Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 26.01.2017, Az. 1 C 1/16

1. Senat | REWIS RS 2017, 16570

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Visumerfordernis beim Ehegattennachzug türkischer Arbeitnehmer


Leitsatz

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumerfordernis beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 (juris: EWGAssRBes 2/76) vereinbar ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Ist die [X.] des Art. 7 [X.] 2/76 durch die [X.] des Art. 13 [X.] 1/80 vollständig ersetzt worden oder ist die Rechtmäßigkeit neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 [X.] 1/80 eingeführt worden sind, weiterhin nach Art. 7 [X.] 2/76 zu beurteilen?

2. Falls Frage 1 dahin zu beantworten ist, dass Art. 7 [X.] 2/76 nicht vollständig abgelöst worden ist: Ist die zu Art. 13 [X.] 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in vollem Umfange auch auf die Anwendung des Art. 7 [X.] 2/76 mit der Folge zu übertragen, dass Art. 7 [X.] 2/76 dem Grunde nach auch eine mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführte nationale Regelung erfasst, mit der der Ehegattennachzug zu einem [X.] Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird?

3. Ist die Einführung einer solchen nationalen Regelung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwanderungskontrolle und der Steuerung der Migrationsströme gerechtfertigt, wenn besonderen Umständen des Einzelfalls durch eine Härtefallklausel Rechnung getragen wird?

Gründe

I

1

Die Klägerin, eine im Jahr 1964 geborene [X.] Staatsangehörige, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

2

Der Ehemann der Klägerin ist ebenfalls [X.]r Staatsangehöriger. Er reiste 1995 nach [X.] ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren heiratete er eine [X.] Staatsangehörige. Seit jedenfalls 2005 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und seit April 2009 bei einer Bäckerei mit einem monatlichen Nettogehalt von 1 500 € beschäftigt. Nach Scheidung von seiner [X.]n Ehefrau heiratete er im August 2004 die Klägerin. Das Ehepaar hat drei erwachsene Kinder, die in der [X.] bzw. in [X.] und [X.] leben.

3

Bereits im Jahr 2007 hatte die Klägerin bei der [X.]n Botschaft in [X.] ein Visum zum Ehegattennachzug zu ihrem [X.]n Ehemann beantragt. Diesen Antrag sowie zwei weitere Visumanträge im Jahr 2011 hatte die [X.] Botschaft wegen unzureichender Deutschkenntnisse der Klägerin abgelehnt.

4

Im März 2013 reiste die Klägerin mit einem von der [X.] Botschaft in [X.] ausgestellten Schengen-Visum in die [X.] ein, um dort ihre Schwester zu besuchen. Sie reiste im April 2013 weiter zu ihrem Ehemann nach [X.].

5

Im Mai 2013 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Sie leide an einer chronischen Anämie, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Typ 2) und sei außerdem Analphabetin. Aufgrund dessen sei sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen.

6

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom März 2014 ab, weil die Klägerin nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nachgewiesen habe, dass sie sich zumindest auf einfache Art in [X.]r Sprache verständigen könne, und weil sie ohne das erforderliche nationale Visum in das [X.] eingereist sei.

7

Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 Abs. 1 [X.]. Ihrem Anspruch stehe nicht entgegen, dass sie sich unstreitig nicht, wie es § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] erfordere, in [X.]r Sprache verständigen könne. Denn diese Bestimmung stehe nicht in Einklang mit den [X.]n des Assoziationsrechts (Art. 7 [X.] 2/76 bzw. Art. 13 [X.] 1/80). Auch der Verstoß gegen das [X.] (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 [X.]) könne der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Denn die Notwendigkeit für [X.] Staatsangehörige, ein Visum zum Ehegattennachzug einzuholen, verstoße gegen die [X.] des Art. 7 [X.] 2/76. Die Einführung der [X.] für den Ehegattennachzug durch die am 5. Oktober 1980 in [X.] getretene Elfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 ([X.] I S. 782) stelle eine neue Beschränkung im Sinne der [X.]n dar, weil das [X.] auf Grund des [X.], der damit verbundenen Kosten und der Verfahrensdauer sowie der Folgen einer möglichen Ablehnung eine nicht unerhebliche Erschwernis für den begünstigten [X.]n Arbeitnehmer mit sich bringe. Zwar habe der [X.] in seiner jüngsten Rechtsprechung Einschränkungen zu Lasten der Arbeitnehmer und Selbständigen zugelassen, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien. Diese Voraussetzung sei hier jedoch nicht erfüllt.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen ([X.] macht die Beklagte insbesondere geltend, der Klägerin könne wegen der fehlenden Sprachkenntnisse, aber auch deshalb keine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erteilt werden, weil sie nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erforderlichen Visum eingereist sei. Das [X.] verstoße nicht gegen eine [X.]. Art. 7 [X.] 2/76 finde nach dem Inkrafttreten des Art. 13 [X.] 1/80 keine Anwendung mehr. Auch werde ein Familienangehöriger, der selbst nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern den Familiennachzug [X.], vom Anwendungsbereich des Art. 7 [X.] 2/76 nicht erfasst. Ob eine "neue Beschränkung" im Sinne des [X.] vorliege, sei daher allein aufgrund der Regelung des Art. 13 [X.] 1/80 zu prüfen, die ab 1. Dezember 1980 anwendbar sei. Zu diesem Zeitpunkt habe aber bereits die uneingeschränkte [X.] für [X.] Staatsangehörige gegolten. Unabhängig hiervon sei die [X.] auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, denn die Steuerung der Migration sei ein hochrangiges Gemeinschaftsziel.

