Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2015, Az. VI ZB 36/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11995

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]

vom

28. April 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 269

a)
Im Falle der Rücknahme des Antrags auf Durchführung einer Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren hat die Kosten dieses Verfahrens entspre-chend §
269 Abs.
3 Satz 2 ZPO grundsätzlich der Antragsteller zu tragen.

b)
Der [X.] ist in diesem Fall jedenfalls dann dem [X.] vorbehalten, wenn ein solches anhängig ist und dessen Parteien und Streit-gegenstand mit denjenigen des selbständigen Beweisverfahrens identisch sind.

c)
Die sofortige Beschwerde gegen eine im selbständigen Beweisverfahren ent-sprechend §
269 Abs.
4 Satz 1 ZPO ergangene isolierte Kostengrund-entscheidung wird entsprechend §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO unzulässig, wenn ge-gen den aufgrund dieses Beschlusses ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

[X.], Beschluss vom 28. April 2015 -
VI [X.] -
OLG [X.] in [X.]

LG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 28. April 2015 durch den
Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterinnen Dr. [X.] und Dr. Roloff
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats in [X.] des [X.]s [X.] vom 31. März 2014 wird auf Kosten der Antragstellerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde der Antragstelle-rin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 8. Januar 2014 als unzulässig verworfen wird.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hatte sich beim Antragsgegner zu 2 in der von der Antragsgegnerin zu 1 betriebenen Klinik zwei plastisch-chirurgischen Operatio-nen unterzogen. Mit der Behauptung, beide Eingriffe
seien infolge von Behand-lungsfehlern des Antragsgegners zu 2 misslungen, stellte sie im Februar 2013 beim [X.] den Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverstän-digengutachtens im selbständigen Beweisverfahren. Nachdem sie vom [X.] darauf hingewiesen worden war, dass Bedenken bestünden, ob die von ihr 1
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gestellten Beweisfragen einem selbständigen Beweisverfahren zugänglich [X.], ließ sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erklären, nunmehr ins Hauptsacheverfahren überzugehen, und stellte die entsprechenden Klagean-träge. Mit Beschluss vom 8. Januar 2014 hat ihr das [X.] daraufhin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde, mit der sie begehrte, den landgerichtlichen Beschluss "ersatzlos aufzuheben", hat das [X.] mit Beschluss vom 31. März 2014 zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechts-beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

Mit rechtskräftigem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. Mai 2014 setz-te das [X.] die den [X.] von der Antragstellerin aufgrund des Beschlusses vom 8. Januar 2014 zu erstattenden Kosten auf fest.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.
Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, im Streitfall sei eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren ausnahmswei-se entsprechend §
269 Abs.
3 Satz 2 ZPO geboten. Die entsprechende An-wendung des §
269 Abs.
3 Satz 2 ZPO rechtfertige sich aus der gebotenen Umdeutung der unzulässigen Überleitungsanzeige in eine Antragsrücknahme verbunden mit einer Hauptsacheklage. Die Kostenentscheidung sei
dabei nicht dem rechtshängigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Denn die Verknüpfung des selbständigen Beweisverfahrens mit einer nachfolgenden Hauptsacheklage ergebe sich aus der Gleichstellung der Beweisaufnahme im selbständigen Be-2
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weisverfahren mit der Beweisaufnahme in der Hauptsache und der [X.] wegen eines bezüglich im Hauptsacheverfahren vorgetragener Tatsachen relevanten Beweisergebnisses gemäß §
493 Abs.
1 ZPO.
Die Ver-knüpfung setze damit eine Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren voraus, die im Streitfall nicht stattgefunden habe.

