist für den Betroffenen
eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung
"bezogen auf die Abhängigkeitserkrankung", Wohnungsangelegenheiten, Ge-sundheitsfürsorge "bezogen auf die Abhängigkeitserkrankung", Vermögenssor-ge und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen des [X.]
-
3
-
tragenen [X.] angeordnet und eine Berufsbetreuerin bestellt [X.].
Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen durch Beschluss vom 19.
September 2013 zurückgewiesen. Die Rechtsbe-schwerde des Betroffenen ist durch Senatsbeschluss vom 12.
Februar 2014 (XII
ZB
520/13) zurückgewiesen worden.
Auf die vom Betroffenen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat
das [X.]
durch Beschluss vom 20.
Januar
2015 (1
BvR
665/14 =
[X.], 565) festgestellt, dass die im
Rechtsmittelver-fahren
ergangenen Beschlüsse des [X.]s und des Senats den Betroffe-nen in seinem Grundrecht aus Art.
2 Abs.
1 GG verletzt haben. Es hat die Be-schlüsse aufgehoben
und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.
Weil das Amtsgericht die
Betreuung bereits zuvor durch Beschluss
vom 21.
Oktober
2014 aufgehoben hatte, hat der Betroffene vor dem [X.] die Feststellung beantragt, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 26.
März 2013 in rechtswidriger Weise ergangen sei. Das [X.] hat seinen Fest-stellungsantrag dahin verstanden, dass er (erneut) auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des landgerichtlichen Beschlusses vom
19.
September 2013 erreichen wolle, und hat dem Antrag insoweit stattgegeben. Den [X.] bezüglich
der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 26.
März 2013 hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt.
2
3
-
4
-
II.
Die
Rechtsbeschwerde ist nach §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG statthaft (vgl. BGH Beschluss
vom 28.
April
2011

V
ZB
292/10

FGPrax 2011, 200 Rn.
9 mwN)
und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich die Rechtswidrigkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht feststellen lasse. Nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens
sei es auf-grund des jahrelangen Alkoholmissbrauchs beim Betroffenen zu einer nach-weisbaren Stirnhirnatrophie gekommen, die zu Funktionseinschränkungen die-ses speziellen Hirnbereichs geführt
habe, welche sich in einer organischen Per-sönlichkeits-
und Verhaltensstörung ausdrückten. Aufgrund der
erstinstanzli-chen Äußerungen des
Betroffenen und der ehemaligen Betreuerin sei es nicht zu beanstanden gewesen, dass das Amtsgericht die Betreuung angeordnet ha-be. Da der Betroffene sich ausweislich des Akteninhalts im erstinstanzlichen Verfahren nicht gegen die
Betreuung gewandt habe, habe das Amtsgericht auch nicht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung der [X.] des Betroffenen vorgelegen hätten.
Daher [X.] sich nicht feststellen, dass der amtsgerichtliche Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Das [X.] ist allerdings zu Recht und übereinstimmend mit dem [X.]
(Beschluss vom 20.
Januar 2015

1
BvR
665/14

[X.], 565 Rn.
29) davon ausgegangen, dass der Betroffene seinen der Betreuung entgegenstehenden Willen erstmals im Beschwerdeverfahren geäu-ßert hat.
4
5
6
7
-
5
-
Die hierzu von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, dass das [X.] seine Aufklärungspflicht nach §
26 FamFG verletzt habe, ist nicht [X.]. Das Amtsgericht hat den Betroffenen persönlich angehört. In der [X.] hat dieser einen der Betreuung entgegenstehenden Willen nicht geäu-ßert. Im Zusammenhang mit seiner näher begründeten Äußerung
gegenüber dem Sachverständigen, dass er seine Probleme nicht mehr lösen könne und Hilfe brauche, konnte das Amtsgericht davon ausgehen, dass
der Betroffene keinen der Betreuung entgegenstehenden Willen hatte. Dass schriftsätzliche Äußerungen des Betroffenen einen Aufklärungsbedarf ergeben haben sollen, ist mangels konkreter Bezeichnung des betreffenden Vorbringens bereits nicht hinreichend spezifiziert gerügt worden. Schließlich musste das Amtsgericht der protokollierten Erklärung des Betroffenen im Rahmen der Anhörung ("Was soll ich gegen Unabänderliches sagen")
nicht die Bedeutung zumessen, dass er [X.] der von der Richterin angekündigten Betreuungsanordnung
widersprechen wollte.
Das [X.] hat daher im Ergebnis zu Recht darauf abgestellt, dass für das Amtsgericht noch keine Veranlassung bestand, sich mit den [X.] an einen der Betreuung entgegenstehenden freien Willen gemäß §
1896 Abs.
1a BGB auseinanderzusetzen.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt indessen zu Recht
einen Verstoß gegen §
37 Abs.
2 FamFG, weil dem Betroffenen das Sachverständigengutachten erst in der Anhörung überlassen worden ist.
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungs-grundlage erfordert nach §
37 Abs.
2 FamFG, dass das Gericht den Beteiligten
Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 16.
September 2015

XII
ZB
250/15

[X.], 2156 Rn.
15 mwN und 8
9
10
11
-
6
-
vom 6.
Juli 2011

XII
ZB
616/10

FamRZ
2011, 1574 Rn.
11 mwN). Das setzt voraus, dass der Betroffene vor der Entscheidung nicht nur im Besitz des schriftlichen Sachverständigengutachtens ist, sondern auch ausreichend Zeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen
und sich dazu zu äußern
(vgl. [X.] FamFG
3.
Aufl. §
280 Rn.
13).
Diesen Anforderungen genügt das amtsgerichtliche Verfahren im vorlie-genden Fall nicht. Das Sachverständigengutachten ist dem Betroffenen erst in der Anhörung vom 26.
März 2013 ausgehändigt worden, nachdem er erklärt hatte, das Gutachten bislang nicht erhalten zu haben. Dass die Richterin schon unter dem 21.
März 2013 die
Übersendung des Gutachtens an den Betroffenen veranlasst hatte, reicht zum Nachweis einer früheren Mitteilung des Gutachtens nicht aus (zur Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post vgl. Senatsbeschluss vom 2.
Dezember 2015

XII
ZB
283/15

FamRZ 2016, 296 Rn.
22
ff.). Ausweislich des Anhörungsprotokolls ist die Richterin vielmehr ebenfalls davon ausgegan-gen, dass der Betroffene das Gutachten noch nicht erhalten hatte.
Dem Betroffenen
ist keine ausreichende Gelegenheit gegeben worden, zu dem Gutachten noch vor der Entscheidung Stellung zu nehmen und sich im Sinne von §
37 Abs.
2 FamFG zu dem Beweisergebnis zu äußern.
Denn der [X.] ist noch am selben Tag ergangen.
Es ist auch davon auszugehen, dass die Entscheidung auf dem [X.] beruhte. Denn aufgrund des weiteren Verfahrensablaufs liegt es na-he, dass der Betroffene bei rechtzeitiger Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens der Anordnung der Betreuung schon vor dem Amtsgericht widersprochen hätte.
12
13
14
-
7
-
c) Ob auch weitere von der Rechtsbeschwerde erhobene [X.] sind, bedarf keiner Entscheidung. Von einer weiteren Begründung wird nach §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen.

Dose

[X.]

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.03.2013 -
7 [X.] 854/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 29.07.2015 -
42 [X.]/13 -

15

Meta

XII ZB 397/15

06.04.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2016, Az. XII ZB 397/15 (REWIS RS 2016, 13464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13464

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 397/15

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