9

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des [X.] beim [X.] beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an.

II

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 A[X.]V ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im [X.] formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der assoziationsrechtlichen [X.]n des Art. 7 des Beschlusses Nr. 2/76 über die Durchführung des Art. 12 des Abkommens von [X.] vom 20. Dezember 1976 (im Folgenden: Beschluss Nr. 2/76) und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Verpflichtungsklage ist das [X.] ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.] I S. 162), zuletzt geändert mit Wirkung 29. Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] und in der Sozialhilfe nach dem [X.] vom 22. Dezember 2016 ([X.] I S. 3155), maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 28. April 2015 - 1 [X.] 21.14 - BVerwGE 152, 76 Rn. 12 m.w.N.).

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

§ 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik [X.]

...

§ 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im [X.] eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der [X.] oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] ([X.] [X.]) (Assoziationsabkommen EWG-[X.]) ein Aufenthaltsrecht besteht.

Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1. Visum in Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,

2. Aufenthaltserlaubnis (§ 7)

...

§ 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

...

(2)

dass der Ausländer

1. mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und

2. die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.

§ 6 Visum

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung ([X.]) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1. ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der [X.] oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum)

2. ...

(2) ...

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das [X.] (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird.

§ 30 Ehegattennachzug

(1)

...

2. der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in [X.]r Sprache verständigen kann

...

...

2. der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der [X.]n Sprache [X.]

...

6. es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der [X.]n Sprache zu unternehmen.

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.

a) Keinen Klärungsbedarf sieht der vorlegende Senat im Hinblick auf die Vereinbarkeit des [X.] beim Nachzug zum Ehegatten mit Unionsrecht, wie es in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geregelt ist. Dieses ist zwar eine neue Beschränkung im Sinne des Assoziationsrechts EWG-[X.], es ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt, wie dies der [X.] in seinen Urteilen in der Sache [X.] (Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 [[X.]:[X.]:[X.]]) und [X.] (Urteil vom 12. April 2016 - [X.]/14 [[X.]:[X.]:[X.]:2016:247]) als möglich angesehen hat. Denn es dient der Integration der Nachzugswilligen. Dem unionsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit wird durch die während des Klageverfahrens in [X.] getretene Härtefallklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 [X.] Rechnung getragen.

aa) Nach den für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des [X.] (§ 137 Abs. 2 VwGO) verfügt die Klägerin über keinerlei Deutschkenntnisse, was der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug entgegensteht (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]). Sie ist vom Nachweis der erforderlichen Sprachkenntnisse auch nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] befreit, da sie am Spracherwerb nicht wegen Krankheit oder Behinderung gehindert ist. Damit wird der Nachzug der Klägerin zu ihrem Ehemann aber nicht ohne Prüfung von individuellen Härtegründen ausgeschlossen. Vielmehr ist mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung von 27. Juli 2015 ([X.] I S. 1386) die Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 [X.] geschaffen worden. Nach dieser Bestimmung ist die Voraussetzung des Spracherwerbs unbeachtlich, wenn es dem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der [X.]n Sprache zu unternehmen. Diese Gesetzesänderung, die das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt hat, diente der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs in der Sache [X.] vom 10. Juli 2014 ([X.]/13), in dem er die Unvereinbarkeit des Erfordernisses des Nachweises einfacher Kenntnisse der [X.]n Sprache beim Ehegattennachzug mit dem Assoziationsrecht zwischen der [X.] und der [X.] festgestellt hat (für den Anwendungsbereich des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 zum Assoziationsabkommen). Durch die Einführung einer allgemeinen Härtefallklausel sollte den vom Gerichtshof im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Sprachanforderungen geltend gemachten Bedenken Rechnung getragen und sichergestellt werden, dass alle Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden können und bei Vorliegen besonderer Umstände ein Absehen vom Sprachnachweis möglich ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], [X.]. 18/5420 S. 26).