2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung zwar nicht stand (a). Der Rechtsbeschwerde bleibt der Erfolg aber entsprechend §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO versagt (b).

a)
In der Sache zutreffend rügt die Rechtsbeschwerde, dass der ange-fochtene Kostenbeschluss im selbständigen Beweisverfahren nicht hätte [X.] dürfen.

aa)
Den vom Antragsteller erklärten "Übergang"
vom selbständigen Be-weisverfahren in das Hauptsacheverfahren sieht das Prozessrecht nicht vor. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die entsprechende Erklärung des Antragstel-lers deshalb in eine Rücknahme des Antrags auf Durchführung einer Beweis-aufnahme im selbständigen Beweisverfahren und eine davon zu trennende Klageerhebung umgedeutet. Denn auch im Verfahrensrecht gilt in entsprechen-der Anwendung des §
140 BGB der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Partei-handlung in eine zulässige und wirksame Prozesserklärung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten
sind, die Umdeutung dem mutmaßli-chen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des
Gegners entgegensteht (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2010 -
[X.]
[X.], NJW 2011, 1292 Rn.
9 mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ohne Weiteres erfüllt. Insbesondere vermochte die Antragstellerin das von ihr verfolg-te Ziel, das selbständige Beweisverfahren sofort und endgültig zu beenden und 5
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stattdessen das Klageverfahren durchzuführen, nur auf dem vom Beschwerde-gericht angenommenen Weg zu erreichen.

bb)
Im Falle der Rücknahme des Antrags auf Durchführung einer Be-weisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren hat -
was das [X.] ebenfalls noch zutreffend erkannt hat
-
die Kosten dieses Verfahrens in entsprechender Anwendung des §
269 Abs.
3 Satz 2 ZPO grundsätzlich der Antragsteller zu tragen ([X.], Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 -
[X.]
[X.], NJW 2011, 1292 Rn.
10 ff.; vom 10. März 2005 -
VII
ZB 1/04, NJW-RR 2005, 1015). Dies bedeutet aber nicht, dass diese Kostenfolge in jedem Fall noch im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens auszusprechen ist. Ist -
wie im Streitfall
-
ein Hauptsacheverfahren anhängig und sind dessen Parteien und Streitgegenstand mit denjenigen des selbständigen Beweisverfahrens iden-tisch (vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2013 -
[X.]
ZB 61/12, [X.], 353 Rn.
9 mwN), so ist auch dieser [X.] vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ([X.], Beschluss vom 10. März 2005
-
VII
ZB 1/04, aaO, 1016) und dort -
ggf. unter Anwendung von §
96 ZPO (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 -
[X.]
ZB 61/12, aaO Rn.
19; vom 9.
Februar 2006 -
VII
ZB 59/05, NJW-RR 2006, 810 Rn.
14)
-
auch möglich. Die vom Beschwerdegericht in Bezug genommene Entscheidung des [X.]. Zivilse-nats vom 7. Dezember 2010
([X.] [X.], aaO) und die Entscheidung des VII.
Zivilsenats vom 24. Februar 2011 ([X.], NJW-RR 2011, 932) ste-hen dem nicht entgegen. Denn mit der
hier gegebenen Fallgestaltung, dass ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist, befassen sie sich nicht.

b)
Dennoch muss der Rechtsbeschwerde der Erfolg versagt bleiben. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist inzwischen nämlich entsprechend §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO unzulässig geworden, so dass sie im Falle der Aufhe-8
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bung der angefochtenen
Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO) von diesem zwingend als unzulässig zu verwerfen wäre.