bb) Die Neuregelung trägt den Bedenken des Gerichtshofs in der Rechtssache [X.] bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Regelung zum [X.] ausreichend Rechnung, ohne dass der Senat insoweit Zweifel hegt. Die allgemeine Härtefallklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 [X.] gewährleistet nunmehr, dass der Nachzugsantrag bei Fehlen des Nachweises einfacher Kenntnisse der [X.]n Sprache nicht ohne eine alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Entscheidung abgelehnt werden kann, und verhindert somit, dass fehlende Sprachkenntnisse "automatisch" zur Antragsablehnung führen. Ein Härtefall soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers (entsprechend dem Urteil des [X.]s vom 4. September 2012 - 10 [X.] 12.12 - BVerwGE 144, 141) anzunehmen sein, wenn es dem ausländischen Ehegatten entweder von vornherein nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise nach [X.] Bemühungen zum Erwerb einfacher [X.]r Sprachkenntnisse zu unternehmen, oder es ihm trotz ernsthafter Bemühungen von einem Jahr Dauer nicht gelungen ist, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit des Bemühens um den Erwerb einfacher Sprachkenntnisse können in der Person des Ehegatten oder in äußeren Umständen liegende Gründe sein, z.B. Alter, Gesundheitszustand des Betroffenen, seine kognitiven Fähigkeiten, die Erreichbarkeit von Sprachkursen oder die zumutbare tatsächliche Verfügbarkeit eines Sprachlernangebots (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] [X.]. 18/5420 S. 26).

cc) Das vorlegende Gericht sieht das nach der nunmehr maßgeblichen aktuellen Rechtslage geltende [X.] auch durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 7. November 2013 - [X.]/12 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 41 und vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 - Rn. 37) gerechtfertigt. Der Gerichtshof hat in seiner jüngsten Rechtsprechung (Urteil vom 12. April 2016 - [X.] 561/14 - Rn. 55 f.) eindeutig zu erkennen gegeben, dass das Ziel der Gewährleistung einer erfolgreichen Integration einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Er hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung hingewiesen, die Integrationsmaßnahmen im Rahmen des Unionsrechts beigemessen wird, wie sich aus Art. 79 Abs. 4 A[X.]V und aus mehreren [X.]-Richtlinien (u.a. der Richtlinie 2003/86/[X.] des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ) ergibt. Im Urteil vom 9. Juli 2015 ([X.]-153/14 [[X.]:[X.]:[X.]:2015:453], [X.] und A. - Rn. 53, betreffend die Richtlinie 2003/86/[X.] des Rates vom 22. September 2003) hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, dass gerade der Erwerb von Sprachkenntnissen die Verständigung zwischen Drittstaatsangehörigen und den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats deutlich erleichtert und darüber hinaus die Interaktion sowie die Entwicklung [X.] Beziehungen zwischen ihnen begünstigt. Auch erleichtert der Erwerb von Sprachkenntnissen den Zugang zu Arbeitsmarkt und Berufsausbildung.

Dabei geht es dem Gesetzgeber gerade um einen Beitrag zur Verbesserung der Ausgangslage der Nachziehenden. Schulungen, die erst nach der Einreise einsetzten, wären daher nicht gleich wirksam (vgl. Generalanwältin [X.], Schlussanträge vom 19. März 2015 - [X.]-153/14 [[X.]:[X.]:[X.]:2015:186], [X.] und A. - Rn. 35).

[X.]) Das Verwaltungsgericht hat bisher nicht geprüft, ob im Fall der Klägerin vom Nachweis einfacher Sprachkenntnisse nach der Härtefallregelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 [X.] abgesehen werden kann. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat diese Entscheidung nicht selbst treffen. Sie wird gegebenenfalls nach der Klärung der grundsätzlichen Vereinbarkeit der [X.] mit dem Unionsrecht durch den Gerichtshof und Zurückverweisung des Verfahrens durch das vorlegende Gericht von der Tatsacheninstanz nachzuholen sein.

b) Das vorlegende Gericht sieht indes Klärungsbedarf, ob das nach nationalem Recht bestehende [X.] beim Ehegattennachzug zu einem [X.]n Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen [X.] des Art. 7 [X.] 2/76 vereinbar ist. Die vorgelegten Fragen zur Auslegung von Art. 7 [X.] 2/76 und Art. 13 [X.] 1/80 bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.

aa) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin ohne das erforderliche Visum nach [X.] eingereist ist und dass dies der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach nationalem Recht grundsätzlich entgegensteht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]).

Eine Aufenthaltserlaubnis kann im Grundsatz nur erteilt werden, wenn der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Welches Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im [X.] beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. November 2010 - 1 [X.] 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 19 und vom 11. Januar 2011 - 1 [X.] 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 20). Für längerfristige Aufenthalte, zum Beispiel zum Familiennachzug, ist - vorbehaltlich der u.a. nach § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] möglichen Ausnahmen - ein Visum für das [X.] (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Seine Erteilung richtet sich nach denselben Vorschriften, die für die Erteilung der entsprechenden Aufenthaltserlaubnis gelten (§ 6 Abs. 3 [X.]).

Nach den das vorlegende Gericht bindenden Feststellungen des [X.] beabsichtigte die Klägerin von Anfang an einen Daueraufenthalt, um die Ehe mit ihrem [X.]n Ehemann zu führen. Sie ist aber nicht mit dem danach erforderlichen nationalen Visum (§ 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]), sondern nur mit einem [X.] Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nach [X.] eingereist. Ob von dem Erfordernis eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug im Fall der Klägerin nach § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] abgesehen werden kann, ist [X.] bisher nicht geklärt. Diese Prüfung wird das [X.] gegebenenfalls nach der Entscheidung des Gerichtshofs und Zurückverweisung der Sache durch das vorlegende Gericht nachzuholen haben, sofern der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass die [X.] grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob es der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustands, des geltend gemachten Betreuungsbedarfs sowie unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Visumsverfahrens und der Auswirkungen der vorübergehenden Trennung auf ihre Ehe unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.

bb) Wie der Gerichtshof in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 - Rn. 36) anerkannt hat, kann eine Verschärfung der Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme der Ehegatten [X.]r Staatsangehöriger eine "neue Beschränkung" der Ausübung wirtschaftlicher Freiheiten - hier: der Arbeitnehmerfreizügigkeit - durch diese [X.]n Staatsangehörigen sein und damit in den Anwendungsbereich der assoziationsrechtlichen [X.]n fallen. Das dürfte auch für die Einführung einer [X.] gelten (vgl. etwa [X.], Urteil vom 19. Februar 2009 - [X.]-228/06 [[X.]:[X.]:[X.]:2009:101], [X.] - Rn. 55).

Das vorlegende Gericht hat gleichwohl Zweifel, ob die Einführung der allgemeinen [X.] für [X.] Staatsangehörige, soweit sie den Familiennachzug betrifft, vorliegend von einem assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot erfasst wird (Vorlagefrage 1).