aa) Nach §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO ist die Beschwerde gegen einen Be-schluss nach §
269 Abs.
4 Satz 1 ZPO unzulässig, wenn gegen den aufgrund dieses Beschlusses ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist. Die Vorschrift gilt entsprechend, wenn Beschwerdege-genstand nicht eine Kostengrundentscheidung nach einer Klagerücknahme, sondern eine Kostengrundentscheidung nach der Rücknahme eines Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist. Denn ein Grund, in diesem Fall zwar §
269 Abs.
3 Satz 1, Abs.
4 und Abs.
5 Satz 1 ZPO entspre-chend anzuwenden, nicht aber §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO, ist nicht ersichtlich. Im Streitfall haben die Antragsgegner auf der Grundlage des angefochtenen land-gerichtlichen Beschlusses einen zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt. Die Voraussetzungen des §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO sind mithin erfüllt.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht entgegen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss erst erging und rechtskräftig wurde, nachdem die sofortige Beschwerde gegen den die Kostengrundent-scheidung enthaltenden Beschluss des [X.]s vom 8. Januar 2014 ein-gelegt worden war. Denn §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO greift nicht nur dann, wenn bereits bei Einlegung der Beschwerde ein rechtskräftiger Kostenfestsetzungs-beschluss vorliegt, sondern auch dann, wenn dieser erst später ergeht und rechtskräftig wird (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
269 Rn.
20; anders wohl [X.], [X.]. 2002, 125, 136; [X.], [X.] 2002, 509, 510). Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen 10
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einer Beschwerde im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung gegeben sein müssen (Hk-ZPO/[X.], 6.
Aufl., §
572 Rn.
9; [X.] in [X.]/[X.],
ZPO,
36.
Aufl., §
572 Rn.
14). Für §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO gelten
insoweit keine [X.].

Soweit die Rechtsbeschwerde dem Wortlaut des §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO anderes entnimmt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dem von der Rechtsbeschwerde angeführten
Umstand, dass die Beschwerde nach dem Ge-setzeswortlaut im Falle eines rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses unzulässig "ist"
und nicht "wird", kann zum einen bereits bei isolierter Betrach-tung keine Aussage zum für die Prüfung relevanten Zeitpunkt entnommen wer-den; zum anderen spricht die amtliche Begründung des der Vorschrift des §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO zugrundeliegenden Gesetzentwurfs -
anders als der dort schon enthaltene Gesetzeswortlaut
-
davon, dass die Beschwerde unzulässig "
nicht mehr zulässig ist"
(BT-Drucks. 14/4722 S. 81). Auch der historische Ge-setzgeber hat den Wörtern "ist"
und "wird"
insoweit also keine unterschiedliche Bedeutung beigemessen.

cc)
Auch der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde, der Sinn der [X.] des §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO sei nicht einzusehen, weil die Kostengrun-dentscheidung grundsätzlich Vorrang vor der Kostenfestsetzung habe und nicht umgekehrt, führt nicht dazu, dass §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO nicht anzuwenden ist. Zwar verliert ein Kostenfestsetzungsbeschluss nach allgemeiner
Regel sei-ne Wirkung, wenn die Kostengrundentscheidung, auf der er beruht, nachträglich wegfällt (Hk-ZPO/Gierl, 6.
Aufl., §
103 Rn.
5; [X.]/[X.],
ZPO,
30.
Aufl., §
104 Rn.
21 "Wegfall des Titels"; vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. Januar 2007 -
VI
ZB 61/06, [X.], 519 Rn.
3). Grundsätzlich ist also der Kosten-12
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festsetzungsbeschluss abhängig von der Kostengrundentscheidung und nicht umgekehrt die Kostengrundentscheidung vom Kostenfestsetzungsbeschluss. Dies führt aber nicht dazu, dass die (eindeutige) gesetzliche Regelung des §
269 Abs.
5 Satz 2 ZPO unbeachtlich ist. Der Gesetzgeber war nicht daran gehindert, die Zulässigkeit von Beschwerden gegen Entscheidungen nach §
269 Abs.
4 ZPO -
als Ausnahme von der allgemeinen Regel
-
wie geschehen zu begrenzen.

Galke
[X.]

[X.]

[X.]
Roloff
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 08.01.2014 -
1 OH 7/13 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 31.03.2014 -
13 W 10/14 -

Meta

VI ZB 36/14

28.04.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2015, Az. VI ZB 36/14 (REWIS RS 2015, 11995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11995

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VI ZB 36/14

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