Die [X.] für [X.] Staatsangehörige wurde durch Art. 1 der [X.] zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetztes ([X.]) vom 1. Juli 1980 ([X.] I S. 782) mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführt. Zuvor mussten [X.] Staatsangehörige die Aufenthaltserlaubnis nur dann in der Form des Sichtvermerks vor der Einreise einholen, wenn sie im [X.] eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes <[X.]> vom 10. September 1965 <[X.] I S. 1341>). Die Einführung der [X.] fiel somit in den zeitlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 2/76 und lag vor dem Beginn der Anwendbarkeit des Art. 13 [X.] 1/80 (1. Dezember 1980, vgl. Art. 16 [X.] 1/80). Folglich stellte die [X.], wenn nur Art. 13 [X.] 1/80 anwendbar wäre, keine verbotene Verschlechterung der Rechtsstellung des [X.]n Arbeitnehmers dar.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass zwar grundsätzlich der Beschluss Nr. 2/76 nicht mehr anzuwenden sei, weil der Beschluss Nr. 1/80 für die [X.]n Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen günstigere Regelungen enthalte. Die Übertragbarkeit dieses vom Gerichtshof in der Rechtssache Bozkurt (Urteil vom 6. Juni 1995 - [X.]-434/93 [[X.]:[X.]:[X.]:1995:168] - Rn. 14) für das Verhältnis von Art. 2 [X.] 2/76 und Art. 6 [X.] 1/80 angenommenen Vorrangs des Beschlusses Nr. 1/80 auf die [X.] des Art. 7 [X.] 2/76 bedarf der Klärung. Denn die Folge einer Nichtanwendung wäre, dass sich der Status der Arbeitnehmer verschlechtern könnte, weil alle zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 [X.] 1/80 zum Nachteil des Arbeitnehmers eingetretenen Veränderungen nunmehr zu beachten wären (vgl. in diesem Sinne auch [X.], Beschluss vom 21. Juli 2014 - 11 S 1009/14 - [X.] 2014, 361). Für eine fortbestehende Anwendbarkeit des Art. 7 [X.] 2/76 könnte ferner sprechen, dass mit dem Beschluss Nr. 1/80 eine weitere Verbesserung der Rechtsstellung der [X.]n Staatsangehörigen beabsichtigt war, so dass eine Ersetzung des Beschlusses Nr. 2/76 durch den Beschluss Nr. 1/80 nur bei für den [X.]n Staatsangehörigen günstigeren Regelungen in Betracht käme. Ferner könnte die Rücknahme von durch den Beschluss Nr. 2/76 gewährten Vergünstigungen außerhalb der Kompetenz des Assoziationsrates liegen (vgl. in diesem Sinne [X.], in: GK-[X.], Kommentar, Stand: Januar 2017, Art. 13 [X.] 1/80 Rn. 3). Die Anwendbarkeit des Art. 7 [X.] 2/76 könnte sich weiter daraus ergeben, dass sich nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum [X.] 1/80 Erschwernisse im Bereich der Familienzusammenführung als Verschlechterung der Rechtsstellung des [X.]n Arbeitnehmers erweisen können (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 - Rn. 34 f.) mit der Folge, dass Art. 13 [X.] 1/80, der die Familienangehörigen erstmals erwähnt, zwar erstmals auch eigene Rechte der Familienangehörigen begründet, aber Art. 7 [X.] 2/76 für diejenigen Fälle weiterhin Anwendung findet, in denen es um die originäre Rechtsstellung des ordnungsgemäß beschäftigten [X.]n Arbeitnehmers geht. Die [X.] Bundesregierung tendierte in einer Antwort vom 2. Februar 2011 auf eine parlamentarische Anfrage ebenfalls zur einer parallelen Anwendbarkeit beider [X.]n ([X.]. 17/4623 S. 5).

Dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Bozkurt (Urteil vom 6. Juni 1995 - [X.]-434/93 - Rn. 14) könnte möglicherweise aber auch die weitergehende Aussage zu entnehmen sein, dass der Beschluss Nr. 1/80 (insbesondere die Vorschriften des [X.]) zu einer Erweiterung der Rechtsstellung des [X.]n Arbeitnehmers geführt hat und daher die (gegenüber den Regelungen des Beschlusses Nr. 2/76 insgesamt günstigeren) Regelungen des Beschlusses Nr. 1/80 ab dessen Inkrafttreten bzw. Anwendbarkeit an die Stelle der (insgesamt ungünstigeren) Bestimmungen des Beschlusses Nr. 2/76 getreten sind, die [X.] des Art. 7 [X.] 2/76 also vollständig durch Art. 13 [X.] 1/80 ersetzt wurde. Für eine vollständige Ersetzung des Art. 7 [X.] 2/76 könnte zudem die Tatsache anzuführen sein, dass in Art. 13 [X.] 1/80 erstmals die Familienangehörigen Erwähnung finden und der Fragenkomplex des Familiennachzugs noch nicht Gegenstand des Beschlusses Nr. 2/76 war. Mit der Einbeziehung der Familienangehörigen in Art. 13 [X.] 1/80 sollte Schritt in Richtung weitergehende Integration unternommen werden.

Bei der Beantwortung der Frage, ob Art. 7 [X.] 2/76 fortgilt, könnten auch Art. 59 Abs. 1a und Art. 30 Abs. 3 des [X.] Überkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ([X.] Vertragsrechtskonvention - [X.]) zu berücksichtigen sein. Zwar findet die [X.] Vertragsrechtskonvention in ihrer Eigenschaft als [X.] nur auf Verträge zwischen [X.] Anwendung und nicht, wie im Falle des Assoziationsabkommens, auf Übereinkommen zwischen [X.] und anderen Völkerrechtssubjekten. Eine Anwendbarkeit der genannten Regelungen könnte sich jedoch gemäß Art. 3 Buchst. b [X.] daraus ergeben, dass diese Ausprägungen des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts sind (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 1999 - [X.]-416/96 [[X.]:[X.]:[X.]:1999:107], [X.] - Rn. 47). Die Beklagte schließt vorliegend aus Art. 59 Abs. 1 Buchst. a [X.], dass Art. 7 [X.] 2/76 nach dem Inkrafttreten des Art. 13 [X.] 1/80 keine Anwendung mehr finde. Nach jener Vorschrift gilt ein Vertrag als beendet, wenn alle Vertragsparteien später einen sich auf denselben Gegenstand beziehenden Vertrag schließen und aus dem späteren Vertrag hervorgeht oder anderweitig feststeht, dass die Vertragsparteien beabsichtigen, den Gegenstand durch den späteren Vertrag zu regeln.

Ungeachtet dessen neigt der Senat dazu, die Frage in konsequenter Übertragung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu bejahen. Es wäre wenig einleuchtend, dass dieselbe Formulierung ("... dürfen für Arbeitnehmer ... keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen") in beiden Bestimmungen unterschiedlich zu interpretieren sein sollte.

cc) [X.] ist in diesem Zusammenhang auch die Frage (Vorlagefrage 2), ob die auf der Grundlage des Art. 13 [X.] 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs in vollem Umfang auf die Anwendung des Art. 7 [X.] 2/76 übertragen werden kann mit der Folge, dass diese [X.] einem nach ihrem Inkrafttreten eingeführten nationalen [X.] für den Ehegattennachzug zu einem [X.]n Arbeitnehmer entgegensteht. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil die Einbeziehung von Regelungen über die Familienzusammenführung in den Anwendungsbereich der [X.] und deren Anerkennung als (mittelbare) neue Beschränkungen des [X.]n Arbeitnehmers (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2016 - [X.]/14 - Rn. 44) erst auf der Grundlage des Beschlusses Nr. 1/80 erfolgt sind und auch sonst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Reichweite und Wirkungen assoziationsrechtlicher Regelungen sich erst nach dem [X.] 1/80 entwickelt hat.

[X.]) Sollte die Anwendbarkeit der [X.] des Art. 7 [X.] 2/76 zu bejahen sein, bedarf der Klärung, ob eine nationale Regelung, mit der der Ehegattennachzug zu einem [X.]n Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwanderungskontrolle und der Steuerung der Migrationsströme, gerechtfertigt ist (Vorlagefrage 3).

Dass die Assoziation nach Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] für die Übergangsphase der Assoziation ([X.] [X.]) auf eine schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit angelegt ist, dürfte die Anerkennung der Einwanderungskontrolle als zwingenden Grund des Allgemeininteresses für sich allein nicht hindern. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 7. November 2013 - [X.]/12 - Rn. 41) bereits entschieden, dass das Ziel, die rechtswidrige Einreise und den rechtswidrigen Aufenthalt zu verhindern, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Auch dürfte im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass der Gerichtshof bei der Anerkennung zwingender Gründe des Allgemeininteresses keine allzu strengen Maßstäbe anlegt und den Mitgliedstaaten hierbei einen gewissen Handlungsspielraum lässt (Generalanwalt [X.], Schlussanträge vom 15. Dezember 2016 - [X.]-652/15 [[X.]:[X.]:[X.]:2016:960], Tekdemir - Rn. 16). Die wirksame Steuerung der Migrationsströme ist ein unionsrechtlich legitimes Ziel (vgl. Art. 79 Abs. 1 A[X.]V). Wie § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] zum Ausdruck bringt, liegt das Ziel der wirksamen Einwanderungssteuerung auch dem nationalen Recht zugrunde.

Der [X.] Gesetzgeber hat die [X.] für [X.] Staatsangehörige für erforderlich gehalten, weil zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.] ein wirtschaftliches und soziales Gefälle bestehe und dem hieraus resultierenden [X.] wirksam nur mit Hilfe einer Sichtvermerkspflicht begegnet werden könne ([X.]. 11/3748 S. 1; [X.]. 10/2773 S. 5). Das für die Einreise zum Ehegattennachzug erforderliche Visum soll gewährleisten, dass die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Nachzug bereits vor der Einreise überprüft werden. Dies betrifft insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, den Nachweis einfacher [X.]r Sprachkenntnisse, die Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, sowie den ordnungsgemäßen Aufenthalt des anderen Ehegatten (Arbeitnehmers) in [X.]. Nur durch eine präventive Überprüfung dieser Voraussetzungen vor der Einreise lassen sich Belastungen für den Staat vermeiden, die mit der Notwendigkeit verbunden sind, [X.] Staatsangehörige, die die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllen, aus dem Mitgliedstaat zu entfernen. Ein für kurzfristige Aufenthalte erteiltes Schengen-Visum, mit dem die Klägerin hier eingereist ist, erfüllt diesen Zweck nicht; denn bei seiner Erteilung wird nicht geprüft, dass die Voraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt zum Zwecke des Familiennachzugs vorliegen. Ein Wegfall des nationalen [X.]ses für den Familiennachzug bei gleichzeitigem Bestehenbleiben der unionsrechtlichen [X.] für Kurzaufenthalte zu Besuchs- oder touristischen Zwecken würde im Übrigen zu praktischen Schwierigkeiten führen: Es müsste dann ad hoc bei Grenzübertritt vor der Zulassung einer visumfreien Einreise geprüft werden, ob ein Familiennachzug glaubhaft beabsichtigt - und dies nicht nur behauptet - wird.

Die [X.] beim Ehegattennachzug erscheint nach alledem zur Erreichung des legitimen Ziels der [X.] erforderlich; auch dürften die mit ihr verbundenen Belastungen für den [X.]n Arbeitnehmer in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel einer wirksamen Einwanderungskontrolle stehen. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass das Visumverfahren nur eine Verzögerung, nicht aber eine dauernde Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens bewirkt (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 [X.] 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 31). Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch im Einzelfall ermöglicht das nationale Recht in § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch eine Härtefallklausel, durch die besonderen Umständen des Einzelfalls, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machen, Rechnung getragen werden kann. Die Einreise ohne das erforderliche Visum führt danach nicht "automatisch" zur Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr ist vor einer derartigen Ablehnung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf eine Nachholung des Visumverfahrens auf Grund besonderer Umstände zu verzichten ist. Bei dieser Entscheidung sind auch die Grundrechte der Betroffenen - namentlich das Recht auf Familienleben nach Art. 8 [X.] bzw. Art. 7 GR-[X.]harta (GR[X.]) - zu berücksichtigen. Allerdings reicht nach der Rechtsprechung des [X.]s allein der Umstand, dass die Eheleute eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, für eine Unzumutbarkeit auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG, Art. 8 [X.] und Art. 7 GR[X.] nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 [X.] 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 34). Hat der nachziehende Ehegatte ohne dies rechtfertigende Gründe das nationale Visumverfahren umgehen wollen, indem er unter unzutreffender Angabe des [X.] mit einem Schengen-Visum eingereist ist, ist es regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Behörde ihr Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu Lasten des Betroffenen ausübt (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 [X.] 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 34 sowie Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 [X.] 15.14 - [X.] 402.242 § 5 [X.] Nr. 16 Rn. 20). Demgegenüber kann die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar sein, wenn ein Ehegatte aufgrund gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungen auf die Lebenshilfe bzw. den persönlichen Beistand des anderen angewiesen ist. Auch sonst lässt die Regelung Raum für die Berücksichtigung anderer Besonderheiten des Einzelfalles.

Meta

1 C 1/16

26.01.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend VG Stuttgart, 13. November 2015, Az: 11 K 3155/15, Urteil

Art 267 AEUV, § 30 Abs 1 S 1 AufenthG, § 30 Abs 1 S 3 Nr 6 AufenthG, § 30 Abs 1 S 3 Nr 2 AufenthG, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 AufenthG, § 6 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 6 Abs 3 AufenthG, § 5 Abs 2 S 2 AufenthG, Art 30 Abs 3 VtrROrgKonv Wien, Art 59 Abs 1a VtrROrgKonv Wien, Art 7 EWGAssRBes 2/76, Art 13 EWGAssRBes 1/80

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 26.01.2017, Az. 1 C 1/16 (REWIS RS 2017, 16570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16570

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19 CE 17.550 (VGH München)

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19 CE 17.550

12 K 3257/18

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